Urteil des BGH vom 19.03.2014

Geld-Zurück-Garantie III Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 1 8 5 / 1 2
Verkündet am:
19. März 2014
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Geld-Zurück-Garantie III
UWG Nr. 10 des Anh. zu § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
a) Der Tatbestand der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG setzt keine
hervorgehobene Darstellung der vermeintlichen Besonderheit des Angebots,
sondern lediglich voraus, dass beim Verbraucher der unrichtige Eindruck er-
weckt wird, der Unternehmer hebe sich bei seinem Angebot dadurch von den
Mitbewerbern ab, dass er dem Verbraucher freiwillig ein Recht einräume. Der
Tatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn dem angesprochenen Verbraucher
gegenüber klargestellt wird, dass ihm keine Rechte eingeräumt werden, die
ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen.
b) Eine gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG irreführende Werbung mit bei Leis-
tungsstörungen bestehenden Gewährleistungsansprüchen liegt nicht vor,
wenn die im Gewährleistungsfall bestehenden Ansprüche nicht als etwas
Ungewöhnliches herausgestellt, sondern als selbstverständlich bestehend
bezeichnet werden.
BGH, Urteil vom 19. März 2014 - I ZR 185/12 - OLG Hamm
LG Bielefeld
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 19. März 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant,
Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 30. August 2012 unter Zurückwei-
sung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als die Klage mit den Unterlassungsanträgen zu I 4
Punkt 1 (Geld-Zurück-Garantie) und I 4 Punkt 3 (Risiko des Wa-
renversands), mit den hierauf bezogenen Anträgen auf Auskunft
und Schadensersatzfeststellung und hinsichtlich eines Zahlungs-
betrags in Höhe von 455,49
€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Pro-
zentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. März 2011 ab-
gewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Bielefeld vom 3. Februar 2012 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und der
Beklagten zu 2/3 auferlegt.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Parteien stehen beim Internethandel mit Drucker- und Computerzu-
behör miteinander in Wettbewerb. Die Beklagte warb im Februar 2011 auf ihrer
Internetseite für Druckerzubehör mit folgenden Angaben:
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte handele unter dem Gesichts-
punkt der Herausstellung bestehender Verbraucherrechte als Besonderheit so-
wie der Werbung mit Selbstverständlichkeiten im Hinblick auf folgende, in dem
Werbetext enthaltene Aussagen wettbewerbswidrig (Unterlassungsantrag I 4
Punkte 1 bis 3):
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Sollten Sie mit einem kompatiblen Produkt nicht zufrieden sein,
haben Sie eine 14-tägige Geld-Zurück-Garantie. Das Porto der
Rücksendung übernehmen wir.
Für alle Produkte gilt selbstverständlich ebenfalls die gesetzli-
che Gewährleistung von zwei Jahren.
Der Versand der Ware erfolgt auf Risiko von P. .
Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der
drei angegriffenen Aussagen, zur Auskunftserteilung und zur Zahlung von Ab-
mahnkosten in Höhe von 1.479,90
€ verurteilt sowie die Schadensersatzpflicht
der Beklagten festgestellt.
Das Berufungsgericht hat die Klage auf Unterlassung der konkreten
Werbung nach dem Klageantrag zu I 4, Auskunft und Schadensersatzfeststel-
lung abgewiesen. Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Er-
stattung von Abmahnkosten über 1.479,90
€ hat es nur in Höhe von 455,22 €
als begründet angesehen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre insoweit erfolglosen Klageanträge
weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage in dem Umfang, in dem es über sie
zu entscheiden hatte, als unbegründet angesehen und hierzu im Blick auf den
Unterlassungsantrag zu I 4 und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Aus-
kunft und Schadensersatzfeststellung ausgeführt:
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Der Unterlassungsantrag zu I 4 und die darauf bezogenen Folgeanträge
seien unbegründet, weil die "Geld-Zurück-Garantie" in der beanstandeten Wer-
bung jedenfalls nicht als Besonderheit des Angebots der Beklagten im Sinne
der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG hervorgehoben dargestellt
sei. Es sei lediglich einer von sechs Punkten. Der Hinweis auf das zweijährige
Gewährleistungsrecht sei zulässig, weil mit ihm gerade nicht das selbstver-
ständliche Recht in der Werbung hervorgehoben und damit als Besonderheit
des Angebots präsentiert werde und es sich bei ihm ebenfalls nur um einen von
sechs Punkten handele. Im Übrigen machten die Wörter "selbstverständlich"
und "gesetzliche" gerade deutlich, dass keine Besonderheit zu Angeboten an-
derer Anbieter vorliege, sondern lediglich auf das gesetzlich geregelte Gewähr-
leistungsrecht hingewiesen werden solle. Bei der Aussage zur Risikoverteilung
beim Versand der Ware handele es sich im Hinblick auf die entsprechende Re-
gelung in § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB zwar ebenfalls um eine Selbstverständlich-
keit. Da aber auch dieser Hinweis nur als ein Punkt unter insgesamt sechs
Punkten dargestellt sei, sei er ebenfalls nicht als so hervorgehoben anzusehen,
dass er als eine Besonderheit des Angebots der Beklagten angesehen werde.
