Urteil des BGH vom 15.05.2013

BGH: ddr, zusatzrente, überführung, deckung, eingriff, leistungsfähigkeit, vollrente, wiedervereinigung, grundrecht, republik

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 60/12
vom
15. Mai 2013
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch d ie Vorsit-
zende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 15. Mai 2013
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des
12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom
7. Februar 2012 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO auf
Kosten des Klägers zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bin-
nen drei Wochen.
Streitwert: 9.332,40 €
Gründe:
I. Der Kläger, Versicherter der beklagten Versorgungsanstalt des
Bundes und der Länder (VBL), wendet sich im Revisionsverfahren nur
noch dagegen, dass im Rahmen der ihm aus Anlass der Systemumstel-
lung in der Zusatzversorgung (vgl. dazu Senatsurteile vom 14. November
2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 ff. und vom 24. September 2008 - IV
ZR 134/07, BGHZ 178, 101 ff.) erteilten Startgutschrift Beiträge zur Fre i-
willigen Zusatzrentenversicherung (FZR) der Deutsche Demokratischen
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Republik (DDR) nicht als Beiträge zu einem Zusatzversorgungssystem
berücksichtigt worden sind, sondern zu einer Erhöhung der auf die G e-
samtversorgung anrechenbaren gesetzlichen Rentenansprüch e und da-
mit im Ergebnis zu einer Verringerung seiner Zusatzrente geführt haben.
Der am 27. Januar 1943 geborene Kläger lebte bis zum 18. Juni
1990 in der DDR, wo er seit dem 1. Mai 1971 für seine Altersversorgung
neben Beiträgen zur dortigen Sozialpflichtversicherung Beiträge zur FZR
gezahlt hatte. Ab dem 1. Oktober 1992 bis zu dem für die Startgutschrift
maßgeblichen Umstellungsstichtag (31. Dezember 2001) war er bei der
Beklagten zusatzversichert.
Unter dem 26. September 2003 erteilte diese dem - rentennahen -
Kläger eine Startgutschrift über 48,71 Versorgungspunkte (das entspricht
einer monatlichen Zusatzrente von 194,84
€), wobei von der für den Um-
stellungsstichtag errechneten fiktiven Gesamtversorgung die gesetzliche
Rente einschließlich ihrer durch Beiträge an die FZR erworbenen Anteile
in Abzug gebracht wurde (vgl. zur Errechnung der Startgutschriften S e-
natsurteil vom 24. September 2008 aaO Rn. 31 ff.).
Nach Auffassung des Klägers verstößt es gegen die Art. 14 Abs. 1
Satz 1 und 3 Abs. 1 GG, wenn freiwillig zum Zwecke der Verbesserung
der Altersversorgung in der DDR zusätzlich geleistete Beiträge im E r-
gebnis zu einer Verringerung der Zusatzrente (nach Berechnung des
Klägers um monatlich 277,75 €) führten. Er sieht sich zudem gegenüber
denjenigen ehemaligen Beschäftigten des Beitrittsgebiets benachteiligt,
welchen § 256a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB VI einen Nachteilsau s-
gleich gewährt, soweit sie infolge von Beitragsbemessungsgrenzen oder
wegen der in einem Zusatzversorgungssystem erworbenen Anwartscha f-
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ten keine höheren Beiträge zu einem System der Freiwilligen Zusatzve r-
sicherung geleistet hatten. Deshalb begehrt er die Feststellung, die Be-
klagte sei zu einer Neuberechnung der Startgutschrift verpflichtet, bei
der auf freiwillige Beiträge an die FZR entfallende Anteile seiner geset z-
lichen Rente unberücksichtigt bleiben müssten, mithin nicht auf die Ge-
samtversorgung angerechnet werden dürften.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter.
II. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Revision im
Beschlusswege nach § 552a ZPO sind gegeben.
1. Die Gründe für die Zulassung der Revision sind entfallen, nach-
dem die mit dem Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfragen bereits durch
den Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 (IV ZB 22/12, juris) geklärt
sind. Dort ist im Einzelnen dargelegt, dass die beanstandete Startgut-
schriftenermittlung im Einklang mit gesetzlichen Regelungen steht und
weder diese noch die bei Errechnung der Startgutschrift herangezogenen
Satzungsbestimmungen der Beklagten über die Anrechnung der Grund-
versorgung auf die Gesamtversorgung gegen höherrangiges Recht, ins-
besondere nicht gegen die Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, verstoßen. Wei-
ter hat der Senat entschieden, dass der in § 256a Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3 SGB VI geregelte Nachteilsausgleich keinen Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1 GG begründet. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf den
Beschluss vom 5. Dezember 2012 (aaO Rn. 10 ff.) verwiesen.
