Urteil des BGH vom 29.05.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 374/11
Verkündet am:
29. Mai 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO aF § 323; FamFG §§ 238 Abs. 2, 239
Wird bei einem durch Vergleich titulierten Unterhalt der Abänderungsantrag des
Unterhaltsverpflichteten durch gerichtliche Entscheidung in vollem Umfang zu-
rückgewiesen, hindert die Rechtskraft dieser Entscheidung ein späteres Erhö-
hungsverlangen des Unterhaltsberechtigten nicht (im Anschluss an Senatsurteil
vom 23. November 1994 - XII ZR 168/93 - FamRZ 1995, 221).
BGH, Beschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 374/11 - OLG Hamm
AG Borken
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-
Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des 8. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. April
2010 wird auf Kosten des Antragsgegners mit der Maßgabe zu-
rückgewiesen, dass Ziffer 1 und 2 des Tenors der angefochtenen
Entscheidung entfallen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines gerichtlichen Ver-
gleichs zum nachehelichen Unterhalt. Sie schlossen anlässlich ihrer Scheidung
im Jahr 2000 einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich, wonach der Antragsgeg-
ner (Ehemann) sich verpflichtete, an die Antragstellerin (Ehefrau) einen monat-
lichen Elementarunterhalt von umgerechnet 818,02
€ sowie Krankenvorsorge-
unterhalt von umgerechnet 71,53
€ zu zahlen. Ferner wurde vereinbart, dass
eine vollständige Neuberechnung des Elementarunterhalts erfolgen solle, so-
bald die seinerzeit arbeitslose Ehefrau entweder keine Leistungen des Arbeits-
amts mehr beziehe oder eigene Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit erzie-
le.
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Im Jahr 2008 erhob der Ehemann eine Abänderungsklage, mit der er den
Wegfall seiner Unterhaltspflicht mit der Begründung erstrebte, dass sich die
Ehefrau um die bei Vergleichsschluss in Aussicht genommene Aufnahme einer
eigenen Erwerbstätigkeit nicht bemüht habe; jedenfalls sei der Unterhalt zu be-
fristen, da der Ehefrau keine ehebedingten Nachteile entstanden seien. Die Ab-
änderungsklage blieb erfolglos. In den Urteilsgründen wurde ausgeführt, dass
eine Neuberechnung des Elementarunterhalts zu erfolgen habe, da die Ehefrau
keine Leistungen des Arbeitsamts mehr beziehe. Die sodann vorgenommene
Neuberechnung schloss mit einem über den bisherigen Unterhalt hinausgehen-
den Betrag von monatlich 1.051,19
€. Eine Erwerbsobliegenheit der Ehefrau
wurde aufgrund fortwährender Erwerbsunfähigkeit verneint, eine Herabsetzung
oder Befristung des Unterhalts aufgrund entstandener ehebedingter Nachteile
abgelehnt.
Daraufhin hat die Ehefrau im vorliegenden Verfahren mit einem am
14. August 2009 eingegangenen Schriftsatz "Prozesskostenhilfe" für eine Ab-
änderung des Unterhaltsvergleichs zu ihren Gunsten beantragt. Das Familien-
gericht hat die Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 7. Oktober 2009 bewilligt
und die Klageschrift anschließend zugestellt. Der Ehemann hat den Standpunkt
vertreten, dass die Ehefrau mit ihrem jetzigen Abänderungsverlangen präkludi-
ert sei, nachdem sie in dem vorausgegangenen, von ihm angestrengten
Rechtsstreit keine Abänderungswiderklage erhoben habe. Mit Beschluss vom
7. Januar 2010 hat das Familiengericht dem Abänderungsantrag der Ehefrau
unter Anwendung des seit 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts im
Wesentlichen stattgegeben und den Ehemann zu laufendem Unterhalt in Höhe
von monatlich 1.044
€ ab März 2009 sowie 1.025 € ab Januar 2010 verpflichtet.
Das Oberlandesgericht hat die dagegen eingelegte Beschwerde des Ehemanns
als Berufung behandelt und durch Urteil zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich
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das vom Oberlandesgericht als "Revision" zugelassene Rechtsmittel des Ehe-
manns.
