Urteil des BGH vom 24.09.2014

BGH: widerklage, auflösung, beendigung, widerruf, rate, ausschluss, transparenz, verzinsung, zustandekommen, verrechnung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I V Z R 1 / 1 4
Verkündet am:
24. September 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 24. September 2014
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil der
8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 17. Dezem-
ber 2013 aufgehoben, das Urteil des Amtsgerichts Bonn
vom 14. August 2013 unter Zurückweisung des weiterge-
henden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt
neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird die
Klägerin verurteilt, an den Beklagten 1.125,85
€ nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem B a-
siszinssatz ab 19. Juni 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird
die Widerklage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter I n-
stanz tragen die Klägerin 79% und der Beklagte 21%.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
Die Klägerin, ein liechtensteinischer Lebensversicherer, fordert
von dem Beklagten Zahlung aus zwei Kostenausgleichsvereinbarungen.
Dieser hat widerklagend Rückzahlung der von ihm auf diese geleisteten
Teilzahlungen sowie Auszahlung des Rückkaufswerts der Versicherung
geltend gemacht.
Der Beklagte stellte am 28. Juni 2011 einen "Antrag auf Fondsge-
bundene Rentenversicherung" sowie einen gesonderten "Antrag auf Kos-
tenausgleichsvereinbarung". Zu letzterem heißt es im Abschnitt "Til-
gungsplan":
"Die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten erfolgt
separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer
Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen.
Die Fälligkeit der Teilzahlungen richtet sich nach § 2 der
Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung."
sowie
"Wichtig: Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt
grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenau s-
gleichsvereinbarung. Die Kosten sind auch im Falle einer
Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsve r-
trages zu bezahlen."
Unmittelbar über der Unterschrift zur Kostenausgleichsvereinb a-
rung findet sich der fettgedruckte Hinweis:
"Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die Kostenausgleichs-
vereinbarung nicht kündigen kann."
1
2
3
4
- 4 -
Die Höhe der Abschluss- und Einrichtungskosten bei 60 monatli-
chen Raten zu je 52,50
€ ist mit insgesamt 3.150 € angegeben. Eine
Verzinsung ist nicht vorgesehen. Die monatliche Prämie für die Versich e-
rung in Höhe von 150
€ wurde für die Dauer von 60 Monaten um den
monatlich auf die Kostenausgleichsvereinbarung zu zah lenden Betrag
reduziert.
Am 18. November 2011 beantragte der Beklagte, die Beiträge zu
erhöhen, und schloss mit der Klägerin eine weitere Kostenausgleich s-
vereinbarung, die mit der ersten identische Regelungen zur separaten
Zahlung und fehlenden Kündbarkeit enthält. Auf der Grundlage dieser
Vereinbarung hatte der Beklagte weitere Abschluss- und Einrichtungs-
kosten von 2.797,20
€ in 60 monatlichen Teilraten von 46,62 €
- ebenfalls ohne Verzinsung - zu zahlen.
Die dem Vertrag zugrunde liegenden "Bedingungen für die Kos-
tenausgleichsvereinbarung (KAV)" der Klägerin bestimmen unter ande-
rem:
"§ 1 Gegenstand der Kostenausgleichsvereinbarung
(…)
(2) Das Zustandekommen des vorliegenden Vertrages zur
Kostenausgleichsvereinbarung ist abhängig vom Zustande-
kommen des genannten Versicherungsvertrages.
(3) Die Auflösung des einmal zustande gekommenen Vers i-
cherungsvertrages führt dagegen - ausser bei einem Wider-
ruf - nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinb a-
rung
. …
5
6
7
- 5 -
§ 5 Vertragsbeendigung
(2) Eine Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung ist
nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich und
führt dazu, dass die Gesamtsumme der noch nicht getilgten
Abschluss- und Einrichtungskosten sofort fällig wird.
(3) Die Auflösung des einmal zustande gekommenen Versi-
cherungsvertrages führt dagegen - ausser bei einem Wider-
ruf - nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinb a-
rung
. …"
Der Beklagte zahlte in der Zeit von August 2011 bis Juli 2012 die
monatliche Rate von 52,50
€ auf die erste Kostenausgleichsvereinbarung
sowie von Dezember 2011 bis Juli 2012 die monatliche Rate von 46,62
auf die zweite Kostenausgleichsvereinbarung. Ab August 2012 stellte er
die Zahlungen ein. Insgesamt leistete er Zahlungen von 1.002,96
€ (12 x
52,50
€ sowie 8 x 46,62 €). Mit Schreiben vom 29. August 2012 kündigte
der Beklagte seine Rentenversicherung mit der Kostenausgleichsverei n-
barung mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin bestätigte den Eingang der
Kündigung zum 4. September 2012. Sie berechnet ihre Ansprüche wie
folgt:
Abschluss- und Einrichtungskosten
für die Versicherung
3.150,00
zuzügl. Abschluss- und Einrichtungskosten
für die Beitragserhöhung
2.797,20
abzügl. Rückkaufswert
1.324,09
abzügl. Teilzahlungen
1.002,96
gesamt
3.620,15
8
9
- 6 -
Gerichtlich geltend gemacht hat sie einen Betrag von 3.284,55
nebst Zinsen. Der Beklagte hat Widerklage in Höhe von 2.327,05
€ erho-
ben. Diese Forderung setzt sich aus den gezahlten Beträgen auf die
Kostenausgleichsvereinbarungen von 1.002,96
€ sowie aus dem Rück-
kaufswert von 1.324,09
€ zusammen.
