Urteil des BGH vom 13.02.2014

BGH: transporteinrichtung, werkzeug, stand der technik, patentanspruch, lagerung, erfindung, auflage, patentgericht, maschine, video

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 6 9 / 1 2
Verkündet am:
13. Februar 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. Februar 2014 durch die Richter Gröning,
Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 27. März 2012 verkündete Urteil
des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts
vom 27. März 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückge-
wiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Der Beklagte ist Inhaber des europäischen Patents 0 813 841 B2
(Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen
Patentanmeldung vom 17. Juni 1996 - am 16. Juni 1997 angemeldet wur-
de und dessen Verfahrenssprache Deutsch ist. Das Streitpatent umfasst
17 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Abbundanlagen zur Bearbeitung von Strangmaterial, insbeson-
dere zur Bearbeitung von stangenförmigen Holzwerkstücken
(1), Holzbalken, Brettern und dergleichen,
wobei die Abbundanlage eine Auflage (8) und eine Transport-
einrichtung (7) zum Auflegen und Transportieren des Strangma-
terials aufweist, mit wenigstens einem, entlang der Trans-
porteinrichtung (7) angeordneten Bearbeitungsaggregat (6) mit
einer von einem Spindelantrieb angetriebenen Werkzeugspindel
(5), welche in einer Ebene verschiebbar ist und an der ein
Werkzeug (2) für die Bearbeitung des Werkstückes (1) ange-
ordnet ist, wobei die Werkzeugspindel (5) um eine zur Spin-
delachse (5') senkrechte Drehachse (D) drehbar ist;
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s die Werkzeugspindel
(5) im oberen Bereich eines Standfußes (3) gelagert ist und das
gegenüberliegende Ende des Standfußes (3) auf einem drehbar
gelagerten Drehteller (4) befestigt ist und dass der Vorschub für
die Bearbeitung des Werkstückes (1) durch das Bearbeitungs-
aggregat (6) von der Vorschubbewegung der Transporteinrich-
tung (7) abgeleitet ist."
Die weiteren Patentansprüche sind unmittelbar oder mittelbar auf
Patentanspruch 1 rückbezogen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass das Streitpatent die Erfin-
dung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie
ausführen könne. Zudem sei der Gegenstand des Streitpatents nicht pa-
tentfähig, weil er weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit be-
ruhe.
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Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich
die Berufung der Klägerin. Der Beklagte verteidigt das Urteil des Patentge-
richts und beruft sich hilfsweise auf zwei bereits vor dem Patentgericht
gestellte Hilfsanträge.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache oh-
ne Erfolg.
I.
Das Streitpatent betrifft eine Abbundanlage zur Bearbeitung
von Strangmaterial, insbesondere zur Bearbeitung von stangenförmigen
Holzwerkstücken, Holzbalken, Brettern und dergleichen.
1. In der Streitpatentschrift wird erläutert, dass Abbundanlagen
dazu verwendet würden, vormals von einem Zimmermann in Handarbeit
durchgeführte Abbundarbeiten wie die Erstellung von Holzwerkstücken für
den Bau eines Dachstuhls, vollständig automatisiert und computergesteu-
ert durchzuführen (Rn. 5 bis 7). Nachteilig an bekannten Abbundanlagen
sei, dass diese für die verschiedenen Bearbeitungsschritte entweder mit
gesonderten, hintereinander angeordneten Bearbeitungsaggregaten aus-
gestattet werden müssten oder das Bearbeitungsaggregat jeweils ausge-
wechselt werden müsse. Die Verwendung zusätzlicher Bearbeitungsag-
gregate führe zu höheren Herstellungskosten, weil für jedes Bearbei-
tungsaggregat eine entsprechende Beweglichkeit vorzusehen sei, wäh-
rend der Wechsel von Werkzeugen zu einer Verlängerung der Bearbei-
tungszeiten führe (Rn. 8 bis 11).
In der Streitpatentschrift wird es als Problem ("Aufgabe") der Erfin-
dung bezeichnet, eine kostengünstig herzustellende Abbundanlage zu
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schaffen, auf der Strangmaterial mit mehreren Werkzeugen bei möglichst
geringem Raumbedarf der Abbundanlage bearbeitet werden könne.
Nach Patentanspruch 1 soll dies durch die nachfolgende Merk-
malskombination (Buchstabenfolge wie Merkmalsgliederung des Patent-
gerichts ohne Buchstaben "k)") erreicht werden:
Abbundanlage
a)
die zur Bearbeitung von Strangmaterial, insbesondere
zur Bearbeitung von stangenförmigen Holzwerkstücken
(1), Holzbalken, Brettern und dergleichen geeignet ist
und folgende Bestandteile aufweist:
b)
eine Auflage (8) zum Auflegen des Strangmaterials,
c)
eine Transporteinrichtung (7) zum Transportieren des
Strangmaterials und
d)
wenigstens ein Bearbeitungsaggregat (6)
e)
das entlang der Transporteinrichtung angeordnet
ist und
f)
eine Werkzeugspindel (5),
g)
die von einem Spindelantrieb angetrieben
wird,
h)
die in einer Ebene verschiebbar ist,
i)
an der ein Werkzeug (2) für die Bearbei-
tung des Werkstücks (1) angeordnet ist,
j)
die um eine zur Spindelachse (5') senk-
rechte Drehachse (D) drehbar ist und
l)
die im oberen Bereich eines Standfußes
(3) gelagert ist,
m)
dessen gegenüberliegendes Ende
auf einem drehbar gelagerten Dreh-
teller (4) befestigt ist,
n)
und bei der der Vorschub für die Bearbeitung des
Werkstückes (1) durch das Bearbeitungsaggregat (6)
von der Vorschubbewegung der Transporteinrichtung
(7) abgeleitet ist.
