Urteil des BGH vom 21.08.2014

BGH: sitz im ausland, beweisantrag, strafbare handlung, firma, verkehr, überzeugung, ingenieur, unternehmen, kauf, beweismittel

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 1 3 / 1 4
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts München I vom 6. August 2013 mit den Feststellun-
gen aufgehoben.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbe-
zeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinter-
ziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts ge-
stützte Revision des Angeklagten hat bereits mit einer Verfahrensrüge in vollem
Umfang Erfolg. Auch das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die
näher ausgeführte Sachrüge gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte
Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das von dem Generalbundesanwalt vertre-
ten wird, hat Erfolg.
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A.
I.
Sämtlichen Taten liegt nach den Feststellungen im Kern zugrunde, dass
der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Steuerberater zwölf Mandanten bei
deren im Zusammenhang mit einem sog
enannten „Honorarsplitting“ begange-
nen Einkommensteuerhinterziehungen unterstützte, indem er ihre Einkommen-
steuererklärungen fertigte.
1. Hierzu ist Folgendes festgestellt:
Die Mandanten des Angeklagten waren ausländische IT-Ingenieure, die
für Firmen in Deutschland auf selbständiger Basis IT-Ingenieurleistungen - mit
Ausnahme der Fälle B.IX der Urteilsgründe für die Firma O.
OHG (im Folgenden: O. ) - erbracht hatten und zu dieser Zeit in Deutsch-
land wohnhaft waren. Die IT-Ingenieure hatten ihre Leistungen nicht direkt ge-
genüber den Kunden abgerechnet, für die sie tätig geworden waren. Vielmehr
hatten sie sich hierzu einer „Abrechnungsagentur, einer sogenannten Mana-
gement Company“ mit Sitz im Ausland bedient. Bei den für O. tätigen
IT-Ingenieuren handelte es sich um die Firma P. SA mit Sitz
in G. (im Folgenden: P. ), im Übrigen um die in D. bzw. L. an-
sässige Firma I. C. (im Folgenden: I. ).
Bei im Detail unterschiedlichen Abläufen ging das Honorar des IT-Inge-
nieurs zunächst auf einem Konto der von ihm eingeschalteten Abrechnungs-
agentur ein. Die Abrechnungsagentur splittete sodann, wie mit dem IT-Inge-
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nieur vereinbart, das Honorar, indem sie nur einen Teil auf ein inländisches
Konto des IT-Ingenieurs überwies, den (größeren) Restbetrag jedoch abzüglich
einer Verwaltungsgebühr auf ein ausländisches Bankkonto des IT-Ingenieurs
leitete oder - so in den Fällen der Einschaltung der P. - auf ein ausländisches
Bankkonto („Cash Management Account“) der P. selbst transferierte und dort
für den IT-Ingenieur anlegte. Auch in diesen Fällen konnte der IT-Ingenieur
das auf dem „Cash Management Account“ befindliche Guthaben abrufen. Die
IT-Ingenieure erklärten in den vom Angeklagten erstellten Steuererklärungen
lediglich denjenigen Honoraranteil, der auf ihren inländischen Konten einge-
gangen war. Der auf den ausländischen Konten verbliebene Anteil wurde in
den Steuererklärungen hingegen nicht erfasst. Dadurch bewirkten die IT-Inge-
nieure, dass Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt
1.252.898,58 Euro verkürzt wurden.
Der Angeklagte war von den „verfahrensgegenständlichen“ IT-Inge-
nieuren weder über die tatsächliche Höhe ih
rer Honorare noch über das „Hono-
rarsplitting“ informiert worden. Dennoch wusste er „zumindest ab Ende Februar
2001, dass die verfahrensgegenständlichen IT-Ingenieure die Management
Companies, P. bzw. I. C. (....) allein deshalb ein-
schalteten, um ihre Honorare zu splitten, d.h. um nur einen Teil der von ihnen
tatsächlich in Deutschland erzielten Honorare gegenüber den Finanzbehörden
anzugeben und den restlichen, nicht unerheblichen Teil unversteuert ins
Ausland zu transferieren. Er rechnete deshalb bei Abgabe der Steuererklärun-
gen jeweils mit der Möglichkeit und nahm billigend in Kauf, dass nicht unerheb-
liche Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden nicht angegeben wurden“
(UA S. 8, 66).
