Urteil des BGH vom 15.10.2010

BGH (eltern, verteilung, abweisung der klage, miteigentumsanteil, ergebnis, mutter, betrag, zahlung, zustimmung, grundstück)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 32/10 Verkündet
am:
5. November 2010
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländi-
schen Oberlandesgerichts vom 10. Februar 2010 wird auf Kosten
der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten darüber, wem von ihnen der bei dem Amtsgericht
hinterlegte Übererlös aus der Teilungsversteigerung eines Grundstücks zusteht,
das ursprünglich den Eltern der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Be-
klagten (fortan frühere Beklagte) zu je ½ Miteigentumsanteil gehörte. Mit einem
notariellen Übergabevertrag vom 17. März 1976 hatte die frühere Beklagte von
ihrem Vater dessen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück unter An-
rechnung auf ihren Erb- und Pflichtteil erworben. Dabei sollten fünf Grundschul-
den mit einem Nominalbetrag von insgesamt umgerechnet 115.040,67 € beste-
hen bleiben, mit denen die Eltern der Klägerin und der früheren Beklagten ihr
Grundstück belastet hatten, um dem Vollstreckungszugriff eines Gläubigers
hierauf entgegenzuwirken. Am gleichen Tag schloss die Klägerin mit ihren El-
tern einen Erbvertrag, in dem ihr Vater für den Fall seines Vorversterbens ihre
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Mutter zur alleinigen und unbeschränkten Erbin einsetzte und als Erbin ihrer
Mutter die Klägerin bestimmt wurde. Auf Grund dieses Erbvertrags beerbte zu-
erst die Mutter den vorverstorbenen Vater und sodann, am 30. Dezember 1999,
die Klägerin die Mutter allein. Nachdem eine einvernehmliche Auseinanderset-
zung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes zwischen der Klägerin und der frü-
heren Beklagten gescheitert war, beantragte die Klägerin 2001 die Teilungsver-
steigerung des Grundstücks. In dem ersten Versteigerungstermin wurde wegen
der erwähnten Grundschulden kein Gebot abgegeben. Die frühere Beklagte
verklagte daraufhin die Klägerin auf Zustimmung zur Löschung dieser Grund-
schulden. Die Klage wurde durch rechtskräftig gewordenes Teilurteil des Land-
gerichts Saarbrücken vom 2. Juni 2004 (3 O 74/03) abgewiesen. In dem da-
nach bestimmten zweiten Versteigerungstermin ersteigerte die Klägerin das
Grundstück zum Mindestbargebot von 60.458,92 € unter Übernahme der
Grundschulden. Dem um 67,18 € Zinsen erhöhten Barerlös entnahm das Ver-
steigerungsgericht die Verfahrenskosten und teilte der Stadtkasse 22,80 € und
der Klägerin auf die von ihr angemeldeten Grundschuldzinsen 27.579,82 € zu.
Den Übererlös von 27.840,05 € hinterlegte es bei dem Amtsgericht. Mit der
Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung
des hinterlegten Betrags in Höhe von 27.709,94 € an sich und in Höhe von
130,12 € an diese sowie Ersatz von 1.166,25 € vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Die Beklagten verlangen widerklagend im Wege der Teilklage von der Klägerin
die Zustimmung zur Auszahlung des gesamten Übererlöses an sich.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abge-
wiesen. Das Oberlandesgericht hat umgekehrt entschieden. Mit der von dem
Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Klägerin die Wiederher-
stellung des Urteils des Landgerichts erreichen. Die Beklagten beantragen, das
Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I.
