Urteil des BGH vom 20.08.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 479/12
vom
20. August 2014
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3; VBVG § 5 Abs. 1
a) Formell-rechtliche oder materiell-rechtliche Mängel bei der Bestellung des Betreu-
ers bleiben ebenso wie die nachträgliche Aufhebung der Bestellung ohne Einfluss
auf den Vergütungsanspruch des Betreuers. Ob die rechtlichen Voraussetzungen
für eine Betreuerbestellung vorgelegen haben, ist für die Wirksamkeit der Bestel-
lung und damit für den Vergütungsanspruch des Betreuers ohne Belang und im
Festsetzungsverfahren nicht zu prüfen.
b) Im Verfahren über die Festsetzung der pauschalen Betreuervergütung nach §§ 4,
5 VBVG ist nicht zu überprüfen, ob und in welchem Umfang der Betreuer tätig ge-
worden ist. Die Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird typisierend un-
terstellt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 233/13 -
FamRZ 2013, 1883).
BGH, Beschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 479/12 - LG Meiningen
AG Suhl
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. August 2014 durch die
Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der
3. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 20. Juli 2012 wird
zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
W
ert: 1.122 €
Gründe:
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Festsetzung der Betreuervergü-
tung.
In dem auf Anregung der Betroffenen eingeleiteten Betreuungsverfahren
bestellte das Amtsgericht - nach Anhörung der Betroffenen und der Betreu-
ungsbehörde sowie Einholung eines ärztlichen Gutachtens - mit Beschluss vom
27. Oktober 2010 die Beteiligte zu 1 als Mitarbeiterin eines Betreuungsvereins
(Beteiligter zu 2) zur Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge,
Wohnungsangelegenheiten, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Ge-
richten, Behörden und Versicherungen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde
der Betroffenen half das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. März 2011 ab und
hob die Betreuung auf.
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Dem Antrag des Betreuungsvereins folgend hat das Amtsgericht für die
Zeit vom 3. November 2010 bis 2. Februar 2011 eine Betreuervergütung in Hö-
he von
1.122 € festgesetzt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Betroffe-
nen ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt
die Betroffene weiter die Zurückweisung des Festsetzungsantrags.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
dem Betreuungsverein sei die geltend gemachte Vergütung aus dem Vermögen
der Betroffenen zu bewilligen. Der Vergütungsanspruch des Vereins berechne
sich nach der persönlichen Qualifikation des Vereinsbetreuers. Es sei gerichts-
bekannt, dass die Betreuerin für den Betreuungsverein im fraglichen Zeitraum
tätig gewesen sei und dass diese über einen Hochschulabschluss verfüge, der
für die Betreuertätigkeit nutzbare Kenntnisse vermittele.
Unerheblich sei, ob die rechtlichen Voraussetzungen der Betreuerbestel-
lung vorgelegen hätten. Eine fehlerhafte Anordnung der Betreuung stehe der
Vergütungsfestsetzung ebenso wenig entgegen wie eine zu lange aufrechter-
haltene Betreuung. Voraussetzung sei allein die Wirksamkeit der Bestellung
des Betreuers, die weder durch Mängel bei der Anordnung der Betreuung noch
durch die nachträgliche Aufhebung beseitigt werde. Das Fehlen der Vorausset-
zungen des § 1896 BGB führe nicht zur Unwirksamkeit einer Betreuerbestel-
lung.
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Die Vergütung sei auch der Höhe
nach mit 25,5 Stunden zu je 44 € rich-
tig berechnet worden und die nicht im Heim lebende Betroffene sei nicht mittel-
los.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. Dem Be-
treuungsverein steht gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3
BGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 2 VBVG der geltend gemachte Anspruch
auf pauschale Vergütung nach §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
VBVG zu.
a) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung der
Vergütung geltend, eine Betreuung habe bereits nicht angeordnet werden dür-
fen.
