Urteil des BGH vom 12.08.2004

Mitwirkender Patentanwalt Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 6/04
vom
12. August 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
Mitwirkender Patentanwalt
MarkenG (Fassung bis zum 1.7.2004) § 140 Abs. 3;
BRAGO § 11 Abs. 1 Satz 4 und 5
Die Prozeßgebühr des im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof mit-
wirkenden Patentanwalts beträgt 13/10.
BGH, Beschl. v. 12. August 2004 - I ZB 6/04 - OLG Köln
LG Köln
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. August 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof.
Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 17. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 15. März 2004 wird auf Kosten
der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.109,50 €
festgesetzt.
Gründe:
I. Die Parteien streiten im Rahmen der Kostenfestsetzung darüber, in
welcher Höhe die Prozeßgebühr eines im Revisionsverfahren vor dem Bun-
desgerichtshof mitwirkenden Patentanwalts zu erstatten ist.
Die Klägerin ist in einer Kennzeichenstreitsache mit ihrer Klage in der
Berufungsinstanz erfolglos geblieben. Ihre Revision wurde durch Beschluß des
Senats vom 14. November 2002 - I ZR 296/01 nicht angenommen. Die Kosten
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des Revisionsverfahrens wurden ihr auferlegt. Die Beklagte war im Revisions-
verfahren durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt
als Prozeßbevollmächtigten vertreten, der mit dem Antrag auf Zurückweisung
der Revision mit Schriftsatz vom 10. Juli 2002 die Mitwirkung des Patentan-
walts P. angezeigt hatte.
Die Beklagte hat im Kostenfestsetzungsantrag eine 20/10 Prozeßgebühr
des mitwirkenden Patentanwalts geltend gemacht. Die Kostenfestsetzung er-
folgte zunächst antragsgemäß. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin setz-
te der Rechtspfleger die Prozeßgebühr des Patentanwalts auf 13/10 herab und
die zu erstattenden Kosten entsprechend niedriger fest.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten ist ohne Er-
folg geblieben.
Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr
Begehren weiter, die Prozeßgebühr des Patentanwalts i.H. v. 20/10 festzuset-
zen.
II. Das Beschwerdegericht hat im wesentlichen ausgeführt:
In der Revisionsinstanz finde eine Erhöhung der Gebühren des Patent-
anwalts nach § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO auf 20/10 einer vollen Gebühr nicht
statt. Es verbleibe vielmehr bei der 13/10 Gebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 4
BRAGO. § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO sehe die Erhöhung der Prozeßgebühr nur
soweit vor, als sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zuge-
lassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müßten. Daraus folge, daß allein der
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bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwalt, der im Revisionsver-
fahren tätig werde, die 20/10 Prozeßgebühr erhalte. Die Beschränkung des
Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO rechtfertige sich aus dem
besonders hohen juristischen Bearbeitungsaufwand, den der beim Bundesge-
richtshof zugelassene Rechtsanwalt in den ihm übertragenen Angelegenheiten
regelmäßig anzuwenden habe. Entsprechendes gelte nicht für den in einem
Revisionsverfahren mitwirkenden Patentanwalt.
III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Bemessung der Gebühren des im Jahre 2002 im Revisionsverfah-
ren vor dem Bundesgerichtshof mitwirkenden Patentanwalts richtet sich gemäß
§ 140 Abs. 3 MarkenG in der Fassung gemäß Art. 5 OLGVertrÄndG vom
23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) sowie Art. 9 Nr. 33 des Gesetzes zur Bereini-
gung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom
13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3656) nach § 11 BRAGO (vgl. § 61 Abs. 1
RVG). Die ursprünglich in § 140 Abs. 3 MarkenG - wie auch schon in § 32
Abs. 5 WZG und in vergleichbaren Kostenvorschriften im Bereich des gewerb-
lichen Rechtsschutzes (vgl. § 143 Abs. 5 PatG a.F., § 27 Abs. 5 GebrMG
a.F.) - enthaltene Begrenzung der Erstattung ("bis zur Höhe einer vollen
Gebühr") ist mit dem Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem
Gebiet des geistigen Eigentums mit Wirkung vom 1. Januar 2002 weggefallen.
2. Die Frage, ob dem im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof
mitwirkenden Patentanwalt die 20/10 Prozeßgebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 5
BRAGO oder nur eine 13/10 Gebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO zusteht,
war schon zur Geltung des alten Kostenrechts, das eine Begrenzung der Er-
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stattung auf eine volle Gebühr vorsah, umstritten (für 20/10 Gebühr: OLG Düs-
seldorf GRUR 1978, 199 u. GRUR 1988, 761, 762; OLG Frankfurt GRUR 1988,
530; OLG Karlsruhe GRUR 1980, 331, 332; OLG Nürnberg Mitt. 1992, 29 u.
