Urteil des BGH vom 07.07.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 315/09 Verkündet
am:
7. Juli 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 558 Abs. 2
Eine vom Mieter auf eigene Kosten geschaffene Ausstattung der Mietsache (hier:
Bad und Sammelheizung) bleibt bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete
grundsätzlich auf Dauer unberücksichtigt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der
Vermieter dem Mieter die Kosten erstattet hat oder die Parteien eine konkrete an-
derweitige Vereinbarung getroffen haben; hierzu genügt es nicht, dass sich der Mie-
ter bei Abschluss des Mietvertrags zum Einbau der Ausstattung verpflichtet hat.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 315/09 - LG Hamburg
AG
Hamburg-Altona
- 2 -
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hamburg, Zivilkammer 11, vom 27. November 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist seit April 1976 Mieter einer ca 92 qm großen Wohnung
in Hamburg. In § 28 des Mietvertrags heißt es:
1
"Der Mieter verpflichtet sich, auf seine Kosten fachgerecht eine Gashei-
zung in sämtlichen Wohnräumen zu installieren und ein Badezimmer in
den dafür vorgesehenen Raum zu installieren."
Dementsprechend baute der Beklagte in die Wohnung auf eigene Kosten
ein Bad und eine Sammelheizung ein.
2
3
Mit Schreiben vom 28. Februar 2008 verlangte die Klägerin Zustimmung
zu einer Erhöhung der Nettomiete von 450,28 € auf 539,95 € monatlich. Zur
Begründung nahm sie auf den Mietspiegel der Stadt Hamburg Bezug und ord-
- 3 -
nete die Wohnung des Beklagten in das Rasterfeld C 4 ein. Dieses Rasterfeld
bezieht sich auf Wohnungen mit normaler Wohnlage, Baujahr bis Ende des
Jahres 1918 und einer Ausstattung mit Bad und Sammelheizung.
4
In drei vorangegangenen Mieterhöhungsverlangen seit 1992 hatte die
Klägerin dagegen auf die ortsübliche Vergleichmiete für Wohnungen ohne Bad
und Sammelheizung abgestellt. Außerdem hatte sie dem Beklagten mit Schrei-
ben vom 22. April 2004 den Abschluss einer Vereinbarung angeboten, der zu-
folge dieser ihr das Eigentum an Bad und Sammelheizung gegen Zahlung von
1.200 € übertragen und die Klägerin die Instandsetzungs- und Instandhaltungs-
pflicht hierfür übernehmen sollte. Im Gegenzug sollte die Wohnung künftig in
das Rasterfeld C 4 des jeweils gültigen Hamburger Mietspiegels (mit Bad und
Heizung) eingeordnet, eine darauf gestützte Mieterhöhung aber nicht vor dem
1. Juni 2006 geltend gemacht werden. Zum Abschluss dieser Vereinbarung
kam es nicht.
Das Amtsgericht hat der Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der Net-
tomiete auf 539,95 € monatlich ab 1. Mai 2008 stattgegeben. Das Landgericht
hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung wei-
ter.
5
- 4 -
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision hat Erfolg.
I.
7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
8
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur
Mieterhöhung zu. Das Mieterhöhungsverlangen vom 28. Februar 2008 sei zu-
lässig und begründet. Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete für
die Wohnung des Beklagten sei eine Ausstattung mit Bad und Sammelheizung
zugrunde zu legen.
Zwar treffe es zu, dass von Seiten des Mieters vorgenommene Wertver-
besserungen bei der Ermittlung des ortsüblichen Entgelts nicht zu berücksichti-
gen seien. Eine Ausnahme gelte aber, wenn die Parteien etwas anderes ver-
einbart hätten. Dies sei hier der Fall, weil sich der Beklagte in § 28 des Mietver-
trages dazu verpflichtet habe, Bad und Gasheizung auf eigene Kosten einzu-
bauen und die eingebauten Einrichtungen deshalb der Vermieterleistung zuzu-
rechnen seien. Einer darüber hinausgehenden Vereinbarung über die Instand-
setzungs- und Instandhaltungspflicht einer Partei, einer Rückbauverpflichtung
und eines Zeitpunktes, zu dem der verlorene Baukostenzuschuss als verloren
anzusehen sein solle, bedürfe es nicht. Auch die Streichung der Überschrift
"Heizung und Warmwasser" in § 11 und das Einsetzen des Worts "Ofenhei-
zung" sowie die Streichung der Worte "mit Bad" in § 1 des Mietvertrags führten
nicht zu einer anderen Auslegung des Mietvertrags, denn damit sei lediglich der
Zustand bei/vor Mietbeginn umschrieben. Aus der Verpflichtung zum Einbau
9
- 5 -
von Bad und Heizung lasse sich demgegenüber der von den Parteien avisierte
künftige Zustand der Wohnung ableiten.