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2. Zutreffend hat das Patentgericht als Durchschnittsfachmann auf
dem Gebiet des Streitpatents zum Prioritätszeitpunkt einen Maschinen-
bauingenieur der Fachrichtung Fertigungstechnik mit mehrjähriger Erfah-
rung im Bereich der Konstruktion und Entwicklung von Abbundanlagen
angesehen. Mit dem Einwand, als Fachmann habe ein Maschinenbauin-
genieur mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der Konstruktion und des
Einsatzes von fertigungstechnischen Anlagen im Allgemeinen und insbe-
sondere zur Holzbearbeitung zu gelten, vermag die Berufung nicht durch-
zudringen. Die Klägerin räumt selbst ein, dass es zum Prioritätszeitpunkt
weltweit mehrere Hersteller von Abbundanlagen gegeben hat, wobei sie
dem Vorbringen der Beklagten nicht entgegengetreten ist, dass es neben
den Parteien dieses Rechtsstreits zumindest drei weitere Hersteller (
K.
;
B.
;
Bu.
)
gegeben
hat.
Da-
nach ist anzunehmen, dass üblicherweise ein Maschinenbauingenieur, der
bei einem dieser Hersteller beschäftigt ist und infolgedessen über mehr-
jährige Erfahrung im Bereich der Konstruktion und Entwicklung von Ab-
bundanlagen verfügt, zum Prioritätszeitpunkt mit Entwicklungsarbeiten der
Art befasst wurde, wie sie dem Streitpatent zugrunde liegen, und damit als
Fachmann anzusehen ist.
3. Aus Sicht eines solchen Fachmanns sind die Merkmale d und e
dahin zu verstehen, dass nicht nur mehrere Bearbeitungsaggregate, die
derart entlang der Transporteinrichtung angeordnet sind, dass sie das
Strangmaterial bearbeiten können, den erfindungsgemäßen Anforderun-
gen genügen, sondern, dass dies auch bereits bei einem einzigen Bear-
beitungsaggregat, das über diese Fähigkeit verfügt, der Fall ist. Das folgt
- in Übereinstimmung mit dem Patengericht und entgegen der Berufung -
aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ("
… mit wenigstens einem, ent-
lang der Transporteinrichtung (7) angeordneten Bearbeitungsaggregat (6)
…") und aus der Beschreibung, in der Bearbeitungsaggregate sowohl im
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Singular also auch im Plural erwähnt werden (vgl. etwa Rn. 14, 34, 37),
sowie den Figuren, in denen ein Bearbeitungsaggregat gezeigt wird (vgl.
Figuren 1 bis 3).
Nach Merkmal l muss die Werkzeugspindel im oberen Bereich ei-
nes Standfußes gelagert sein, dessen gegenüberliegendes Ende auf ei-
nem drehbar gelagerten Drehteller befestigt ist. In dem in den Figuren 1
und 2 gezeigten, erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel ist das Bear-
beitungsaggregat im Wesentlichen unterhalb der Transporteinrichtung an-
geordnet und weist die Auflage im Bereich des Bearbeitungsaggregats
eine Ausnehmung für die Werkzeugspindel auf. Eine solche Ausgestal-
tung wird in der allgemeinen Beschreibung als günstig angesehen (Rn. 34,
erster Satz). Gleichwohl soll das Bearbeitungsaggregat auch seitlich ne-
ben der Transporteinrichtung und bei entsprechender Ausgestaltung der
Transporteinrichtung auch oberhalb der Auflage angeordnet sein können
(Rn. 34, letzter Satz). Bei diesen weiteren möglichen Anordnungen des
Bearbeitungsaggregats sind aber, wie auch sonst, nur solche Ausgestal-
tungen als erfindungsgemäß anzusehen, die zugleich alle Merkmale des
Patentanspruchs 1 einschließlich der Merkmale l und m verwirklichen.
Merkmal n betrifft zunächst die Relativbewegung zwischen dem
Werkstück und dem Werkzeug bei der Bearbeitung des Werkstücks. Das
Werkzeug ist für die Bearbeitung an der Werkzeugspindel des Bearbei-
tungsaggregats angeordnet (Merkmal i). Die Werkzeugspindel ist in einer
Ebene verschiebbar und im oberen Bereich eines Standfußes gelagert,
der an seinem gegenüberliegenden Ende auf einem drehbar gelagerten
Drehteller befestigt ist (Merkmale h, l und m). Die dadurch ermöglichten
Bewegungen des an der Spindel angeordneten Werkzeugs können bei
der Bearbeitung mit der Vorschubbewegung des durch die Transportein-
richtung geführten Werkstücks zusammenwirken. In der Beschreibung
wird insoweit erläutert, dass die Werkzeugspindel aufgrund ihrer Ver-
schiebbarkeit in einer Ebene, die idealerweise zur Vorschubrichtung
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rechtwinklig abgewinkelt ist, und ihrer Drehbarkeit um eine zur Spin-
delachse senkrechte Drehachse bei horizontalem Vorschub durch eine
Querbewegung rechtwinklig zur Vorschubrichtung und eine Vertikalbewe-
gung in jede gewünschte Position verfahren werden kann (Rn. 22).
