Urteil des BGH vom 26.08.2014

BGH: bindungswirkung, abmahnung, verfügung, vertragsstrafe, meinung, rüge

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ARZ 275/14
vom
26. August 2014
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. August 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Gröning, die Richterin
Schuster, den Richter Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Stralsund.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Hö-
he von 1.500 EUR aus einer Unterlassungsverpflichtungserklärung in Anspruch, die
der Beklagte auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung der Klägerin hin abgege-
ben hatte. Nachdem der Beklagte in einem von der Klägerin betriebenen Mahnver-
fahren Widerspruch eingelegt hat, ist die Sache antragsgemäß an das Landgericht
Köln abgegeben worden. Dieses hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass für den
von ihr geltend gemachten Anspruch seine Zuständigkeit nicht nach §§ 13, 14 UWG
begründet sei, und angefragt, ob Verweisung beantragt werde. Der Hinweis ist auch
dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten in Abschrift übersandt worden. Nach
Eingang eines Verweisungsantrags der Klägerin hat sich das Landgericht für örtlich
und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit antragsgemäß an das Amtsge-
richt Stralsund verwiesen. Der Beklagtenvertreter erklärte in der Klageerwiderung,
dass er die Hinweisverfügung des Landgerichts Köln erhalten, darauf keine Stellung-
nahme abgegeben habe und die aus seiner Sicht fehlende örtliche Zuständigkeit des
Amtsgerichts Stralsund nicht rüge. Eine Woche später rügte er gleichwohl die örtliche
Zuständigkeit des Amtsgerichts Stralsund. Die Klägerin hat daraufhin Verweisung an
das Amtsgericht Rostock beantragt. Das Amtsgericht Stralsund hat sich für örtlich
unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Rostock verwiesen. Das
Amtsgericht Rostock hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit
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dem Oberlandesgericht Köln zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Das Oberlandesgericht Köln hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesge-
richtshof zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
II. Die Vorlage ist zulässig. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesge-
richt, das nach § 36 Abs. 2 ZPO mit einer Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die
Sache dem Bundesgerichtshof unter anderem dann vorzulegen, wenn es in einer
Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen
will. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Das vorlegende Oberlandesgericht will
seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass die Zuständigkeit der
Landgerichte nach §§ 13, 14 UWG sich nicht auf die Klage aus einem Vertrags-
strafeversprechen erstreckt, das auf einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung be-
ruht. Damit würde es von der Rechtsprechung des Thüringer Oberlandesgerichts
(GRUR-RR 2011, 199) abweichen. Dass es - wie die nachfolgenden Ausführungen
ergeben - auf diese Frage im Streitfall nicht ankommt, steht der Zulässigkeit der Vor-
lage nicht entgegen. Sinn des § 36 ZPO ist es, jedem langwierigen Streit der Gerich-
te untereinander über die Grenzen ihrer Zuständigkeit ein Ende zu machen und eine
Ausweitung solcher Streitigkeiten zu vermeiden. Angesichts dessen reicht es für die
Zulässigkeit einer Vorlage gemäß § 36 Abs. 3 ZPO aus, wenn die Rechtsfrage, die
zur Vorlage an den Bundesgerichtshof führt, nach Auffassung des vorlegenden
Oberlandesgerichts entscheidungserheblich ist und dies in den Gründen des Vorla-
gebeschlusses nachvollziehbar dargelegt wird (BGH, Beschluss vom 19. Februar
2002 - X ARZ 334/01, NJW 2002, 1425, 1426; Beschluss vom 10. Juni 2003
- X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201, 3202).
III. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1
Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Landgericht Köln, das Amtsgericht Stralsund und das
Amtsgericht Rostock haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig
erklärt; das Landgericht Köln und das Amtsgericht Stralsund durch unanfechtbaren
Verweisungsbeschluss (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das Amtsgericht Rostock durch
eine seine Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung vom 15. April
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2014. Eine solche Zuständigkeitsleugnung genügt den Anforderungen, die an das
Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (BGH,
Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 mwN).