aa) Die Bewilligung einer Vergütung für den Betreuer setzt - neben der
(hier allerdings gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VBVG nicht erforderlichen) Feststel-
lung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB - lediglich dessen wirksame Bestellung
voraus (allgemeine Meinung, vgl. etwa BayObLG FamRZ 1997, 701, 702 mwN;
BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. Mai 2014] § 1836 Rn. 8; HK-BUR/Bauer [Stand:
Februar 2010] § 1836 BGB Rn. 59; Erman/Saar BGB 14. Aufl. § 1836 Rn. 4a;
Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. Dezember 2011] § 1836 BGB Rn. 2; Münch-
KommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 Rn. 3; Staudinger/Bienwald BGB [2014]
§ 1836 Rn. 21; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141, 142 und
BayObLG FamRZ 1999, 1603 für den Nachlasspfleger sowie BayObLG FamRZ
1998, 1053, 1054 für den Verfahrenspfleger; Keidel/Engelhardt FamFG
18. Aufl. § 168 Rn. 14; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 168 Rn. 21),
die - von den Fällen des § 287 Abs. 2 FamFG abgesehen - gemäß § 287 Abs. 1
FamFG mit der Bekanntgabe des Beschlusses an den Betreuer erfolgt (Kei-
del/Budde FamFG 18. Aufl. § 287 Rn. 4 und § 289 Rn. 1). Hieran ändert auch
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eine gegen die Betreuung eingelegte Beschwerde nichts. Denn sie hat in Be-
treuungssachen - wie schon nach früherem Recht gemäß § 24 Abs. 1 FGG -
keine aufschiebende Wirkung (vgl. Bork/Jacoby/Schwab/Müther FamFG 2. Aufl.
§ 17; Jurgeleit/Stauch Betreuungsrecht 3. Aufl. § 303 FamFG Rn. 75;
Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 58 Rn. 8; Schulte-Bunert/Weinreich/
Unger FamFG 4. Aufl. § 64 Rn. 22; Prütting/Helms/Abramenko FamFG 3. Aufl.
Rn. 20).
Aufgrund wirksamer Bestellung ist der Betreuer berechtigt und verpflich-
tet, die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen (BayObLG FamRZ 1997,
701, 702) und in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich tätig zu werden.
Grundlage für den Vergütungsanspruch des Betreuers ist - im durch § 5 VBVG
pauschalierten Umfang - allein dieses Tätigwerden. Diese Grundlage wird we-
der durch formell-rechtliche oder materiell-rechtliche Mängel bei der Bestellung
des Betreuers noch durch die nachträgliche Aufhebung der Bestellung wegen
solcher Mängel beseitigt (OLG München FamRZ 2008, 2216, 2218; BayObLG
FamRZ 1997, 701, 702). Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat,
wird die Vergütungsfestsetzung daher nicht durch die fehlerhafte Anordnung
einer Betreuung gehindert. Ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Be-
treuerbestellung vorgelegen haben, ist für den Vergütungsanspruch des Be-
treuers mithin ohne Belang und aus diesem Grund im Festsetzungsverfahren
auch nicht zu prüfen.
bb) Die Annahme des Landgerichts, die Betreuerin sei vorliegend wirk-
sam bestellt worden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken und wird von der
Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen. Die Angriffe der Rechtsbe-
schwerde zielen insoweit allein darauf ab, dass das Amtsgericht bei der Anord-
nung der Betreuung zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1896
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BGB bejaht habe. Damit aber kann die Betroffene im Festsetzungsverfahren
nicht gehört werden.
b) Ebenfalls zu Recht hat das Beschwerdegericht dem Betreuungsverein
die sich aus §§ 4 und 5 VBVG ergebende pauschale Vergütung zuerkannt.
aa) Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ent-
schieden hat, steht dem Betreuer gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 5 VBVG i.V.m. § 1908 i
BGB ein Vergütungsanspruch in dem pauschal festgelegten Umfang zu, ohne
dass der Rechtspfleger im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung zu
überprüfen hat, ob und in welchem Umfang der Betreuer tätig geworden ist
(Senatsbeschlüsse vom 7. August 2013 - XII ZB 233/13 - FamRZ 2013, 1883
Rn. 7 und vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 22).