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2. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte entge-
gen seiner Einlassung vorsätzlich handelte, neben weiteren Indizien auf seinen
E-Mail-Verkehr mit anderen ausländischen Selbständigen, die für deutsche Un-
ternehmen Leistungen erbrachten, insbesondere dem Zeugen H. , gestützt.
Diese E-
Mails belegten, dass der Angeklagte „wusste, dass es keinen anderen
Grund für die Einschaltung einer Management Company gab, als Steuern zu
sparen bzw. eine vollumfängliche Besteuerung zu vermeiden“ (UA S. 80). Als
gewichtiges Indiz hat das Landgericht dabei unter anderem gewertet, dass der
Angeklagte den Zeugen H. darauf hingewiesen hatte, dass das an die
„Management Company“ - wobei es sich weder um P. noch um I. handel-
te -
weitergeleitete Honorar in „Deutschland nicht erkennbar sein sollte“.
II.
Die Revision des Angeklagten greift bereits mit einer Verfahrensrüge
durch. Eines Eingehens auf die weiteren im Rahmen der Sachrüge erhobenen
Beanstandungen bedarf es daher nicht.
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Die Verteidigung hatte in der Hauptverhandlung vom 12. Juli 2013 die
zeugenschaftliche Einvernahme des „Herrn S. , Geschäftsführer
der Firma T. (früher: O.
) … oder eine(s)
instruierten Vertret
er(s) (....)“ beantragt. In das Wissen dieses Zeugen wurden
mehrere Tatsachen im Zusammenhang mit der Vergabe von IT-Leistungen bei
O. gestellt, unter anderem, dass O.
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-
„IT-Ingenieure nur über dritte Unternehmen einsetzte, dagegen nicht
selbst … beauftragte“ (Nr. 2 des Beweisantrags),
-
„die benötigten IT-Ingenieurs-Leistungen durch Aufträge an ausländi-
sche Agenturen (Personalagenturen) einkaufte, welche für die jeweili-
gen Aufgaben geeignete IT-Ingenieure rekrutierten und zur Verfügung
stellten“ (Nr. 4 des Beweisantrags),
-
„dabei nur mit Personalagenturen zusammenarbeitete, deren Seriosi-
tät eingehend überprüft worden waren und dazu namentlich die
Fa. P.
gehörte“ (Nr. 5 des Beweisantrags),
-
„P. (...) in mehr als 200 Fällen beauftragte, weil diese besonders
häufig den Aufgaben gemäß qualifizierte IT-Ingenieure rekrutierte und
zur Auftragsausführung stellte“ (Nr. 6 des Beweisantrags).
Zur Begründung des Antrages wurde ausgeführt, das Landgericht könne
möglicherweise erwägen, dass der Angeklagte deswegen die Begehung von
Steuerstraftaten in Kauf genommen habe, weil er in E-Mails an den Zeugen
H.
zum Ausdruck gebracht habe, über „eine - wirtschaftlich sinnlose - Zwi-
schenschaltung einer Management Company sei wahrscheinlich Steuerfreiheit
zu erreichen“. In diesem E-Mail-Verkehr liege aber kein Erkenntnisgewinn für
die verfahrensgegenständlichen Fälle. Demgegenüber werde sich durch die
unter Beweis gestellten Umstände erweisen, dass P. aus Sicht von O. eine
bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur und keine
bloße Management Gesellschaft gewesen sei, was der Angeklagte nicht anders
habe sehen können. Schließlich belegten die unter Beweis gestellten Umstän-
de, dass in der vertraglichen Kette vom „Endkunden O. über die Personalagen-
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tur bis hin zum betreffenden IT-Ingenieur gerade keine Abrechnungsgesell-
schaft zwischengeschaltet war“.
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag im Wesentlichen mit folgender
Begründung abgelehnt:
Der benannte Zeuge könne zum E-Mail-Verkehr des Angeklagten mit
dem Zeugen H. nicht erkennbar Angaben machen. Der Zeuge sei daher zur
„Erreichung des (...) Beweisziels“, dass nämlich aus diesem E-Mail-Verkehr
keine Rückschlüsse auf den Vorsatz des Angeklagten gezogen werden könn-
ten, völlig ungeeignet. Auch soweit es um Einschätzungen des Angeklagten
gehe, sei der Zeuge völlig ungeeignet. Soweit der Beweisantrag darauf abziele,
zu belegen, dass es sich bei P. aus Sicht von O.
