Urteil des BGH vom 21.06.2010

AUFSICHTSRATSBERICHT Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 24/09
Verkündet am:
21. Juni 2010
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AUFSICHTSRATSBERICHT
AktG §§ 171 Abs. 2, 175 Abs. 2
Der Bericht des Aufsichtsrats im Sinne des § 171 Abs. 2 AktG, welcher von der
Einberufung der Hauptversammlung an in dem Geschäftsraum der Gesellschaft
zur Einsicht der Aktionäre auszulegen ist (§ 175 Abs. 2 AktG), muss vom Auf-
sichtsrat durch förmlichen Beschluss festgestellt und dessen Urschrift zumin-
dest durch den Aufsichtsratsvorsitzenden unterschrieben werden.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2010 - II ZR 24/09 - OLG Celle
LG Hannover
- 2 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 10. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Caliebe, Dr. Drescher, Dr. Löffler und Bender
für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung seines
weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 23. Dezember 2008 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als die Anfechtungsklage des
Klägers gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Be-
klagten vom 21. Juni 2007 zu den Tagesordnungspunkten 2, 3
und 5.1 abgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 6. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 20. Mai 2008
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom
21. Juni 2007 zu Tagesordnungspunkt 2 (Entlastung des Vor-
stands für das Geschäftsjahr 2006), Tagesordnungspunkt 3
(Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006) und
Tagesordnungspunkt 5.1 (Wahl des Aufsichtsrats Z. ) werden
für nichtig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 3 -
II. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Klä-
ger zu 93 % und die Beklagte zu 7 %.
Von den Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens
tragen der Kläger 72 % und die Beklagte 28 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Aktionär der Beklagten. Er hat sich im Wege der Anfech-
tungsklage gegen insgesamt acht in der Hauptversammlung der Beklagten am
21. Juni 2007 gefassten Beschlüsse gewandt und geltend gemacht, es sei im
Rahmen der Einberufung der Hauptversammlung kein ordnungsgemäßer Be-
richt des Aufsichtsrats ausgelegt worden. Im Revisionsverfahren sind nach ei-
ner teilweisen Klagerücknahme in erster Instanz noch Angriffe gegen sechs
Beschlüsse anhängig.
1
Bis März 2007 bestand der Aufsichtsrat der Beklagten aus den Herren
Z. , W. und Dr. S. (Vorsitzender). Im März 2007 legten die Aufsichts-
ratsmitglieder Dr. S. und W. mit Wirkung zum 15. März 2007 ihr Amt
nieder. Mit Wirkung zum 26. März 2007 wurden die Herren F. und
Dr. D. vom zuständigen Amtsgericht bis zum Ende der laufenden Amts-
periode ihrer Vorgänger zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt. Am 28. März
2007 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats mit der neuen Besetzung F.
2
- 4 -
(neuer Vorsitzender), Dr. D. und Z. statt, in der der Jahresabschluss
2006 der Beklagten gebilligt wurde. In der Folgezeit fertigte der ehemalige Vor-
sitzende des Aufsichtsrats, Dr. S. , den Entwurf eines Berichts des Auf-
sichtsrats, der dem Aufsichtsrat zugeleitet wurde. Am 8. Mai 2007 fand eine
weitere Sitzung des Aufsichtsrats statt. Weder in dieser Sitzung noch bei ande-
rer Gelegenheit hat der Aufsichtsrat der Beklagten den Entwurf des Dr. S.
oder einen anderen Entwurf als Bericht des Aufsichtsrats mit ausdrücklichem
Beschluss festgestellt oder gebilligt. Ob der Berichtsentwurf des Dr. S. von
allen Mitgliedern des Aufsichtsrats widerspruchslos zur Kenntnis genommen
wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 8. Mai 2007 wurde im elektronischen Handelsregister für den
21. Juni 2007 eine ordentliche Hauptversammlung der Beklagten angekündigt.
Ebenfalls ab dem 8. Mai 2007 lag der Geschäftsbericht in den Geschäftsräu-
men der Gesellschaft aus. In diesem Geschäftsbericht war als dessen Sei-
ten 16 und 17 ein '"Bericht des Aufsichtsrates" eingefügt, der mit folgendem
Hinweis endete:
3
Am 21. Juni 2007 fand die Hauptversammlung der Beklagten statt, bei
der ein Vertreter des Klägers sowie die Mitglieder des amtierenden Aufsichts-
rats anwesend waren. Auf den Vorhalt des Vertreters des Klägers, warum der
Bericht des Aufsichtsrates im Mai 2007 vom ausgeschiedenen Aufsichtsrats-
vorsitzenden gezeichnet sei, wurde erläutert, dass die Unterschrift vom Auf-
sichtsratsvorsitzenden für das Jahr geleistet worden sei, in dem der tätig gewe-
4
- 5 -
sen sei. Der aktuelle Aufsichtsratsvorsitzende wies darauf hin, er sei in jenem
Geschäftsjahr noch nicht tätig gewesen, stehe aber hinter dem Bericht.