Durch die Einführung der Pauschalierung der Betreuervergütung - deren
Ziel es ist, Betreuer und Rechtspfleger von zeitaufwändigen Abrechnungen zu
entlasten - ist ein vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängiges
Vergütungssystem geschaffen worden. Die in § 5 VBVG anhand einer Misch-
kalkulation zwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Fällen festgeleg-
ten Stundenansätze stehen von Beginn des Betreuungsverfahrens an fest. Die
Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird bei der pauschalen Vergü-
tung typisierend unterstellt; nicht erforderlich ist, dass der Betreuer in dem zu
vergütenden Zeitraum auch tatsächlich für den Betreuten in dem vom Gesetz
pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist (Senatsbeschluss vom
7. August 2013 - XII ZB 233/13 - FamRZ 2013, 1883 Rn. 8 mwN). Auf den kon-
kreten zeitlichen Aufwand im Einzelfall kommt es entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde daher nicht an.
bb) Die Rechtsbeschwerde dringt auch nicht mit ihrem Einwand durch,
die Betreuung habe früher aufgehoben werden müssen, so dass die beantragte
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Vergütung (jedenfalls teilweise) nicht angefallen wäre. Nach §§ 4, 5 VBVG ist
der Zeitraum zwischen der wirksamen Betreuerbestellung und der Aufhebung
der Betreuung zu vergüten. Die Betreuung endet - außer im Fall des Todes des
Betroffenen - erst mit einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. Senatsbeschluss
vom 7. August 2013 - XII ZB 233/13 - FamRZ 2013, 1883 Rn. 9 zu § 1908 d
BGB), hier der Aufhebung der Betreuung durch die Abhilfeentscheidung des
Amtsgerichts vom 14. März 2011. Im Verfahren über die Festsetzung der Ver-
gütung ist nicht zu prüfen, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen müssen (Se-
natsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 233/13 - FamRZ 2013, 1883 Rn. 7
mwN).
Vielmehr ist hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit
der Betreuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem
pauschalen Stundensatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die
auf gerichts- oder behördeninterne Abläufe und die Prüfung, ob die Vorausset-
zungen für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen
ist (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 233/13 - FamRZ 2013, 1883
Rn. 9). Dass im vorliegenden Fall die Aufhebung der Betreuung im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens und - anders als in der Senatsentscheidung vom
7. August 2013 - nicht im Rahmen einer Überprüfung nach §§ 1908 d BGB, 294
FamFG erfolgte, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn im Beschwerdever-
fahren wird die Notwendigkeit der Betreuung zum Zeitpunkt der Beschwerde-
entscheidung (und nicht zum Zeitpunkt der ursprünglichen Betreuerbestellung)
geprüft und eine eventuelle Aufhebung der Betreuung ebenfalls nicht rückwir-
kend vorgenommen.
cc) Die von der Rechtsbeschwerde angeführten verfassungsrechtlichen
Bedenken gehen ins Leere. Dass die in §§ 4, 5 VBVG getroffene Vergütungs-
regelung gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstößt, ist weder ersichtlich
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noch von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt. Soweit die Rechtsbeschwerde
auch in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass nach ihrer Auffassung die
Betreuung nicht habe angeordnet werden dürfen oder doch jedenfalls früher
hätte aufgehoben werden müssen, ist daraus weder generell noch im vorlie-
genden Einzelfall etwas für eine Verfassungswidrigkeit der Betreuervergütung
abzuleiten.
dd) Die Berechnung der Vergütung i.H.v.
1.122 € nach §§ 4 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz
2 VBVG aus 25,5 Stunden zu je 44 € ist rechtlich
beanstandungsfrei; die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit auch nichts. Glei-
ches gilt für die Annahme des Landgerichts, die Betroffene sei nicht mittellos
(§ 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1836 d BGB).
Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Suhl, Entscheidung vom 09.08.2011 - XVII 181/10 -
LG Meiningen, Entscheidung vom 20.07.2012 - 3 T 234/11 (80) -
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