IV. Zuständig ist das Amtsgericht Stralsund, da der Verweisungsbeschluss
des Landgerichts Köln gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfällt die
Bindungswirkung der Verweisung nicht schon dann, wenn der Beschluss unrichtig
oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr nur dann nicht bin-
dend, wenn ihm jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtli-
chen Gehörs beruht oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grund-
gesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhalt-
bar erscheint (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2013 - X ARZ 507/12, NJW-RR
2013, 764 mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
a) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Köln beruht - entgegen der
Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts - nicht auf einer Verletzung rechtlichen
Gehörs.
Das Landgericht Köln hat die Klägerin durch Hinweisverfügung auf seine
Rechtsansicht aufmerksam gemacht, dass auf ein Vertragsstrafeversprechen ge-
stützte Klagen nicht als Streitigkeiten im Sinne der §§ 13, 14 UWG einzuordnen sei-
en, weshalb eine sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
nicht begründet sei. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Diese Verfügung ist dem Beklagten nach eigenem Vortrag in Abschrift zugegangen.
Wenngleich ihm in der Verfügung nicht ausdrücklich eine eigene Stellungnahmefrist
eingeräumt worden ist, so kam durch die Übersendung der Abschrift für die Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs in ausreichendem Maß zum Ausdruck, dass er gleichfalls zu
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der aufgeworfenen Zuständigkeitsfrage Stellung beziehen konnte. Dies hat der Be-
klagte erkannt und sich dafür entschieden, auf eine Stellungnahme zu verzichten.
Dass das Landgericht Köln dem Beklagten den Verweisungsantrag der Kläge-
rin nicht zur Stellungnahme zugeleitet und den Rechtsstreit schon vor Ablauf der
Stellungnahmefrist verwiesen hat, war verfahrensfehlerhaft, begründet jedoch keinen
die Bindungswirkung beseitigenden Gehörsverstoß. Denn entscheidend ist, dass der
Beklagte die Möglichkeit hatte, zu der aufgeworfenen Zuständigkeitsfrage Stellung zu
beziehen, und vorzutragen, welches Gericht für die Verhandlung des Rechtsstreits
seiner Auffassung nach berufen ist. Zudem hat der Beklagte nach der Verweisung
gegenüber dem Amtsgericht Stralsund ausdrücklich erklärt, dessen örtliche Zustän-
digkeit nicht rügen zu wollen. Damit kann ausgeschlossen werden, dass der Beklagte
bei Kenntnis des Verweisungsantrags der Klägerin innerhalb der gesetzten Stellung-
nahmefrist Umstände vorgetragen hätte, die eine andere Entscheidung des verwei-
senden Gerichts als möglich erscheinen lassen. Der Umstand, dass er später seine
Meinung geändert und die Zuständigkeit des Amtsgerichts Stralsund gerügt hat, än-
dert hieran nichts.
b) Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Köln
entfällt auch nicht deshalb, weil der Beschluss nicht mit einer Begründung versehen
ist (offen gelassen für den Fall eines übereinstimmenden Verweisungsantrags in
BGH, Beschluss vom 23. März 1988 - IVb ARZ 8/88, FamRZ 1988, 943). Jedenfalls
dann, wenn eine Partei zu der Rechtsauffassung des verweisenden Gerichts nicht
Stellung nimmt, obwohl sie dazu Gelegenheit hatte, genügt es, dass sich die Be-
gründung für die Verweisung aus dem Akteninhalt erschließt. Ein schwerwiegender
Verstoß, der die Bindungswirkung entfallen lässt, liegt unter diesen Umständen nicht
vor.
2. Auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob §§ 13,
14 UWG auch für eine Klage auf Zahlung der Vertragsstrafe gelten, die auf eine
strafbewehrte, nach wettbewerbsrechtlicher Abmahnung abgegebene Unterlas-
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sungserklärung gestützt wird (offengelassen in BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011
- I ZR 174/10, GRUR 2012, 730 Rn. 23 - Bauheizgerät, mit Nachweisen zum Streit-
stand), kommt es mithin nicht an.
Meier-Beck
Gröning
Schuster
Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 05.06.2014 - 8 AR 68/14 -