5
Nach Schließung der Debatte wurde über die einzelnen Tagesordnungs-
punkte abgestimmt. Die Beschlüsse über die für das Revisionsverfahren noch
relevanten Anträge zu TOP 2 (Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr
2006), TOP 3 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006), TOP 4
(Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2007), TOP 5 (Wahlen zum
Aufsichtsrat), TOP 6 (Änderung der Satzung bezüglich der Aufsichtsratsvergü-
tung und Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung) und TOP 9 (Elektronische
Übermittlung von Informationen) wurden mit der erforderlichen Mehrheit ge-
fasst. Der Vertreter des Klägers stimmte der Wahl der Aufsichtsräte F.
und Dr. D. (TOP 5.2 und 5.3) sowie dem Antrag zu TOP 9 zu und erklär-
te zu sämtlichen im Revisionsverfahren noch angegriffenen Beschlüssen Wi-
derspruch zur Niederschrift.
Der Kläger meint, der ausgelegte Bericht des Aufsichtsrats entspreche
nicht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 171 Abs. 2 Satz 1, 175 Abs. 2
Satz 1 AktG. Es bedürfe einer ausdrücklichen Beschlussfassung des amtieren-
den Aufsichtsrats, an der es hier fehle. Der Bericht sei ferner nicht vom amtie-
renden Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterschrieben worden. Eine Heilung
dieser Mängel in der Hauptversammlung sei nicht möglich gewesen, weil der
Bericht des Aufsichtsrats der Information und Vorbereitung der Aktionäre auf
die Hauptversammlung dienen müsse.
6
Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Dagegen richtet sich die
vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.
7
- 6 -
Entscheidungsgründe:
8
Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg und führt unter Teilaufhe-
bung des Berufungsurteils zur Nichtigerklärung der Beschlüsse der Hauptver-
sammlung der Beklagten vom 21. Juni 2007 über die Entlastung des Vorstands
für das Geschäftsjahr 2006 (TOP 2), die Entlastung des Aufsichtsrats für das
Geschäftsjahr 2006 (TOP 3) und die Wahl des Aufsichtsrats Z. (TOP 5.1).
Die weitergehende Revision, mit der sich der Kläger gegen die Abweisung der
Klage gegen die Beschlüsse über die Wahl des Abschlussprüfers für das Ge-
schäftsjahr 2007 (TOP 4), die Wahl der Aufsichtsräte F. und D.
(TOP 5.2 und 5.3), die Änderung der Satzung bezüglich der Aufsichtsratsvergü-
tung und Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung (TOP 6) sowie die elektroni-
sche Übermittlung von Informationen (TOP 9) wendet, hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
9
Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung entspreche den
formellen Anforderungen der §§ 171, 175 AktG. Ein ausdrücklicher Beschluss
des Aufsichtsrats, den Berichtsentwurf des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzen-
den Dr. S. den Aktionären bekannt zu geben, sei nicht erforderlich gewe-
sen. Die Aufsichtsratsmitglieder hätten übereinstimmend in der Sitzung vom
28. März 2007 entschieden, mit der Ausarbeitung des Berichts Dr. S. zu
beauftragen. Dieser Bericht habe den Aufsichtsratsmitgliedern am 8. Mai 2007
vorgelegen. Indem die Mitglieder des Aufsichtsrats keine Einwendungen erho-
ben und es gestattet hätten, dass dieser Bericht den Aktionären zur Kenntnis
gebracht worden sei, hätten sie konkludent beschlossen, ihn als eigenen Be-
richt vorzulegen. Dies stehe einem Beschluss gemäß § 108 Abs. 1 AktG gleich.
Es sei auch unschädlich, dass der Bericht nicht vom amtierenden Aufsichtsrats-
vorsitzenden oder einem anderen Mitglied des Aufsichtsrats als seinem Stell-
10
- 7 -
vertreter unterzeichnet worden sei. Der Zweck der §§ 171, 175 AktG, die Aktio-
näre zu informieren und ihnen eine Vorbreitung auf die Hauptversammlung zu
ermöglichen, sei erfüllt gewesen. Etwaige verbleibende Unklarheiten im Hinblick
auf die Unterschrift einer dritten Person seien ausgeräumt worden, indem der
Aufsichtsratsvorsitzende anlässlich der Hauptversammlung erklärt habe, der
Aufsichtsrat stehe hinter dem abgedruckten Bericht.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
11
1. Beim Zustandekommen der angegriffenen Beschlüsse der Hauptver-
sammlung ist das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG verletzt worden, weil
der gemäß § 175 Abs. 2 Satz 1 AktG von der Einberufung an in den Geschäfts-
räumen der Gesellschaft als Bestandteil des Geschäftsberichts ausgelegte „Be-
richt des Aufsichtsrats“ nicht Gegenstand eines ausdrücklich gefassten Be-
schlusses des Aufsichtsrats war. Dem Bericht ermangelt es damit an der erfor-
derlichen Legitimation des amtierenden Aufsichtsrats, so dass es an einem Be-
richt im Sinne des § 171 Abs. 2 AktG insgesamt fehlt.