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
3.284,55
€ nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit
dem 28. Dezember 2012 sowie vorprozessuale Anwaltskosten von
302,10
€ zu zahlen. Die Widerklage hat es abgewiesen. Die Berufung
des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision beantragt er, das Urteil des Landgerichts teilwei-
se aufzuheben, das Urteil des Amtsgerichts teilweise abzuändern, die
Klage abzuweisen sowie die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten
1.324,09
€ nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins ab
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist überwiegend begründet.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte Ko s-
tenausgleichsvereinbarung zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße
sie nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG und stelle keine unzulässige
Umgehung dar. Ferner genügten die geschlossenen Vereinbarungen den
Anforderungen an das Vorliegen eines gesonderten Vertragsschlusses
sowie hinreichender Transparenz. Die Kostenausgleichsvereinbarungen
10
11
12
- 7 -
verstießen ferner nicht gegen §§ 307 ff. BGB. Insbesondere stelle der
Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers keine
unangemessene Benachteiligung dar. Der Beklagte habe die Kostenau s-
gleichsvereinbarungen auch nicht wirksam widerrufen können. Sowohl
der Widerruf in der Klageerwiderung als auch die möglicherweise als W i-
derruf auszulegende Kündigung mit Schreiben vom 29. August 2012 sei
nicht fristgerecht erfolgt. Die Widerrufsbelehrungen genügten den Anfo r-
derungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 VVG. Daher sei die Widerklage unbegrün-
det.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt
nicht stand.
1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte
betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen
begründet hat, verstoßen die Kostenausgleichsvereinbarungen nicht ge-
gen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014,
567 Rn. 14-22; IV ZR 255/13, juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit
wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt
nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor
Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarungen nicht kündi-
gen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärungen zu deren Be-
endigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertr a-
ges oder der Kostenausgleichsvereinbarungen selbst (vgl. Senatsurteil
vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13 aaO Rn. 23-25).
2. Dem Beklagten stand allerdings das Recht zu, die Kostenau s-
gleichsvereinbarungen zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unab-
13
14
15
- 8 -
hängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder
Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Au s-
schluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulier ung im An-
tragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versich e-
rungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsur-
teil vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 26-35; IV
ZR 255/14, juris Rn. 21-30).
Hieran hält der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens
der Klägerin fest. Die unangemessene Benachteiligung des Versich e-
rungsnehmers liegt gerade darin begründet, dass sein Kündigungsrecht
für die Kostenausgleichsvereinbarung für den Fall der Auflösung oder
Aufhebung des Versicherungsvertrages ausgeschlossen werden soll.
Wie im Fall eines Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der
- anders als in sämtlichen bisher dem Senat vorliegenden Fallgestaltu n-
gen - nicht ratierlich, sondern in einem Betrag sofort bei Vertragsschluss
zahlt, muss hier nicht entschieden werden. Die Unwirksamkeit des Kü n-
digungsausschlusses führt dazu, dass dem Versicherer nach erklärter
Kündigung keine Zahlungsansprüche aus der Kostenausgleichsvereinb a-
rung für die Zukunft mehr zustehen, nicht dagegen zur sofortigen Fällig-
keit sämtlicher Abschluss- und Einrichtungskosten.
Hieraus folgt, dass der Beklagte die Kostenausgleichsvereinbaru n-
gen mit Schreiben vom 29. August 2012, der Klägerin zugegangen am 4.
September 2012, wirksam gekündigt hat. Die Klägerin kann daher nur
Zahlung bis einschließlich September 2012 verlangen. Da der Beklagte
Zahlungen bis Juli 2012 geleistet hat, steht ihr lediglich ein Anspruch auf
restliche Zahlung von 198,24
€ zu. Infolge der von der Klägerin durchge-
führten Verrechnung mit dem Rückkaufswert der Versicherung in Höhe
16
- 9 -
von 1.324,09
€ folgt hieraus, dass die Klage abzuweisen und die Kläge-
rin auf die Widerklage unter Abweisung des weitergehenden Klagantrags
zu verurteilen ist, an den Beklagten 1.125,85
€ nebst Zinsen zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 14.08.2013 - 113 C 95/13 -
LG Bonn, Entscheidung vom 17.12.2013 - 8 S 214/13 -
17