3
Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Beklagten von der
Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB die Zustimmung zur Auszahlung
des Übererlöses an sich verlangen. Der Übererlös dürfe bei der Verteilung des
Erlöses nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr bestimme sich seine Zuteilung
danach, was die Klägerin einerseits und die Beklagten andererseits aus der
gesamten Verteilungsmasse zu beanspruchen und davon schon erhalten hät-
ten. Zu der Verteilungsmasse gehörten hier nicht allein der streitige Übererlös,
sondern der gesamte, allerdings um die Verfahrenskosten und die Forderungen
der Stadtkasse bereinigte Barerlös sowie der Nominalbetrag der bestehen ge-
bliebenen Grundschulden. Die sich daraus ergebende Verteilungsmasse von
170.393,36 € stehe den Parteien je zur Hälfte zu. Auf ihren Anteil von etwa
85.000 € hätten die Beklagten bisher nichts erhalten, die Klägerin dagegen ne-
ben der Zahlung auf die Grundschuldzinsen auch die übernommenen Grund-
schulden, zusammen 142.620,49 € und damit etwa 60.000 € mehr als ihr zu-
stehe. Damit könnten die Beklagten jedenfalls Auszahlung des hinterlegten
Übererlöses verlangen. Die Klägerin dürfe sich im Rahmen der Verteilung des
Erlöses nicht darauf berufen, dass sie alleinige Gläubigerin der Grundschulden
gewesen sei. Die Grundschulden hätten von Anfang an nur dazu gedient, den
Gläubiger der Eltern von einer Vollstreckung in den Grundbesitz abzuhalten.
Daran habe sich durch die Übertragung des Miteigentumsanteils des Vaters auf
die frühere Beklagte nichts geändert. Ziel der Eltern sei es gewesen, der frühe-
ren Beklagten mit dem Miteigentumsanteil einen substantiellen Vermögenswert
als Ausgleich für die Enterbung zu verschaffen. Dieses Ziel werde verfehlt,
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wenn die Grundschulden zu Lasten der Beklagten bei der Verteilung des Erlö-
ses berücksichtigt würden. Es sei auch kein Grund erkennbar, weshalb der Klä-
gerin in Gestalt der Grundschulden ein "echter Vermögenswert" habe zufallen
sollen. Diesen Überlegungen stehe weder die Rechtskraft des Teilungsplans
noch die rechtskräftige Abweisung der Klage auf Zustimmung zur Löschung der
Grundschulden im Vorprozess der Parteien entgegen.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
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1. Im Ausgangspunkt zutreffend und von der Revision nicht beanstandet
geht das Berufungsgericht davon aus, dass als Grundlage für die mit Klage und
Widerklage geltend gemachten wechselseitigen Ansprüche auf Zustimmung zur
Auszahlung des hinterlegten Übererlöses nur § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Be-
tracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 124/06, NJW-
RR 2010, 520, 521 Rn. 9) und dass das Bestehen dieser Ansprüche entschei-
dend davon abhängt, wem der hinterlegte Betrag nach dem materiellen Recht
(der Gemeinschaft gemäß §§ 741 ff. BGB, insbesondere nach §§ 742, 753, 756
BGB) zukommt (vgl. BGH, Urteile vom 14. April 1987 - IX ZR 237/86, NJW-RR
1987, 890, 891, vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 2/90, NJW 1992, 114 und vom
16. Dezember 2009 - XII ZR 124/06, aaO).
5
2. Zu Recht ist das Berufungsgericht aber auch zu dem Ergebnis ge-
langt, dass der hinterlegte Übererlös nach den genannten Vorschriften den Be-
klagten und nicht der Klägerin zusteht. Bei der Zuteilung des Übererlöses ist
nämlich nicht allein auf diesen, sondern darauf abzustellen, welchen Gesamter-
lös die Versteigerung des Grundstücks erbracht und welche der Parteien bisher
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weniger als die ihr entsprechend den bisherigen Miteigentumsanteilen an dem
Grundstück zustehende Hälfte davon erhalten hat. Zu dem Gesamterlös der
Versteigerung des Grundstücks gehören hier nicht nur der erzielte Barerlös,
sondern auch der in das geringste Gebot aufgenommene Wert der bestehen
gebliebenen Grundschulden. Da der Wert dieser Grundschulden der Klägerin
zugefallen ist und deren hälftigen Anteil am Gesamterlös um einen Betrag
übersteigt, der über den hinterlegten Übererlös hinausgeht, steht dieser den
Beklagten zu. Dabei hat das Berufungsgericht mit Recht unberücksichtigt ge-
lassen, dass Gläubigerin der Grundschulden allein die Klägerin war. Bei der
Übertragung des Miteigentums ihres Vaters an die frühere Beklagte ist diese
allerdings nicht auch Mitgläubigerin der Grundschulden geworden. Vielmehr ist
der Vater der Klägerin Mitgläubiger der Grundschulden geblieben und seine
Beteiligung zunächst der Mutter der Klägerin und nach deren Ableben der Klä-
gerin zugefallen, die damit alleinige Gläubigerin der Grundschulden wurde.