12
a) Der Bericht des Aufsichtsrats im Sinne des § 171 Abs. 2 AktG, wel-
cher von der Einberufung der Hauptversammlung an in dem Geschäftsraum der
Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen ist (§ 175 Abs. 2 AktG),
muss vom Aufsichtsrat durch Beschluss festgestellt werden (§ 108 Abs. 1 AktG,
vgl. Hüffer, AktG 9. Aufl. § 171 Rdn. 12; Brönner in Großkomm.z.AktG 4. Aufl.
§ 171 Rdn. 22; Schulz in Bürgers/Körber, AktG § 171 Rdn. 8; Euler/Müller in
Spindler/Stilz, AktG § 171 Rdn. 71; MünchKommAktG/Kropff 2. Aufl. § 171
Rdn. 170; Lutter, AG 2008, 1, 10; Vetter, ZIP 2006, 257, 263). Erst durch die
Feststellung des Berichts durch einen förmlichen Beschluss übernimmt der Auf-
sichtsrat die Verantwortung für seinen Inhalt und gibt ihm seine Funktion als
13
- 8 -
wesentliche Informationsgrundlage für die Aktionäre im Hinblick auf die Vorbe-
reitung und Ausübung ihrer Rechte in der Hauptversammlung.
14
Auch das Berufungsgericht stellt die Notwendigkeit eines Aufsichtsrats-
beschlusses nicht grundsätzlich in Frage, sondern meint, hier liege ein solcher
Beschluss in konkludenter Form vor. Das ist rechtsfehlerhaft. Nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Senats und der allgemeinen Meinung in der Literatur
können Beschlüsse des Aufsichtsrats nicht stillschweigend gefasst werden. Es
muss aus Gründen der Rechtssicherheit gewährleistet sein, dass das Zustan-
dekommen eines Beschlusses festgestellt werden kann. Dies ist bei stillschwei-
gend gefassten Beschlüssen nicht möglich, weil bei diesen nicht die für eine
Abstimmung unerlässlichen Feststellungen darüber getroffen werden können,
inwieweit Beschlussfähigkeit, Zustimmung, Ablehnung und Stimmenthaltungen
gegeben sind (BGH, Sen.Urt. v. 19. Dezember 1988 - II ZR 74/88, NJW 1989,
1928, 1929 m.w.Nachw.; Hüffer, AktG 9.
Aufl. §
108 Rdn.
4;
MünchKommAktG/Habersack 3. Aufl. § 108 Rdn. 12, jeweils m.w.Nachw.).
Bringt der Aufsichtsrat lediglich stillschweigend oder konkludent seine Zustim-
mung zum Ausdruck oder tut seine Meinung kund, entfalten derlei Äußerungen
keinerlei Rechtswirkungen (Hüffer aaO Rdn. 4; Habersack aaO Rdn. 12). In
Betracht kommt allenfalls eine nachträgliche Genehmigung durch einen weite-
ren Beschluss des Aufsichtsrats, dem im Wege der Auslegung ein entspre-
chender Inhalt zugebilligt werden kann (Habersack aaO Rdn. 13 m.w.Nachw.).
Ein solcher Beschluss ist hier vom Berufungsgericht weder festgestellt noch
sonst ersichtlich.
2. Ein weiterer Gesetzesverstoß liegt darin, dass die Urschrift des ausge-
legten Berichts nicht eigenhändig vom amtierenden Vorsitzenden des Aufsichts-
rats unterschrieben wurde.
15
- 9 -
16
a) Das Gesetz verlangt in § 171 Abs. 2 Satz 1 AktG, dass der Aufsichts-
rat über das Ergebnis der Prüfung schriftlich an die Hauptversammlung zu be-
richten hat. § 126 Abs. 1 BGB, der für alle Fälle gilt, in denen das BGB oder
eine sonstige Vorschrift des Privatrechts die Schriftform vorschreibt (vgl.
Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 126 Rdn. 1; MünchKommBGB/Einsele
5. Aufl. § 126 Rdn. 3; zum "schriftlichen Bericht" i.S. des § 293 a Abs. 1 AktG
vgl. Hüffer, AktG 9. Aufl. § 293 a Rdn. 10), verlangt zur Einhaltung einer durch
Gesetz vorgeschriebenen schriftlichen Form eine eigenhändige Namensunter-
schrift. Dem entsprechend wird in der aktienrechtlichen Literatur für den Bericht
im Sinne des § 171 Abs. 2 AktG zu Recht eine Unterschrift des Vorsitzenden
des Aufsichtsrats als Repräsentanten des Aufsichtsrats (Hüffer, AktG 9. Aufl.
§ 107 Rdn. 5) als notwendig, aber auch als ausreichend angesehen (Hüffer,
AktG 9. Aufl. § 171 Rdn. 12; Brönner in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 171
Rdn.
23; Schulz in Bürgers/Körber, AktG §
171 Rdn.
8; Euler/Müller in
Spindler/Stilz, AktG § 171 Rdn. 71; MünchKommAktG/Kropff 2. Aufl. § 171
Rdn. 169; Lutter, AG 2008, 1, 10; Vetter, ZIP 2006, 257, 263).