Entscheidungsgründe:
Das zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt: Anzuwenden sei das bis zum 31. August 2009 geltende
Verfahrensrecht, weil das Verfahren noch vor dem 1. September 2009 durch
das Prozesskostenhilfegesuch eingeleitet worden sei. In der Sache sei die
Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO - die der Regelung des § 238
Abs. 2 FamFG entspreche - nicht anzuwenden. Zwar sei bei mehreren aufei-
nanderfolgenden Abänderungsprozessen grundsätzlich für die Präklusionswir-
kung auf den Schluss der Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens abzu-
stellen. Auch sei der Gegner des früheren Abänderungsprozesses grundsätz-
lich gehalten, seine gegenläufigen Rechte - im Wege der Abänderungswider-
klage - im Rahmen des vorausgegangenen Abänderungsprozesses geltend zu
machen. Jedoch gelte die Präklusionsvorschrift nicht für Unterhaltsvergleiche,
da diese nicht der Rechtskraft fähig seien. Werde die Abänderungsklage des
Unterhaltspflichtigen gegen den Ausgangsvergleich abgewiesen, richte sich die
nachfolgende Abänderungsklage des Unterhaltsberechtigten nicht gegen das
Urteil im vorausgegangenen Prozess, sondern gegen den Ausgangsvergleich.
Eine Präklusion könne daher allenfalls für den Unterhaltspflichtigen als erfolglo-
sem Abänderungskläger des Vorprozesses erwogen werden, nicht aber für den
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Unterhaltsberechtigten als erfolgreichem Abänderungsbeklagten des Vorpro-
zesses.
II.
Gegen die in Urteilsform ergangene Entscheidung des Oberlandesge-
richts ist das vom Oberlandesgericht zugelassene und vom Ehemann eingeleg-
te Rechtsmittel als Rechtsbeschwerde statthaft.
1. Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch,
dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen
Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das
nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das
Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zu-
lässig wäre (Grundsatz der "Meistbegünstigung", st. Rspr. vgl. Senatsbeschlüs-
se vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12; vom
6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 12 und vom
17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06 - MDR 2009, 1000 Rn. 17 mwN). Der
Schutzgedanke der Meistbegünstigung führt allerdings nicht dazu, dass das
Rechtsmittel auf dem vom vorinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen
Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren
so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung
durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wä-
re (Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012,
783 Rn. 12; vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 12 und
vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06 - MDR 2009, 1000 Rn. 28).
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2. Im vorliegenden Fall ist die Rechtsbeschwerde das statthafte Rechts-
mittel, da auf das Verfahren die seit dem 1. September 2009 geltenden Verfah-
rensvorschriften anzuwenden sind.
Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG sind auf Verfahren, die bis zum In-
krafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in
den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind,
weiter die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzu-
wenden. Nach Art. 111 Abs. 2 FGG-RG ist jedes gerichtliche Verfahren, das mit
einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren im
Sinne des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG.
Die vormals umstrittene Frage, welches Verfahrensrecht zur Anwendung
kommt, wenn eine Partei vor dem 1. September 2009 zunächst nur einen An-
trag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hatte und über diesen An-
trag erst nach diesem Zeitpunkt entschieden wurde, hat der Senat nach Erlass
der angefochtenen Entscheidung dahin entschieden, dass die Stellung eines
Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeantrags noch nicht genügt, um das Verfah-
ren i.S.v. Art. 111 FGG-RG einzuleiten (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012
- XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 18 ff.).
Im vorliegenden Fall ist über den Prozesskostenhilfeantrag erst nach
dem 31. August 2009 entschieden und dann das Hauptsacheverfahren eingelei-
tet worden. Daher hat das Familiengericht über den Antrag der Ehefrau zu
Recht unter Anwendung des seit 1. September 2009 geltenden Verfahrens-
rechts entschieden. Das Oberlandesgericht hätte das gegen die Erstentschei-
dung eingelegte Rechtsmittel als Beschwerde behandeln müssen. Gegen seine
Entscheidung ist daher die Rechtsbeschwerde ungeachtet dessen statthaft,
dass die Erstbeschwerde in inkorrekter Form durch Urteil zurückgewiesen wor-
den ist.
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III.
Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings von der Zulässigkeit des
Abänderungsantrags ausgegangen.
1. Bei einem durch Prozessvergleich titulierten Unterhaltsanspruch rich-
tet sich die Zulässigkeit des Abänderungsantrags nach § 239 Abs. 1 Satz 2
FamFG. Die dort normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen sind im vorliegen-
den Fall gegeben. Die Ehefrau hat sich zur Begründung des Abänderungsan-
trags darauf berufen, dass sie keine Leistungen des Arbeitsamts mehr beziehe
und aufgrund der beiderseitig geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse ein hö-
herer nachehelicher Unterhalt geschuldet werde. Hierbei handelt es sich um
Tatsachen, die eine Abänderung des Unterhaltsvergleichs rechtfertigen können
(vgl. Senatsurteile vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010,
1884 Rn. 11 f. und vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381
Rn. 16).
