Urteil des BGH vom 20.12.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 95/12
vom
20. Dezember 2012
in der Grundbuchsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HöfeVfO § 7 Abs. 1; GBO § 4
Die zu einem Hof desselben Eigentümers gehörenden Grundstücke sind auf Ersu-
chen des Landwirtschaftsgerichts grundsätzlich auf einem besonderen Grundbuch-
blatt einzutragen (§ 7 Abs. 1 HöfeVfO); scheitert dies jedoch daran, dass bei einer
Zusammenschreibung Verwirrung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GBO zu be-
sorgen wäre, ist die Hofzugehörigkeit entsprechend § 6 Abs. 4 HöfeVfO ausnahms-
weise durch Eintragung wechselseitiger Hofzugehörigkeitsvermerke kenntlich zu ma-
chen.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - V ZB 95/12 - OLG Celle
AG Verden
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland sowie den Richter Dr. Kazele
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss
des
7. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts
Celle
vom
10. April 2012 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts
Verden - Grundbuchamt - vom 7. Februar 2012 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, die ersuchte Eintragung
nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 7. Februar 2012
genannten Gründen zu verweigern.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 2 ist Eigentümer des im Grundbuch von O. auf
Blatt 111 eingetragenen Grundbesitzes, der im Bezirk des Grundbuchamts
A. liegt und einen Hof im Sinne der Höfeordnung bildet. Der Hof wird von
O. aus bewirtschaftet; eingetragen ist ein Hofvermerk. Der Beteiligte zu 2 ist
zudem Eigentümer des im Grundbuch von D. auf Blatt 1661 eingetra-
genen Grundbesitzes. Dieser liegt im Bezirk des Grundbuchamts V. und
gehört ebenfalls zu dem Hof. In das bei dem Grundbuchamt A. geführte
Grundbuch wurde auf Ersuchen des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht -
A. vermerkt, dass das in D. belegene Grundstück zu dem Hof ge-
hört.
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Unter dem 6. Dezember 2011 hat das Landwirtschaftsgericht auch das
Grundbuchamt V. ersucht, in das Grundbuch von D. einen Hofzu-
gehörigkeitsvermerk einzutragen. Mit Zwischenverfügung vom 7. Februar 2012
hat das Grundbuchamt V. angekündigt, das Ersuchen zurückzuweisen.
Die hiergegen von dem Landwirtschaftsgericht in seiner Funktion als ersuchen-
de Behörde (im Folgenden Beteiligte zu 1) eingelegte Beschwerde ist erfolglos
geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwer-
de verfolgt die Beteiligte zu 1 ihr Eintragungsersuchen weiter.
II.
Das Beschwerdegericht hält die ersuchte Eintragung des Hofzugehörig-
keitsvermerks für unzulässig. Für eine analoge Anwendung der Vorschriften
des § 6 Abs. 3 u. 4 HöfeVfO sei angesichts der eindeutigen Regelung des § 7
Abs. 1 HöfeVfO kein Raum. Wie sich aus der Zuständigkeitsregelung des § 4
Abs. 2 GBO ergebe, gelte dies selbst dann, wenn die die Grundstücke betref-
fenden Grundbücher von verschiedenen Grundbuchämtern geführt würden.
Verweisungen durch Hofzugehörigkeitsvermerke kämen nur in den Fällen des
§ 6 Abs. 3 u. 4 HöfeVfO in Betracht, sofern ein einheitliches Hofgrundbuch exis-
tiere und zusätzlich - bei Bestehen von Miteigentumsanteilen oder eines Ehe-
gattenhofes - andere Grundbuchblätter bestehen blieben. Zwar habe nach § 4
Abs. 1 GBO die Anlegung eines einheitlichen Grundbuchblattes zu unterblei-
ben, wenn hierdurch Verwirrung zu besorgen sei. Es erscheine jedoch bereits
zweifelhaft, ob das Kriterium der Verwirrung überhaupt in den Fällen des § 4
Abs. 2 GBO zu prüfen sei. Jedenfalls lasse sich eine solche Verwirrung nicht
daraus ableiten, dass für Grundstücke aus verschiedenen Grundbuchbezirken
ein einheitliches Grundbuchblatt angelegt werde.
