Urteil des BGH vom 12.03.2013

BGH: wirtschaftliches interesse, dingliche sicherheit, gesellschaft, anwaltskosten, miteigentumsanteil, sicherungsmittel, erhaltung, belastung, bruchteil, geschäftshaus

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 214/10
vom
12. März 2013
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Dr. Reichart sowie die
Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts
vom 10. September 2010 wird auf seine Kosten als unzulässig
verworfen.
Streitwert: bis zu
10.000 €
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu
verwerfen, da der Wert der Beschwer nicht, wie nach § 26 Nr. 8 EGZPO erfor-
derlich, über 20.000
€ liegt, sondern nur in einer Höhe von bis zu 10.000 €
glaubhaft gemacht ist.
1. Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks in
Berlin Mitte, das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut ist. Der Beklagte
ließ auf seinen Miteigentumsanteil zwei Briefgrundschulden in Höhe von insge-
samt 2,5 Mio.
€ eintragen. Der Kläger sieht darin eine Verletzung gesellschafts-
rechtlicher, auf die Bewirtschaftung des Gesamtobjekts bezogener Verpflich-
tungen und nimmt den Beklagten im Wege der actio pro socio auf Löschung der
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Grundschulden und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.
Mit dieser Klage hatte er in den Vorinstanzen Erfolg.
2. Der Wert der Beschwer des Beklagten wird im Streitfall nicht durch
den Nennbetrag der Grundschulden bestimmt (§ 6 ZPO), sondern durch sein
- den Umständen nach wesentlich geringeres - wirtschaftliches Interesse daran,
dass die Löschung der Grundschulden unterbleibt (§ 3 ZPO).
Allerdings bemisst sich der Streitwert einer Löschungsklage nach her-
kömmlicher Auffassung grundsätzlich nach dem Nennbetrag der betreffenden
Grundschuld (Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 6 Rn. 36; Musielak/
Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 3 Rn. 31 Stichwort
„Löschung“; Baumbach/
Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 6 Rn. 14, jew. mwN; siehe auch
BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - IV ZR 99/07, juris Rn. 6; Beschluss
vom 15. April 2010
– V ZR 182/09, WM 2010, 1475 Rn. 5; vgl. ferner zu § 23
Abs. 2 KostO: BVerfG, WM 2012, 1072 Rn. 25 ff., 36). Nach anderer Ansicht ist
die Höhe der Valutierung zu berücksichtigen, wobei teilweise vorgeschlagen
wird, den Streitwert im Falle geringer oder fehlender Valutierung nach einem
Bruchteil des Nennbetrags des Grundpfandrechts zu bemessen (vgl. Zöller/
Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn.
16 Stichwort „Löschung“; MünchKomm-
ZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 6 Rn. 18; N. Schneider in Schneider/Herget, Streit-
wert-Kommentar, 13. Aufl., Rn. 3548 ff., jew. mwN; siehe auch BGH, Beschluss
vom 3. März 2004 - IV ZB 38/03, juris; Euba, ZAP 2010, 385 mwN).
Die Besonderheit des Streitfalls liegt demgegenüber darin, dass der Klä-
ger an dem mit den Grundschulden belasteten Grundeigentum, hier dem Mitei-
gentumsanteil des Beklagten, nicht dinglich berechtigt ist, weder als (Mit-)
Eigentümer, noch als nachrangiger Grundpfandgläubiger. Die für den Beklagten
eingetragenen Eigentümergrundschulden kommen als Sicherungsmittel für eine
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Forderung, die sich gegen die zwischen den Parteien (möglicherweise) beste-
hende Gesellschaft bürgerlichen Rechts richtet, nicht in Betracht. Sie beein-
trächtigen - umgekehrt - auch keine dingliche Sicherheit der Gesellschaft.
Unter diesen Umständen kann im Streitfall nicht auf den Nennbetrag der
Grundschulden abgestellt werden. Zu Recht haben daher das Landgericht und
im Ergebnis übereinstimmend das Berufungsgericht nicht den Nennbetrag der
Grundschulden, sondern das wirtschaftliche Interesse als maßgebend angese-
hen. Ob das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit
200.000
€ angemessen bewertet wurde, kann hier allerdings offen bleiben, da
im vorliegenden Beschwerdeverfahren die Beschwer des Beklagten ausschlag-
gebend ist, der sich gegen seine Verurteilung wehrt.
Die Beschwer des Beklagten beschränkt sich auf den Kostenaufwand,
der ihm durch eine Löschung der Eigentümergrundschulden und eine etwaige
erneute Eintragung unter geänderten Verhältnissen voraussichtlich entstehen
wird. Ein weiter gehendes wirtschaftliches Interesse ist nicht glaubhaft gemacht.
Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten geht es ihm nicht darum, die
Eigentümergrundschulden als Sicherungsmittel in seinem eigenen Interesse zu
verwenden. Er beruft sich vielmehr darauf, dass die vorhandenen Grundschul-
den einer möglichen Belastung des Grundstücks im Interesse der Gesellschaft
- etwa im Fall unvorhergesehener Sanierungsmaßnahmen - nicht entgegen-
stünden. Vielmehr wirkten sich die Eigentümergrundschulden bei etwaigen Fi-
nanzierungsverhandlungen positiv aus, da sie sofort zur Sicherheit abgetreten
werden könnten.
Hält der Beklagte demnach die Eigentümergrundschulden im Finanzie-
rungsinteresse der Gesellschaft vor, so geht sein Interesse an der Erhaltung
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der Grundschulden gegenüber dem Löschungsanspruch der Gesellschaft nicht
erkennbar über das Kosteninteresse hinaus, das der Senat auf bis zu 10.000
schätzt (§ 3 ZPO). Die als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen
Anwaltskosten bleiben gemäß § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO unberücksichtigt.
Bergmann
Reichart
Drescher
Born
Sunder
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 06.05.2009 - 36 O 256/08 -
KG, Entscheidung vom 10.09.2010 - 21 U 64/09 -