Hinsichtlich des Vorschubs für die Bearbeitung des Werkstücks
sieht Merkmal n weiterhin vor, dass dieser von der Vorschubbewegung
der Transporteinrichtung abgeleitet sein soll. Damit ist gemeint, dass der
Vorschub für die Bearbeitung zumindest in Längsrichtung des Werkstücks
auch durch eine entsprechende Vorschubbewegung der Transporteinrich-
tung erzeugt werden kann. Dieses Verständnis von Patentanspruch 1
steht in Einklang mit der Beschreibung, in der erläutert wird, dass der Vor-
schub sowohl durch eine Bewegung des Bearbeitungsaggregats, als auch
durch die Werkstückbewegung oder eine Kombination aus beiden Bewe-
gungen vollzogen werden kann (Rn. 26). Zudem soll bei einer weiteren
vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung das Werkstück mit der Trans-
porteinrichtung gekoppelt sein, so dass das Werkstück sowohl vorwärts in
Hauptrichtung als auch rückwärts in die entgegengesetzte Richtung be-
wegt werden kann, so dass das Werkstück das Bearbeitungsaggregat
mehrfach passieren und dabei bearbeitet werden kann (Rn. 27). Bei dem
in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel der Erfindung ist im Übrigen die
Transporteinrichtung 7 über einen Stempel 19 mit dem Werkstück 1 ver-
bunden (Rn. 37), so dass die Vorschubbewegung der Transporteinrich-
tung identisch mit der des Werkstücks ist. Aus alledem folgt, dass entge-
gen der Ansicht der Berufung auch Abbundanlagen, bei denen der Vor-
schub des Werkstücks und der Transporteinrichtung identisch ist, die Vor-
gaben des Merkmals n verwirklichen.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet:
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1. Das Patent offenbare die Erfindung so deutlich und vollständig,
dass ein Fachmann sie ausführen könne. In der Beschreibung und in den
Figuren werde dem Fachmann hinreichend deutlich und vollständig ge-
lehrt, wie er die in Merkmal e vorgesehene Anordnung eines Bearbei-
tungsaggregats entlang der Transporteinrichtung ausführen könne. Der
Beschreibung und den Figuren sei zudem zu entnehmen, wie die Vor-
schubbewegung von der Transorteinrichtung auf das Werkstück übertra-
gen werden könne, um die Vorgaben des Merkmals n zu erfüllen.
2. a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei neu. Keine der
Entgegenhaltungen offenbare eine Abbundanlage, die sowohl die Merk-
male l und m als auch das Merkmal n aufweise.
Die europäische Patentschrift 0 267 156 B1 (NK 11) offenbare eine
Abbundanlage zum Bearbeiten von Holzbalken, die über eine Trans-
porteinrichtung mit einer Auflage für die zu bearbeitenden Balken in Form
von Aufspannwagen 9 mit je einer Auflagefläche 10 verfüge, die auf
Schienen 37, 38 in Längsrichtung der Balken verschiebbar seien. Es sei
auch ein Bearbeitungsaggregat 3 mit einer Werkzeugspindel und einem
Werkzeug 2 vorhanden. Die Werkzeugspindel sei an einem Ende eines
horizontalen Auslegers 6 befestigt, der sich gegenüber einem Standfuß 33
horizontal (Figur 1, Pfeil A) und vertikal (Pfeil B) und damit in einer Ebene
verschieben lasse. Ein Bearbeitungsvorschub in Schrägrichtung werde
dadurch erzeugt, dass zusätzlich zur Bewegung des Bearbeitungsaggre-
gats in Querrichtung des Balkens der Balken selbst in Längsrichtung be-
wegt werde (Pfeil F). Um das Werkzeug für eine Schrägbearbeitung in
eine Schräglage zu bringen, werde das am Ende des horizontalen Ausle-
gers 6 angebrachte Bearbeitungsaggregat 3 um eine zur Spindelachse
senkrechte Drehachse (Achse C) und um eine weitere, ebenfalls zur
Spindelachse senkrechte Drehachse (Achse D) gedreht.
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Ob sich die Lagerung der Werkzeugspindel am Ende des horizonta-
len Ablegers 6, der gegenüber dem Standfuß 33 verfahrbar sei, als Lage-
rung im oberen Bereich des Standfußes bezeichnen lasse, könne dahin-
gestellt bleiben, weil dieser Standfuß jedenfalls nicht auf einem Drehteller
befestigt, sondern mit dem Boden fest verbunden sei, so dass Merkmal m
fehle.
Der europäischen Patentanmeldung 0 608 746 A1 (NK 7) sei eine
weitere Abbundanlage zu entnehmen, die sich von der aus der NK 11 be-
kannten Anlage im Wesentlichen dadurch unterscheide, dass zur Erhö-
hung der Stabilität der Werkzeugführung anstelle eines als Säule ausge-
bildeten Standfußes (33 in NK 11) ein Portal 1 vorgesehen sei. Es könne
dahinstehen, ob dieses Portal 1 als Standfuß angesehen werden könne.
Denn jedenfalls sei es nicht entsprechend Merkmal m auf einem Drehteller
befestigt. Ein Standfuß im Sinne der Erfindung werde auch nicht durch
das Zwischenstück 16 der Abbundanlage nach NK 7 offenbart. Zwar sei
die Werkzeugspindel an dem Zwischenstück 16 gelagert, jedoch nicht in
dessen oberem, sondern in dessen unterem Bereich. Entsprechend sei
das Zwischenstück 16 auch nicht auf, sondern unter einem drehbar gela-
gerten Drehteller befestigt, so dass jedenfalls keine Werkzeugspindellage-
rung nach den Merkmalen l und m gezeigt sei.