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten bestehe nur in Höhe
von 455,22
€, weil die Unterlassungsansprüche zu I 1 bis I 3, soweit die Kläge-
rin mit ihnen Erfolg gehabt habe, lediglich einen Gegenstandswert von 20.000
ausmachten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin ist in Be-
zug auf die Unterlassungsanträge zu I 4 Punkt 1 (Geld-Zurück-Garantie) und I 4
Punkt 3 (Risiko des Warenversands) und die darauf bezogenen Folgeanträge
begründet (dazu unter 1). Keinen Erfolg hat das Rechtsmittel dagegen, soweit
es sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Unterlassungsantrag zu I 4
Punkt 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge richtet (dazu unter 2). Dem-
entsprechend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkos-
ten aus einem Gegenstandswert von 40.000
€ zu (dazu unter 3).
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1. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf die Unterlassungsanträge
zu I 4 Punkt 1 und 3 einen Verstoß gegen die Nummer 10 des Anhangs zu § 3
Abs. 3 UWG jeweils mit der Begründung verneint, es fehle an der dafür erfor-
derlichen hervorgehobenen Darstellung der vermeintlichen Besonderheit des
Angebots der Beklagten. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Eine unzulässige geschäftliche Handlung ist nach Nr. 10 des Anhangs
zu § 3 Abs. 3 UWG die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffen-
den Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des
Angebots dar. Aus der Vorschrift ergibt sich kein Anhalt für das vom Berufungs-
gericht angenommene Erfordernis einer hervorgehobenen Darstellung. Nichts
anderes folgt auch aus der für die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung
dieser Regelung maßgeblichen Bestimmung der Nummer 10 des Anhangs I der
Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, nach der den Ver-
brauchern gesetzlich zugestandene Rechte nicht als Besonderheit des Ange-
bots präsentiert werden dürfen. Eine hervorgehobene Angabe wird daher weder
im deutschen Recht noch im für dessen Auslegung maßgeblichen Unionsrecht
vorausgesetzt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es vielmehr jeweils, dass
beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Unternehmer hebe
sich bei seinem Angebot dadurch von den Mitbewerbern ab, dass er dem Ver-
braucher freiwillig ein Recht einräume (vgl. Loschelder/Dörre in Gloy/
Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 47 Rn. 29;
Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Anh. zu § 3 III Rn. 10.1; Wirtz
in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 3 Rn. 152; Büllesbach, Auslegung der
irreführenden Geschäftspraktiken des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über
unlautere Geschäftspraktiken, Diss. München 2008, S. 78; aA Link in Ullmann,
jurisPK-UWG, 3. Aufl., Anh. zu § 3 Abs. 3 [Nr. 10] Rn. 6; Fezer/Peifer, UWG,
2. Aufl., Anhang UWG Nr. 10 Rn. 10; Dreyer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl.,
Anh. § 3 Abs. 3 Nr. 10 Rn. 7; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl.,
Anhang zu § 3 Abs. 3 Rn. 27; Hoeren, BB 2008, 1182, 1188; Schöttle, WRP
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2009, 673, 677). Das kann durch eine blickfangmäßige Herausstellung gesche-
hen. Zwingend ist ein Blickfang aber nicht.
Für diese Sichtweise spricht vor allem der Wortlaut der genannten Be-
stimmungen. Dieser stellt auf eine Besonderheit des Angebots und nicht auf
eine besondere oder hervorgehobene Darstellung des Angebots ab. Es kommt
hinzu, dass nach der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG auch das
Erwecken des Eindrucks, das seiner Natur nach nicht ausdrücklich oder in her-
vorgehobener Weise erfolgen muss, unzulässig ist.
