Urteil des BGH vom 04.04.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 168/13
Verkündet am:
4. April 2014
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 16 Abs. 2, Abs. 8
Macht
die
Wohnungseigentümergemeinschaft
Beitrags-
oder
Schadensersatzansprüche gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer
gerichtlich geltend, sind die ihr entstehenden Prozesskosten gemäß § 16 Abs.
2 WEG von allen Wohnungseigentümern zu tragen; eine Freistellung des
obsiegenden Wohnungseigentümers gemäß § 16 Abs. 8 WEG kommt nicht in
Betracht.
WEG § 28 Abs. 3
Der
Wirtschaftsplan
kann
nach
der
Beschlussfassung
über
die
Jahresabrechnung durch einen Zweitbeschluss ersetzt werden, wenn Zweifel
an seiner Wirksamkeit bestehen; nichts anderes gilt für den Beschluss über
die Erhebung einer Sonderumlage als Ergänzung des Wirtschaftsplans.
BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 168/13 - LG Itzehoe
AG Niebüll
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer
des Landgerichts Itzehoe vom 31. Mai 2013 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als der auf der Eigentümerversammlung
vom 1. Mai 2010 zu TOP 3 gefasste Beschluss für ungültig erklärt
und die Nichtigkeit der zu TOP 13 und 14 gefassten Beschlüsse
festgestellt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Niebüll vom 9. Februar 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie den
auf der Eigentümerversammlung vom 1. Mai 2010 zu TOP 3
gefassten Beschluss zum Gegenstand hat.
Im Übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Anschlussrevision des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, in deren
Anlage ein Hotel betrieben wird. In der Eigentümerversammlung vom 5. Mai
2007 wurde beschlossen, eine Sonderumlage für Brandschutzmaßnahmen zu
erheben. Am 17. Mai 2008 wurde ein Beschluss über die Erhebung einer
weiteren Sonderumlage für die Sanierung der Hotelküche gefasst. Beide
Maßnahmen
wurden
vor
dem
Jahr
2009
durchgeführt.
Alle
Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Klägers zahlten ihren Anteil an den
Sonderumlagen. Eine gegen den hiesigen Kläger gerichtete Klage der
Wohnungseigentümergemeinschaft auf Zahlung des auf seine Wohneinheit
entfallenden Anteils wies das Landgericht in einem Vorprozess mit
(rechtskräftigem) Urteil vom 4. Februar 2010 ab, weil es die beiden Beschlüsse
über die Erhebung der Sonderumlagen wegen mangelnder Bestimmtheit als
nichtig ansah; die Kosten erlegte es der Wohnungseigentümergemeinschaft
auf.
In der Eigentümerversammlung vom 1. Mai 2010 wurde unter anderem
die Jahresabrechnung für das Jahr 2009 beschlossen, in der die Kosten des
geschilderten Rechtsstreits auf alle Wohnungseigentümer anteilig verteilt
wurden (TOP 3). Ein Antrag des Klägers auf Abberufung des Verwalters wurde
abgelehnt (TOP 10). Sodann wurden im Hinblick auf die Entscheidung des
Landgerichts vom 4. Februar 2010 erneut Beschlüsse über die Erhebung der
Sonderumlagen für die Brandschutzmaßnahmen (TOP 13) und für die
Küchensanierung (TOP 14) jeweils auf der Basis der Miteigentumsanteile
gefasst.
Die unter anderem gegen die genannten Beschlüsse gerichtete
Anfechtungsklage des Klägers hat das Amtsgericht abgewiesen. Auf die
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Berufung des Klägers hat das Landgericht den zu TOP 3 gefassten Beschluss
insoweit für ungültig erklärt, als der Kläger in der Jahreseinzelabrechnung
anteilig mit den Kosten des Rechtsstreits belastet worden ist. Die zu TOP 13
und 14 gefassten Beschlüsse hat es für nichtig erklärt; im Hinblick auf TOP 10
hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten
ihre Schlussanträge zu TOP 3, 13 und 14 weiter. Der Kläger will mit der
Anschlussrevision erreichen, dass der zu TOP 10 gefasste Beschluss für nichtig
erklärt wird. Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des
gegnerischen Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
A.