Das deutsche Gebrauchsmuster 90 16 128.9 (NK 8) beinhalte eine
Maschine mit einer oder mehreren Bearbeitungseinheiten zur Bearbeitung
von Verbindungen, insbesondere Zapfen und Zapfenlöchern, an Konstruk-
tionselementen von Möbeln und dergleichen. Wenngleich damit keine Ab-
bundanlage offenbart sei, ziehe der Fachmann die NK 8 doch aufgrund
vorhandener Ähnlichkeiten hinsichtlich Material und Geometrie der zu be-
arbeitenden Werkstücke mit in Betracht. Bei der in der NK 8 gezeigten
Maschine werde der Bearbeitungsvorschub durch Verschiebung der
Werkzeugspindel in drei zueinander senkrechten Richtungen X, Y und Z
erzeugt. Um Bearbeitungen in variablen Neigungen ausführen zu können,
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seien die Werkzeugspindeln an einem Kopf 25, 27 montiert, der um eine
horizontale Achse schwenkbar sei (Figur 1, Pfeil A), wobei der Kopf im
oberen Bereich eines Standfußes 57 gelagert sei, der wiederum um eine
senkrechte Achse drehbar sei (Pfeil B). Mit Hilfe dieser beiden rotatori-
schen Bewegungen A und B könnten die Achsen X, Y und Z gegenüber
dem Werkstück geneigt werden, so dass ein Bearbeitungsvorschub auch
in Ebenen möglich sei, die relativ zu dem Werkstück geneigt seien, wäh-
rend dieses von zwei Halbladern 9 und 11 gehalten werde.
Das Merkmal n sei nicht dadurch offenbart, dass in der NK 8 eine
relative Schwenkbewegung zwischen dem Kopf und dem Werkstück be-
schrieben sei. Denn dabei handele es sich angesichts der in der NK 8
vorgesehenen Bearbeitungen, wie z.B. Bohren, um ein Schwenken vor
Beginn der Bearbeitung und damit nicht um einen Vorschub für die Bear-
beitung, wie er in Merkmal n gefordert sei. Zudem erfolge das Verschwen-
ken des Werkstücks anstelle eines Verschwenkens der Werkzeugspindeln
gemäß den Pfeilen A und B in Figur 1, so dass hierbei auch die Drehbar-
keit der Werkzeugspindel um eine zur Spindelachse senkrechte Drehach-
se entfalle.
Das Werbevideo "Abbund 270/3 Bu. " (NK 24) zeige eine Ab-
bundanlage mit einer Mehrzahl verschiedener, hintereinander angeordne-
ter Bearbeitungsaggregate (Kreissäge, zwei oder drei Bohraggregate,
etc.). Unabhängig davon, ob der in vertikaler Richtung teleskopierbare
Arm, an dem die Werkzeugspindel der Universalfräse gelagert sei, auch
einen Standfuß im Sinne des Merkmals l darstelle, sei der teleskopierbare
Arm jedenfalls in horizontaler Richtung gegenüber dem Drehteller verfahr-
bar und damit nicht, wie in Merkmal m vorgesehen, auf dem Drehteller
befestigt. Zudem werde während der Bearbeitung durch die Universalfräse
das Werkstück nicht entsprechend Merkmal n bewegt, sondern durch Hal-
testempel festgehalten. Eine Bewegung des Werkstücks auch für Bearbei-
tungen in Werkstücklängsrichtung sowie in einem zur Werkstücklängsach-
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se schrägen Winkel sei auch nicht erforderlich, weil dazu mit Hilfe des
Drehtellers die Ebene, in der der Bearbeitungsvorschub der Werk-
zeugspindel der Universalfräse stattfinde, entsprechend verdreht werden
könne, so dass Längsbearbeitungen und schräge Bearbeitungen allein
durch den Bearbeitungsvorschub der Werkzeugspindel ausgeführt werden
könnten, während das Werkstück durch einen Haltestempel festgehalten
werde.
Zwar finde eine Werkstückbewegung bei Längsbearbeitungen wie
dem Längssägen statt. Dabei erfolge die Bearbeitung jedoch nicht durch
die Universalfräse, sondern durch die Kreissäge und damit nicht wie in
Merkmal n vorgesehen durch dasselbe Bearbeitungsaggregat, das auch in
den Merkmalen d bis m beschrieben sei. Im Hinblick auf die Kreissäge sei
damit zwar das Merkmal n, nicht aber eine Lagerung der Werkzeugspindel
der Kreissäge mittels eines Standfußes entsprechend den Merkmalen l
und m offenbart.
b) Für den Fachmann habe es keinen Anlass gegeben, die bekann-
ten Abbundanlagen im Sinne der Lehre aus Patentanspruch 1 miteinander
zu kombinieren. Während in der NK 11 und NK 7 die Möglichkeit einer
Bearbeitung in einem zur Werkstücklängsachse schrägen bzw. geneigten
Winkel dadurch erreicht werde, dass das Werkzeug in einer Ebene senk-
recht zur Werkstücklängsachse und gleichzeitig das Werkstück in Rich-
tung seiner Längsachse bewegt werde, werde in der NK 8 und NK 24 die
Ebene, in der das Werkzeug bewegt werde, entsprechend verschwenkt
bzw. verdreht, so dass der Bearbeitungsvorschub allein durch die Bewe-
gung des Werkzeugs erfolgen könne. Der Fachmann habe keinen Grund
gehabt, bei den Abbundanlagen gemäß NK 11 und NK 7 den Ständer 33
oder das Portal 1 auf einen Drehteller zu stellen oder bei der Maschine
gemäß NK 8 und NK 24 eine Bewegung des Werkstücks während der Be-
arbeitung vorzusehen.