Zu Unrecht meint die Beklagte, eine Unterzeichnung sei deshalb ent-
behrlich, weil die "Schriftlichkeit" des Berichts in § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG nur
im Gegensatz zur "Mündlichkeit" der Erläuterung des Berichts in der Hauptver-
sammlung gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG stehe. Bereits aus systematischen
Gründen muss die von § 171 Abs. 2 AktG verlangte Schriftlichkeit des Berichts
über eine bloße - in Abgrenzung zur Mündlichkeit zu sehende - schriftliche Ver-
körperung hinausgehen. Denn dass der Bericht schriftlich verkörpert sein muss,
ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Bericht dem Vorstand zugeleitet
(§ 171 Abs. 3 AktG) und in den Geschäftsräumen der Gesellschaft ausgelegt
bzw. auf Verlangen den Aktionären in Form von Abschriften zugeleitet werden
muss (§ 175 Abs. 2 AktG). Verlangt das Gesetz ausdrücklich darüber hinaus
die "Schriftlichkeit" des Berichts, dann kann damit nur ein weitergehendes, eben
17
- 10 -
im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB zu verstehendes Erfordernis der Gewährsüber-
nahme mittels Unterschrift gemeint sein. Geht es um einen Bericht, der im Ge-
gensatz zum mündlichen Bericht dauerhaft schriftlich verkörpert, nicht aber ei-
genhändig unterschrieben sein muss, dann spricht das AktG - wie § 90 Abs. 5
AktG zeigt - von einem Bericht in "Textform" (§ 126 b BGB).
Auch teleologische Gründe erfordern, dass der Bericht nach § 171 Abs. 2
AktG im Sinne des § 126 BGB unterzeichnet wird. Die Unterschrift hat im Rah-
men der Klarstellungs- und Beweisfunktion den Zweck, die Identität des Aus-
stellers erkennbar zu machen, die Echtheit der Urkunde zu gewährleisten und
dem Empfänger die Prüfung zu ermöglichen, wer die Erklärung abgegeben hat
(Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 126 Rdn. 6). Diese Gesichtspunkte sind
sämtlich auch für die Frage von Belang, ob sich der amtierende Aufsichtsrat als
zuständiges Organ zu dem unter seinem Namen den Aktionären bekanntzuma-
chenden Bericht bekennt und damit die Gewähr für dessen Inhalt übernimmt.
18
III. Das angefochtene Urteil erweist sich in Bezug auf die Beschlüsse der
Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr
2006, die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006 und die Wahl
des Aufsichtsrats Z. auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
19
1. Im Hinblick auf diese Beschlüsse ist die zur Einschränkung des nach
einhelliger Auffassung zu weit gefassten § 243 Abs. 1 AktG erforderliche Rele-
vanz des Verfahrensverstoßes für die Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Mit-
wirkungsrechte nach dem Maßstab eines objektiv urteilenden Aktionärs gege-
ben. Maßgebend ist insoweit ein dem Beschluss anhaftendes Legitimationsde-
fizit, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten
Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gem. § 243 Abs. 1 AktG recht-
fertigt (Senat, BGHZ 160, 385, 392 m.w.Nachw.; BGH, Sen.Urt. v. 2. Juli 2007
- II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Tz. 44).
20
- 11 -
21
a) Schutzzweck des Erfordernisses eines ausdrücklichen feststellenden
Beschlusses des Berichts gemäß § 171 Abs. 2 Satz 1 AktG ist die rechtssichere
Dokumentation des Zustandekommens eines Aufsichtsratsbeschlusses mit
Blick auf die Gesichtspunkte Beschlussfähigkeit, Zustimmung, Ablehnung und
Stimmenthaltungen. Materieller Ausgangspunkt der Relevanzprüfung ist hier die
Frage, ob sich der Aufsichtsrat durch einen ausdrücklichen Beschluss zu dem
in seinem Namen der Hauptversammlung vorgelegten Bericht bekannt und da-
mit Verantwortung für seinen Inhalt übernommen hat. Es geht damit letztlich um
die Bedeutung des Berichts des Aufsichtsrats für die Wahrnehmung der
Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechte der Aktionäre.
Diese Bedeutung ist erheblich. Der Aufsichtsrat muss mit seinem Bericht
der Hauptversammlung die Wahrnehmung seiner Aufsichts- und Kontrollfunkti-
on im Allgemeinen sowie speziell in Bezug auf die für die Beschlussfassung
durch die Hauptversammlung wesentlichen Gesichtspunkte (Lagebericht, Jah-
resabschluss, Vorschlag der Verwendung des Bilanzgewinns, ggf. Konzernab-
schluss und Konzernlagebericht, vgl. § 171 Abs. 1 AktG) dokumentieren. Dabei
hat der Bericht eine doppelte Funktion: Er informiert nicht nur über das Ergebnis
der eigenen Prüfung der vom Vorstand beschlossenen Vorschläge und Berich-
te, sondern ist auch Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrats über die gesamte
von ihm während des abgelaufenen Geschäftsjahres hinsichtlich der Geschäfts-
führung des Vorstands ausgeübten Überwachungstätigkeit (MünchKommAktG/
Kropff 2. Aufl. § 171 Rdn. 146; Vetter, ZIP 2006, 257, 258; Lutter, AG 2008, 1).