2. Die Ehefrau ist auch nicht durch § 238 Abs. 2 FamFG gehindert, diese
Tatsachen vorzubringen. Nach dieser Vorschrift kann ein Abänderungsantrag
nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung
eines vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendma-
chung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.
a) Auf Prozessvergleiche ist die Präklusionsvorschrift des § 238 Abs. 2
FamFG - ebenso wie § 323 Abs. 2 ZPO - nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs von vornherein nicht anzuwenden, weil sie die Rechts-
kraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen sichern soll (vgl. Se-
natsurteile vom 23. Mai 2012 - XII ZR 147/10 - FamRZ 2012, 1284 Rn. 14, vom
7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - FamRZ 2012, 288 Rn. 23 und vom
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3. November 2004 - XII ZR 120/02 - FamRZ 2005, 101, 102 f.) und dieser
Zweck bei gerichtlichen Vergleichen nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ [GSZ]
85, 64 = FamRZ 1983, 22 sowie Senatsurteil vom 23. November 1994 - XII ZR
168/93 - FamRZ 1995, 221, 223). Vielmehr richtet sich die Abänderung eines
Prozessvergleichs gemäß § 239 Abs. 2 FamFG allein nach materiell-rechtlichen
Kriterien. Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die
Parteien eine bindende Regelung hinsichtlich späterer Abänderungen getroffen
haben (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ
2012, 197 Rn. 15 und BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 12 f. mwN).
b) Die Präklusionsvorschrift ist hingegen anwendbar, wenn ein Prozess-
vergleich bereits in einem früheren Abänderungsverfahren durch Urteil abgeän-
dert worden ist (Senatsurteile vom 23. Mai 2012 - XII ZR 147/10 - FamRZ 2012,
1284 Rn. 13 und vom 27. Januar 1988 - IVb ZR 14/87 - FamRZ 1988, 493).
Materiell-rechtlich ist dann für eine erneute Abänderung zwar nach wie vor der
dem Vergleich zugrundeliegende Parteiwille maßgebend, jedoch nunmehr auf
Grundlage der im Abänderungsurteil getroffenen Beurteilung der Verhältnisse
und Prognoseentscheidung. Im vorliegenden Fall war zwar der im Jahr 2000
geschlossene Prozessvergleich bereits Gegenstand der vom Ehemann in 2008
erhobenen Abänderungsklage; er ist durch das darauf ergangene Urteil vom
19. März 2009 aber nicht geändert worden.
c) Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Senats die Präklusi-
onswirkung auch bei klageabweisenden Urteilen zur Anwendung kommen,
wenn diese - im Rahmen der Überprüfung der ursprünglichen Prognose - die
künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend berücksichtigen. Eine
spätere Abänderungsklage stellt dann abermals die Geltendmachung einer von
der (letzten) Prognose abweichenden Entwicklung der Verhältnisse dar, für die
das Gesetz die Abänderungsklage vorsieht, um die (erneute) Anpassung an die
veränderten Urteilsgrundlagen zu ermöglichen (vgl. Senatsurteile vom
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7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - FamRZ 2012, 288 Rn. 22 und vom
28. März 2007 - XII ZR 163/04 - FamRZ 2007, 983, 984).
Daher hat der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2008
(XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872 Rn. 12) hervorgehoben, dass nach einem
erfolglosen ersten Abänderungsverlangen des Unterhaltsverpflichteten die im
zweiten Abänderungsverfahren vorgebrachten Gründe, mit denen der Unter-
haltsverpflichtete eine erneute Entscheidung über denselben Verfahrensgegen-
stand anstrebt, zunächst daran zu messen sind, ob veränderte Umstände vor-
liegen. Dies beruht auf der Rechtskraft der eine Herabsetzung oder den Wegfall
der Unterhaltspflicht ablehnenden gerichtlichen Entscheidung. Daraus folgt
nicht, dass auch der Unterhaltsberechtigte mit Ansprüchen auf Unterhaltserhö-
hung ausgeschlossen wäre, weil sich die Rechtskraft der vorausgegangenen
Entscheidung darauf nicht erstreckt.