Das
Berufungsgericht
meint,
der
Kläger
dürfe
in
der
Jahreseinzelabrechnung (TOP 3) nicht anteilig mit den Kosten des
Rechtsstreits belastet werden. Als Vorschussleistung seien die Prozesskosten
zwar nach § 16 Abs. 2 WEG auf die Wohnungseigentümer zu verteilen. Für die
endgültige Kostenverteilung gelte indes der Vorrang der Kostenentscheidung
des Gerichts; danach habe die Wohnungseigentümergemeinschaft die Kosten
zu tragen und dürfe den Kläger nicht anteilig heranziehen. Ein Anspruch auf
Abberufung des Verwalters (TOP 10) setze einen wichtigen Grund voraus, den
der Kläger nicht ausreichend unter Beweis gestellt habe. Die hinsichtlich der
Sonderumlagen gefassten Beschlüsse (TOP 13 und 14) seien nichtig, weil
keine Beschlusskompetenz bestehe, für abgerechnete und bereits bezahlte
Maßnahmen eine Sonderumlage zu beschließen; insoweit könne eine
Zahlungspflicht nur durch die Jahreseinzelabrechnung begründet werden.
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B.
I. Revision der Beklagten
1. Die Revision ist im Hinblick auf die zu TOP 3, 13 und 14 gefassten
Beschlüsse statthaft. In den Entscheidungsgründen führt das Berufungsgericht
aus, die Fragen der Beteiligung an den Kosten eines Rechtsstreits und der
Beschlusskompetenz für Beschlüsse über Sonderumlagen nach Ablauf des
Wirtschaftsjahres hätten grundsätzliche Bedeutung, so dass insoweit die
Revision zuzulassen sei. Diese Rechtsfragen werfen die zu TOP 3, 13 und 14
gefassten Beschlüsse auf. Die Beschränkung ist wirksam, weil sie sich auf
einen abtrennbaren Teil des Prozessstoffs bezieht (vgl. dazu MünchKomm-
ZPO/Krüger, 4. Aufl., Rn. 39 mwN). Die Revision ist auch im Übrigen zulässig.
2. In der Sache ist das Rechtsmittel vollen Umfangs begründet.
a) Rechtsfehlerhaft erklärt das Berufungsgericht den zu TOP 3 gefassten
Beschluss insoweit für ungültig, als der Kläger in der Jahreseinzelabrechnung
mit Prozesskosten belastet worden ist. Die Frage, ob die Kosten eines
Rechtsstreits, den die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen
einzelnen Wohnungseigentümer führt, als Kosten der Verwaltung auf alle
Wohnungseigentümer
umzulegen
sind
oder
ob
der
beklagte
Wohnungseigentümer hiervon auszunehmen ist, wird allerdings uneinheitlich
beantwortet. Dabei geht es zum einen um die Aufbringung der Mittel zur
Erfüllung
eines
Kostenerstattungsanspruchs
des
obsiegenden
Wohnungseigentümers. Zum anderen ist auch die - hier allein relevante -
Heranziehung des beklagten Wohnungseigentümers im Hinblick auf die dem
Verband selbst entstehenden Prozesskosten umstritten.
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aa) Insoweit wird vertreten, der beklagte Wohnungseigentümer müsse
sich an diesen Kosten nicht beteiligen und sei - auch von etwaigen
Vorschusszahlungen - in seiner Einzelabrechnung freizustellen (Hügel, ZWE
2008, 265, 267 ff.). Obsiegt der Verband, ist danach die spätere
Kostenerstattung durch den beklagten Wohnungseigentümer nur den übrigen
(die Kosten verauslagenden) Wohnungseigentümern gutzuschreiben. Obsiegt
dagegen der Wohnungseigentümer, bleibt er weiterhin freigestellt.
bb) Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind zwar die Vorschüsse durch
alle Wohnungseigentümer aus dem Verwaltungsvermögen aufzubringen und
zunächst von allen Wohnungseigentümern zu tragen. Für die endgültige
Verteilung der Kosten soll jedoch die gerichtliche Kostenentscheidung
maßgeblich sein (so auch LG Bonn, ZMR 2011, 985, 986 f.; Jennißen in
Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 165 ff.; ders., NZM 2007, 510, 511).
cc) Nach überwiegender Ansicht handelt es sich dagegen um Kosten der
Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG, an denen sich die
Wohnungseigentümer ausnahmslos beteiligen müssen. Teils wird dies nur dann
angenommen, wenn die Kosten - wie hier - aus der Verfolgung von Beitrags-
und Schadensersatzansprüchen herrühren (Spielbauer in Spielbauer, WEG, 2.
