Urteil des BGH vom 08.10.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 61/12
vom
8. Oktober 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 91
Zur Festsetzung der Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens als Gerichtskos-
ten des nachfolgenden - von einem Rechtsschutzversicherer in Prozessstandschaft
für seine Versicherungsnehmer geführten - Hauptsacheverfahrens.
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 61/12 - LG Berlin
AG Berlin-Schöneberg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger
und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der
Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 19. September 2012
wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu
tragen.
Beschwerdewert: 5.222,90 €
Gründe:
I.
Die Versicherungsnehmer der Klägerin führten vor dem Amtsgericht
Schöneberg ein selbständiges Beweisverfahren wegen Mängeln des von ihnen
gemieteten Hauses gegen den Beklagten als ihren Vermieter. Die Klägerin ver-
auslagte in dem selbständigen Beweisverfahren für ihre Versicherungsnehmer
als deren Rechtsschutzversicherer Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren so-
wie Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 5.222,90 €. Eine Kosten-
grundentscheidung im selbständigen Beweisverfahren erging nicht.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten zunächst Klage auf Zahlung von
5.222,90
€ erhoben. Auf Hinweis des Amtsgerichts, ein auf die Klägerin über-
gegangener Schadensersatzanspruch sei derzeit nicht schlüssig dargelegt, hat
diese die Klage umgestellt und beantragt festzustellen, dass der Beklagte zur
Beseitigung der in dem selbständigen Beweisverfahren mit Gutachten vom
7. Dezember 2007 festgestellten Mängel verpflichtet war. Das Amtsgericht hat
die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung
eingelegt, mit der sie ihren Feststellungsantrag als Hauptantrag aufrechterhal-
ten und hilfsweise ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag wieder aufgegriffen
hat. Das Landgericht hat mit Urteil vom 31. Mai 2011 das amtsgerichtliche Urteil
abgeändert und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die Kosten des
Rechtsstreits hat es dem Beklagten auferlegt und den Streitwert auf 5.222,90
festgesetzt.
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das Amtsgericht als
Teil der von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf Antrag
der Klägerin auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in Höhe von
5.222,90
€ festgesetzt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Be-
klagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen. Mit der vom
Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte wei-
terhin die Zurückweisung des Antrags der Klägerin auf Festsetzung der Kosten
des selbständigen Beweisverfahrens.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im
Übrigen zulässig (§ 575 ZPO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesent-
lichen ausgeführt:
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens
in Höhe von 5.222,90 €
seien Kosten des hiesigen Rechtsstreits und damit von der Kostengrundent-
scheidung des Urteils des Landgerichts vom 31. Mai 2011 umfasst. Die Identität
des Streitgegenstands sei gegeben, weil beide Verfahren Mängel des vom Be-
klagten gemieteten Hauses betroffen hätten. Damit wären die damaligen An-
tragsteller des selbständigen Beweisverfahrens berechtigt gewesen, durch eine
Feststellungsklage wie die hiesige einen Kostentitel herbeizuführen, der dann
auch die Kosten des als notwendig anzusehenden Beweisverfahrens umfasst
hätte.
Der gesetzliche Übergang des materiell-rechtlichen Kostenerstattungs-
anspruchs nach § 86 VVG ändere daran nichts. Dass die Klage von der in das
Verhältnis eingetretenen Versicherung erhoben worden sei, stehe der Perso-
nenidentität nicht entgegen. Die Kosten eines unter Beteiligung des ursprüngli-
chen Gläubigers vor der späteren Abtretung geführten selbständigen Beweis-
verfahrens würden von der Kostenentscheidung in dem vom neuen Gläubiger
gegen den Schuldner geführten Rechtsstreit erfasst. Was für die freiwillige Zes-
sion gelte, müsse erst recht für den gesetzlichen Forderungsübergang gelten.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Zutreffend geht das Landgericht von dem Grundsatz aus, dass die
Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des anschließen-
den Hauptsacheverfahrens gehören und von der darin getroffenen Kostenent-
scheidung dann umfasst werden, wenn Parteien und Streitgegenstand des
Hauptsacheverfahrens mit denen des Beweisverfahrens identisch sind (BGH,
Beschluss vom 10. Januar 2007 - XII ZB 231/05, NJW 2007, 1282 Rn. 9; BGH,
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Beschluss vom 21. Oktober 2004 - V ZB 28/04, NJW 2005, 294 unter III 1;
BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - VII ZB 9/03, NJW-RR 2004, 1651 unter II).