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Im Übrigen habe ausgehend von der NK 7 gegen eine Anordnung
des Bearbeitungsaggregats auf einem Standfuß unter dem zu bearbeiten-
den Balken gesprochen, dass dieser Platz bereits für das Verfahren der
Spannwagen 6 verbraucht sei. Ausgehend von dem Werbefilm in NK 24
habe sich zudem weder aus der NK 24 noch aus der NK 14 eine Anre-
gung zur Lagerung der Werkzeugspindel der Kreissäge der Abbundanlage
Bu. 270/3 im oberen Bereich eines auf einem Drehteller befestigten
Standfußes ergeben. Bei der NK 24 erfolge die Lagerung der Werkspindel
nicht mittels eines Standfußes, sondern hängend unter einem Drehtisch
17 in einem quer verschiebbaren Schlitten 14, der wie auch der Drehtisch
einen Teil des Sägetisches bilde (vgl. NK 24, Figuren 2 und 3). In der
NK 24 sei zwar eine Kreissäge auf einem Standfuß offenbart. Die Kreis-
säge sei jedoch nicht Bestandteil der Abbundanlage, sondern stehe fest
auf einem Werkstattfußboden und sei für Bearbeitungen vorgesehen, bei
denen das Werkstück von Hand über einen Arbeitstisch bewegt werde.
III. Die Ausführungen des Patentgerichts halten den Angriffen der
Berufung stand.
1. Der Gegenstand der Erfindung ist in Patentanspruch 1 so deut-
lich und hinreichend offenbart, dass ein Fachmann diesen ausführen
kann.
Soweit die Berufung meint, die Lehre des Streitpatents sei nur dann
ausführbar, wenn Merkmal e dahin verstanden werde, dass zwingend eine
Mehrzahl von Bearbeitungsaggregaten vorgesehen sei, kann ihr nicht ge-
folgt werden. Vielmehr ist das Merkmal dahin zu verstehen, dass bereits
ein Bearbeitungsaggregat hinreichend ist, wenn es den weiteren Anforde-
rungen der Merkmale e bis n genügt. An der Ausführbarkeit würde es feh-
len, wenn der Fachmann unter Einsatz seines Fachwissens und -könnens
und nach Heranziehung der Beschreibung und der Figuren des Streitpa-
tents nicht in der Lage wäre, eine solche Anordnung des mindestens ei-
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nen Bearbeitungsaggregats entlang der Transporteinrichtung zu verwirkli-
chen. Das ist aber nicht der Fall und wird auch von der Klägerin nicht in
Abrede gestellt. Im Übrigen kann zur Auslegung des Merkmals e auf die
obigen Ausführungen verwiesen werden.
Die Berufung vermag auch nicht mit dem Argument durchzudrin-
gen, dass die Lehre aus Patentanspruch 1 im Hinblick auf das Merkmal n
nicht ausführbar offenbart sei. Wie dargelegt, ist das Merkmal aus Sicht
des Fachmanns dahin zu verstehen, dass der Vorschub für die Bearbei-
tung des Werkstückes zumindest auch durch eine Vorschubbewegung der
Transporteinrichtung erfolgt, wobei eine gleichzeitige Vorschubbewegung
des Bearbeitungsaggregats nicht ausgeschlossen ist. Beide damit ange-
sprochenen Varianten, nämlich eine Anordnung, bei der die Vorschubbe-
wegung für die Bearbeitung allein durch die Transporteinrichtung erfolgen
kann, ebenso wie eine Anordnung, bei der Vorschubbewegungen für die
Bearbeitungen sowohl durch die Transporteinrichtung und als auch durch
das Bearbeitungsaggregat erfolgen, kann der Fachmann der Beschrei-
bung entnehmen (vgl. einerseits Rn. 14, 49 und andererseits Rn. 28). Er
findet zudem Ausführungen dazu, wie die Übertragung der Vorschubbe-
wegung von der Transporteinrichtung auf das Werkstück erfolgen kann
(Rn. 37, Figur 1). Auch Merkmal n ist daher in ausführbarer Weise offen-
bart.
2. a) Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu.
(1) Entsprechend den oben wiedergegebenen Erläuterungen des
Patentgerichts offenbart die NK 11 eine Abbundanlage für Holzbalken
gemäß den Merkmalen a bis j, was von den Parteien auch nicht in Frage
gestellt wird. Der Standfuß 33, an dem über einen horizontalen Ausleger 6
die Werkzeugspindel 3 gelagert ist, ist jedoch an seinem unteren Ende
nicht auf einem drehbar gelagerten Drehteller befestigt, so dass Merk-
mal m nicht offenbart ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die
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erfindungsgemäß durch die Anordnung der Werkzeugspindel im oberen
Bereich des mit dem Drehteller drehbaren Standfußes erreichte Drehbar-
keit um die Drehachse D (vgl. Streitpatent, Rn. 44) bei der NK 11 ebenfalls
verwirklicht ist (vgl. dort Sp. 6, Abs. 2 und Figur 1). Denn auch daraus
ergibt sich nicht das Vorhandensein eines Standfußes, der an seinem un-
teren Ende auf einem drehbar gelagerten Drehteller befestigt ist. Ob dar-
über hinaus die an dem horizontalen Ausleger 6 gelagerte Werkzeugspin-
del 3 zugleich auch im oberen Bereich des Standfußes 33 gelagert und
damit das Merkmal l durch die NK 11 offenbart ist, bedarf, da nicht ent-
scheidungsrelevant, keiner abschließenden Beurteilung.