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Zudem sind die von der Revision mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG
aufgeworfenen Fragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch
anderweitig geklärt. Durch die Schließung der Zusatz- und Sonderver-
sorgungssysteme und die Überführung der Ansprüche und Anwartscha f-
ten aus diesen Systemen in eine Rente aus der gesetzlichen Rentenve r-
sicherung wird Art. 14 Abs. 1 GG nicht verletzt, auch wenn das Grund-
recht Renten und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversich e-
rung der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich schützt ( vgl.
BVerfGE 53, 257, 289 ff.). Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz-
versorgungssystemen der ehemaligen DDR lassen sich damit nicht ver-
gleichen. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erstreckte sich nicht
rückwirkend auf im Gebiet der ehemaligen DDR vollendete Erwerbsta t-
bestände (vgl. dazu BSGE 76, 136, 149 m.w.N.). Der Verantwortungsb e-
reich der dem Grundgesetz verpflichteten Staatsgewalt der Bundesre-
publik Deutschland beschränkte sich sowohl tatsächlich als auch staat s-
rechtlich allein auf das damalige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
(BSG aaO). Letztere musste infolgedessen grundsätzlich nicht für in der
ehemaligen DDR begründete Rechtspositionen einstehen (vgl. BVerfGE
84, 90, 122 f.), solange derartige Eigentumspositionen nicht im Ein i-
gungsvertrag als Eigentum ausgestaltet wurden. Anderes ergab sich
auch nicht aus einer Gesamtrechtsnachfolge (vgl. dazu BSG aaO
m.w.N.). Der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland unterlag mi t-
hin nicht den Bindungen des Art. 14 Abs. 1 GG, als er Fragen der Über-
leitung von in der DDR erworbenen Rentenansprüchen und -anwart-
schaften regelte.
Selbst bei unterstellter Ausstrahlungswirkung des Art. 14 Abs. 1
GG auf Bürger der ehemaligen DDR hat die Bundesrepublik Deutschland
durch das Überführungsprogramm kein Eigentum der Rentner und Re n-
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tenanwartschaftsberechtigten entzogen, weil nach dem finanziellen Z u-
sammenbruch der DDR Werte zur Deckung ihrer sozialrechtlichen An-
sprüche nicht vorhanden waren und mithin Vermögen, das zur Rente n-
zahlung hätte genutzt werden können, weder auf die Funktionsnachfo l-
ger noch auf die Bundesrepublik überging (BSG aaO m.w.N.).
Überdies wäre auch bei angenommenem Eingriff in den Schutzbe-
reich des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, dass Inhalt und Schra n-
ken des Eigentums durch Gesetz bestimmt werden (Art. 14 Abs. 1 Satz 2
GG) und der Gesetzgeber bei Festlegung des Inhalts und der Schranken
rentenversicherungsrechtlicher Positionen im Interesse der Funktions -
und Leistungsfähigkeit des Systems der Rentenversicherung einen we i-
ten Gestaltungsrahmen hat. Rentenansprüche und -anwartschaften kön-
nen mithin beschränkt werden, sofern dies dem Zweck des Allg emein-
wohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl.
BVerfGE 53, 257, 292 f; 58, 81, 121). Angesichts der mit der Wiederver-
einigung verbundenen finanziellen Lasten, für die die Bundesrepublik
Deutschland nicht verantwortlich ist (vgl. BVerfGE 84, 90, 131), war die
Überführung der Rentenansprüche und -anwartschaften aus Zusatzver-
sorgungssystemen der DDR in eine Vollrente der gesetzlichen Rente n-
versicherung unter Wahrung des Bestandsschutzes mit Blick auf eine
Begrenzung der finanziellen Ausgaben geeignet, erforderlich und für die
Betroffenen auch zumutbar (BSG aaO).
2. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Revision keine Aussicht
auf Erfolg hat. Ihrer Zurückweisung steht auch nicht entgegen, dass die
grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen hier teil-
weise erst nach Einlegung und Begründung des Rechtsmittels erfolgt ist
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(vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR
2005, 650 unter II 1).
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme
erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 10.06.2011 - 6 O 244/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.02.2012 - 12 U 160/11 -