Urteil des BGH vom 24.11.2010

BGH (abweisung der klage, verbotsirrtum, prospekt, geschäftsführer, vorsatz, stgb, beteiligung, zug, irrtum, haftung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 260/09
vom
24. November 2010
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2010 durch
den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr, Wöstmann, Seiters und
Tombrink
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Teil-
urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
11. September 2009 - 20 U 1566/09 - gemäß § 552a Satz 1 ZPO
zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats nach
Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe:
I.
Der Kläger erwarb durch auf Abschluss einer "Beitrittsvereinbarung" ge-
richtete Erklärung vom 26. Juni 2000 eine Beteiligung an der C. Ge-
sellschaft mbH & Co. Dritte
KG in Höhe von 50.000 DM zuzüglich 5 % Agio, die er zum Teil durch
Aufnahme eines Darlehens finanzierte. Der Beitritt wurde - dem von der Beklag-
ten zu 3, der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft, herausgegebenen
Prospekt entsprechend - über die Beklagte zu 1, eine Wirtschaftsprüfungsge-
sellschaft, als Treuhandkommanditistin nach einem im Prospekt Teil B abge-
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druckten Vertragsmuster "Treuhandvertrag und Mittelverwendungskontrolle"
vorgenommen. Zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos aus der Filmver-
marktung war im Emissionsprospekt vorgesehen, dass für einen Anteil von
80 % der Produktionskosten Sicherheiten bestehen sollten, etwa in Form von
Ausfallversicherungen. Nachdem Produktionen nicht den erwünschten wirt-
schaftlichen Erfolg hatten, erwies sich der Versicherer, die N.
Inc., nach Eintreten der Versicherungsfälle als zahlungsunfähig.
Insgesamt erhielt der Kläger aus der Beteiligung Ausschüttungen von 26,3 %,
das sind 6.723,46 €.
Der Kläger hat neben der Treuhandkommanditistin deren Geschäftsfüh-
rer, den Beklagten zu 2, die Beklagte zu 3 und deren Geschäftsführer, den Be-
klagten zu 4, und den Beklagten zu 5, neben dem Beklagten zu 4 Gesellschaf-
ter der Komplementärin und seinerzeit zugleich Mehrheitsgesellschafter und
Geschäftsführer der I. - und T. mbH (im
Folgenden: IT GmbH), auf Rückzahlung des eingezahlten Betrags unter Be-
rücksichtigung der erlangten Ausschüttung und der durchgeführten Fremdfinan-
zierung in Anspruch genommen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung aller
Ansprüche aus der Beteiligung.
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Das Landgericht hat dem Hilfsantrag gegen die Beklagte zu 1 in Höhe
von 15.722,04 € nebst Zinsen entsprochen und im Übrigen die Klage abgewie-
sen. Im Berufungsverfahren ist über das Vermögen der Beklagten zu 3 das In-
solvenzverfahren eröffnet worden. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zu 1
nach teilweiser Umstellung der Klageanträge durch Teilurteil zur Zahlung von
17.813,84 € nebst Zinsen und zur Freistellung des Klägers von allen unmittelba-
ren und mittelbaren Verbindlichkeiten aus dem aufgenommenen Darlehen ver-
urteilt; die Berufung der Beklagten zu 1 und die weitergehende Berufung des
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Klägers hat es zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihren Revisio-
nen begehren die Beklagte zu 1 die Abweisung der Klage und der Kläger - nach
Rücknahme seines Rechtsmittels gegenüber dem Beklagten zu 2 - auf delikts-
rechtlicher Grundlage die Verurteilung der Beklagten zu 4 und 5. In Bezug auf
die Beklagte zu 1 ist das Revisionsverfahren nach § 240 Satz 2 ZPO unterbro-
chen, nachdem durch Beschlüsse des Insolvenzgerichts vom 30. Juli 2010 und
5. August 2010 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Beklagten
zu 1 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist.
II.
1.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision des Klägers liegen
im Streitfall nicht mehr vor. Denn der Senat hat in seinem Urteil vom 15. Juli
2010 (III ZR 321/08, WM 2010, 1537 Rn. 35 ff) im Einzelnen dazu Stellung ge-
nommen, welche Anforderungen an den Vorsatz für die Annahme eines Kapi-
talanlagebetrugs nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB und
für eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB zu stellen sind. Die von der
Revision gewünschte Überprüfung führt zu keinem anderen Ergebnis.
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2.
Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
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a) Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten zu 4 und 5,
weil es an hinreichendem Vortrag und Beweis für den erforderlichen Vorsatz
fehle. Der Einwand der Beklagten, sie seien davon ausgegangen, dass der Ge-
samtbetrag der im Investitionsplan ausgewiesenen Weichkosten nicht über-
schritten werde und dass lediglich im Prospekt vorgesehene und auch erbrach-
te Leistungen vergütet würden, sei nicht widerlegt. Da es eine höchstrichterliche
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Rechtsprechung zur Verpflichtung, über die Abweichung einzelner Budgetpos-
ten vom Investitionsplan aufzuklären, zur Zeit des Beitritts des Klägers im Juni
2000 noch nicht gegeben habe, die Beklagten außerdem fachkundigen Rechts-
rat eingeholt hätten und bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
29. Mai 2008 (III ZR 59/07, NJW-RR 2008, 1129) in einer Vielzahl von Ge-
richtsentscheidungen die in Rede stehende Aufklärungspflicht verneint worden
sei, fehle es jedenfalls an der subjektiven Tatseite eines Anlagebetrugs bezie-
hungsweise einer vorsätzlichen Beihilfe dazu und einer vorsätzlichen sittenwid-
rigen Schädigung.