(2) Der NK 7 ist eine Abbundanlage zu entnehmen, die sich von der
NK 11 im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass anstelle des als Säu-
le ausgebildeten Standfußes 11 ein Portal 1 vorgesehen ist. An dem Por-
tal 1 ist ein horizontal und vertikal bewegbarer Kreuzschlitten 3 angeord-
net, an dem ein um eine vertikale Winkelachse drehbares Zwischenstück
16 gelagert ist. An dem Zwischenstück 16 ist wiederum eine Werk-
zeugspindel befestigt (vgl. NK 7, Sp. 3, Z. 24 ff.; Figuren 2 bis 4). Die
Werkzeugspindel ist mithin nicht - wie in Merkmal l vorgesehen - im unte-
ren Bereich des Zwischenstücks gelagert und das Zwischenstück ist nicht
- entsprechend Merkmal m - auf sondern unter einem drehbar gelagerten
Drehteller angeordnet.
(3) Die NK 8 offenbart keine Abbundanlage, sondern eine Maschine
zur Herstellung von Verbindungen an Konstruktionselementen von Mö-
beln, bei der - entgegen Merkmal n - der Bearbeitungsvorschub durch
Verschieben und Verschwenken der jeweiligen Werkzeugspindel an den
Köpfen 25, 27 erfolgt (vgl. NK 8, S. 2 f., 4 oben). Soweit in der Entgegen-
haltung erwähnt ist, dass die relative Schwenkbewegung zwischen dem
Kopf und dem Werkstück vorteilhafterweise von dem Werkstück ausge-
führt werde, wenn nur eine Bearbeitungseinheit vorgesehen sei (NK 8,
S. 4, Abs. 2), ist damit im Kontext der nach NK 8 durchzuführenden Arbei-
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ten, wie etwa Bohren, aus fachlicher Sicht kein Vorschub für die Bearbei-
tung durch das Bearbeitungsaggregat gemeint.
(4) Das in der US-amerikanischen Patentschrift 1 789 398 (NK 14)
gezeigte Bearbeitungsaggregat 1 zur Bearbeitung von Holz ist im oberen
Bereich eines drehbaren Standfußes 5 gelagert (NK 14, Sp. 2, Z. 88 f.;
Figuren). Die Maschine ist jedoch nicht Bestandteil einer Abbundanlage,
sondern für die Bearbeitung von Werkstücken vorgesehen, die von Hand
über einen Arbeitstisch 21 zugeführt werden (NK 14, Sp. 1, Z. 14 ff.; Sp. 2,
Z. 89 ff.).
(5) Die deutsche Patentschrift 42 37 048 (NK 18) betrifft eine Vor-
schubeinrichtung für einen Balken, die auch eine Bearbeitungsstation 17
umfasst, ohne dass deren Ausgestaltung jedoch weiter beschrieben wird.
(6) Bei der Abbundanlage 270/3, die nach dem von der Beklagten
bestrittenen Vorbringen der Klägerin in der Zeit von 1989 bis 1995 von
dem schwedischen Unternehmen Bu. hergestellt und vertrieben wor-
den sein soll und die in dem als Anlage NK 24 vorgelegten Werbevideo
gezeigt wird, werden die Werkstücke für den Vorschub von einem Robo-
terwagen seitlich gegriffen (etwa ab den Zeitpunkten 1:50 und 2:15 des
Videos) und auf einer Auflage zu den entlang der Transporteinrichtung
angeordneten Bearbeitungsaggregate, insbesondere einer Kreissäge (ab
2:22) und einem Multifräser (ab 9:33), geführt und dort für die Bearbeitung
positioniert, so dass die Merkmale a bis d offenbart sind.
Die Werkzeugspindel des Multifräsers ist an einem Arm befestigt,
der in einer Vertikalführung verschiebbar gelagert ist. Die Vertikalführung
ist ihrerseits in einer Horizontalführung verschiebbar gelagert, so dass
insgesamt eine Kreuzschlittenführung vorliegt. Die Horizontalführung ver-
läuft dabei unterhalb eines Schlitzes, der in einer tellerförmigen Tischab-
deckung so angeordnet ist, dass der Multifräser innerhalb des durch den
Schlitz geschaffenen Freiraums in vertikaler und horizontaler Richtung
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verschoben und so das Werkstück bearbeitet werden kann. Die Kreuz-
schlittenführung und mit ihr die Spindel des Multifräsers sowie die teller-
förmige Tischabdeckung können um eine vertikale Drehachse gedreht
werden, etwa wenn ein Werkstück an zwei einander gegenüberliegenden
Seiten bearbeitet werden soll (ab 6:55 und ab 8:05).
Damit sind neben den Merkmalen e bis j auch die Merkmale l und
m offenbart. Denn die Spindel des Multifräsers ist über den Arm, an dem
sie befestigt ist, im oberen Bereich der Kreuzschlittenführung gelagert,
und das gegenüberliegende Ende der Kreuzschlittenführung ist auf einem
im Video nicht gezeigten, aber aufgrund der Bewegungsabläufe notwendi-
gerweise vorhandenen, drehbar gelagerten Drehteller befestigt. Die
Kreuzschlittenführung übernimmt auch die Funktion eines Standfußes im
Sinne der Lehre aus Patentanspruch 1, weil sie die Drehbarkeit um die
Drehachse D von dem Drehteller auf den oberhalb desselben angeordne-
ten Multifräser überträgt (vgl. Streitpatent, Rn. 44). Daran ändert auch der
Umstand nichts, dass die Kreuzschlittenführung - anders als der Standfuß
des in Figur 2 der Streitpatentschrift gezeigten erfindungsgemäßen Aus-
führungsbeispiels - nicht nur die vertikale, sondern auch die horizontale
Verschiebbarkeit der Werkzeugspindel ermöglicht. Denn Merkmal h for-
dert lediglich die Verschiebbarkeit der Werkzeugspindel in einer Ebene
und stellt es damit in das Ermessen des Anwenders, ob die Spindel in die-
ser Ebene in eine (X) oder in zwei (X, Y) Richtungen verschoben werden
kann. Entsprechend greift auch die Überlegung des Patentgerichts, der
teleskopierbare Arm, an dem die Spindel befestigt sei, sei in horizontaler
Richtung gegenüber dem "Drehteller", womit die tellerförmige Tischabde-
ckung gemeint ist, verfahrbar und somit nicht auf dem "Drehteller" befes-
tigt, zu kurz, weil nicht berücksichtigt wird, dass die Kreuzschlittenführung
die Funktionen verwirklicht, die erfindungsgemäß mit dem Standfuß er-
reicht werden sollen.