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III.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Die Beteiligte zu 1 ist aufgrund der Zurückweisung der von ihr erhobe-
nen Beschwerde befugt, Rechtsbeschwerde einzulegen. Bei dem Ersuchen des
Landwirtschaftsgerichts zur Vornahme höferechtlicher Grundbucheintragungen
handelt es sich um ein Behördenersuchen nach § 38 GBO (von Jeinsen in
Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 3 HöfeVfO Rn. 2;
Steffen/Ernst, HöfeO mit HöfeVfO, 3. Aufl., § 3 HöfeVfO Rn. 2; Bauer in Bau-
er/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 38 Rn. 77; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 38
Rn. 15). Wird ein solches Ersuchen zurückgewiesen, gelten für die Behörde die
allgemeinen Rechtsmittelvorschriften (OLG Hamm, MittRhNotK 1996, 228;
Lemke/Krause, Immobilienrecht, § 38 GBO Rn. 7; Demharter, aaO, § 38
Rn. 79; Budde in Bauer/von Oefele, aaO, § 71 Rn. 84 mwN).
2. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 78 GBO, 71
FamFG sind gewahrt; insbesondere ist die Beteiligte zu 1 gemäß § 10 Abs. 4
Satz 2 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren ordnungsgemäß vertreten.
IV.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem Beschwer-
degericht angenommene rechtliche Eintragungshindernis besteht nicht.
1. Allerdings ist umstritten, ob § 7 Abs. 1 HöfeVfO die ausnahmslose
Pflicht zur Anlegung eines einheitlichen Grundbuchblatts mit der Folge zu ent-
nehmen ist, dass die Eintragung von Hofzugehörigkeitsvermerken ausscheidet.
Während die Frage insbesondere unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 GBO teilweise
selbst dann bejaht wird, wenn die Hofgrundstücke in verschiedenen Grund-
buchbezirken liegen (so Steffen/Ernst, aaO, § 7 HöfeVfO Rn. 6; vgl. auch
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Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 2 Rn. 64; unklar Lange/Wulff/
Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 1 Rn. 111), kann nach der Gegenauffas-
sung die Hofzugehörigkeit durch Eintragung eines Vermerks kenntlich gemacht
werden (Faßbender in Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, aaO, § 6 HöfeVfO
Rn. 8; Schrimpf, AgrarR 1984, 85, 87 f.). Die Buchung eines Grundstücks in
dem Grundbuch einer anderen Gemarkung lasse den unzutreffenden Eindruck
entstehen, das Grundstück sei dort belegen. Vor diesem Hintergrund entspre-
che es einer weitverbreiteten Praxis, Hofgrundstücke nur gemarkungsweise auf
einem Grundbuchblatt zusammenzuschreiben (Faßbender in Faßbender/
Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, aaO, Rn. 4 f.; vgl. auch Schrimpf, AgrarR 1984, 85,
87).
2. Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass die zu einem Hof
desselben Eigentümers gehörenden Grundstücke auf Ersuchen des Landwirt-
schaftsgerichts grundsätzlich auf einem besonderen Grundbuchblatt einzutra-
gen sind (§ 7 Abs. 1 HöfeVfO); scheitert dies jedoch daran, dass bei einer sol-
chen Zusammenschreibung Verwirrung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1
GBO zu besorgen wäre, ist die Hofzugehörigkeit entsprechend § 6 Abs. 4
HöfeVfO ausnahmsweise durch Eintragung wechselseitiger Hofzugehörigkeits-
vermerke kenntlich zu machen.
a) Nach § 4 Abs. 1 GBO kann über mehrere Grundstücke desselben Ei-
gentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden,
ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt werden, wenn hiervon Verwir-
rung nicht zu besorgen ist. Das gilt nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut
des § 4 Abs. 2 GBO auch dann, wenn die zu einem Hof im Sinne der Höfeord-
nung gehörenden Grundstücke in verschiedenen Grundbuchbezirken liegen.