Aufl., § 16 Rn. 78; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10.
Aufl., § 16 Rn. 87; Bärmann/Seuß/Wanderer, Praxis des Wohnungseigentums,
6. Aufl., Teil C Rn. 1677). Vertreten wird aber auch, dass Kosten der
Rechtsverfolgung durch den Verband gegen einzelne Wohnungseigentümer
stets § 16 Abs. 2 WEG unterfallen (LG München I, NJW-RR 2013, 1285 ff.;
Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 171; ebenso im Ergebnis
Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 318a). Danach kommt eine
Freistellung des beklagten Wohnungseigentümers nicht in Betracht. Obsiegt der
Verband in dem Prozess, wird die von dem Beklagten geschuldete
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Kostenerstattung allen Wohnungseigentümern - also auch dem Beklagten -
gutgeschrieben. Obsiegt dagegen der Wohnungseigentümer, hat er zwar einen
Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten; seinen Anteil an den
Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft hat er jedoch - wie die übrigen
Wohnungseigentümer auch - endgültig zu tragen.
dd) Der Senat teilt die zuletzt genannte Auffassung jedenfalls insoweit,
als die Kosten darauf beruhen, dass der Verband gemeinschaftliche Beitrags-
oder Schadensersatzansprüche geltend macht; dies entspricht seiner
Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 und 5 WEG in der bis zum 30. Juni 2007
geltenden Fassung (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ
171, 335 Rn. 25). Die Neufassung von § 16 Abs. 5 WEG - nunmehr in § 16
Abs. 8 WEG - gibt keinen Anlass, hiervon abzurücken.
(1) Gegen die Einordnung solcher Prozesskosten als Kosten der
Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG spricht allerdings der Wortlaut des
§ 16 Abs. 8 WEG. Danach sind die Kosten eines Rechtsstreits gemäß § 43
WEG nur insoweit Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 WEG, als sie die
durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten betreffen. Die
Norm
bedarf
jedoch
einer
teleologischen
Reduktion,
weil
ihr
Anwendungsbereich unbeabsichtigt zu weit gefasst worden ist. Dass die Kosten
aller in § 43 WEG aufgeführten Rechtsstreitigkeiten nicht zu den Kosten der
Verwaltung zählen sollten, ist auszuschließen. § 43 Nr. 5 WEG erfasst nämlich
auch Außenstreitigkeiten, bei denen der Verband durch Dritte verklagt wird;
insoweit ist kein Grund dafür ersichtlich, die Kosten nicht als solche der
Verwaltung anzusehen. Auch die in § 43 Nr. 2 WEG aufgeführten Streitigkeiten
über
Rechte
und
Pflichten
zwischen
der
Gemeinschaft
der
Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern unterfallen jedenfalls dann
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nicht § 16 Abs. 8 WEG, wenn der Verband gemeinschaftliche Beitrags- oder
Schadensersatzansprüche geltend macht.
(2) Die Gesetzesbegründung steht dieser Auslegung nicht entgegen.
Dort wird lediglich ausgeführt, dass die Neufassung des § 16 Abs. 8 WEG nur
hinsichtlich der durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten
eine Änderung gegenüber dem zuvor geltenden Recht herbeiführen sollte (BT-
Drucks. 16/887, 26). Dass auch unter der Geltung von § 16 Abs. 5 WEG aF die
bei der Verfolgung von gemeinschaftlichen Beitrags- und Schadensersatzan-
sprüchen anfallenden Prozesskosten von allen Wohnungseigentümern zu
tragen waren, entsprach jedoch schon vor der - zeitlich nach der
Gesetzesbegründung ergangenen - Entscheidung des Senats vom 15. März
2007 (V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 ff.) der überwiegenden Auffassung in Recht-
sprechung und Literatur (BayObLG, ZMR 2004, 763 für Wohngeldverfahren;
Staudinger/Bub, BGB [2005], § 16 WEG Rn. 182 mwN).