Wird bei einem durch Vergleich titulierten Unterhalt der Abänderungsan-
trag des Unterhaltsverpflichteten durch gerichtliche Entscheidung in vollem Um-
fang zurückgewiesen, hindert die Rechtskraft dieser Entscheidung ein späteres
Erhöhungsverlangen des Unterhaltsberechtigten also nicht (im Anschluss an
Senatsurteil vom 23. November 1994 - XII ZR 168/93 - FamRZ 1995, 221).
d) Die Ehefrau ist mit ihrem Abänderungsantrag auch nicht deswegen
ausgeschlossen, weil es ihr oblegen hätte, ihr eigenes Abänderungsverlangen
rechtswahrend bereits im vorausgegangenen Verfahren im Wege der Abände-
rungswiderklage geltend zu machen. Zwar hat der Senat entschieden, dass
wenn der Gegner eines früheren, auf Unterhaltserhöhung gerichteten Abände-
rungsprozesses es versäumt hat, die bereits bestehenden, für eine Herabset-
zung sprechenden Gründe geltend zu machen, er auf diese Gründe keine neue
Abänderungsklage stützen kann, weil der Einfluss veränderter Umstände auf
den titulierten Unterhaltsanspruch in einem einheitlichen Verfahren geltend ge-
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macht werden müsse und deshalb die Präklusionsvorschrift sicherstelle, dass
nicht gesonderte Abänderungsverfahren für Erhöhungs- und Herabsetzungsver-
langen zur Verfügung stünden (Senatsurteile BGHZ 136, 374, 377 = FamRZ
1998, 99). Dies betraf jedoch einen Fall, bei dem es im vorausgegangenen Ab-
änderungsverfahren um die Abänderung eines Urteils und nicht eines Ver-
gleichs als Ausgangstitel ging.
Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, kann hier dahinstehen.
Die Präklusion reicht nicht weiter als die Rechtskraft eines abzuändernden Ur-
teils. Denn die Zeitschranke des § 238 Abs. 2 FamFG für die Berücksichtigung
von Abänderungsgründen dient der Wahrung der Rechtskraft unanfechtbarer
Entscheidungen (vgl. Senatsurteile vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 -
FamRZ 2008, 872 Rn. 12 und vom 3. November 2004 - XII ZR 120/02 - FamRZ
2005, 101, 102 f.). Durch die Präklusionsvorschrift soll lediglich verhindert wer-
den, den bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahrensstoff ohne veränderte
Tatsachen zur erneuten inhaltlichen Überprüfung des Gerichts zu stellen.
Für die Reichweite der Präklusion kommt es zwar grundsätzlich nicht auf
die Parteistellung oder Zielrichtung des Vorprozesses an (Senatsurteile vom
23. Mai 2012 - XII ZR 147/10 - FamRZ 2012, 1284 Rn. 14 und vom 17. Mai
2000 - XII ZR 88/98 - FamRZ 2000, 1499, 1500 mwN). Die Präklusion hindert
aber nicht, auf der bereits feststehenden Tatsachengrundlage in einem weiteren
Abänderungsverfahren weitere Unterhaltsansprüche geltend zu machen, die
nicht von der Rechtskraftwirkung der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung
erfasst werden. Dadurch wird zugleich sichergestellt, dass es der Unterhalts-
pflichtige nicht in der Hand hat, dem aus einem Prozessvergleich Unterhaltsbe-
rechtigten die Berufung auf bisher eingetretene Veränderungen abzuschneiden,
indem er seinerseits eine unbegründete Abänderungsklage anstrengt (Senats-
urteil vom 23. November 1994 - XII ZR 168/93 - FamRZ 1995, 221, 223).
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IV.
In der Sache haben die Instanzgerichte die Abänderung des ursprüngli-
chen Prozessvergleichs zu Recht vorgenommen. Denn nachdem das Arbeits-
amt seine Leistungen eingestellt hatte, lagen veränderte Umstände vor, auf-
grund derer nach dem Inhalt des geschlossenen Vergleichs eine Neuberech-
nung des Unterhalts anhand der beiderseitig geänderten wirtschaftlichen Ver-
hältnisse vorzunehmen war. Auch der Ehemann stellt die Veränderung der
maßgeblichen Umstände und die Bemessung des sich daraus ergebenden Un-
terhalts nicht in Zweifel.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Borken, Entscheidung vom 07.01.2010 - 32 F 122/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 21.04.2010 - II-8 UF 29/10 -
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