Mitt. 1994, 222; v. Falck, Mitt. 1979, 58, 59; für 13/10 Gebühr: OLG Frankfurt
GRUR 1978, 498; OLG Hamburg MDR 1988, 684; OLG Hamm NJW-RR 2000,
1014; OLG München GRUR 1979, 339 u. Mitt. 1989, 202, 203; Göttlich/
Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Stichwort "Patentsachen" Anm. 7.32 u. Stichwort
"Warenzeichenstreit" Anm. 3.1). Auch nach Aufhebung der Beschränkung auf
eine volle Gebühr wurde von einem Teil von Rechtsprechung und Schrifttum an
der Auffassung festgehalten, daß die Erhöhung der Prozeßgebühr des im Re-
visionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof mitwirkenden Patentanwalts auf
eine 20/10 Gebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO geboten sei, weil § 140
Abs. 3 MarkenG an die Gebühren des in der jeweiligen Instanz typischerweise
vertretenden Rechtsanwalts anknüpfe und der Patentanwalt als Gehilfe des in
der Revisionsinstanz tätigen Rechtsanwalts gleichfalls durch die in diesem Ver-
fahrensstadium anfallende Mehrarbeit belastet sei (vgl. OLG München
GRUR-RR 2004, 128 u. GRUR-RR 2004, 224; Ingerl/Rohnke, Markengesetz,
2. Aufl., § 140 Rdn. 78). Dem steht die Ansicht gegenüber, daß die Erhöhung
der Prozeßgebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO eine mit der Stellung der
Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof verbundene persönliche Privilegierung
darstelle und für den mitwirkenden Patentanwalt daher nicht anfalle (vgl.
Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 143 Rdn. 414).
3. Die Erhöhung der Prozeßgebühr gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO
beruht auf der besonderen Stellung und dem besonderen Aufgabenbereich der
bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte. Eine entsprechende
Stellung und Aufgabe kommen dem Patentanwalt nicht zu. Seine Mitwirkung im
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Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof rechtfertigt eine Erhöhung der
Prozeßgebühr nicht.
a) Die Erhöhung der Prozeßgebühr um 10/10, wenn sich die Parteien im
Revisionsverfahren nur durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt vertreten lassen können, ist durch Art. 2 Nr. 5 lit. a des Gesetzes
zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen vom 8. Juli 1975 (BGBl. I
S. 1863; im folgenden: Änderungsgesetz v. 8.7.1975) als § 11 Abs. 1 Satz 3 in
die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte eingefügt worden. Durch die-
ses Gesetz wurde der Zugang zum Revisionsgericht in Zivilsachen, der bis da-
hin beim Überschreiten einer bestimmten Wertgrenze unbeschränkt eröffnet
war, neu geregelt: In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprü-
che, bei denen der Wert der Beschwer 40.000 DM nicht überstieg, und über
nicht-vermögensrechtliche Ansprüche entschied nunmehr das Oberlandesge-
richt über die Zulassung der Revision mit Bindung für das Revisionsgericht. In
Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, bei denen der Wert
der Beschwer 40.000 DM überstieg, war die Entscheidung über die Annahme
der Revision dem Revisionsgericht überlassen. Das geänderte Revisionsrecht
trat mit dem Auslaufen des Gesetzes zur Entlastung des Bundesgerichtshofs in
Zivilsachen vom 15. August 1969 (BGBl. I S. 1141) am 15. September 1975 in
Kraft. Gemäß Art. 1 Nr. 2 des Entlastungsgesetzes konnte nach Unterrichtung
und Anhörung der Parteien die Entscheidung des Revisionsgerichts ohne
mündliche Verhandlung durch Beschluß ergehen, wenn das Revisionsgericht
einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich erachtete. In Verfahren nach Art. 1 Nr. 2 des Entlastungsgeset-
zes erhielt der Rechtsanwalt die halbe Gebühr nach der 1972 in die Bundes-
gebührenordnung für Rechtsanwälte eingefügten Vorschrift des § 35a (vgl.
Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der
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Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Bun-
desgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften v.
24.10.1972 - BGBl. I S. 2013). Die Regelung des § 35a BRAGO fiel mit dem
Auslaufen des Entlastungsgesetzes weg (Art. 2 Nr. 5 lit. b des Änderungsge-
setzes vom 8.7.1975).
b) Im Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, der
die Einfügung des § 11 Abs. 1 Satz 3 BRAGO gemäß Art. 2 Nr. 5 lit. a des Än-
derungsgesetzes vom 8. Juli 1975 vorschlug, wurde die Anhebung der Pro-
zeßgebühr im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof von 13/10 auf
20/10, soweit sich die Parteien nur durch einen bei dem Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, lediglich damit
begründet, eine solche Erhöhung erscheine angesichts des neuen
Revisionsrechts angemessen (BT-Drucks. 7/3596, S. 10). Der Vorschlag einer
solchen Erhöhung der Prozeßgebühr bei einer Änderung des Revisionsrechts
ging
zurück
auf
einen
entsprechenden
Gesetzesentwurf
in
einer
Stellungnahme der bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte
(vgl. Anl. 3 S. 13 z. stenographischen Protokoll über die 56. Sitzung des
Rechtsausschusses v. 12.3.1975). In dieser Stellungnahme wurde zur
Begründung des Vorschlags für eine Änderung der Bundesgebührenordnung
für Rechtsanwälte ausgeführt:
"Mit dem Wegfall des bisherigen Verfahrens nach dem Entla-
stungsgesetz wird der hierfür geschaffene § 35a gegenstandslos.