(3) Nach Sinn und Zweck erfasst § 16 Abs. 8 WEG jedenfalls nicht
Prozesskosten der genannten Art. Denn die Finanzierungsverantwortung für die
Gemeinschaft obliegt den Wohnungseigentümern als gemeinschaftliche
Aufgabe; insoweit dürfen sie sich des Verwaltungsvermögens bedienen (so
zutreffend Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 172). Dagegen bezieht
sich § 16 Abs. 8 WEG in erster Linie auf Streitigkeiten, bei denen die
Wohnungseigentümer teils auf der Kläger- und teils auf der Beklagtenseite
stehen. Die Norm soll - wie zuvor § 16 Abs. 5 WEG aF - verhindern, dass
Konflikte innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Kosten aller
Wohnungseigentümer ausgetragen werden (so zu § 16 Abs. 5 WEG aF Senat,
Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 Rn. 22); sie soll
aber nicht dazu führen, dass die mit der gerichtlichen Verfolgung von
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Beitragsansprüchen verbundenen Risiken nur einzelne Wohnungseigentümer
zu tragen haben.
(4) Die in dem Urteil des Landgerichts vom 4. Februar 2010 enthaltene
Kostenentscheidung, auf die sich das Berufungsgericht stützt, führt zu keinem
anderen Ergebnis. Sie bezieht sich auf das Verhältnis der Parteien
untereinander und regelt nicht, wer im Innenverhältnis die Kosten des
unterlegenen
Verbands
tragen
muss.
Dass
dem
obsiegenden
Wohnungseigentümer die Finanzierungskosten der Gemeinschaft für den
Prozess anteilig endgültig zur Last fallen, beruht auf seiner Zugehörigkeit zu
dem klagenden Verband.
(5) Ob die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft allgemein zur Folge hat,
dass deren Prozesskosten von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich
aufgebracht werden müssen, bedarf keiner Entscheidung; ebenso kann
offenbleiben, ob der obsiegende Wohnungseigentümer aufgrund der
Kostenentscheidung des Gerichts von der Finanzierung seines Anspruchs auf
Erstattung außergerichtlicher Kosten ausgenommen werden muss (zu § 16
Abs. 5 WEG aF Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171,
335 Rn. 17).
b) Auch die zu TOP 13 und 14 gefassten Beschlüsse erklärt das
Berufungsgericht zu Unrecht für ungültig. Die Wohnungseigentümer durften die
Erhebung der Sonderumlagen für die Finanzierung der Brandschutzmaß-
nahmen und die Sanierung der Hotelküche beschließen, nachdem das
Landgericht in seinem Urteil vom 4. Februar 2010 die im Jahr 2007 bzw. 2008
gefassten Beschlüsse inzident geprüft und jeweils als ungültig angesehen hatte.
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aa) Richtig ist zwar, dass eine Sonderumlage eine Ergänzung des
Wirtschaftsplans für das laufende Wirtschaftsjahr darstellt, die der Deckung
besonderer oder unvorhergesehener Ausgaben dient (vgl. nur Senat, Urteil vom
13. Januar 2012 - V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 Rn. 12, 15). Hier sollte
aber jeweils eine wirksame Rechtsgrundlage für die von den übrigen
Wohnungseigentümern
bereits
entrichteten
Beiträge
und
die
noch
ausstehenden Beiträge des Klägers geschaffen werden. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts enthält die Jahresabrechnung regelmäßig
nicht diese Rechtsgrundlage.
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wirkt der Beschluss
über die Jahresabrechnung anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den
einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem
Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt
(sog. Abrechnungsspitze); im Hinblick auf Zahlungsverpflichtungen, die durch
frühere Beschlüsse entstanden sind, hat er dagegen nur bestätigende und
rechtsverstärkende Wirkung. Insbesondere führt der Beschluss über die
Jahresabrechnung nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsgrunds für
rückständige Vorschüsse in dem Sinne, dass sie sowohl auf Grund des
Beschlusses über den Wirtschaftsplan als auch auf Grund des Beschlusses
über die Jahresabrechnung geschuldet wären. Bei den in § 28 Abs. 2 WEG
geregelten Vorschüssen der Wohnungseigentümer handelt es sich nicht um
gewöhnliche Abschlagszahlungen, für die charakteristisch ist, dass sie von dem
Gläubiger nicht mehr verlangt werden können, sobald eine Berechnung der
eigentlichen Forderung vorliegt. Die Jahresabrechnung dient nicht der
Ermittlung des „eigentlichen“ Beitragsanspruchs, sondern nur der Anpassung
der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten
(ausführlich Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, NJW 2012, 2797
Rn. 20 ff. mwN).