Der Gesetzgeber hat das Gewicht dieser Berichterstattung ferner durch eine
Strafbewehrung (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) unterstrichen.
22
b) Vor diesem Hintergrund liegt Relevanz zunächst für die Entscheidung
der Hauptversammlung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats vor
(ebenso Hüffer, AktG 9. Aufl. § 171 Rdn. 12; Schulz in Bürgers/Körber, AktG
23
- 12 -
§ 171 Rdn. 9; MünchKommAktG/Kropff 2. Aufl. § 171 Rdn. 178; Euler/Müller in
Spindler/Stilz, AktG § 171 Rdn. 70; Drygala in Schmidt/Lutter, AktG § 171
Rdn. 11; Vetter, ZIP 2006, 257, 258, 264 m.w.Nachw.).
Bei der Entlastung gemäß § 120 AktG haben die Aktionäre darüber zu
entscheiden, ob die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäfts-
jahr zu billigen ist, sie in der Unternehmensführung eine "glückliche Hand" be-
wiesen haben und ihnen das Vertrauen auch für ihre künftige Tätigkeit auszu-
sprechen ist (Senat, BGHZ 160, 385, 389). Vor dem Hintergrund der erhebli-
chen Bedeutung des Bericht im Sinne des § 171 Abs. 2 AktG ist der Umstand,
dass der amtierende Aufsichtsrat für ihn nicht durch einen feststellenden förmli-
chen Beschluss die Verantwortung übernommen hat, es mithin insgesamt an
einem Bericht des zuständigen Aufsichtsrats fehlt, eine relevante Information für
die Aktionäre, um zu entscheiden, ob dieser Aufsichtsrat für die Vergangenheit
seiner Überwachungsfunktion hinreichend nachgekommen ist und dem Gremi-
um auch für die Zukunft vertraut werden kann. Entsprechendes gilt im Hinblick
darauf, dass nicht einmal der Vorsitzende des Aufsichtsrats als Repräsentant
des Organs die Urschrift unterzeichnet und damit die Urheberschaft für den Be-
richt als einen solchen des aktuell amtierenden Aufsichtsrats anerkannt hat.
24
Dem steht hier nicht entgegen, dass nur ein Aufsichtsratsmitglied im zu-
rückliegenden Geschäftsjahr 2006, für das Entlastung erteilt wurde, tätig war,
während die beiden weiteren Mitglieder des Aufsichtsrats erst mit Wirkung zum
26. März 2007 vom Amtsgericht nur noch bis zum Ende der laufenden Amtspe-
riode ihrer Vorgänger bestellt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass die neu be-
stellten Aufsichtsratsmitglieder ihre Pflichten in der Kürze der Zeit bis zur Vorbe-
reitung der Hauptversammlung vom 21. Juni 2007 nicht oder nur unzureichend
erfüllen konnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Viel-
mehr war der neu zusammengesetzte Aufsichtsrat in seiner Sitzung am
25
- 13 -
28. März 2007 ausweislich des Sitzungsprotokolls in der Lage, den Bericht des
Wirtschaftsprüfers zur Prüfung des Jahresabschlusses 2006 der Beklagten und
des Konzerns zu prüfen und den vorgelegten Jahresabschluss 2006 für die AG
und den Konzern einstimmig mit Beschluss zu billigen. Im Übrigen hat ein Auf-
sichtsrat gemäß § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG in seinem Bericht mitzuteilen, in wel-
cher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft wäh-
rend des Geschäftsjahrs geprüft hat. Gegenstand der Berichtspflicht ist es also
auch, ob und ggf. aus welchen - möglicherweise mit dem Zeitpunkt seiner Be-
stellung zusammenhängenden - Gründen ein Aufsichtsrat nicht oder nicht in
vollem Umfang in der Lage war, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen.
Auch die Information, ob ein eventuell erst kurze Zeit amtierender Aufsichtsrat
in diesem Sinne wahrheitsgemäß berichtet und sich zu diesem Bericht mit förm-
lichem Beschluss und Unterzeichnung bekennt, wird für die Entlastungsent-
scheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs regelmäßig von Belang sein.
c) Die Relevanz der Rechtsverstöße gegen die Berichtspflicht ist ferner
für den Beschluss über die Entlastung des Vorstands gegeben (vgl. auch
MünchKommAktG/Kropff 2. Aufl. § 171 Rdn. 166; Euler/Müller in Spindler/Stilz,
AktG § 171 Rdn. 70; Brönner in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 171 Rdn. 24). Der
Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung hat Rechenschaft auch
über die Wahrnehmung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats gegen-
über dem Vorstand abzulegen (§ 171 Abs. 2 Satz 2 AktG). In diesem Rahmen
hat der Aufsichtsrat den Aktionären unter anderem mitzuteilen, ob die Überwa-
chung zu Beanstandungen geführt hat (Schulz in Bürgers/Körber, AktG § 171
Rdn. 9), was wiederum für die Entscheidung des objektiv urteilenden Aktionärs
über die Entlastung des Vorstands in der Hauptversammlung von Bedeutung
ist.
