Urteil des BGH vom 19.07.2013

BGH: anschluss, grundstück, ermächtigung, haus, prozessstandschaft, eigentumswohnung, teilung, stimmabgabe, mitgliedschaft, eigenschaft

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 109/12
Verkündet am:
19. Juli 2013
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juli 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin
Dr. Brückner
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Oberlandesge-
richts Bamberg - 5. Zivilsenat - vom 17. April 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem aus zwei Eigen-
tumswohnungen bestehenden Haus. Das Haus dieser Wohnungseigentümer-
gemeinschaft (nachfolgend: kleine Wohnungseigentümergemeinschaft) ist an
die zentralen Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen, insbesondere an die
Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlage der Beklagten, einer benachbar-
ten Wohnungseigentümergemeinschaft, angeschlossen.
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Das von den Klägern bewohnte Haus und die Wohnanlage der Beklagten
waren bei ihrer Errichtung im Jahr 1973 als eine einheitliche Wohnungseigen-
tumsanlage mit einheitlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen konzipiert
worden. In Abweichung hiervon wurden durch Teilungserklärung der Beklagten
vom 17. August 1973 aber nur die 56 Wohneinheiten der Beklagten in die Woh-
nungseigentumsanlage einbezogen. An den übrigen 14 Wohneinheiten, beste-
hend aus Einfamilien- und Doppelhäusern, wurde hingegen kein Wohnungsei-
gentum, sondern jeweils Alleineigentum begründet („Privathäuser“). Nach der
Teilungserklärung der Beklagten dürfen die Eigentümer der Privathäuser die
gemeinschaftlichen Einrichtungen der Wohnungseigentumsanlage nutzen; im
Gegenzug wurde ihnen ein Benutzungszwang „für das gesamte Leitungssys-
tem, insbesondere Zentralheizung, Warmwasser und Entsorgung“ auferlegt.
Der Benutzungszwang wurde dinglich nicht gesichert.
In der Folgezeit wurde eines der Privathäuser von den Erstkäufern in
zwei Eigentumswohnungen aufgeteilt. Nach mehreren Zwischenverkäufen er-
warben die Kläger im Jahr 1996 eine der beiden Wohnungen.
Die Kläger möchten festgestellt wissen, dass das Grundstück, auf dem
sich ihre Eigentumswohnung befindet, keinem Anschluss- und Benutzungs-
zwang unterliegt, hilfsweise, dass jedenfalls ihr Wohnungseigentum einem sol-
chen Zwang nicht unterworfen ist. Das Landgericht hat der Klage im Hilfsantrag
stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit
der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klagean-
träge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für zulässig. Die Kläger seien durch
die übrigen Wohnungseigentümer ermächtigt worden, die Feststellungsklage zu
erheben. Die Klage sei jedoch im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet. So-
wohl die Kläger als auch die Eigentümer der weiteren Wohnung unterlägen dem
in der Teilungserklärung der Beklagten geregelten Anschluss- und Benutzungs-
zwang, da sie - ebenso wie ihre Rechtsvorgänger - in ihren Kaufverträgen diese
Verpflichtung übernommen hätten. Die schuldrechtliche Übernahme des An-
schluss- und Benutzungszwangs sei nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Den Klägern stehe auch kein Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB zu, da es an
einem wichtigen Grund fehle.
II.
Die Revision ist begründet, weil die Klage entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts im Hauptantrag nicht zulässig ist.
1. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Klageantrag nach
seinem Wortlaut auf die Feststellung gerichtet ist, dass das Grundstück der
kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber der Beklagten keinem
Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt. Ein solches Begehren wäre man-
gels Feststellungsinteresses allerdings unzulässig, da eine auf dem Grundstück
lastende Verpflichtung nur aus einem dinglichen Recht herrühren könnte und
zwischen den Parteien unstreitig ist, dass ein solches Recht nicht besteht und
dass die Beklagte sich dessen auch nicht berühmt. Das Berufungsgericht legt
den Klageantrag jedoch rechtsfehlerfrei dahin aus, dass es den Klägern um die
Feststellung des Nichtbestehens eines schuldrechtlichen Anschluss- und Be-
nutzungszwangs der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft geht.
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2. Der Hauptantrag ist aber deshalb unzulässig, weil den Klägern die Be-
fugnis fehlt, den der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft zustehenden
Anspruch ohne eine dahingehende Ermächtigung seitens der übrigen Woh-
nungseigentümer gerichtlich geltend zu machen.