um eine „bedeutende, akti-
ve und seriöse Personal-
und Zeitarbeitsagentur“ und nicht um eine „bloße
Managementgesellschaft“ gehandelt habe und der Angeklagte dies nicht anders
sehen konnte, komme es allein darauf an, „wie der Angeklagte zum maßgeb-
lichen Zeitpunkt die Tätigkeit der Firma P.
bewertete“. Die Einschätzung der
Verantwortlichen von O. sei deshalb für das Verfahren aus tatsächlichen Grün-
den ohne Bedeutung. Soweit schließlich mit dem Beweisantrag bewiesen wer-
den solle, dass in die Vertragskette zwischen O. und dem entsprechenden
IT-Ingenieur keine Abrechnungsfirma zwischengeschaltet sei, fehle es bereits
an einer korrespondierenden Beweistatsache. Zudem sei nicht ersichtlich, dass
der Zeuge Angaben zu „anderen Vertragsgestaltungen“ machen könne, wes-
wegen er völlig ungeeignet sei.
2. Die zulässige Verfahrensrüge ist auch begründet. Das Landgericht hat
die herangezogenen Ablehnungsgründe nur auf die vermeintlichen Beweisziele
bezogen, nicht aber auf die in dem Antrag - neben unbeachtlichen Wertungen -
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enthaltenen bestimmten Beweistatsachen. Insoweit ist eine Bescheidung des
Antrags nicht erfolgt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kam es für die Frage, ob
der benannte Zeuge als Beweismittel völlig ungeeignet war, nicht auf die im
Beweisantrag angeführten Beweisziele, sondern auf die unter Beweis gestellten
Tatsachen an. Völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 4 StPO ist
ein Beweismittel nur dann, wenn mit dem vom Antragsteller benannten
Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung
nicht bestätigt werden kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. Januar 2013
- 2 StR 468/12, NStZ-RR 2013, 185; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO,
26. Aufl., § 244 Rn. 230 mwN). Der ablehnende Beschluss bedarf einer Be-
gründung, die ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der
Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Ge-
richt auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt (vgl.
BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 1 StR 99/91, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
Ungeeignetheit 10; Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 179/08, NStZ 2008,
707; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 243).
Diesen Anforderungen wird der ablehnende Beschluss nicht gerecht. Er
verfehlt den Sinn des Beweisantrags. Nach dessen Wortlaut waren Beweisbe-
hauptungen aufgestellt, die sich - soweit sie Tatsachen betreffen - unmittelbar
auf Vorgänge bei O. im Zusammenhang mit der Vergabe von IT-Dienst-
leistungen bezogen. Das Landgericht hat indessen den Antrag dahin verkürzt,
ob der benannte Zeuge Angaben zu einem nicht in dessen Wissen gestellten
E-Mail-Verkehr, zu Einschätzungen des Angeklagten oder zu anderen Ver-
tragsgestaltungen machen könne und damit seiner Entscheidung anstatt der
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unter Beweis gestellten Beweistatsache allein vermeintliche Beweisziele des
Antrags zugrunde gelegt.
Dass der benannte Zeuge als Geschäftsführer der Firma T.
(früher: O. ) zu den unter Beweis gestellten Vor-
gängen bei O. keine Angaben machen könnte, erschließt sich auch ansonsten
nicht. Erwartungsgemäß wird gerade der Verantwortliche eines Unternehmens
(vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ
2014, 282 Rn. 16 f.) schon aus seiner beruflichen Kenntnis heraus zu den unter
Beweis gestellten Umständen der Vergabe von IT-Dienstleistungen Angaben
machen können.
b) Mit der gegebenen Begründung durfte die Strafkammer den Beweis-
antrag auch nicht als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ablehnen. Ge-
mäß § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO ist dies nur möglich, wenn die Tatsa-
che, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Dies
legt das Landgericht nicht dar.
Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen
Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammen-
hang mit der Urteilsfindung steht oder weil sie trotz eines solchen Zusammen-
hangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche
Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur
einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache
oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht
der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweis-
lage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tat-
gericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hier-
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zu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie er-
wiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prü-
fen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berühr-
ten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für
den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert wür-
de (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 154/13,
NStZ 2014, 111; Becker, aaO, Rn. 220 mwN). Das Beweisthema ist hierbei
ohne Einengung, Umdeutung oder Verkürzung in seiner vollen Tragweite nach
seinem Sinn und Zweck zu würdigen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Novem-
ber 1982 - 1 StR 698/82, StV 1983, 90). Die Ablehnung des Beweisantrags darf
nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende
Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung
entzogen werden (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 5 StR 451/07, StV
2008, 121 mwN).