Daraus kann sie indes nichts für sie hinsichtlich der Erlösverteilung Günstiges
herleiten.
3. Die Angriffe der Revision führen nicht zum Erfolg.
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a) Zu Unrecht wendet sie ein, schon die Berechnung des zur Verteilung
stehenden Erlöses sei fehlerhaft.
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aa) Sie macht zunächst geltend, das Berufungsgericht habe bei der Be-
rechnung der Verteilungsmasse gemeinschaftsfremde Forderungen berücksich-
tigt, was nach § 756 BGB unzulässig sei. Das trifft schon im Ansatz nicht zu.
Das Berufungsgericht hat in seine Berechnung nur das Ergebnis des Versteige-
rungsverfahrens, aber weder gemeinschaftsfremde noch auf die Gemeinschaft
gründende Forderungen einbezogen.
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bb) Sodann wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsge-
richt auch den Wert der bestehen gebliebenen Grundschulden als Verteilungs-
erlös angesetzt hat. Dieser Einwand ist unbegründet.
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(1) Die Übernahme der bestehen bleibenden Lasten stellt zwar regelmä-
ßig einen Teil der Gegenleistung des Erstehers dar, die er erst künftig den
Gläubigern gegenüber zu erbringen hat. Die Leistung auf diese den wirtschaftli-
chen Wert des Grundstücks beeinträchtigenden Lasten kommt in der Regel
nicht den Teilhabern der früheren Grundstücksgemeinschaft zugute, sondern
den Gläubigern. Dieser Teil des Erlöses gehört deshalb gewöhnlich nicht zu
dem bei der Versteigerung realisierten Grundstückswert und steht für die Vertei-
lung zwischen den Teilhabern nicht zur Verfügung (BGH, Urteil vom 16. De-
zember 2009 - XII ZR 124/06, NJW-RR 2010, 520, 521 Rn. 12). Das gilt auch
dann, wenn einer der bisherigen Eigentümer das gemeinschaftliche Grundstück
ersteigert hat (BGH, Urteil vom 11. April 1990 - XII ZR 69/88, FamRZ 1990,
975, 977).
(2) Anders liegt es aber, wenn - wie hier - der Ersteher nicht nur Mitei-
gentümer des versteigerten Grundstücks, sondern auch Gläubiger der bestehen
bleibenden Rechte ist. Dann nämlich muss er im Umfang der nach den Verstei-
gerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte für den Erwerb des Grund-
stücks nichts aufwenden. Daraus folgt aber nicht, dass ihm der Teil des Grund-
stückswertes, den die bestehen gebliebenen Rechte repräsentierten, vorab und
ohne Ausgleich für den Miteigentümer verbleiben müsste. Er bekäme damit
zum Nachteil des anderen Miteigentümers mehr als den Wert seines Miteigen-
tumsanteils. Ziel der Auseinandersetzung ist jedoch die Verteilung des durch
die Versteigerung realisierten Grundstückswertes auf alle Miteigentümer ent-
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sprechend ihren Miteigentumsanteilen. Um dies zu erreichen, müssen die be-
stehen gebliebenen Rechte in dieser Fallkonstellation mit ihrem in das geringste
Gebot aufgenommenen Betrag in die Verteilung des Erlöses miteinbezogen und
eine etwa unterschiedliche Belastung der früheren Miteigentumsanteile bei der
Erlösverteilung berücksichtigt werden (Senat, Urteil vom 13. Januar 1984
- V ZR 267/82, NJW 1984, 2527, 2528). Das gilt auch dann, wenn die Rechte
im Ergebnis - wie hier - nur auf einem Miteigentumsanteil lasten. Deshalb sind
die Grundschulden hier bei der Verteilung des Erlöses zu berücksichtigen.