26
- 14 -
27
d) Relevanz liegt schließlich ebenso vor für den Beschluss, mit dem
sämtliche Aufsichtsratsmitglieder erneut in das Aufsichtsratsgremium gewählt
wurden.
Für eine Entscheidung über die Wiederwahl der bisherigen Aufsichts-
ratsmitglieder kann es von Bedeutung sein, ob diese Sorgfaltspflichten im Zu-
sammenhang mit ihrer Überwachungsfunktion (§ 111 Abs. 1 AktG) verletzt ha-
ben (Senat, BGHZ 180, 9 Tz. 38 - KIRCH/DEUTSCHE BANK). Entsprechendes
gilt auch für die Verletzung der Pflicht des Aufsichtrats, den Bericht gemäß
§ 171 Abs. 2 AktG, der, wie gesagt, über die Überwachungstätigkeit des Auf-
sichtsrats Rechenschaft ablegen muss, mit ausdrücklichem Beschluss als Be-
richt an die Hauptversammlung festzustellen und sich den Berichtstext ferner
durch das Unterschreiben der Urschrift mindestens durch den Vorsitzenden des
Organs zu Eigen zu machen. Jedenfalls wegen des fehlenden feststellenden
Beschlusses mangelt es insgesamt an einem Bericht des Aufsichtsrats. Es fehlt
damit eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Aktionäre, den bis-
herigen Mitgliedern des Aufsichtsrats durch eine Wiederwahl das Vertrauen
auch für die Zukunft auszusprechen.
28
e) Der Relevanz der fehlenden Feststellung des Berichts durch einen
förmlichen Aufsichtsratsbeschluss steht nicht entgegen, dass der Aufsichtsrats-
vorsitzende nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststel-
lungen des Landgerichts auf Vorhalt des Vertreters des Klägers in Anwesenheit
der weiteren Aufsichtsräte in der Hauptversammlung mündlich erklärt hat, er
stehe hinter dem schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates. Abgesehen davon,
dass damit eine Äußerung allein des Vorsitzenden des Aufsichtsrats und nicht
des Gremiums insgesamt vorliegt, konnten allein die erschienenen Aktionäre
durch diese Äußerung erreicht werden. Dies ist nicht ausreichend, um eine An-
fechtbarkeit auszuschließen. Durch die Anordnung des § 175 Abs. 2 AktG, wo-
29
- 15 -
nach der Bericht des Aufsichtsrats von der Einberufung an in den Geschäfts-
räumen der Gesellschaft auszulegen ist, soll der Aktionär frühzeitig vor der
Hauptversammlung in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage des schrift-
lichen Berichts zu entscheiden, an der Hauptversammlung teilzunehmen, ihr
fernzubleiben oder aber einen Vertreter zu entsenden und diesen ggf. auf der
Grundlage des Berichts zu instruieren. Auch die nicht in Person erschienenen
Aktionäre haben damit Anspruch auf eine zutreffende Unterrichtung (vgl. Senat,
BGHZ 180, 9 Tz. 28 - KIRCH/DEUTSCHE BANK zu § 161 AktG; siehe auch
Schwab in Schmidt/Lutter, AktG § 243 Rdn. 29 m.w.Nachw.). Dies gilt nicht nur
für im Bericht mitgeteilte Informationen, sondern auch für die hier maßgebende
Frage, ob der Bericht als solcher vom zuständigen Organ durch förmlichen Be-
schluss festgestellt und durch seinen Vorsitzenden unterschrieben wurde und
damit als Bericht dieses Organs gelten kann.
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die hier durchgreifenden
Anfechtungsgründe auch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG
geltend gemacht worden.
30
Allerdings ist nach § 246 Abs. 1 AktG nicht nur die nachträgliche Erhe-
bung der Anfechtungsklage, sondern auch das Nachschieben von neuen An-
fechtungsgründen ausgeschlossen. Der Kläger muss den maßgeblichen Le-
benssachverhalt, aus dem er die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will,
in seinem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist vor-
tragen (st. Rspr., vgl. Senat, BGHZ 167, 204 Tz. 18 m.w.Nachw.; BGHZ 180, 9
Tz. 34 - KIRCH/DEUTSCHE BANK; Hüffer, AktG 9. Aufl. § 246 Rdn. 26). Dies
hat der Kläger bei verständiger Würdigung des Gesamtzusammenhangs der
Klageschrift getan. Mit seiner innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung
bei Gericht eingegangenen Anfechtungsklage hat er geltend gemacht, die An-
fechtbarkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass kein ordnungsgemäßer Be-
31
- 16 -
richt des Aufsichtsrats über den Jahresabschluss, den Lagebericht und die
Verwendung des Bilanzgewinns vorgelegen habe. Der vorgelegte Bericht sei
nicht wirksam erstellt worden, weil dieser unter Mitwirkung von zwei Personen
zustande gekommen und beschlossen worden sei, die kein wirksames Auf-
sichtsratsmandat (mehr) gehabt hätten. Der Bericht sei von dem bereits ausge-
schiedenen Aufsichtsratsvorsitzenden sogar unterschrieben worden. Diesem
Vorbringen lässt sich bei verständiger Würdigung als seine Kehrseite entneh-
men, dass ein feststellender Beschluss des zu dieser Zeit amtierenden Auf-
sichtsrats nicht vorgelegen habe und es an der Unterschrift des amtierenden
Vorsitzenden gefehlt habe.