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cc) Weil die Jahresabrechnung danach nicht an die Stelle des
Wirtschaftsplans tritt, kann dieser nach der Beschlussfassung über die
Jahresabrechnung
in
einem
folgenden
Wirtschaftsjahr
durch
einen
Zweitbeschluss ersetzt werden, wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen
(vgl. Jacoby, ZWE 2011, 61, 64; allgemein Senat, Beschlüsse vom
20. Dezember 1990 - V ZB 8/90, BGHZ 113, 197, 200 und vom 23. August
2001 - V ZB 10/01, BGHZ 148, 335, 350). Nichts anderes gilt für den Beschluss
über eine Sonderumlage als Ergänzung des Wirtschaftsplans. Nachdem das
Landgericht die Beschlüsse über die Sonderumlagen bei der Entscheidung über
die Zahlungsklage des Verbands inzident als nichtig angesehen hatte, mussten
die Wohnungseigentümer davon ausgehen, dass ihre Zahlungen auf die
Sonderumlagen ohne Rechtsgrundlage erfolgt waren und es an einem
verpflichtenden Schuldgrund fehlte. Dies durften sie beheben, indem sie - wie
geschehen - der Sache nach inhaltsgleiche Beschlüsse fassten.
3. Die Sache ist nur im Hinblick auf den zu TOP 3 gefassten Beschluss
entscheidungsreif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insoweit ist auf die Berufung der
Beklagten das Urteil des Amtsgerichts wiederherzustellen, mit dem die Klage
abgewiesen worden ist.
Soweit die Revision dagegen TOP 13 und TOP 14 zum Gegenstand hat,
ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO). Denn aus dem von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil
des Amtsgerichts ergibt sich, dass die Klage auch auf Anfechtungsgründe
gestützt worden ist. Zu diesen hat das Berufungsgericht - von seinem
rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.
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II. Anschlussrevision des Klägers
Die Anschlussrevision ist unzulässig.
1. Im Hinblick auf den zu TOP 10 gefassten Beschluss ist die Revision
nicht zugelassen. Eine Anschlussrevision ist gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1
Halbsatz 2 ZPO zwar auch dann statthaft, wenn die Revision nicht zugelassen
worden ist, und kann trotz einer beschränkten Zulassung der Revision auch
dann wirksam eingelegt werden, wenn sie nicht den Streitgegenstand betrifft,
auf den sich die Zulassung bezieht (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - KZR
32/02, BGHZ 155, 189, 191 f.; Urteil vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW
2004, 3174, 3176). Es kann aber kein Streitstoff eingeführt werden, der mit dem
Gegenstand der Revision weder in einem rechtlichen noch in einem
wirtschaftlichen
Zusammenhang
steht
(ausführlich
BGH,
Urteil
vom
22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 40 f.).
2. Den erforderlichen Zusammenhang der Streitgegenstände legt die
Anschlussrevision nicht dar. Sie hat den Anspruch auf Abberufung des
Verwalters zum Gegenstand. Aus dem in Bezug genommenen Klägervortrag
aus den Vorinstanzen ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten
Abberufungsgründe
in
einem
Zusammenhang
mit
den
in
der
Eigentümerversammlung zu TOP 3, 13 und 14 gefassten Beschlüssen über die
Jahresabrechnung und die Erhebung der Sonderumlagen stehen. Dem
allgemein gehaltenen Vorwurf, der Verwalter stehe „im Lager der
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Vertragspartner der Wohnungseigentümergemeinschaft“, lässt sich schon kein
konkreter Bezug zu den Maßnahmen entnehmen, deren Finanzierung die
Sonderumlagen dienen sollten.
Stresemann
Roth
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Niebüll, Entscheidung vom 09.02.2011 - 18 C 29/10 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 31.05.2013 - 11 S 14/11 -