b) Im Ansatz begründet, aber im vorliegenden Verfahren nicht erheblich
ist der Einwand der Revision, der der Klägerin auf die Grundschuldzinsen zuge-
teilte Betrag von 27.579,82 € habe ihr nicht als Zahlung angerechnet werden
dürfen.
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aa) Dieser Betrag ist der Klägerin zwar ausgezahlt worden, weil sie die
Grundschuldzinsen im Versteigerungsverfahren angemeldet hat. Ob sich schon
daraus ergibt, dass diese Zahlung bei der Verteilung des Erlöses unter den Par-
teien nicht berücksichtigt werden darf, ist aber zweifelhaft. Es spricht nämlich
viel dafür, dass die frühere Beklagte aus den Grundschulden nicht zur Zahlung
von Grundschuldzinsen verpflichtet war (dazu sogleich unter c)) und die Zah-
lung auf die Grundschuldzinsen bei der Verteilung des Erlöses als Beteiligung
daran zu behandeln ist. Dann aber stellte sich die Anschlussfrage, wie dem
Umstand Rechnung zu tragen wäre, dass die Klägerin den auf die Grund-
schuldzinsen entfallenden Teil des Erlöses im wirtschaftlichen Ergebnis selbst
aufgebracht hat. Das Versteigerungsgericht hat das geringste Gebot nämlich
nach § 182 Abs. 2 ZVG um eben diesen Betrag erhöht, den die Klägerin auch
entrichtet hat. Das braucht hier nicht entschieden zu werden.
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bb) Die Berücksichtigung des Einwands ändert nämlich am Ergebnis
nichts. Den Umstand, dass die Klägerin den ihr auf die Grundschuldzinsen aus-
gezahlten Betrag wirtschaftlich selbst aufgebracht hat, könnte man zum einem
dadurch ausgleichen, dass man ihn bei der Verteilung des Erlöses von vorn-
herein unberücksichtigt lässt und nur den übrigen Erlös verteilt. Denkbar wäre
auch, diesen Betrag zwar, ähnlich wie bei unterschiedlich belasteten Miteigen-
tumsanteilen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 124/06, NJW-RR
2010, 520, 521 f. Rn. 17 f.), bei der Verteilung des Erlöses zu berücksichtigen,
der Klägerin aber dadurch den gebotenen Ausgleich zu verschaffen, dass man
den Beklagten die von der Klägerin aufgebrachte Erhöhung des geringsten Ge-
bots nach § 182 Abs. 2 ZVG als bereits erhaltene Zuteilung aus dem Erlös an-
rechnet. Im ersten Fall ergäbe sich eine Verteilungsmasse von (170.393,36 €
abzüglich 27.579,82 € =) 142.813,54 €, von der jeder der Parteien die Hälfte,
also 71.406,77 €, zustünde. Dann hätte die Klägerin unter Berücksichtigung der
bestehen gebliebenen Rechte 43.633,90 € mehr erhalten als ihr rechnerisch
zusteht. Im zweiten Fall bliebe es bei der von dem Berufungsgericht errechne-
ten Verteilungsmasse von 170.393,36 €, von der jeder der Parteien ein Betrag
von 85.196,68 € zustünde. Darauf hätten die Klägerin dann 142.620,49 €, die
Beklagten nicht 0 €, sondern als Folge der Anrechnung des Erhöhungsbetrags
gemäß § 182 Abs. 2 ZVG schon 27.579,82 € erhalten. Den Beklagten stünde
aber in beiden Fällen jedenfalls der hinterlegte Übererlös zu.