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Dennoch wird die Lehre aus Patentanspruch 1 durch die Ab-
bundanlage 270/3 im Hinblick auf die Multifräse als Bearbeitungsaggregat
nicht vollständig vorweggenommen. Denn bei der Bearbeitung des Werk-
stücks mit der Multifräse kann der Vorschub für die Bearbeitung des
Werkstücks nicht von der Vorschubbewegung der Transporteinrichtung
abgeleitet werden. Nach der Positionierung des Werkstücks für die Bear-
beitung durch die Multifräse wird dieses nämlich, wie in dem Video an Po-
sition 5:20 ausdrücklich hervorgehoben wird, "bei allen Bearbeitungen si-
cher und präzis fixiert". Diese Fixierung erfolgt auf dem Drehteller, an dem
der Fräser angeordnet ist. Damit ist es nicht möglich, die Vorschubbewe-
gung der Transporteinrichtung zu nutzen, um einen zur Bearbeitung benö-
tigten Vorschub zu erzeugen. Der Vorschub bei dem Bearbeitungsvorgang
selbst erfolgt ausschließlich durch die Multifräse als Bearbeitungsaggre-
gat, so dass Merkmal n nicht offenbart ist.
In dem Video wird allerdings gezeigt, wie ein Werkstück für einen
Längsschnitt durch die Transporteinrichtung über die rotierende Kreissäge
der Abbundanlage 270/3 geschoben wird (ab 4:00), also insoweit der Vor-
schub für die Bearbeitung des Werkstücks von der Vorschubbewegung
der Transporteinrichtung abgeleitet ist. Dennoch ist Merkmal n nicht voll-
ständig offenbart, weil die Kreissäge nicht als erfindungsgemäßes Bear-
beitungsaggregat angesehen werden kann.
Der Vorschub, der nach Merkmal n von der Vorschubbewegung der
Transporteinrichtung abgeleitet sein soll, bezieht sich auf die Bearbeitung
des Werkstücks durch "das Bearbeitungsaggregat". Damit sind nach dem
Wortlaut des Patentanspruchs 1 ausschließlich solche Bearbeitungsag-
gregate gemeint, welche den Anforderungen der Merkmale e bis m genü-
gen. Die Kreissäge der Abbundanlage 270/3 erfüllt diese Vorgabe nicht,
weil nach den Feststellungen des Patentgerichts, der die Berufung nicht
entgegengetreten ist, die Spindel der Säge nicht im oberen Bereich eines
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Standfußes gelagert ist, dessen gegenüberliegendes Ende auf einem
drehbar gelagerten Drehteller befestigt ist.
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 hat sich für den Fach-
mann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik er-
geben.
(1) Ausgehend von der NK 11 oder der NK 7 ist kein Grund ersicht-
lich, der den Fachmann dazu hätte veranlassen können, den Ständer 33
oder das Portal 1 im Sinne des Merkmals m auf einen Drehteller zu stel-
len. Das an dem Ausleger des Ständers 33 gelagerte Werkzeug lässt sich
bei der in NK 11 offenbarten Abbundanlage nicht nur in vertikaler und ho-
rizontaler Richtung A und B verschieben und um die Auslegerachse C
drehen, sondern kann auch um eine Achse quer zur Auslegerachse D ge-
dreht werden (NK 11, Anspruch 1, erster Spiegelstrich, Figur 1). Eine im
Prinzip gleiche Kinematik gilt für das Werkzeug der in der NK 7 offenbar-
ten Abbundanlage, bei der das Werkzeug nicht nur in eine horizontale
Richtung X und in einer zu Richtung X senkrechten Ebene verschiebbar
und um eine horizontale Achse A drehbar ist, sondern auch um eine senk-
rechte Achse C gedreht werden kann (NK 7, Anspruch 1, Figur 4). In bei-
den Fällen kann damit das Werkstück in einem zur Werkstücklängsachse
schrägen Winkel bearbeitet werden. Da eine solche Bearbeitung uneinge-
schränkt möglich ist, bestand für den Fachmann ausgehend von den ge-
nannten Entgegenhaltungen kein Anlass über alternative Gestaltungsmög-
lichkeiten nachzudenken.
Daran ändert auch die Behauptung der Beklagten nichts, dass die
Technologie des selbständigen Werkzeugwechsels, wie er in der NK 11
und der NK 7 vorgesehen sei, sich in der betrieblichen Praxis nicht habe
durchsetzen können. Denn selbst wenn dies als zum Prioritätszeitpunkt
des Streitpatents zutreffend unterstellt wird, ergibt sich daraus noch keine
Anregung für den Fachmann, die für die NK 11 zentrale Auslegerlösung
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oder die für die NK 7 zentrale Portallösung durch einen drehbaren Stand-
fuß mit Werkzeug zu ersetzen und lediglich die Vorschubbewegung der
Transporteinrichtung aufzugreifen.