Auch in diesen Fällen darf danach keine Verwirrung zu besorgen sein (Meikel/
Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 4 Rn. 35; Hügel/Holzer, GBO, 2. Aufl., § 4 Rn. 18;
Demharter, aaO, § 4 Rn. 13; KEHE/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 4
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GBO Rn. 7; Lemke/Schneider, aaO, § 4 GBO Rn. 15; aA Waldner in Bauer/
von Oefele, aaO, § 4 Rn. 12).
b) Aus § 7 Abs. 1 HöfeVfO, wonach das Landwirtschaftsgericht das
Grundbuchamt von Amts wegen zu ersuchen hat, die zu einem Hof gehörenden
Grundstücke auf einem besonderen Grundbuchblatt einzutragen, ergibt sich
nichts anderes. Die Vorschrift muss im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 GBO
gesehen werden, dessen Entstehungsgeschichte belegt, dass der Gesetzgeber
eine Zusammenschreibungspflicht nur unter den in dieser Norm genannten
Voraussetzungen statuieren wollte. Der in der Vorschrift enthaltene Verweis auf
einen "Hof im Sinne der Höfeordnung" wurde durch Art. 1 Nr. 4 des Re-
gisterverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl. I,
S. 2182) mit der Begründung eingeführt, § 7 HöfeVfO enthalte keine besondere
Regelung für die Fälle, in denen der Hof in den Bezirken mehrerer Grundbuch-
ämter liege (BT-Drucks. 12/5553, S. 56). Um eine gemeinsame Buchung "zuzu-
lassen", bedürfe es der Ergänzung des § 7 HöfeVfO durch § 4 Abs. 2 GBO (BT-
Drucks. 12/5553, S. 57).
c) Teleologische Erwägungen untermauern diesen Befund. Das Grund-
buchrecht wird von dem Grundsatz der Grundbuchklarheit beherrscht. Dem
trägt das Gesetz u.a. dadurch Rechnung, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GBO
jedes Grundstück ein eigenes Grundbuchblatt erhält. Über mehrere Grundstü-
cke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuch-
amt geführt werden, kann zwar ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt
werden. Jedoch ist diese Ausnahme im Interesse der Grundbuchklarheit an die
Voraussetzung geknüpft, dass keine Verwirrung zu besorgen ist (§ 4 Abs. 1
GBO). Dass vor diesem Hintergrund eine Zusammenschreibung von Hofgrund-
stücken trotz zu besorgender Verwirrung sachwidrig wäre, liegt auf der Hand.
Dies gilt umso mehr, wenn Grundstücke - wie in den Fällen des § 4 Abs. 2
GBO - in verschiedenen Grundbuchbezirken liegen.
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d) Wie in Konstellationen zu verfahren ist, in denen eine Zusammen-
schreibung wegen zu besorgender Verwirrung ausscheidet, ist gesetzlich nicht
geregelt. Insoweit besteht eine planwidrige Gesetzeslücke, die im Wege einer
entsprechenden Anwendung des § 6 Abs. 4 HöfeVfO dadurch zu schließen ist,
dass in den jeweiligen Grundbüchern wechselseitige Hofzugehörigkeitsvermer-
ke eingetragen werden. In solchen Fällen ist die Interessenlage der in § 6
Abs. 4 HöfeVfO geregelten vergleichbar, bei der ein zum Hof gehörender Mitei-
gentumsanteil auf einem anderen Grundbuchblatt als die Hofstelle eingetragen
ist.