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c) Im Ergebnis unbegründet ist der weitere Einwand der Klägerin, das
Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, sie dürfe sich auf ihre Stel-
lung als Gläubigerin der Grundschulden nicht berufen.
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aa) Dieser Einwand lässt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht
schon auf die rechtskräftige Abweisung der Löschungsklage der früheren Be-
klagten in dem Vorprozess der Parteien stützen.
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(1) Die rechtskräftige Abweisung dieser Klage hat allerdings zur Folge,
dass der früheren Beklagten ein Löschungsanspruch endgültig aberkannt wor-
den ist. Richtig ist auch, dass das nicht nur für den Anspruch auf Löschung aus
einer besonderen Löschungsabrede mit der Klägerin gilt, den die frühere Be-
klagte im Vorprozess geltend gemacht hatte, sondern für alle in Betracht kom-
menden Löschungsansprüche. Ein Urteil, das - wie hier - eine Leistungsklage
abweist, stellt nämlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebens-
sachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann.
Das gilt auch dann, wenn im Vorprozess nicht alle erheblichen Tatsachen und
in Betracht kommenden Rechtsnormen vorgetragen und geprüft wurden (BGH,
Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 f.). Von dem
Streitgegenstand erfasst werden sämtliche materiell-rechtlichen Ansprüche, die
sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem vorgetragenen Lebenssach-
verhalt herleiten lassen; auf die rechtliche Begründung des Klägers kommt es
nicht an (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 49/08, WM 2009, 501,
504 f. Rn. 44 f., insoweit in BGHZ 179, 146 nicht abgedruckt; Stein/
Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 97, 176; Zöller/Vollkommer, ZPO,
28. Aufl., vor § 322 Rn. 41). Das gilt nach § 325 Abs. 1 ZPO auch für die jetzi-
gen Beklagten.
(2) Aus der Abweisung der Löschungsklage folgt indessen nur, dass die
frühere Beklagte keine Löschung der Grundschulden verlangen kann. Damit
steht nicht zugleich fest, dass sich die Klägerin bei der Verteilung des Erlöses
darauf berufen kann, dass sie alleinige Gläubigerin der Grundschulden war.
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(a) Die Berufung hierauf kann der Klägerin nämlich nicht nur dann ver-
sagt sein, wenn die Beklagten von ihr die Zustimmung zur Löschung verlangen
könnten. Auf ihre Stellung als Gläubigerin der Grundschulden kann sich die
Klägerin bei der Verteilung des Erlöses unter den Gemeinschaftern vielmehr
auch dann nicht berufen, wenn sie an der Durchsetzung ihrer an sich beste-
henden (vgl. § 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1147 BGB) Rechte aus den Grundschulden
(Duldungsanspruch und Anspruch auf Zahlung von Grundschuldzinsen) durch
eine schuldrechtliche Vereinbarung mit der früheren Beklagten oder ihren
Rechtsnachfolgern gehindert ist. Entschieden ist in dem Vorprozess nur über
den von der früheren Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Löschung der
Grundschulden. Gegenstand des Rechtsstreits war aber nicht die Frage, ob die
Klägerin ihrerseits von der früheren Beklagten die Duldung der Zwangsvollstre-
ckung oder die Zahlung von Grundschuldzinsen hätte verlangen können.
(b) Diese Frage ist auch nicht inhaltlich durch die Abweisung der Lö-
schungsklage der früheren Beklagten präjudiziert. Der Duldungs- und der Zins-
anspruch des Grundschuldgläubigers werden zwar regelmäßig ausscheiden,
wenn der Grundstückseigentümer (auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede
mit dem Gläubiger) die Löschung der Grundschuld verlangen kann. Daraus
folgt aber nicht, dass der Grundschuldgläubiger den Duldungs- und den Zins-
anspruch geltend machen kann, wenn ein Löschungsanspruch nicht besteht.