IV. Hinsichtlich der Beschlüsse zur elektronischen Übermittlung von In-
formationen, zur Änderung der Satzung bezüglich der Höhe der Aufsichtsrats-
vergütung, zur Wahl des Abschlussprüfers sowie zur Wahl der Aufsichtsräte
F. und Dr. D. hat das Berufungsgericht die Anfechtungsklage da-
gegen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
32
1. Im Hinblick auf den Beschluss zur elektronischen Übermittlung von In-
formationen fehlt es an der erforderlichen Relevanz des fehlenden Aufsichts-
ratsbeschlusses für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs.
Bei diesem Tagesordnungspunkt ging es um die Zustimmung der Hauptver-
sammlung zu einer Satzungsergänzung dahingehend, dass die Gesellschaft
berechtigt sein sollte, Informationen an ihre Aktionäre im Wege der Datenfern-
übertragung zu übermitteln, sofern die Voraussetzungen entsprechender Vor-
schriften des WpHG vorliegen. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich,
dass die fehlende Feststellung des Aufsichtsratsberichts durch einen Beschluss
und die fehlende Unterschrift bei diesem Thema von Bedeutung für die Aus-
übung der Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechte waren.
33
- 17 -
34
2. Auch die Relevanz des Verfahrensverstoßes für die Beschlussfassung
über die Änderung der Satzung bezüglich der Höhe der Aufsichtsratsvergütung
ist nicht gegeben. Für die insoweit beschlossene Satzungsänderung dahinge-
hend, dass die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats künftig einen festen
Grundbestandteil und einen variablen Bestandteil haben sollte, sind die Rechts-
fehler nicht von Bedeutung. Dies gilt ebenso für die ebenfalls unter dem Tages-
ordnungspunkt 6 beschlossene Festsetzung der Höhe der Vergütung. Aus der
Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs hängt die Beurteilung der für die Zu-
kunft geltenden Vergütungsstruktur und -höhe für den neu gewählten Aufsichts-
rat nicht davon ab, ob der bisher amtierende Aufsichtsrat es unterlassen hat,
den Bericht an die Hauptversammlung ausdrücklich mit Beschluss festzustellen
und dessen Urschrift zu unterschreiben. Dabei ist es ohne Belang, dass hier
Personenidentität zwischen den vorherigen und dem durch die Aktionäre in
derselben Hauptversammlung neu gewählten Aufsichtsratsmitgliedern besteht.
Die beschlossene Aufsichtsratsvergütung betrifft Aufwand und Tätigkeit des
Aufsichtsrats in der Zukunft und spiegelt - anders als die Entlastung und die
Wiederwahl - nicht das Verhalten der Mitglieder in der Vergangenheit wider.
3. Die Relevanz des fehlenden Aufsichtsratsbeschlusses für die Informa-
tions- und Mitwirkungsrechte der Aktionäre fehlt weiter für den Beschluss über
die Wahl des Abschlussprüfers. Zwar hat der Bericht des Aufsichtsrats gemäß
§ 171 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AktG auch zu dem Ergebnis der Prüfung des
Jahresabschlusses durch den Abschlussprüfer Stellung zu nehmen, eventuelle
Einwendungen zu erklären oder den Abschluss zu billigen. Diese Umstände
können wiederum für die hier angefochtene Wiederwahl des Abschlussprüfers
von Belang sein. Hier hat der Aufsichtsrat jedoch bereits in der neuen Beset-
zung in seiner Sitzung am 28. März 2007 den Bericht des Abschlussprüfers zur
Prüfung des Jahresabschlusses 2006 der Beklagten und des Konzerns geprüft
und den vorgelegten Jahresabschluss 2006 für die AG und den Konzern ein-
35
- 18 -
stimmig mit förmlichem Beschluss gebilligt. Jedenfalls bei dieser Sachlage wird
das dem Aufsichtsratsbericht im Übrigen wegen des fehlenden Beschlusses
und der fehlenden Unterschrift anhaftende Legitimationsdefizit für einen ver-
nünftig denkenden Aktionär keine derart schwerwiegende Bedeutung haben,
dass bei wertender, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrach-
tung die Anfechtbarkeit der Wiederwahl des Abschlussprüfers gerechtfertigt
erscheint.