Mit dem Antrag auf Feststellung, dass die kleine Wohnungseigentümer-
gemeinschaft gegenüber den Beklagten keinem schuldrechtlichen Anschluss-
und Benutzungszwang unterliegt, nehmen die Kläger eine Verwaltungsangele-
genheit der Gemeinschaft wahr und machen einen Anspruch geltend, dessen
prozessuale Durchsetzung nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern
dem Verband der Wohnungseigentümer unterliegt (§ 10 Abs. 6 Satz 2 und 3
WEG). Zwar ist es auch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungs-
eigentümergemeinschaft möglich, dass ein oder mehrere Wohnungseigentümer
Ansprüche des Verbandes im Wege gewillkürter Prozessstandschaft in eige-
nem Namen geltend machen, wenn hierfür ein schutzwürdiges Eigeninteresse
besteht (siehe für den Verwalter: Senat, Urteil vom 28. Januar 2011
- V ZR 145/10, BGHZ 188, 157, 163 Rn. 15). Entgegen der Auffassung des Be-
rufungsgerichts fehlt es hier aber schon an einer wirksamen Ermächtigung der
Kläger durch die übrigen Wohnungseigentümer. Von den beiden Miteigentü-
mern der weiteren Eigentumswohnung hat nur Herr O. mit Schreiben vom
2. März 2010 die Kläger zu einer Prozessführung ermächtigt, nicht dagegen
dessen Ehefrau. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, eine Mitwir-
kung dieser Miteigentümerin sei deshalb nicht erforderlich gewesen, weil Mitbe-
rechtigte an einem Miteigentumsanteil gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nur eine
gemeinsame Stimme hätten und es im Außenverhältnis ohne Relevanz sei, ob
die Stimmabgabe durch Herrn O. auf einer intern ordnungsgemäßen Wil-
lensbildung beruhe. Die Erklärung des Miteigentümers O. könnte nur dann
Wirkungen für und gegen die mitberechtigte Ehefrau entfalten, wenn er die Er-
klärung zugleich in deren Namen abgegeben hätte (vgl. Klein in Bärmann,
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WEG, 12. Aufl., § 25 Rn. 51). Dies muss zwar nicht ausdrücklich geschehen;
vielmehr genügt es nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sich dies aus den
Umständen ergibt. Daran fehlt es hier jedoch. Das genannte Schreiben von
Herrn O. enthält nicht andeutungsweise einen Hinweis darauf, dass er die
Erklärung auch im Namen seiner Ehefrau abgibt.
III.
Trotz der Unzulässigkeit des Hauptantrags kann der Senat keine ab-
schließende Entscheidung in der Sache treffen. Denn die fehlende Prozessfüh-
rungsbefugnis der Kläger ist bisher nicht gesehen worden. Ihnen ist deshalb
Gelegenheit zu geben, die noch fehlende Ermächtigung nachzureichen (vgl.
BGH, Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91, NJW-RR 1993, 669, 670) und ihr
- für eine gewillkürte Prozessstandschaft notwendiges - schutzwürdiges Eigen-
interesse an der Prozessführung darzulegen. Das führt zur Zurückverweisung
des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
Für den Fall, dass das Berufungsgericht aufgrund der neuen Verhand-
lung zur Zulässigkeit der Klage gelangen sollte, weist der Senat auf Folgendes
hin:
1. Ein Benutzungszwang der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft
kann sich nur aus deren Gemeinschaftsordnung oder aus einem von ihr mit der
Beklagten geschlossenen Versorgungsvertrag ergeben.
2. a) Sollten die Mitglieder der kleinen Wohnungseigentümergemein-
schaft in der Vergangenheit einen Versorgungsvertrag mit der Beklagten ge-
schlossen haben, wären die Kläger kraft ihrer Mitgliedschaft in der Gemein-
schaft hieran gebunden. Ein solcher Vertrag verpflichtet nämlich den rechtsfä-
higen Verband mit der Folge, dass die Bindung die Gemeinschaft unabhängig
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von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand und unabhängig von der Ausgestaltung
der jeweiligen Erwerbsverträge späterer Wohnungseigentümer trifft. Insoweit
gilt nichts anderes als bei Verträgen mit öffentlichen Versorgern, bei denen Ver-
tragspartner ebenfalls die Gemeinschaft ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007
- VIII ZR 125/06, NJW 2007, 2987 f.; Urteil vom 20. Januar 2010 - VIII ZR
329/09, NJW 2010, 932 f.).
b) Aus der bloßen Inanspruchnahme der Versorgungsleistungen der Be-
klagten durch die kleine Wohnungseigentümergemeinschaft folgt der Abschluss
eines Vertrages mit einem Anschluss- und Benutzungszwang allerdings nicht.