Die Voraussetzungen, unter denen die Löschung einer Grundschuld bean-
sprucht werden kann, müssen nämlich nicht dieselben sein wie die, unter denen
der Duldungs- oder der Zinsanspruch geltend gemacht werden können. Bei ei-
ner Sicherungsgrundschuld bestimmt sich z. B. der Löschungsanspruch nach
dem Fortbestand des Sicherungszwecks, während der Duldungsanspruch da-
von abhängt, ob die gesicherte Forderung vertragsgemäß bedient wird. Genau-
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so bleibt der Sicherungseigentümer verpflichtet, dem Sicherungsgeber den Be-
sitz der Sache zu überlassen, auch wenn er dessen Rückübereignungsan-
spruch erfolgreich abgewehrt hat. Sind die Voraussetzungen für den Lö-
schungsanspruch einerseits und den Duldungsanspruch andererseits aber nicht
notwendig dieselben, ist mit der Aberkennung des Löschungsanspruchs nicht
zugleich auch darüber entschieden, dass der Duldungsanspruch geltend ge-
macht werden kann.
bb) Im Ergebnis unbegründet ist auch das Argument der Revision, die
frühere Beklagte habe sich mangels Abtretung der Rechte aus der Zweckabre-
de ihrer Eltern nicht auf den unveränderten treuhänderischen Charakter der
Grundschulden berufen können.
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(1) Richtig ist allerdings, dass sich die frühere Beklagte bei dem von dem
Berufungsgericht gewählten Ansatz auf den treuhänderischen Charakter der
Grundschulden nur berufen konnte, wenn ihr die Rechte aus der Zweckabrede
ihrer Eltern abgetreten wurden. Denn das Berufungsgericht leitet den treuhän-
derischen Charakter der Grundschulden daraus ab, dass diese nur dazu ge-
dacht waren, einen Gläubiger der Eltern von der Vollstreckung in den Grundbe-
sitz abzuhalten. Nicht frei von Zweifeln ist, ob sich aus dem Übergabevertrag
ableiten lässt, der früheren Beklagten seien stillschweigend die Rechte aus die-
ser Zweckabrede abgetreten worden. Nach dem Vertrag sollten der früheren
Beklagten nur die Ansprüche auf Rückgewähr der Fremdgrundschuld zur Si-
cherung des Darlehens der Eltern anteilig abgetreten werden, die Grundschul-
den dagegen bestehen bleiben. Darauf kommt es aber nicht an.
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(2) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Grund-
schulden gegenüber der früheren Beklagte nicht vewerten dürfen, erweist sich
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nämlich im Ergebnis aus einem anderen Grund als zutreffend. Dieses Verwer-
tungshindernis ergibt sich unabhängig von der möglichen Abtretung der Rechte
aus der ursprünglichen Zweckabrede der Eltern aus einem schuldrechtlichen
Verwertungsverbot, das die frühere Beklagte im Zusammenhang mit dem
Übergabevertrag am 17. März 1976 stillschweigend selbst mit beiden Eltern
vereinbart hat.
(a) Zweck dieses Vertrags war es, der früheren Beklagten im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge mit dem hälftigen Anteil an ihrem Grundstück
einen substantiellen Vermögenswert zuzuwenden. Dieser Gestaltungswille der
Eltern kommt schon in dem Übergabevertrag selbst zum Ausdruck. Dieser hält
neben der Anrechnung der Übertragung auf das Erb- und Pflichtteilsrecht der
früheren Beklagten fest, dass der Wert des Miteigentumsanteils trotz der beste-
hen bleibenden Grundschulden 130.000 DM beträgt. Außerdem sollte die frühe-
re Beklagte die Hälfte der damals noch bestehenden Darlehensschuld ihrer El-
tern übernehmen und die Eltern insoweit freistellen. Die Eingehung einer sol-
chen Freistellungsverpflichtung ergibt aus der Sicht aller an der Urkunde Betei-
ligten nur einen Sinn, wenn der früheren Beklagten nicht bloß ein formaler Ei-
gentumstitel verschafft werden sollte, sondern ein substantieller Vermögens-
wert. Andernfalls hätte diese nicht nur (durch die Anrechnungsklausel) ihren
Erb- und Pflichtteil eingebüßt, sondern auch noch einen zusätzlichen Vermö-
gensnachteil erlitten, was erkennbar nicht angestrebt war.