4. Im Hinblick auf die Beschlüsse zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder
F. und D. fehlt es an der Anfechtungsbefugnis des Klägers, weil
sein Vertreter diesen Beschlüssen in der Hauptversammlung zugestimmt hat.
Gleiches gilt - zusätzlich zur bereits dargelegten fehlenden Relevanz - für den
Beschluss zur elektronischen Übermittlung von Informationen.
36
Für die GmbH ist anerkannt, dass ein Gesellschafter nicht anfechtungs-
befugt ist, der im Sinne des ergangenen Beschlusses abgestimmt hat (Zöllner
in Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. Anh. § 47 Rdn. 137; Lutter/Hommelhoff/
Bayer, GmbHG 17. Aufl. Anh. zu § 47 Rdn. 60; Roth/Altmeppen, GmbHG
6. Aufl. § 47 Rdn. 141; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG
4. Aufl. § 47 Rdn. 136; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl. § 45 Rdn. 139;
Hachenburg/Raiser, GmbHG 8. Aufl. Anh. § 47 Rdn. 152). Ob dem für die
Aktiengesellschaft generell, also auch für Mängel bei der Feststellung des Ab-
stimmungsergebnisses oder für sonstige Mängel zu folgen ist, die erst nach der
Abstimmung des Aktionärs entstehen, kann hier auf sich beruhen. Offenbleiben
kann außerdem, ob die Anfechtungsbefugnis des dem Beschluss zustimmen-
den Aktionärs aus allgemeinen Gründen oder aber bereits deswegen fehlt, weil
ein gegen den Beschluss zur Niederschrift erklärte Widerspruch wegen wider-
sprüchlichen Verhaltens unwirksam ist und deshalb die besonderen Vorausset-
zungen im Sinne des §
245 Nr.
1 AktG nicht vorliegen (dagegen
37
- 19 -
MünchKommAktG/Hüffer 2. Aufl. § 245 Rdn. 32; Dörr in Spindler/Stilz, AktG §
245 Rdn. 25). Jedenfalls im Ergebnis kann auch nach Auffassung des erken-
nenden Senats der Aktionär Mängel im vorbereitenden Verfahren wie Einberu-
fungsmängel, Fehler bei der Leitung der Hauptversammlung oder bei der Aus-
kunftserteilung nicht mehr im Wege der Anfechtungsklage geltend machen,
wenn er dem Beschluss zugestimmt hat (ebenso Zöllner in Kölner
Komm.z.AktG 2. Aufl. § 245 Rdn. 82 ff.; ders. AG 2000, 145, 146). Nichts ande-
res gilt für die rechtsfehlerhafte Veröffentlichung eines nicht durch Beschluss
festgestellten und nicht unterschriebenen Aufsichtsratsbeschlusses im Rahmen
der Einberufung einer Hauptversammlung (§§ 175 Abs. 2, 171 Abs. 2 AktG).
Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob die Anfechtungsbefugnis
nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Aktionär dem Beschlussvorschlag in
Kenntnis des Mangels zugestimmt hat (so Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl.
§ 45 Rdn. 139; Hachenburg/Raiser, GmbHG 8. Aufl. Anh. § 47 Rdn. 152; Zöll-
ner in Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl. § 245 Rdn. 83, ders. ohne dieses Erforder-
nis in AG 2000, 145, 146), oder ob die Frage der (Un-) Kenntnis oder Fehlvor-
stellung des Aktionärs bei der Stimmabgabe nach den allgemeinen Grundsät-
zen für eine Anfechtung der Stimmabgabe allenfalls nach §§ 119 ff. BGB rele-
vant wird (vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 17. Aufl. Anh. zu § 47
Rdn. 60), weil der Ausschluss der Anfechtungsbefugnis aus dem Rechtsgedan-
ken des venire contra factum proprium folgt (Hachenburg/Raiser, GmbHG
8. Aufl. Anh. § 47 Rdn. 152; Roth/Altmeppen, GmbHG 6. Aufl. § 47 Rdn. 141)
und dieser an dem objektiven Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens
anknüpft (BGH, Urt. v. 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343
Tz. 41; Palandt/Grüneberg, BGB 69. Aufl. § 242 Rdn. 55). Im Streitfall lag eine
hinreichende Kenntnis von den der Anfechtungsklage zugrunde gelegten Män-
geln vor. Der Vertreter des Klägers hatte bereits in der Hauptversammlung an-
knüpfend an den auf den ausgeschiedenen Vorsitzenden des Aufsichtsrats lau-
38
- 20 -
tenden Zeichnungsvermerk gerügt, dass der hier ausgelegte Aufsichtsratsbe-
richt nicht ordnungsgemäß zustandegekommen sei.
39
V. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil - wie die vorste-
henden Ausführungen zeigen - das Berufungsurteil nur wegen Rechtsverlet-
zung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis aufge-
hoben werden muss und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 3 ZPO).
Goette Caliebe Drescher
Löffler Bender
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 20.05.2008 - 26 O 84/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 23.12.2008 - 9 U 119/08 -