b) Nach diesem Maßstab erweisen sich die mit den Unterlassungsanträ-
gen zu I 4 Punkt 1 und 3 angegriffenen Aussagen in der Werbung der Beklag-
ten als nach Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässig. Die "14-tägige
Geld-Zurück-Garantie" gemäß Punkt 1 des Unterlassungsantrags geht weder
über das bei Fernabsatzverträgen für Verbraucher nach § 312c BGB grundsätz-
lich zwingend bestehende Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB noch über das
dem Verbraucher vom Unternehmer wahlweise an dessen Stelle einzuräumen-
de Rückgaberecht gemäß § 356 BGB hinaus. Die gemäß Punkt 3 des Unterlas-
sungsantrags beanstandete Aussage über die Risikotragung beim Versand der
Ware entspricht der nach § 475 Abs. 1 BGB zwingenden Regelung in § 474
Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach ist bei einem Verbrauchsgüterkauf die Vorschrift
des § 447 BGB nicht anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass die Gefahr des zu-
fälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung erst dann auf den
Verbraucher übergeht, wenn dieser den Besitz an der Sache erlangt hat (§ 446
Satz 1 BGB) oder in Annahmeverzug geraten ist (§ 446 Satz 3, §§ 293 ff. BGB).
In der beanstandeten Werbung wird auch der Eindruck hervorgerufen,
die "Geld-Zurück-Garantie" und die Regelung über die Risikotragung beim Ver-
sand seien freiwillige Leistungen der Beklagten und stellten deshalb Besonder-
heiten ihres Angebots dar. Dies folgt aus der Wiedergabe der beiden beanstan-
deten Aussagen unter den Vorzügen kompatiblen Verbrauchsmaterials, durch
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die der Eindruck einer freiwilligen Leistung erweckt wird. Dieser Eindruck wird
noch dadurch verstärkt, dass in unmittelbarem Zusammenhang mit den hier in
Rede stehenden Angaben die Gewährleistung von zwei Jahren ausdrücklich als
ein gesetzliches Recht bezeichnet wird, das selbstverständlich gilt.
2. Anders verhält es sich bei der mit dem Unterlassungsantrag zu I 4
Punkt 2 angegriffenen Werbeaussage "Für alle Produkte gilt selbstverständlich
ebenfalls die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 2 Jahren". Mit dieser Formu-
lierung wird für den angesprochenen Verbraucher klargestellt, dass er von der
Beklagten insoweit keine Rechte eingeräumt bekommt, die ihm nicht schon
kraft Gesetzes zustehen. In dieser Hinsicht liegt auch keine gemäß § 5 Abs. 1
Satz 2 Nr. 7 UWG, Art. 6 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2005/29/EG irreführen-
de Werbung mit bei Leistungsstörungen selbstverständlich bestehenden Ge-
währleistungsansprüchen vor; denn die dann bestehenden Ansprüche werden
nicht als etwas Ungewöhnliches herausgestellt, sondern als selbstverständlich
bestehend bezeichnet (vgl. GroßKomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 133;
Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.115).
3. Die Klägerin kann die ihr durch die Abmahnung nach einem Gegen-
standswert von 65.000
€ entstandenen Kosten von 1.479,90 € in Höhe von
910,71
€ nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nebst Zinsen ersetzt verlangen. Über
den vom Berufungsgericht angenommenen Gegenstandswert von 20.000
€ ist
die Abmahnung hinsichtlich eines Gegenstandswerts von weiteren 20.000
berechtigt, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Abmahnkosten in Höhe von
40/65 von 1.479,90
€ zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009
- I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 52 = WRP 2010, 1023 - Sondernewsletter;
Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08, GRUR 2010, 939 Rn. 41 = WRP 2010,
1249 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; Urteil vom 31. Mai 2012
- I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 49 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche
Vertragsstrafe, jeweils mwN).
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III. Der Streitfall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen zur Ausle-
gung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Ge-
richtshof der Europäischen Union erfordern. Hinsichtlich der Auslegung der
Nummer 10 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG bestehen im vorliegenden
Fall keine vernünftigen Zweifel. Dementsprechend ist auch keine Vorlage an
den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom
6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257
- C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06 bis C-434/06, Slg.
2008, I-6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42 - UGT-Rioja u.a.; Urteil vom
18. Oktober 2011 - C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09, Slg. 2011,
I-9711 = NVwZ 2011, 1506 Rn. 31 - Boxus u.a.).
IV. Nach allem ist das Urteil erster Instanz wiederherzustellen, soweit
das Landgericht die Beklagte nach den Unterlassungsanträgen zu I 4 Punkt 1
und 3 und den hierauf bezogenen Anträgen auf Auskunft und Schadensersatz-
feststellung verurteilt hat. Hinsichtlich der Abmahnkosten erweist sich die Revi-
sion in dem oben in Rn. 16 dargestellten Umfang als begründet. Im Übrigen ist
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269
Abs. 3 Satz 2, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Büscher
Pokrant
Schaffert
Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 03.02.2012 - 16 O 31/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 30.08.2012 - I-4 U 44/12 -
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