25
(b) Dazu bedarf es keines Rückgriffs auf den Erbvertrag, den die Eltern
der Klägerin im Anschluss an den Übergabevertrag geschlossen haben. Der
Erbvertrag bestätigt aber die Auslegung des Übergabevertrags. Er lässt nämlich
erkennen, dass die Eltern den Plan verfolgten, beiden Töchtern jeweils die Hälf-
te ihres Grundstücks zuzuwenden. Technisch wird das dadurch erreicht, dass
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- 14 -
der früheren Beklagten durch den Übergabevertrag schon zu Lebzeiten der El-
tern der Miteigentumsanteil des Vaters zugewandt und mit dem Erbvertrag die
Klägerin unter Enterbung ihrer Schwester zur Erbin des letztversterbenden El-
ternteils bestimmt wird. Das setzte voraus, dass der früheren Beklagten mehr
als nur ein formaler Titel zugewandt wurde.
(c) Die von den Eltern angestrebte Zuwendung an die frühere Beklagte
ließ sich auf dem von ihnen dazu gewählten technischen Weg nur erreichen,
wenn die Geltendmachung der Gläubigerrechte aus den Grundschulden schuld-
rechtlich eingeschränkt wurde.
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(aa) Hätten die Eltern, indem sie sich ihre Gläubigerrechte aus den
Grundschulden insgesamt vorbehielten, die frühere Beklagte uneingeschränkt
zur Zahlung von Grundschuldzinsen oder dazu verpflichten wollen, jederzeit die
Zwangsvollstreckung in den ihr übertragenen Miteigentumsanteil zu dulden,
wäre der Miteigentumsanteil jedenfalls im entscheidenden Zeitpunkt, nämlich
nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils, wertlos gewesen. Anhalts-
punkte dafür, dass die Eltern dies angestrebt oder in Kauf genommen haben
könnten, sind nicht ersichtlich. Nicht ersichtlich ist auch, weshalb die frühere
Beklagte für eine bei diesem Verständnis letztlich wertlose Zuwendung die Ver-
pflichtung zur anteiligen Freistellung der Eltern von ihren Verpflichtungen aus
einem damals noch valutierenden Darlehen hätte übernehmen sollen. Das Ver-
tragsziel ließ sich nur erreichen, wenn die Geltendmachung der Grundschulden
nicht mehr uneingeschränkt möglich war.
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(bb) Das muss zwar nicht bedeuten, dass sich die Eltern verpflichten
wollten, schon zu ihren Lebzeiten von ihren Rechten aus den Grundschulden
keinen oder nur dann Gebrauch zu machen, wenn sich die frühere Beklagte
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nicht an den Übergabevertrag hielt. Eine solche Bindung enthielt oder bewirkte
auch der Erbvertrag mit der Klägerin nicht. Es gibt im Gegenteil Anhaltspunkte
dafür, dass sich die Eltern diese Möglichkeit vorbehalten wollten, etwa um einen
doch noch drohenden Zugriff ihres Gläubigers auf das Grundstück zu verhin-
dern.
