Urteil des BGH vom 21.11.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 109/13
vom
21. November 2013
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZVG § 83 Nr. 6
Mängel bei der Zustellung des Vollstreckungstitels (hier: fehlende Zustellung eines
Registerauszugs bei Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite aufgrund einer Eintragung
im Genossenschaftsregister) können nur in dem laufenden Versteigerungsverfahren
bis zur Zuschlagserteilung, nicht aber in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren
rückwirkend beseitigt werden (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 18. März 2010
- V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100, 1102 Rn. 23 ff.; Aufgabe von Senat, Beschluss
vom 8. November 2012 - V ZB 124/12, BGHZ 195, 292, 297 Rn. 11).
BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - V ZB 109/13 - LG Kassel
AG Korbach
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2013 durch die
Vorsitzende
Richterin
Dr. Stresemann,
die
Richter
Dr. Lemke
und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der betreibenden Gläubigerin gegen den
Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom
21. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
92.032,54
€ für die anwaltliche Vertretung der betreibenden Gläu-
bigerin und 139.000
€ für die anwaltliche Vertretung der Schuld-
ner.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung des in dem Eingang
dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes der Schuldner aus der im
Grundbuch in Abteilung III Nr. 1 eingetragenen Grundschuld. Sie ist durch Ver-
schmelzung zweier Genossenschaftsbanken entstanden. Die Vollstreckungs-
klausel zu der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde wurde auf sie umge-
schrieben und den Schuldnern zugestellt. Die Zustellung eines beglaubigten
Auszugs aus dem Genossenschaftsregister erfolgte zunächst nicht.
In dem Versteigerungstermin am 29. Juni 2012 blieb der Beteiligte zu 3
Meistbietender mit einem Bargebot von 154.500
€. Den Zuschlag auf dieses
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Gebot hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 7. September 2012 erteilt. Da-
gegen haben die Schuldner Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerde-
verfahrens hat die Gläubigerin den Schuldnern den Vollstreckungstitel zusam-
men mit einem beglaubigten Auszug aus dem Genossenschaftsregister, der die
Rechtsnachfolge ausweist, zustellen lassen. Das Landgericht hat den Zu-
schlagsbeschluss aufgehoben und den Zuschlag versagt. Dagegen richtet sich
die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die betreibende Gläubigerin die
Wiederherstellung der Zuschlagsentscheidung des Amtsgerichts erreichen will.
Die Schuldner beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts lag wegen der zunächst unter-
bliebenen Zustellung eines Auszugs aus dem Genossenschaftsregister im Zeit-
punkt der Zuschlagsentscheidung des Amtsgerichts ein Vollstreckungsmangel
vor, welcher durch die im Laufe des Beschwerdeverfahrens nachgeholte Zustel-
lung nicht geheilt worden ist.
III.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbe-
schwerde hat keinen Erfolg. Der Zuschlag auf das im Versteigerungstermin am
29. Juni 2012 abgegebene Meistgebot war nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen,
weil es während des gesamten amtsgerichtlichen Verfahrens an einer Vollstre-
ckungsgrundlage fehlte.
1. Nach § 750 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung aus einer nota-
riellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 ZPO) nur beginnen, wenn die Perso-
nen, für und gegen die sie stattfindet, in der Urkunde oder in der ihr beigefügten
Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Daran fehlt es in dem - hier
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gegebenen - Fall der Rechtsnachfolge. Der Rechtsnachfolger des in der Urkun-