Auch trifft es zu, dass die einseitige Erklärung des Antragstellers, ein
selbständiges Beweisverfahren sei in der Hauptsache erledigt, keine Kosten-
grundentscheidung gegen den Antragsteller ermöglicht; denn in diesem Verfah-
ren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung (BGH, Beschluss vom
12. Februar 2004 - V ZB 57/03, NJW-RR 2004, 1005 unter III 1 mwN). Nimmt
der Antragsgegner nach der Erhebung des beantragten Beweises eine Hand-
lung vor, die das Interesse des Antragstellers entfallen lässt, den Antragsgeg-
ner hierauf klageweise in Anspruch zu nehmen, steht dem Antragsteller jedoch
die Klage auf Feststellung offen, dass der Antragsgegner zu der vorgenomme-
nen Handlung verpflichtet war; obsiegt er in diesem Verfahren, erreicht er eine
Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens
umfasst (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZB 57/03, aaO unter III 2).
b) Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht aufgrund des der Fest-
stellungsklage stattgebenden Urteils des Landgerichts vom 31. Mai 2011 die
Kosten des selbständigen Beweisverfahrens mit Recht als Teil der Kosten des
Feststellungsrechtsstreits gegen den Beklagten festgesetzt.
aa) Die Feststellungsklage und das ihr vorangegangene selbständige
Beweisverfahren betreffen in der Sache denselben Gegenstand, nämlich Män-
gel des von den Versicherungsnehmern der Klägerin gemieteten Hauses und
die Feststellung der aus dem Mietverhältnis folgenden Beseitigungspflicht des
Beklagten gegenüber den Versicherungsnehmern der Klägerin in Bezug auf
diese Mängel. Das stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es nicht an
der erforderlichen Identität der Parteien des selbständigen Beweisverfahrens
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und des Hauptsacheverfahrens. Zwar hat anstelle der Versicherungsnehmer
der Klägerin, die das selbständige Beweisverfahren betrieben haben, die Kläge-
rin selbst Klage auf Feststellung erhoben, dass der Beklagte - gegenüber ihren
Versicherungsnehmern - zur Beseitigung der Mängel verpflichtet war. Das steht
der Kostenfestsetzung aber nicht entgegen.
(1) Allerdings lässt sich die Identität der Parteien des selbständigen Be-
weisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens entgegen der Auffassung des
Beschwerdegerichts nicht aus § 86 VVG herleiten. Denn die Klägerin ist nicht
Rechtsnachfolgerin ihrer Versicherungsnehmer hinsichtlich des Mangelbeseiti-
gungsanspruchs geworden, dessen Feststellung sie mit ihrer Klage begehrt.
Nach § 86 VVG gehen lediglich Ansprüche über, die dem versicherten
Risiko entsprechen, im Fall einer Rechtsschutzversicherung also materiell-
rechtliche und prozessuale Kostenerstattungsansprüche, nicht aber ein miet-
rechtlicher Mangelbeseitigungsanspruch des Versicherungsnehmers. Die Klä-
gerin hat einen nach § 86 VVG übergangsfähigen (materiell-rechtlichen) Kos-
tenerstattungsanspruch ihrer Versicherungsnehmer hinsichtlich der Kosten des
selbständigen Beweisverfahrens mit ihrer ursprünglichen Zahlungsklage zu-
nächst auch geltend gemacht, ist dann aber zu einer Klage auf Feststellung der
Beseitigungspflicht des Beklagten übergegangen, um hinsichtlich der Kosten
des selbständigen Beweisverfahrens eine Kostengrundentscheidung und damit
einen die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens umfassenden pro-
zessualen Kostenerstattungsanspruch zu erwirken. Dieser prozessuale Kosten-
erstattungsanspruch ist mit Klageerhebung - aufschiebend bedingt - originär in
der Hand der Klägerin entstanden und nicht gemäß § 86 VVG von den Versi-
cherungsnehmern der Klägerin auf diese übergegangen. Da eine Rechtsnach-
folge nach § 86 VVG insoweit nicht eingetreten ist, kann diese Bestimmung
nicht zur Begründung der Parteiidentität herangezogen werden.