3. Die Frage, ob vorliegend eine Zusammenschreibung nach § 4 Abs. 2
GBO ausscheidet, liegt hier außerhalb der Prüfungskompetenz des Grund-
buchamts V. .
a) Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass bei Behördenersuchen
das Grundbuchamt nach § 38 GBO nur zu prüfen hat, ob die Behörde - wie hier
nach § 7 i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 6 Abs. 4 HöfeVfO - zur
Stellung eines Ersuchens der in Rede stehenden Art abstrakt befugt ist, ob das
Ersuchen bezüglich seiner Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht und
ob die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse gegeben
sind. Ob hingegen im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für das Ersu-
chen vorliegen, ist vom Grundbuchamt grundsätzlich nicht zu prüfen. Hierfür
trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung (vgl. Senat, Beschluss vom
13. Januar 1956 - V ZB 49/55, BGHZ 19, 355, 357 f.; OLG Celle, MittRhNotK
1996, 228 und NJW-RR 2011, 741 mwN; OLG Frankfurt, FGPrax 2003, 197;
Demharter, aaO, § 38 Rn. 73 f.), soweit die ihr rechtlich zugeschriebene Sach-
kompetenz bei der Beurteilung der Eintragungsvoraussetzungen reicht.
Danach besteht vorliegend zwar eine Bindungswirkung bei der Beurtei-
lung der hier bejahten Fragen, ob ein Hof im Sinne der Höfeordnung vorliegt
und ob der im Grundbuchbezirk liegende Grundbesitz dem Hof zuzuordnen ist;
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darüber zu befinden, liegt allein in der Sachkompetenz des Landwirtschaftsge-
richts. Nicht hierzu gehört jedoch, ob die grundbuchrechtlichen Voraussetzun-
gen für die nur subsidiär mögliche Eintragung von Hofzugehörigkeitsvermerken
vorliegen, ob also bei einer Zusammenschreibung Verwirrung zu besorgen wä-
re (§ 4 Abs. 2 GBO). Hüter des Grundsatzes der Grundbuchklarheit ist zuvör-
derst das jeweils zuständige Grundbuchamt. Ihm obliegt es insbesondere, das
Grundbuch in den Verfahren nach § 84 ff. GBO und § 90 ff. GBO zu bereinigen
und Verwirrung im Grundbuch zu verhindern (§§ 4 ff. GBO). Eine Bindung an
ein Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts besteht daher insoweit nicht.
b) Jedoch hat das Grundbuchamt nur über die Klarheit der bei ihm ge-
führten Grundbücher zu wachen. Da es nur dafür die Verantwortung trägt, ob-
liegt die Prüfung, ob bei einer Zusammenschreibung Verwirrung zu besorgen
wäre, allein dem Grundbuchamt, in dessen Grundbuch eine Zusammenschrei-
bung in Betracht kommt. Das gilt zur Vermeidung divergierender Entscheidun-
gen auch dann, wenn es um die Eintragung von Hofzugehörigkeitsvermerken
geht. Ggf. hat das Grundbuchamt, bei dem es entsprechend § 6 Abs. 4 Alt. 2
HöfeVfO lediglich um die Eintragung des korrespondierenden Hofzugehörig-
keitsvermerks geht, die Entschließung des für die Zusammenschreibung zu-
ständigen Grundbuchamts abzuwarten. Vorliegend hat das nach § 4 Abs. 2
Satz 2 GBO zuständige Grundbuchamt A. jedoch bereits einen Hofzugehö-
rigkeitsvermerk in das bei ihm geführte Grundbuch eingetragen und damit der
Sache nach auch die dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen bejaht.
An diese Beurteilung ist das Grundbuchamt V. gebunden.
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V.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Dr. Stresemann
Dr. Roth
Dr. Brückner
Weinland
Dr. Kazele
Vorinstanzen:
AG Verden, Entscheidung vom 07.02.2012 - Dörverden Bl. 1661+2576 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.04.2012 - 7 W 18/12 -
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