10
Dass die vom Beklagten übernommene Verpflichtung zum Einbau von
Heizung und Bad den finanziellen Rahmen dieser Einbauten nicht erkennen
lasse, ändere nichts daran, dass das Objekt nach dem vollzogenen Einbau die
Merkmale des Rasterfeldes C 4 erfülle. Das nachfolgende Verhalten der Partei-
en führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Tatsache, dass die Klägerin bislang
Mieterhöhungsverlangen nicht auf die Einordnung in das Rasterfeld C 4 - mit
Bad und Heizung - gestützt habe, sei kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert
zuzuweisen. Sie führe ebenso wie das Schreiben der Klägerin vom 22. April
2004 nicht dazu, dass die jetzt auf das Rasterfeld C 4 gestützte Mieterhöhung
treuwidrig sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin aus
§ 558 BGB auf Zustimmung zu der geltend gemachten Mieterhöhung nicht be-
jaht werden. Die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung des Beklagten ist
anhand vergleichbarer Wohnungen, die nicht mit Bad und Sammelheizung aus-
gestattet sind, zu ermitteln.
11
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass Wohnwertver-
besserungen, die der Mieter vorgenommen und finanziert hat, mangels ander-
weitiger vertraglicher Vereinbarung bei der Ermittlung der ortsüblichen Ver-
gleichsmiete nicht zu berücksichtigen sind. Derartige zusätzliche Ausstattun-
gen, mit denen der Mieter die Wohnung versehen hat, sind nicht vom Vermieter
"zur Verfügung gestellt" und nicht Gegenstand seiner Gebrauchsgewährungs-
pflicht. Für die von ihm selbst auf eigene Kosten eingebauten Einrichtungen
12
- 6 -
schuldet der Mieter dem Vermieter deshalb kein Entgelt, und insoweit kann er
- mangels abweichender Vereinbarung - den Vermieter auch nicht auf Instand-
haltung oder Instandsetzung in Anspruch nehmen oder Gewährleistungsan-
sprüche bei etwaigen Mängeln geltend machen. Dementsprechend hat das
Bayerische Oberste Landesgericht (NJW 1981, 2259) schon zu § 2 MHG in ei-
ner grundlegenden Entscheidung ausgeführt, dass Einrichtungen des Mieters,
die den Wohnwert der Mietsache erhöht haben, bei der Ermittlung der ortsübli-
chen Vergleichsmiete nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, die Parteien
hätten etwas anderes vereinbart oder der Vermieter hätte dem Mieter die ver-
auslagten Kosten erstattet (ebenso Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rdnr. IV
176; MünchKommBGB/Artz, 5. Aufl., § 558 Rdnr. 25; Schmid/Riecke, Mietrecht,
§ 558 Rdnr. 21; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 558 Rdnr. 40 ff.). Bei-
de Ausnahmefälle liegen hier nicht vor.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Parteien
mit der in § 28 des Mietvertrages geregelten Einbauverpflichtung eine derartige
abweichende Vereinbarung getroffen hätten. Eine ausdrückliche Regelung,
dass bei künftigen Mieterhöhungen eine Ausstattung mit Bad und Sammelhei-
zung zugrunde zu legen sei, enthält § 28 des Mietvertrags nicht. Auch für eine
entsprechende stillschweigende Vereinbarung bestehen keine Anhaltspunkte.
13
a) Das Berufungsgericht geht selbst - zutreffend - davon aus, dass es
sich bei der vom Beklagten erbrachten Leistung um einen so genannten verlo-
renen Baukostenzuschuss handelt; denn eine Erstattung der Aufwendungen
oder eine Verrechnung mit der Miete ("abwohnbarer" Baukostenzuschuss, vgl.
Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl., Einf. v. § 535 Rdnr. 111) ist im Mietvertrag
nicht vorgesehen und auch sonst nicht ersichtlich. Zum Abschluss der von der
Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2004 vorgeschlagenen Vereinbarung, ihr
die Einbauten gegen Zahlung eines Entgelts zu übertragen, ist es nicht ge-
14
- 7 -
kommen. Dass der Einbau aufgrund der in § 28 des Mietvertrags übernomme-
nen Einbauverpflichtung erfolgte, ändert deshalb nichts daran, dass es sich um
eine vom Beklagten finanzierte Ausstattung und nicht um eine von der Klägerin
erbrachte Leistung handelte. Bei der Vereinbarung einer solchen Mieterleistung
gehen die Parteien gerade nicht davon aus, dass die auf diese Weise vom Mie-
ter geschaffene Ausstattung wirtschaftlich sogleich dem Vermieter gebührt; im
Gegenteil geht ihre Erwartung dahin, dass die Vorteile jedenfalls während der
Dauer des Mietvertrags dem Mieter zustehen. Deshalb ist es nicht sachgerecht,
bei einer vom Mieter auf eigene Kosten geschaffenen Ausstattung danach zu
differenzieren, ob der Einbau aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit
dem Vermieter oder freiwillig aufgrund einer bloßen Erlaubnis des Vermieters
erfolgt ist.
Die vom Mieter auf eigene Kosten geschaffene Wohnwertverbesserung
bleibt deshalb bei der Ermittlung der Vergleichsmiete auch dann unberücksich-
tigt, wenn sie - wie hier - auf einer vertraglichen Verpflichtung beruht (AG Ham-
burg, WuM 1999, 485; Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 6. Aufl.,
§ 148 Rdnr. 20). Anderenfalls müsste der Mieter die Ausstattung seiner Woh-
nung quasi doppelt bezahlen, zunächst beim Einbau entsprechend der vertrag-
lichen Verpflichtung und später nochmals durch eine auch auf diese Ausstat-
tung gestützte Mieterhöhung. Für eine derartige Benachteiligung des Mieters
besteht kein rechtfertigender Grund. Soweit das Bayerische Oberste Landesge-
richt für den verlorenen Baukostenzuschuss möglicherweise eine andere Auf-
fassung vertreten hat (aaO, 2260; vgl. auch Staudinger/Emmerich, BGB (2006),
§ 558 Rdnr. 34), folgt der Senat dem nicht.
15
b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die vom
Beklagten erbrachte Leistung nach Art. VI § 2 des Gesetzes zur Änderung des
Zweiten Wohnungsbaugesetzes und anderer wohnungsbaurechtlicher Vor-
16
- 8 -
schriften und über die Rückerstattung von Baukostenzuschüssen vom 21. Juli
1961 (BGBl. I S. 1041) angesichts der langjährigen Mietdauer als getilgt anzu-
sehen sein dürfte, so dass er im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses für
die eingebrachte Ausstattung keinen Ausgleich mehr verlangen kann. Zwar wird
teilweise die Auffassung vertreten, dass in einem solchen Fall die vom Mieter
erbrachten Leistungen auch bei der Wohnwertermittlung nicht mehr zu seinen
Gunsten berücksichtigt werden könnten (LG München I, DWW 1979, 191; vgl.
auch LG Hamburg, WuM 1990, 441). Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt
werden. Der Umstand, dass der Mieter im Falle der Beendigung des Mietver-
hältnisses für die von ihm auf eigene Kosten geschaffene Ausstattung ange-
sichts der zwischenzeitlich abgelaufenen Mietdauer keinen finanziellen Ersatz
mehr verlangen kann, rechtfertigt es nicht, diese Ausstattung schon während
des Bestehens des Mietverhältnisses dem Vermieter als eigene Leistung zuzu-
rechnen und sie im Rahmen der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu
seinen Gunsten zu berücksichtigen; eine "Abwohnzeit" gibt es in dieser Hinsicht
nicht (Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz/Miethöhegesetz,
5. Aufl., § 2 MHG Rdnr. 46; LG Baden-Baden, WuM 1993, 358, 359).
III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-
ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur
Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt folge-
richtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, wie hoch die ortsübliche Ver-
gleichsmiete für die Wohnung des Beklagten ohne Berücksichtigung von Bad
17
- 9 -
und Heizung ist. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 30.01.2009 - 315b C 129/08 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 27.11.2009 - 311 S 35/09 -