de genannten Gläubigers benötigt deshalb eine vollstreckbare Ausfertigung,
deren Vollstreckungsklausel ihn als neuen Gläubiger ausweist. Erteilt werden
darf diese Ausfertigung von dem Notar nur, wenn die Rechtsnachfolge bei ihm
offenkundig (§ 291 ZPO) ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte
Urkunden nachgewiesen wird (§ 727 Abs. 1 ZPO). Die Offenkundigkeit ist in der
Vollstreckungsklausel zu erwähnen (§ 727 Abs. 2 ZPO). Diese Klausel und - bei
fehlender Offenkundigkeit - die ihrer Erteilung zugrunde liegenden Urkunden
müssen dem Schuldner zusammen mit der notariellen Urkunde zugestellt wer-
den (§ 750 Abs. 2 ZPO). Zu den zuzustellenden Urkunden gehört im Fall der
durch Verschmelzung zweier Genossenschaften entstandenen Rechtsnachfol-
ge auf der Gläubigerseite auch ein Auszug aus dem Genossenschaftsregister,
welcher den aktuellen Registerinhalt im Zeitpunkt der Erteilung der Vollstre-
ckungsklausel für den Rechtsnachfolger wiedergibt (Senat, Beschluss vom
8. November 2012 - V ZB 124/12, BGHZ 195, 292, 295 f. Rn. 9).
2. Zu Recht hält das Beschwerdegericht die erst im Laufe des Be-
schwerdeverfahrens erfolgte Zustellung des Registerauszugs für nicht ausrei-
chend.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass im Zwangsversteigerungsver-
fahren Mängel bei der Titelzustellung wie die unterbliebene Zustellung der
Vollmacht für eine Vollstreckungsunterwerfung, die nach § 83 Nr. 6 ZVG zur
Versagung des Zuschlags führen, durch Nachholung der ordnungsgemäßen
Zustellung im Laufe des Zwangsversteigerungsverfahrens geheilt werden kön-
nen. Voraussetzung der Heilung ist, dass der Zustellungsmangel Rechte des
Schuldners nicht beeinträchtigt (Beschluss vom 10. April 2008 - V ZB 114/07,
NJW-RR 2008, 1018, 1019 f. Rn. 12 ff.). Er hat auch entschieden, dass im
Zwangsversteigerungsverfahren ein Verstoß gegen ein Verfahrensgebot noch
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im Beschwerdeverfahren rückwirkend geheilt werden kann mit der Folge, dass
ein trotz des Verstoßes erteilter Zuschlag rechtswirksam ist (Beschluss vom
18. März 2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100, 1101 f. Rn. 18, 19 mwN).
Voraussetzung für eine solche Heilung ist, dass trotz des an sich gegebenen
Zuschlagsversagungsgrundes (§ 83 Nr. 6 ZVG) die Rechte des Schuldners
nicht beeinträchtigt werden, so dass sich der Versagungsgrund nicht auswirkt
(BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 285/03, NJW-RR 2004, 1366,
1367). Schließlich hat der Senat entschieden, dass aufgrund eines fehlerhaften
Titels der Zuschlag nicht erteilt werden darf, wenn der Fehler erst in der Be-
schwerdeinstanz beseitigt wird (Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 124/09,
NJW-RR 2010, 1100, 1102 Rn. 25 ff.).
b) Danach mag das Nachholen der zunächst unterbliebenen Zustellung
eines die Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite ausweisenden Registeraus-
zugs den an sich gegebenen Zuschlagsversagungsgrund (§ 83 Nr. 6 ZVG) ent-
fallen lassen. Möglich ist das jedoch allenfalls dann, wenn der Zustellungsman-
gel bei der Erteilung des Zuschlags nicht mehr vorliegt und somit die Zu-
schlagserteilung nicht hindert. Wird jedoch der Mangel - wie hier - erst im Laufe
des Beschwerdeverfahrens beseitigt, scheidet eine rückwirkende Heilung aus.
Denn anders als bei einem Verstoß gegen ein Verfahrensgebot, der nicht die
Vollstreckungsvoraussetzungen betrifft (dazu Senat, Beschluss vom 18. März
2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100), lässt ein Verstoß gegen das Zustel-
lungserfordernis eine der drei Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvoll-
streckung (Titel, Klausel, Zustellung, § 750 Abs. 1 ZPO) entfallen. Die
Zwangsversteigerung ist unzulässig, der Zuschlag darf nicht erteilt werden (§ 83
Nr. 6 ZVG).
c) Wäre es möglich, den Zustellungsmangel noch im Laufe des Be-
schwerdeverfahrens zu heilen, führte das zu einer einseitigen, sachlich nicht
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gerechtfertigten Schlechterstellung des Schuldners. Er selbst kann die Zu-
schlagsbeschwerde nach § 100 ZVG, von den Besonderheiten des Schutzes
von Leben und Gesundheit abgesehen, nicht auf neue Tatsachen oder Beweise
stützen. Dem Gläubiger wäre hingegen die Einführung neuer Tatsachen gestat-
tet. Diese Ungleichbehandlung ist schon an sich nicht zu rechtfertigen. Hinzu
kommt, dass ein solches Vorgehen den Zweck der Zustellung zu unterlaufen
droht. Die Zustellung des Titels und der dem Rechtsnachfolger erteilten Voll-
streckungsklausel nebst dem die Rechtsnachfolge ausweisenden Registeraus-
zug hat den Zweck, dem Schuldner unmissverständlich klarzumachen, dass der
nunmehrige Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird,
ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs zu
warnen, ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung zu unter-
richten und ihm Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der Zwangsvollstre-
ckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu ma-
chen. Diese Möglichkeit würde erschwert, wenn der an sich unzulässige Zu-
schlagsbeschluss infolge nachträglicher Heilung des Zustellungsmangels im
Beschwerdeverfahren bestehen bliebe (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März
2010 - V ZB 124/09, NJW-RR 2010, 1100, 1102 Rn. 28).
c) An der in seinem Beschluss vom 8. November 2012 lediglich beiläufig
geäußerten Auffassung, dass der Mangel der fehlenden Zustellung eines Re-
gisterauszugs bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens geheilt werden
könne (V ZB 124/12, BGHZ 195, 292, 297 Rn. 11), hält der Senat nicht fest.
IV.
1. Eine Kostenentscheidung ist in Verfahren über eine Zuschlagsbe-
schwerde grundsätzlich nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten hier nicht als
Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (siehe nur Senat,
Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 mwN).
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2. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bestimmt
sich für die anwaltliche Vertretung der betreibenden Gläubigerin gemäß § 26
Nr. 1 RVG nach dem Wert des Rechts, aufgrund dessen die Zwangsversteige-
rung betrieben wird, und für die anwaltliche Vertretung der Schuldner gemäß
§ 26 Nr. 2 RVG nach dem Gegenstand der Zwangsversteigerung, hier dem
festgesetzten Grundstückswert.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Korbach, Entscheidung vom 07.09.2012 - 11 K 9/11 -
LG Kassel, Entscheidung vom 21.06.2013 - 3 T 513/12 -
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