Urteil des BGH vom 27.08.2014

BGH: untreue, verkehr, einfluss, gesamtstrafe, materialien, firma, anbieter

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 S t R 1 8 1 / 1 4
vom
27. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2014 beschlos-
sen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Neuruppin vom 25. September 2013 nach § 349
Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte im Tatkomplex
II.A (Tauchreisen) wegen Untreue in Tateinheit mit Be-
stechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in drei Fällen ver-
urteilt worden ist;
b) im Gesamtstrafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in drei Fällen je-
weils in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (Tatkomplex
II.A), wegen Untreue in zehn Fällen und wegen Betruges zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen mit einer Verfahrensbe-
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anstandung und der Sachrüge geführte Revision erzielt
– entsprechend dem
Antrag des Generalbundesanwalts
– den aus der Beschlussformel ersichtlichen
Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
1. Entgegen den Ausführungen der Revision ist das angefochtene Urteil
nunmehr wirksam zugestellt worden, so dass die Revisionsbegründungsfrist in
Lauf gesetzt wurde (§ 345 Abs. 1 StPO). Die noch vorhandenen Abweichungen
der zugestellten Urteilsausfertigung von dem Urteilsoriginal betreffen lediglich
„kleine Fehler“, die den Sinngehalt der fraglichen Urteilspassagen nicht berüh-
ren und die deshalb der Wirksamkeit der Urteilszustellung nicht entgegenste-
hen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. März 2004
– 2 StR 44/04, StraFo 2004,
238, und vom 30. März 1994
– 3 StR 33/94, Urteil vom 27. Oktober 1977
– 4 StR 326/77, NJW 1978, 60). Soweit der Beschwerdeführer aus dem An-
bringen der handschriftlichen Korrekturen auf dem Urteilsoriginal ableiten will,
dass das Urteil nicht rechtzeitig zu den Akten gebracht worden sei (§ 275
Abs. 1, § 338 Nr. 7 StPO), ist ein Verfahrensverstoß nicht belegt.
2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, soweit der An-
geklagte im Tatkomplex II.A wegen Untreue in drei Fällen jeweils in Tateinheit
mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verurteilt wurde.
a) Nach den Urteilsfeststellungen entschied der Angeklagte als Abtei-
lungsleiter der Gleisbauabteilung der Firma K.
(nachfolgend: Fa. K. ) eigenständig darüber, von welchem Lieferan-
ten und zu welchen Konditionen die Fa. K. die Materialien zur Aus-
führung von Gleisbauaufträgen der Deutschen Bundesbahn bezog. Einer dieser
Lieferanten war die V. (nachfolgend:
V. ), deren Niederlassungsleiter in Berlin dem Angeklagten im Jahr 2000
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das Angebot unterbreitete, für ihn eine sogenannte schwarze Kasse zu bilden.
Dies lehnte der Angeklagte zunächst ab; in der Folgezeit entwickelte sich je-
doch eine Praxis, dass auf „Zuruf“ des Angeklagten die V. die Ausgangs-
rechnungen „erhöhte“, ohne die entsprechenden Leistungen erbracht zu haben
(UA S. 4). Die überschießenden Beträge wurden auf einem Konto der V.
„geparkt“; der Angeklagte konnte Gelder zur freien Verwendung nach Einrei-
chung von Scheinrechnungen durch Mitarbeiter der V. abrufen (UA S. 4,
16). Im Gegenzug bestellte der Angeklagte in Fällen, bei denen Bahnschienen
kurzfristig zu liefern waren, zu den üblichen Preisen mit Aufschlägen aus-
schließlich bei der V. , deren Mitarbeitern er gegebenenfalls mitteilte
– falls
er Vergleichsangebote anderer Firmen eingeholt hatte
–, dass günstigere An-
bieter vorhanden seien, so dass die V. ihre Preisgestaltung diesem Um-
stand anpassen konnte.
Die vom Angeklagten getätigten Mittelabrufe vom Konto der V. dien-
ten zunächst dazu, geschäftliche Angelegenheiten der Fa. K. zu fi-
nanzieren. Im Zeitraum 2006 bis 2008 veranlasste der Angeklagte die Abbu-
chung von drei Beträgen in Höhe von 12.180 Euro, 18.000 Euro und
25.287,50 Euro zur Begleichung der Kosten seiner privat veranstalteten Tauch-
reisen.
b) Der rechtliche Ansatz des Landgerichts, die Untreuehandlungen des
Angeklagten in den Mittelabrufen zur Tilgung privater Verbindlichkeiten als ver-
wirklicht anzusehen, ist unzutreffend. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den
Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) sind vorliegend vielmehr bereits die vom
Angeklagten zum Nachteil der Fa. K.
durch „Zuruf“ bewirkten Rech-
nungsstellungen seitens der V. , die jeweils wegen tatsächlich nicht erbrach-
ter Leistungen überschießende Geldabflüsse zur Folge hatten, mit denen die
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schwarze Kasse gespeist wurden. Mit den Geldabflüssen sind die jeweiligen
Beträge der Fa. K. endgültig entzogen worden (vgl. BGH, Urteile vom
29. August 2008
– 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff., und vom 27. Au-
gust 2010
– 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 282 ff.), so dass ein späteres Abru-
fen etwaiger Geldbeträge vom verdeckten Konto zur Verwirklichung des Un-
treuetatbestandes rechtlich irrelevant ist.
c) Weil das Landgericht zu den überhöhten Rechnungen der V. und
den dadurch zum Nachteil der Fa. K. bewirkten Geldabflüssen keine
Feststellungen getroffen hat, unterliegt das Urteil hinsichtlich dieses Tatkom-
plexes insgesamt der Aufhebung. Das gilt auch für die jeweils tateinheitlich zur
Untreue abgeurteilte, an sich rechtsfehlerfrei festgestellte Bestechlichkeit im
geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB). Diese liegt freilich bereits in den
im Zusammenhang mit der Bildung und dem Einspeisen der schwarzen Kassen
getroffenen Unrechtsvereinbarungen und nicht etwa erst in den Abbuchungen
für private Zwecke.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Tatkomplex II.A zieht die Auf-
hebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie des Gesamtstraf-
ausspruchs nach sich. Gegebenenfalls bietet sich mit Blick auf die nunmehr
rechtskräftig verhängten Einsatz- und Einzelstrafen eine Verfahrensweise nach
§ 154 Abs. 2 StPO an, die jedenfalls keinen erheblichen Einfluss auf die neu zu
bildende Gesamtstrafe haben dürfte.
Basdorf Sander Schneider
Dölp Bellay
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