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(2) Jedoch hat die Klägerin, wie sich aus ihrem Antrag und dem Tenor
des landgerichtlichen Urteils im Hauptsacheverfahren ergibt, fremde Rechte
- nämlich die Feststellung des Beseitigungsanspruchs ihrer Versicherungsneh-
mer gegenüber dem Beklagten aus deren Mietverhältnis - im eigenen Namen
und damit in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht. Das reicht aus,
um eine Identität der Parteien des selbstständigen Beweisverfahrens und des
Hauptsacheverfahrens anzunehmen. Die Klage in zulässiger Prozessstand-
schaft steht für die Zwecke der Kostenfestsetzung der Klage des materiellen
Rechtsinhabers gleich (vgl. OLG Karlsruhe, JurBüro 1986, 1087; Riedel/
Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 81; Gerold/
Schmidt/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Aufl., Anhang III
Rn. 48; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 124).
Aufgrund des der Klage stattgebenden Urteils im Hauptsacheverfahren
vom 31. Mai 2011 steht fest, dass die Feststellungsklage zulässig war und also
auch die Voraussetzungen für die gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin
vorgelegen haben, insbesondere das schutzwürdige Eigeninteresse der Kläge-
rin an der Erwirkung einer Kostengrundentscheidung gegen den Beklagten und
die Ermächtigung zur Prozessführung seitens ihrer Versicherungsnehmer. Im
Kostenfestsetzungsverfahren findet eine erneute Prüfung der Zulässigkeit der
Klage nicht statt.
bb) Vergeblich macht die Rechtsbeschwerde schließlich noch geltend,
die Kosten des Beweisverfahrens seien jedenfalls keine notwendigen Kosten im
Sinne des § 91 ZPO, weil die Durchführung eines selbständigen Beweisverfah-
rens wegen einer bereits vor Einleitung des Beweisverfahrens erfolgten Zusage
des Beklagten, die Mängel zu beseitigen, nicht erforderlich gewesen sei.
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Die (gerichtlichen) Kosten des selbständigen Beweisverfahrens stellen
Gerichtskosten, keine außergerichtlichen Kosten des nachfolgenden Haupt-
sacheverfahrens dar (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2002 - VIII ZB
97/02, NJW 2003, 1322 unter [II] 3 a; vom 24. Juni 2004 - VII ZB 34/03, NZBau
2005, 44 unter 2). Die teilweise oder vollständige Überflüssigkeit eines selb-
ständigen Beweisverfahrens muss im Hauptsacheverfahren geltend gemacht
werden und kann - in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO - zu einer dies
berücksichtigenden Kostenentscheidung führen. Hat das Gericht der Hauptsa-
che - wie hier - von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, scheidet eine
Korrektur der Kostengrundentscheidung im Wege der Kostenfestsetzung aus;
es sind dann die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ent-
sprechend dem Kostenausspruch von der unterlegenen Partei zu tragen (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2006 - VII ZB 59/05, NJW-RR 2006, 810
Rn. 14 f.; vom 24. Juni 2004 - VII ZB 34/03, aaO; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe,
aaO Anhang III Rn. 34 f., 64; Werner/Pastor, aaO Rn. 126).
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 29.05.2012 - 18 C 381/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 19.09.2012 - 82 T 330/12 -
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