Im Hinblick auf diese Anforderungen greifen die Erwägungen des Land-
gerichts zu kurz. Indem es darauf abstellt, es solle mit dem Beweisantrag belegt
werden, „dass die Fa. P. aus Sicht der Fa. O. eine bedeutende, aktive und
seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur und keine bloße Managementgesell-
schaft war“, lässt es bereits die gebotene Einfügung und Würdigung der unter
Beweis gestellten Tatsachen in das bisher gewonnene Beweisergebnis vermis-
sen. Denn es hat damit nicht die unter Beweis gestellten Vorgänge bei O. und
deren Beziehungen zu P. , sondern lediglich eines der im Antrag formulierten
Beweisziele in den Blick genommen und damit das Beweisthema unzulässig
verkürzt.
Es hätte vielmehr entsprechend den oben dargelegten Maßstäben erwä-
gen müssen, ob und wenn ja, warum die Vorstellung des Angeklagten von et-
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waigen tatsächlichen oder aus Sicht von O. bestehenden wirtschaftlich sinnvol-
len Sachgründen für die Involvierung der P. - Rekrutierung der Ingenieure im
Auftrag von O. - unabhängig war. Ausführungen dazu, welchen Einfluss dieser
Umstand - dass nämlich O. IT-Ingenieure nur über dritte Unternehmen einsetz-
te, die benötigten IT-Ingenieurs-Leistungen durch Aufträge an ausländische
Firmen einkaufte und diese ihrerseits geeignete Ingenieure rekrutierte und P.
in mehr als 200 Fällen als ein solches Drittunternehmen für O. tätig war, weil
sie besonders häufig den Aufgaben gemäß qualifizierte IT-Ingenieure rekrutier-
te - auf seine Überzeugungsbildung gehabt hätte, enthält der Beschluss des
Landgerichts nicht. Angesichts dessen, dass es die Vorstellung des Angeklag-
ten, es habe f
ür die Einschaltung einer „Management Company“ keinen ande-
ren Grund gegeben, als eine vollumfängliche Besteuerung zu vermeiden (UA
S.
80) und die Einschaltung einer „Management Company (sei) wirtschaftlich
nur unter dem Aspekt des Honorarsplittings sinnvol
l“ (UA S. 92), maßgeblich
aus dessen eine andere Firma betreffende Einschätzung gegenüber dem Zeu-
gen H. ableitet, versteht sich dies nicht von selbst.
c) Soweit das Landgericht den Antrag mit der Begründung abgelehnt hat,
es fehle „an einer korrespondierenden Beweistatsache“, trägt auch diese Be-
gründung nicht. Der Senat kann offen lassen, ob er der ersichtlich zugrunde
liegenden Auffassung des Landgerichts folgen könnte, dass die Frage, ob ein
Unternehmen als „Abrechnungsfirma“ tätig wird, nicht dem Beweis zugänglich
ist (zu Beweistatsachen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Sachverhalten
vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 282
mwN). Jedenfalls aber war die Zwischenschaltung einer „Abrechnungsfirma“
nicht unter Beweis gestellt, sondern nur zur Darlegung des Beweisziels - als
Vorwegnahme einer möglichen Würdigung durch das Landgericht - angespro-
chen worden. Die im Beweisantrag enthaltenen, hinreichend bestimmten Be-
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weistatsachen werden hingegen nicht an den Ablehnungsgründen des § 244
Abs. 3 StPO gemessen. Weiterer Ausführungen im Beweisantrag, warum der
benannte Zeuge zu den unter Beweis gestellten Umständen etwas bekunden
können soll, bedurfte es vorliegend nicht (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom
15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 185 Rn. 15 ff.).
3. Auf dieser Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO beruht das Urteil in sei-
ner Gesamtheit. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht unter Be-
rücksichtigung der unter Beweis gestellten und außerhalb einer Steuerersparnis
bei den IT-Ingenieuren liegenden Sachgründe für O. , die P. zu beauftragen,
zu einem anderen Vorstellungsbild des Angeklagten über Sinn und Zweck der
Einschaltung der P. hätte kommen können.