Zwar kann ein Versorgungsvertrag auch konkludent durch Entgegennahme der
Versorgungsleistungen geschlossen werden. Eine damit gleichzeitig begründe-
te Verpflichtung zur dauerhaften Nutzung der Versorgungseinrichtungen der
Beklagten ist aber nur anzunehmen, wenn die Nutzung der Leistungen durch
die Wohnungseigentümergemeinschaft erkennbar in Kenntnis des in der Tei-
lungserklärung der Beklagten geregelten Anschluss- und Benutzungszwangs
erfolgte.
aa) Hierzu kann es bereits bei der Teilung des Privathauses in Woh-
nungseigentum im Jahr 1983 durch die Ersterwerber E. gekommen sein.
Sollten diese die in der Teilungserklärung der Beklagten geregelten Bedingun-
gen für die Versorgungsleistungen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer der bei-
den neu entstandenen Wohnungen gegenüber der Beklagten (ausdrücklich
oder konkludent) erkennbar als verbindlich angesehen haben, wäre die wider-
spruchslose Fortsetzung der Nutzung des Versorgungssystems als Abschluss
eines Versorgungsvertrages seitens der kleinen Wohnungseigentümergemein-
schaft zu den Bedingungen der Beklagten anzusehen. Dem steht nicht entge-
gen, dass die Rechtsprechung damals noch nicht von der Teilrechtsfähigkeit
der Wohnungseigentümergemeinschaft ausging. Denn die mit der Entschei-
dung des Senats vom 2. Juni 2005 geänderte Rechtsprechung zur Rechtsfä-
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higkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft gilt grundsätzlich auch für früher
begründete, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen (vgl. BGH, Urteil
vom 22. März 2012 - VII ZR 102/11, BGHZ 193, 10, 18 Rn. 21; Klein in Bär-
mann, WEG, 12. Aufl., § 10 Rn. 277).
bb) Sollte ein Vertragsschluss der Gemeinschaft durch die Wohnungsei-
gentümer E. nicht feststellbar sein, ist zu prüfen, ob es zu einem späteren
Zeitpunkt zu einem (konkludenten) Abschluss eines Versorgungsvertrages
durch die Mitglieder der kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft zu den Be-
dingungen der Beklagten gekommen ist; die Verpflichtung hieraus träfe wiede-
rum den teilrechtsfähigen Verband. Hierzu reicht allein die Feststellung, dass in
Frage kommende Wohnungseigentümer in ihrem Kaufvertrag die Verpflichtun-
gen ihrer Rechtsvorgänger hinsichtlich der Benutzung der Einrichtungen der
Beklagten übernommen hatten, allerdings nicht aus. Schuldrechtliche Verpflich-
tungen, die ein Eigentümer in dem Wohnungskaufvertrag gegenüber Dritten
übernommen hat, binden die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht. Maß-
geblich ist vielmehr, ob das tatsächliche Verhalten der Mitglieder der kleinen
Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber der Beklagten den Schluss zu-
lässt, dass sie mit dieser nicht jeder für sich, sondern gemeinsam für das ge-
samte Privathaus einen Versorgungsvertrag zu deren Bedingungen abschlie-
ßen wollten und abgeschlossen haben.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Vereinbarung eines dauer-
haften Anschluss- und Benutzungszwangs sei nicht sittenwidrig, ist frei von
Rechtsfehlern. Ebenso nimmt es zutreffend an, dass ein solcher Benutzungs-
zwang gemäß § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Ent-
gegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht ein etwaiges Kündigungs-
recht aber nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern, weil nur sie
Vertragspartner ist, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu.
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3. Die von den Klägern mit dem Hilfsantrag erstrebte Feststellung, jeden-
falls ihre Wohnung unterliege keinem Anschluss- und Benutzungszwang, kann
keinen Erfolg haben. Ist der Hauptantrag unbegründet, weil die Wohnungsei-
gentümergemeinschaft zur Nutzung der Anlage der Beklagten verpflichtet ist,
sind die Kläger als Mitglied der Gemeinschaft hieran gebunden. Ihr Wohnungs-
eigentum kann insoweit kein eigenständiges rechtliches Schicksal nehmen.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Vorinstanzen:
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 29.07.2011 - 32 O 34/11 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 17.04.2012 - 5 U 171/11 -
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