Urteil des BGH vom 04.09.2014

BGH: überwiegendes interesse, zwangsvollstreckung, auskunft, koch, stufenklage, serie, rechnungslegung, eng, hauptsache, daten

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I Z R 3 0 / 1 4
vom
4. September 2014
in der Zwangsvollstreckungssache
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2014
durch die Richter Dr. Koch, Pokrant, Prof. Dr. Schaffert und Dr. Löffler und die
Richterin Dr. Schwonke
beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil
des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Januar
2014 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Beklagte betreibt einen privaten Fernsehsender. In ihrem Haupt-
programm wird seit dem Jahr 1996 die Serie "Alarm für Cobra 11 - Die Auto-
bahnpolizei" ausgestrahlt. Der Kläger war für diese Serie als Drehbuchautor
und als mit der Buchentwicklung und Koordination der Beiträge anderer Autoren
befasster "Headwriter" tätig. Für seine Leistungen und die Einräumung von
Nutzungsrechten erhielt er Pauschalvergütungen. Mit seiner Stufenklage bean-
sprucht der Kläger eine weitere angemessene Beteiligung an den Erträgnissen
und Vorteilen der Beklagten aus der Nutzung seiner Werke.
Das Landgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Auf die Be-
rufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte auf der ersten Stufe
verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Brutto-
einnahmen, erhaltene Finanzierungshilfen sowie über Daten, Uhrzeiten und
Sendeplätze der im einzelnen bezeichneten Sendefolgen (OLG Köln, GRUR-
RR 2014, 323). Es hat der Beklagten gestattet, die Auskunft und Rechnungsle-
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gung gegenüber einer vom Kläger auszuwählenden und von der Beklagten zu
bezahlenden, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Person zu erbringen,
die berechtigt und verpflichtet ist, dem Kläger die mit den Serienfolgen erzielten
Bruttoeinnahmen der Beklagten mitzuteilen und Fragen zu ihrer Ermittlung und
Überprüfung zu beantworten. Das Berufungsgericht hat das Urteil für vorläufig
vollstreckbar erklärt und ausgesprochen, dass die Beklagte die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung abwenden kann, wenn nicht der Kläger vor der Voll-
streckung seinerseits Sicherheit leistet.
Nachdem die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die vom
Berufungsgericht festgesetzte Sicherheit geleistet hatte, hat der Kläger seiner-
seits die geforderte Sicherheit geleistet und die Beklagte unter Fristsetzung
aufgefordert, die ausgeurteilte Auskunft zu erteilen. Für den Fall des fruchtlosen
Ablaufs der Frist hat der Kläger die Zwangsvollstreckung angekündigt.
Die Beklagte, die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Be-
rufungsgericht Beschwerde eingelegt hat, beantragt die einstweilige Einstellung
der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil.
Der Kläger ist dem Antrag entgegengetreten.
II. Der Einstellungsantrag der Beklagten ist unbegründet.
1. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil, in dem die
Revision nicht zugelassen worden ist, Revision eingelegt, ordnet das Revisi-
onsgericht auf Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO die einstweilige Einstellung der
Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu
ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des
Gläubigers entgegensteht. Bei Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist
diese Bestimmung entsprechend anwendbar (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Die
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Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten
Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht
(BGH, Beschluss vom 25. April 2012 - I ZR 136/11, GRUR 2012, 959 Rn. 5
- Regalsystem für den Ladenbau).
2. Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, dass die Vollstreckung des
Urteils des Berufungsgerichts für sie einen nicht zu ersetzenden Nachteil brin-
gen würde.
a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, ein nicht zu ersetzender
Nachteil liege darin, dass die Vollstreckung des Auskunftstenors die vollständi-
ge Vorwegnahme der Hauptsache bedeute und ihre Folgen auch bei einem Er-
folg der zuzulassenden Revision nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Allein
der Umstand, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnehmen
würde, ist kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO (BGH,
Beschluss vom 6. Juli 1979 - I ZR 55/79, GRUR 1979, 807 = WRP 1979, 715
- Schlumpfserie; Beschluss vom 9. November 1995 - I ZR 220/95, GRUR 1996,
78 = WRP 1996, 107 - Umgehungsprogramm; Beschluss vom 28. März 1996
- I ZR 14/96, GRUR 1996, 512 = WRP 1996, 743 - Fehlender Vollstreckungs-
schutzantrag II; Beschluss vom 8. Januar 1999 - I ZR 299/98, NJWE-WettbR
1999, 238, 239).
b) Ohne Erfolg macht die Beklagte auch geltend, die geforderten Aus-
künfte beträfen Geschäftsgeheimnisse der Beklagten. Das Berufungsgericht ist
zutreffend davon ausgegangen, dass einem Geheimhaltungsinteresse der Be-
klagten durch die Gestattung Rechnung getragen wird, die Auskunft und Rech-
nungslegung gegenüber einer vom Kläger auszuwählenden zur Berufsver-
schwiegenheit verpflichteten Person zu erbringen. Ein solcher Vorbehalt ist
grundsätzlich hinreichend, um ein Geheimhaltungsinteresse des Schuldners zu
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wahren (vgl. BGH, GRUR 1997, 807 - Schlumpfserie; BGH, Beschluss vom
15. Mai 1997 - KZR 11/97, NJWE-WettbR 1997, 230, 231; BGH, NJWE-WettbR
1999, 238, 239).
c) Die Beklagte hält den vom Berufungsgericht ausgesprochenen Vorbe-
halt allerdings für unzureichend, weil die Auskunft und Rechnungslegung ge-
genüber einer vom Kläger auszuwählenden und zur Berufsverschwiegenheit
verpflichteten Person zu erbringen sei. Sie macht insoweit geltend, der Kläger
habe eine mit ihm gewiss gut bekannte Rechtsanwältin benannt, zu der sie, die
Beklagte, in keinerlei Kontakt oder gar vertraglichen Beziehungen stehe. Nichts
gewährleiste ihr, dass ihrem Geheimhaltungsinteresse Genüge getan werde,
wenn sie der vom Kläger benannten Rechtsanwältin die gewünschte Auskunft
erteile und Rechnung lege.
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Damit dringt die Beklagte nicht durch. Das Geheimhaltungsinteresse des
Schuldners wird durch die Verschwiegenheitsverpflichtung der Empfangsperson
gewährleistet. Greifbare Anhaltspunkte, dass die vom Kläger benannte Rechts-
anwältin ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung zuwiderhandeln wird, hat die Be-
klagte weder dargetan noch gemäß § 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO glaubhaft ge-
macht.
Koch
Pokrant
Schaffert
Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 07.05.2013 - 33 O 836/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.01.2014 - 6 U 86/13 -
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