b) Diese Beurteilung wird von der Revision nur insoweit angegriffen, als
es um die unterlassene Aufklärung über die personelle und kapitalmäßige Ver-
flechtung der IT GmbH mit der Komplementärin in der Person des Beklagten
zu 5 geht. Die Revision beanstandet insoweit die Zugrundelegung eines unrich-
tigen Verschuldensmaßstabs. Da es um die Verletzung eines strafrechtlichen
Schutzgesetzes gehe, sei die sogenannte Schuldtheorie anzuwenden, nach der
nur ein unvermeidbarer Verbotsirrtum den Täter entlaste. In dieser Beziehung
habe das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Da der Senat
in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 befunden habe, ein Prospektverantwortlicher
habe nicht ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen dürfen, dass die der IT GmbH
gewährten Sondervorteile für die Anleger ohne Interesse seien (III ZR 321/08,
aaO Rn. 41), könne ein Irrtum der Beklagten zu 4 und 5 nicht unvermeidbar
sein. Dass sie insoweit unter Offenlegung der Fakten Rechtsrat eingeholt hät-
ten, sei von ihnen nicht einmal behauptet worden.
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Diese Überlegungen stellen die angefochtene Entscheidung nicht in
Frage.
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aa) Im Ausgangspunkt zutreffend bezieht sich die Revision auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach im Zivilrecht zum Vorsatz
das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört, so dass bei einem Verbotsirrtum
die Haftung entfällt, während bei Anwendung eines strafrechtlichen Schutzge-
setzes ein Verbotsirrtum nur dann entlastet, wenn er unvermeidbar ist (§ 17
StGB; vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, NJW 1985, 134, 135
m.w.N.).
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bb) Im vorliegenden Fall ging es um die bis zum Senatsurteil vom
29. Mai 2008 (III ZR 59/07 aaO) noch nicht behandelte und vom Kläger auch
erst danach aufgeworfene Frage, ob die mit der Komplementärin bestehende
Verflechtung der IT GmbH und die mit ihr verknüpften Sondervorteile auch dann
prospektpflichtig sind, wenn der Prospekt über die der Komplementärin gewähr-
ten Sondervorteile hinreichend und zutreffend aufklärt (vgl. hierzu Senatsurteil
vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, WM 2010, 1641 Rn. 11-14) und die der IT
GmbH gewährten Sondervorteile betragsmäßig in diesen enthalten sind. Der
Senat hat diese von ihm bejahte Frage in seinen Urteilen vom 29. Mai 2008
(aaO Rn. 25) und 12. Februar 2009 (III ZR 90/08, NJW-RR 2009, 613 Rn. 25)
zunächst nur knapp behandelt und gegen erhobene Einwände in seinem Urteil
vom 15. Juli 2010 (III ZR 336/08, aaO Rn. 23-25) eingehend hierzu Stellung
genommen.
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Der Senat hat offen gelassen, ob insoweit das Verschweigen einer
nachteiligen Tatsache im Sinne des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt und der
objektive Tatbestand dieser Norm erfüllt ist (Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR
321/08, aaO Rn. 36). Er hat sich auch nicht näher dazu geäußert, ob dem dorti-
gen Beklagten, der die Angabe für nicht prospektpflichtig gehalten hatte, ein
Tatbestandsirrtum oder ein Verbotsirrtum unterlaufen ist. Auch wenn man - was
nicht zweifelsfrei ist - von einem Verbotsirrtum ausgeht, hält der Senat einen
entsprechenden Irrtum der Beklagten für unvermeidbar. Nach den Feststellun-
gen des Berufungsgerichts haben die Beklagten fachkundigen Rechtsrat einge-
holt. Auch wenn sich die dieser Feststellung zugrunde liegende Behauptung der
Beklagten weitgehend darauf bezog, dass der Prospekt mit Beratung von re-
nommierten fachkundigen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern herausgege-
ben worden sei, und die Beratung nicht gezielt die hier in Rede stehende Frage
zum Gegenstand hatte, entschuldigt dies die Beklagten hinreichend. Zwar hat-
ten sie - der Beklagte zu 4 als Geschäftsführer der Prospektherausgeberin und
der Beklagte zu 5 nach dem Vorbringen des Klägers als möglicher Hintermann -
eine Verantwortung für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Prospekts. Als
juristische Laien hatten sie aber vor dem Hintergrund der Einschaltung von Be-
ratern und des seinerzeitigen Stands der Rechtsprechung keinen hinreichenden
Anlass anzunehmen, sie müssten, um sich nicht strafbar zu machen, über Son-
dervorteile der IT GmbH informieren, die vollständig in den prospektierten Son-
dervorteilen der Komplementärin enthalten waren und daher - bei einer rein
wirtschaftlichen Betrachtungsweise
- von den Anlegern
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zur Kenntnis genommen werden konnten. Dass sie eine darüber hinausgehen-
de Kenntnis gehabt hätten, zeigt die Revision nicht auf.
Schlick
Dörr
Wöstmann
Seiters
Tombrink
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 18.09.2008 - 22 O 13695/08 -
OLG München, Entscheidung vom 11.09.2009 - 20 U 1566/09 -