Urteil des BGH vom 29.07.2014

BGH: häusliche gemeinschaft, entschädigung, auskunftserteilung, erblasser, anwaltskosten, bemessungsgrundlage, datum, tod, verdienstausfall, bestimmtheit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I V Z B 3 7 / 1 3
vom
29. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller
am 29. Juli 2014
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivil-
kammer des Landgerichts Görlitz vom 5. November 2013
wird auf Kosten der Beklagten verworfen.
Beschwerdewert: 600
Gründe:
I. Die Klägerin verlangt von ihrer Mutter durch Vorlage eines Ver-
zeichnisses Auskunft über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib
der Erbschaftsgegenstände nach ihrem am 25. November 2008 verstor-
benen Vater, Ehemann der Beklagten (Erblasser).
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat
die Berufung der Beklagten unter Festsetzung des Streitwerts für das
Berufungsverfahren auf bis zu 600
€ als unzulässig verworfen. Hierge-
gen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.
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II. Das Rechtsmittel ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber unzulässig, weil Gründe für eine
Zulassung nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die B e-
klagte nicht in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf
effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es Geric h-
ten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eing e-
räumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfert i-
genden Weise zu erschweren (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014
- XII ZB 278/13, FamRZ 2014, 644 Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind
im Streitfall nicht erfüllt.
2. Das Berufungsgericht hat die Erstbeschwerde zutreffend gemäß
§ 522 Abs. 1 Satz 2, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen;
der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600
€ nicht.
a) Zu Recht hat es bei der Wertbemessung unter Heranziehung
der Vorschriften des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes
(JVEG) auf den Aufwand an Zeit und Kosten abgestellt, den die Erfüllung
des titulierten Auskunftsanspruchs erfordert (Senatsbeschlüsse vom
27. Februar 2013 - IV ZR 42/11, ErbR 2013, 154 Rn. 14 und 10. März
2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Das legt
auch die Rechtsbeschwerde zugrunde.
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Ohne Erfolg bleibt hingegen ihr Vorwurf, das Berufungsgericht ha-
be bei dem Mindestansatz von 3
€ pro Stunde für die nicht berufstätige
Beklagte übersehen, die der Entschädigung für Zeitversäumnisse gemäß
§ 20 JVEG vorgehende Entschädigung für Nachteile bei der Haushalts-
führung gemäß § 21 JVEG mit 14
€ pro Stunde in Ansatz zu bringen.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist nicht dargetan, dass
die Beklagte - wie von § 21 Satz 1 JVEG vorausgesetzt - einen eigenen
Haushalt für mehrere Personen führt. In der Klageschrift ist lediglich
ausgeführt, dass die Beklagte und die Geschwister der Klägerin in dem
zum Nachlass gehörenden Hausanwesen wohnen. Im nachfolgenden
Schriftsatz trägt die Klägerin ergänzend vor, die Beklagte habe mit dem
Erblasser bis zu dessen Tod gemeinsam in diesem Haus gelebt und
"gemeinsam eine häusliche Gemeinschaft" geführt. Der Beklagtenvortrag
verhält sich dazu insgesamt nicht. Selbst auf die im ersten Hinweisb e-
schluss des Berufungsgerichts vom 29. August 2013 enthaltene Ankün-
digung, den Stundensatz für nicht Berufstätige zur Bemessungsgrundl a-
ge machen zu wollen, weist die Beklagte lediglich auf den im Streitfall
nicht einschlägigen maximalen Stundensatz bei Entschädigung für Ve r-
dienstausfall gemäß § 22 JVEG hin.
Fehlerfrei hat das Berufungsgericht daher auf die Entschädigung
für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG abgestellt.
Abgesehen davon erschiene selbst der bei einem Stundensatz von
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€ anzuerkennende Zeitaufwand von über 40 Stunden für die zu erte i-
lende Auskunft, um die Wertgrenze von mehr als 600
€ zu erreichen, zu
hoch angesetzt.
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b) Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde ferner, das Berufungs-
gericht habe nicht in seine Überlegungen einbezogen, dass die Beklagte
wegen des nicht hinreichend bestimmten Urteilsausspruchs anwaltliche
Hilfe bei der Auskunftserteilung in Anspruch nehmen dürfe. Im zweiten
Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 30. September 2013 wird
auf diesen bereits zuvor geltend gemachten Einwand zutreffend die nach
Person des Erblassers und Datum des Erbfalles ausreichende Bestimm t-
heit des erstinstanzlichen Urteilsausspruchs festgestellt. Gerade Letzte-
res war in der von der Rechtsbeschwerde für ihre abweichende Ansicht
herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Ja-
nuar 2009 (2 W 129/08, juris) nicht der Fall. Der Stichtag für die Au s-
kunftserteilung stand dort nicht fest, weil auch der Todeszeitpunkt nach
dem Klageantrag nur mit einer Zeitspanne eingegrenzt werden konnte.
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Die streitwerterhöhende Berücksichtigung von Anwaltskosten hat
das Berufungsgericht zu Recht ausgeschlossen. Ein für die Auskunftse r-
teilung erforderlicher, 600
€ übersteigender Kostenaufwand ist damit
insgesamt nicht glaubhaft gemacht.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Bautzen, Entscheidung vom 07.03.2013 - 21 C 78/12 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 05.11.2013 - 2 S 76/13 -
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