Dagegen spricht im Übrigen auch, dass beide Entgegenhaltungen
für die Bearbeitung einen Bewegungsablauf zugrunde legen, nach dem
das Werkzeug in einer Ebene senkrecht zur Werkstücklängsachse bewegt
und gleichzeitig das Werkstück in Richtung seiner Längsachse verscho-
ben wird. Dabei wird der Vorschub der Werkstücke durch schienengeführ-
te Aufspannwagen 9 bzw. 6 realisiert, so dass unterhalb der Werkstücke
kein Raum mehr für einen Standfuß bzw. ein an dessen oberen Bereich
befestigtes Werkzeug vorhanden ist. Auch eine seitliche Anordnung eines
Standfußes, wie sie von der Berufung erwogen wird, bietet sich insoweit
nicht als interessante Alternative an, weil damit die Bearbeitung des
Werkstücks in einem zur Werkstücklängsachse schrägen Winkel auf bei-
den Seiten nicht oder jedenfalls nur mit erheblichem weiteren konstrukti-
vem Aufwand möglich ist.
(2) Aber auch wenn die NK 24 als Ausgangspunkt gewählt wird, ist
nicht ersichtlich, dass der Fachmann aufgrund naheliegender Überlegun-
gen zu der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre gelangt wä-
re. Der Entgegenhaltung entnimmt der Fachmann zwar einen Multifräser,
der im oberen Bereich eines aus einer Kreuzschlittenführung gebildeten
Standfußes gelagert ist, der an seinem gegenüberliegenden Ende auf ei-
nem drehbar gelagerten Drehteller befestigt ist, bei dem der Vorschub für
die Bearbeitung des Werkstücks aber allein durch den Multifräser erfolgt.
Eine Anregung, den Vorschub für die Bearbeitung durch den Multifräser
auch von der Vorschubbewegung der Transporteinrichtung abzuleiten,
erhielt der Fachmann auch dann nicht, wenn er zur Kenntnis nahm, dass
der Vorschub des Werkstücks bei der Kreissäge der NK 24 durch die
Transporteinrichtung bewirkt wird (ab 4:00). Denn es ist kein Grund er-
sichtlich, weshalb er diesen für eine Kreissäge vorgesehenen Bewe-
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gungsablauf auch auf einen Multifräser übertragen sollte, zumal die siche-
re und präzise Fixierung des Werkstücks bei der Bearbeitung mit dem
Multifräser in dem Video besondere Erwähnung findet.
Daran ändert auch der Hinweis in der deutschen Patentschrift 34 20
080 C2 ("Frey"), wonach bei einigen Bearbeitungsschritten ein Vorschub,
d.h. ein Transport während der Bearbeitung selber erforderlich sein kann,
nichts, weil er nur allgemein gehalten ist und sich nicht auf einen Fräser
als Bearbeitungsaggregat bezieht.
Für den Fachmann bestand schließlich auch kein Anlass, eine
streitpatentgemäße Lagerung der Sägespindel im oberen Bereich eines
Standfußes zu erwägen, dessen gegenüberliegendes Ende auf einem
drehbar gelagerten Drehteller befestigt ist. Ihm war vielmehr eine hängen-
de Lagerung der Sägespindel unter dem Drehtisch aus der deutschen Pa-
tentschrift 38 18 468 (NK 20) als vorteilhaft bekannt, worauf auch die Klä-
gerin im Termin hingewiesen hat.
Dem steht auch die NK 14 nicht entgegen. Darin wird zwar die La-
gerung einer Kreissäge auf einem Standfuß offenbart. Eine Veranlassung,
diese Standfußkonstruktion auf die aus der NK 24 bekannte Säge zu über-
tragen, bestand dennoch nicht. Denn die aus der NK 14 bekannte Kreis-
säge ist nicht Bestandteil einer Abbundanlage, sondern steht fest auf ei-
nem Werkstattfußboden und ist für Bearbeitungen vorgesehen, bei denen
das Werkstück von Hand über einen Arbeitstisch bewegt wird, wie auch
das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat.
(3) Der von Klägerin in der mündlichen Verhandlung weiterhin als
Ausgangspunkt
herangezogenen
deutschen
Offenlegungsschrift
42 08 233 A1 (NK 6) ist eine Abbundanlage nach Maßgabe der Merkmale
a bis c zu entnehmen. Als Bearbeitungsaggregat 1 ist eine Quersäge 10
vorgesehen (NK 6, Sp. 3, Z. 16 ff.), bei der eine Ausnutzung des Vor-
schubs für die Bearbeitung von vornherein nicht in Betracht kommt. Dach-
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te der Fachmann alternativ zur Quersäge auch an eine Längssäge als Be-
arbeitungsaggregat, gab es für ihn dennoch keinen Anlass, die Längssäge
entsprechend den Merkmalen l und m zu lagern, wie im Hinblick auf die in
NK 24 offenbarte Kreissäge bereits im Einzelnen dargelegt worden ist.
Überlegte der Fachmann, wie er das weiterhin in der NK 6 offenbarte Be-
arbeitungsaggregat 15 ausgestalten konnte, das eine Fräseinrichtung oder
dergleichen sein kann (NK 6, Sp. 4, Z. 21 f.), fehlte es an einer Anregung,
den Vorschub für die Bearbeitung entsprechend Merkmal n von der Vor-
schubbewegung der Transporteinrichtung abzuleiten, so dass die Lehre
aus Patentanspruch 1 des Streitpatents auch nicht naheliegend gewesen
ist, wenn die NK 6 herangezogen wurde.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in
Verbindung mit §§ 91, 92, 97 ZPO.
Gröning
Grabinski
Bacher
Hoffmann
Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.03.2012 - 1 Ni 3/11 (EP) -
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