Die Gründe, die zu seiner Einfügung Anlaß gegeben haben, gelten
indes unverändert und in verstärktem Maße weiter, weil die nun-
mehr vorgesehene Möglichkeit der Nichtannahme von Wertrevisio-
nen die Zahl der mündlichen Verhandlungen weiter einschränken
wird. Dies und die erhöhte Verantwortung des Revisionsanwalts im
Verfahrensstadium bis zur Annahme einer Wertrevision sowie die
erhöhte Zahl der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisio-
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nen, geschätzt auf mindestens ein Drittel aller Revisionen, mit nied-
rigen Streitwerten (Schwerpunkt: zwischen 5.000 DM und
12.000 DM) fordern den hier vorgeschlagenen Ausgleich. Da nur
die Prozeßgebühr im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (nicht
jedoch im Berufungsverfahren vor diesem Gericht) erhöht werden
soll, wird eine Ausweitung auf andere Verfahrensarten vermieden,
für welche die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung oder andere
Gesetze auf § 11 Abs. 1 Satz 2 Bezug nehmen."
Die Begründung für die Einfügung des § 35a BRAGO im Jahre 1972 lau-
tete:
"Das Gesetz zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsa-
chen hat dazu geführt, daß der Bundesgerichtshof einen erhebli-
chen Teil der Revisionen ohne mündliche Verhandlung als unbe-
gründet zurückweist. Damit entfällt für die beteiligten Rechtsanwäl-
te die Verhandlungsgebühr, obgleich ihr Arbeits- und Sachaufwand
in diesen Verfahren nicht wesentlich geringer ist als in Verfahren
mit mündlicher Verhandlung. Hierdurch haben sich für die beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte zum Teil empfind-
liche Einkommenseinbußen ergeben. Diese Entwicklung mindert
auch die Bereitschaft geeigneter jüngerer Rechtsanwälte, eine Zu-
lassung beim Bundesgerichtshof anzustreben und gefährdet da-
durch auf längere Sicht die Güte der Rechtsprechung dieses Ge-
richts.
Bei dieser Sachlage erscheint es geboten, den beim Bundesge-
richtshof zugelassenen Rechtsanwälten für Verfahren, in denen der
Bundesgerichtshof eine Revision ohne mündliche Verhandlung als
unbegründet zurückweist, eine halbe Gebühr zu gewähren, um die
Nachteile auszugleichen und die Gefahren abzuwehren, die das
Gesetz zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen mit
sich
gebracht
hat."
(Änderungsantrag
der
Abgeordneten
Dr. Hauser, Dürr, Mischnick und Kleinert, Stenographische Berich-
te der Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 195. Sitzung v.
22.6.1972, S. 11484, 11485 f.).
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c) Nach der Entstehungsgeschichte der Regelung des § 11 Abs. 1
Satz 5 BRAGO sollte folglich die Erhöhung der Prozeßgebühr auf 20/10 einen
Ausgleich dafür darstellen, daß sich infolge des 1975 eingeführten Revisions-
rechts die Anzahl der mündlichen Verhandlungen erheblich verringert hatte. Mit
der Erhöhung der Prozeßgebühr sollten im Interesse der Erhaltung einer lei-
stungsfähigen Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof, deren Tätig-
keitsfeld von Gesetzes wegen eng begrenzt ist (vgl. §§ 171, 172 BRAO), die
Einkommensnachteile ausgeglichen werden, die wegen des Rückgangs der
mündlichen Revisionsverhandlungen und des dabei zu erzielenden Gebühren-
aufkommens ansonsten zu verzeichnen gewesen wären. Die Erhöhung der
Prozeßgebühr gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO um 7/10 hat ihren Grund
folglich nicht in der besonderen Schwierigkeit der einzelnen Revisionsangele-
genheit als solcher; die mit der Tätigkeit in der Rechtsmittelinstanz verbundene
Mehrarbeit wird vielmehr bereits mit der Erhöhung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4
BRAGO abgegolten. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO knüpft nach
ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zweck (sowie nach ihrem Wortlaut) an
die besondere Stellung der bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwälte an (in diesem Sinne auch Busse/Keukenschrijver aaO). Das am
1. Januar 2002 in Kraft getretene Revisionsrecht hat daran nichts geändert. Da
diese Stellung dem mitwirkenden Patentanwalt nicht zukommt, steht ihm für
seine Mitwirkung in dem Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof nur
eine 13/10 Gebühr gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO zu.
IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde der Beklagten mit der Kostenfolge
des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann
Bornkamm
Pokrant
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Büscher
Bergmann