Der Beweisantrag betrifft zwar im Kern nur diejenigen Fälle, in denen un-
ter Einschaltung von P. Steuern hinterzogen wurden, und damit nicht die Fäl-
le B.IX der Urteilsgründe, in denen I.
zum „Honorarsplitting“ eingebunden
worden war. Schon angesichts der jeweils gleichgelagerten Vorgehensweise in
beiden Firmen und der untrennbar ineinander verzahnten und sich in weiten
Teilen auf beide Firmen beziehenden Beweiswürdigung kann der Senat jedoch
nicht ausschließen, dass das Urteil insgesamt auf dem Verfahrensfehler beruht.
Das Urteil war demgemäß umfassend mit den zu Grunde liegenden Feststel-
lungen aufzuheben.
B.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam (zum Maßstab
vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14 mwN) auf den Strafausspruch
beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg.
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Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind - auch unter Be-
rücksichtigung des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (vgl. nur BGH, Ur-
teil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123) - nicht frei von
Rechtsfehlern zu Gunsten des Angeklagten.
Die strafmildernde Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe
lediglich mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt, ist - unbeschadet der Bedeu-
tung der Vorsatzform für die Strafzumessung (vgl. hierzu BGH, Beschluss
vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331; Schäfer/Sander/van
Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618 ff. mwN) - nicht mit
Feststellungen belegt. So ist zwar festgestellt, dass der Angeklagte „bei Abgabe
der Steuererklärungen jeweils mit der Möglichkeit (rechnete) und (...) billigend in
Kauf (nahm), dass nicht unerhebliche Einnahmen gegenüber den Finanzbe-
hörden nicht angegeben wurden
“ (UA S. 8). Dies bleibt aber, worauf die Revisi-
on zutreffend hinweist, hinter der unmittelbar vorangehenden Feststellung zu-
rück, der Angeklagte habe gewusst, dass „die verfahrensgegenständlichen
IT-
Ingenieure“ die Firmen P. bzw. I. allein deshalb einschalteten, „um ihre
Honorare zu splitten, d.h. um nur einen Teil der von ihnen tatsächlich in
Deutschland erzielten Honorare gegenüber den Finanzbehörden anzugeben
und den restlichen, nicht unerheblichen Teil unversteuert ins Ausland zu trans-
ferieren“ (UA S. 8). Auch in seiner Beweiswürdigung hat das Landgericht aus
dem Wissen des Angeklagten, dass die von ihm vertretenen IT-Ingenieure Ma-
nagement Companies wie die P. und die I. nur zum Zwecke des Hono-
rarsplittings einschalteten, geschlossen, dass dieser „deshalb“ bedingt vorsätz-
lich gehandelt habe (vgl. UA S. 66).
Auf welcher Grundlage das Landgericht trotz des konkret festgestellten
Wissens des Angeklagten um das „Honorarsplitting“ zu dem Ergebnis gelangt
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ist, er habe lediglich bedingt vorsätzlich gehandelt, wird im Urteil nicht dar-
gelegt. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe. Gegen ein Wissen des Angeklagten um die Hinterziehungen sei-
tens der IT-Ingenieure konnte vorliegend jedenfalls nicht ohne Weiteres spre-
chen, dass der Angeklagte nicht wusste, ob die IT-
Ingenieure das „Honorarsplit-
ting“ in ihren Steuererklärungen umsetzten oder nicht, denn die Steuererklärun-
gen waren von ihm selbst gefertigt worden. Eine Auseinandersetzung damit, ob
er aus der Höhe des erklärten Honorars Rückschlüsse auf ein „Honorarsplitting“
ziehen konnte, findet sich in den Urteilsgründen nicht.
C.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sogenannten
berufstypischen, äußerlich neutralen Handlungen (vgl. hierzu BGH, Urteil
vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12; Beschluss vom 20. September 1999
- 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom
1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in
LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 17 f.) ist wie folgt zu differenzieren:
Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine straf-
bare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbei-
trag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den
„Alltagscharakter"; es ist als „Solidarisierung" mit dem Täter zu deuten und
dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen (sog. deliktischer Sinnbe-
zug, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12; Schünemann
in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 17 f.). Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht,
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wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es
lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so
ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beur-
teilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von
ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die För-
derung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH,
Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1
Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107,
112 ff.; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 19).
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Graf
Jäger
Cirener
Mosbacher