(cc) Das eigentliche Ziel des Vertrags war nicht, der früheren Beklagten
eine zu Lebzeiten der Eltern verwertbare Rechtsposition zu verschaffen. Das
war mit der gewählten Konstruktion, insbesondere mit dem Vorbehalt der Gläu-
bigerrechte, nicht zu erreichen. Der Vertrag zielte vielmehr darauf, ihr einen
Vermögenswert zu verschaffen, den sie nach dem Ableben des letztverster-
benden Elternteils in der Erbauseinandersetzung mit der Klägerin geltend ma-
chen konnte. Das aber war nur möglich, wenn die Grundschulden jedenfalls von
diesem Zeitpunkt an nicht mehr gegen die frühere Beklagte geltend gemacht
werden durften. Nur so war auch zu verhindern, dass die frühere Beklagte, die
anders als die Klägerin im Vorgriff hierauf auch die Darlehensschuld der Eltern
anteilig im Innenverhältnis übernommen hatte, schlechter stand als diese. Denn
die Verfügungen von Todes wegen aus dem Erbvertrag der Klägerin mit ihren
Eltern konnten nach dem Tod des Letztversterbenden ebenfalls nicht mehr ge-
ändert werden. Ohne ein entsprechendes schuldrechtliches Verwertungsverbot
dieses Inhalts drohte der Vertrag nicht nur sein Kernziel zu verfehlen, sondern
auch zu einem über den Verlust der Beteiligung am Nachlass der Eltern hin-
ausgehenden Nachteil umzuschlagen: Die Aufwendungen der früheren Beklag-
ten für das Darlehen der Eltern könnten sich selbst dann noch als vergeblich
erweisen, wenn die Eltern, wie auch geschehen, zu ihren Lebzeiten weder über
den Miteigentumsanteil der Mutter verfügten noch von ihren Gläubigerrechten
aus den Grundschulden Gebrauch gemacht hatten. Das haben die Eltern er-
sichtlich nicht angestrebt. Sie wollten den Erfolg des Übergabevertrags jeden-
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falls nach dem Tod des Letztversterbenden sicherstellen und haben deshalb mit
der früheren Beklagten stillschweigend vereinbart, dass die Grundschulden von
diesem Zeitpunkt an nicht mehr verwertet werden durften.
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(d) Diese Vereinbarung ist nicht nur mit dem Vater, sondern mit beiden
Elternteilen zustande gekommen. Vertragspartei des eigentlichen Übergabever-
trags war zwar nur der Vater. Die Mutter hat aber an der Vertragsverhandlung
vor dem Notar teilgenommen und dem Vertrag zugestimmt. Ihre Teilnahme
mag in erster Linie güterrechtliche Gründe gehabt haben. Ohne ihre Mitwirkung
als (Mit-) Gläubigerin der Grundschulden ließ sich das angestrebte gemeinsa-
me Gestaltungsziel beider Eltern aber nicht erreichen. Mit ihrer Zustimmung zu
dem Übergabevertrag ist die Mutter Vertragspartei des Verwertungsverbots
geworden.
(e) Diese Verpflichtungen sind im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf
die Klägerin übergegangen, die deshalb aus den Grundschulden gegen die frü-
here Beklagte nicht mehr vorgehen durfte.
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d) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand der Revision, der Er-
höhungsbetrag nach § 182 Abs. 2 ZVG habe angesichts der unterschiedlichen
Belastung der Miteigentumsanteile zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt wer-
den müssen.
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aa) Die Miteigentumsanteile waren allerdings unterschiedlich belastet.
Die Grundschulden lasteten zwar als Gesamtgrundschulden (vgl. Senat, Urteil
vom 19. März 2010 - V ZR 52/09, WM 2010, 834, 835 Rn. 7) auf beiden Mitei-
gentumsanteilen. Gläubiger der Gesamtgrundschulden war aber, wie oben un-
ter 2. ausgeführt, allein die Klägerin. Da diese ihren eigenen Miteigentumsanteil
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jederzeit hätte freigeben können (vgl. Senat, Urteil vom 19. März 2010
- V ZR 52/09, aaO, Rn. 9), haftete für die Grundschulden in der Sache allein der
Miteigentumsanteil der früheren Beklagten.
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bb) Bei der Verteilung des Erlöses wäre einer unterschiedlichen Belas-
tung der Miteigentumsanteile zwar grundsätzlich Rechnung zu tragen (BGH,
Urteil vom 28. April 1983 - IX ZR 1/82, NJW 1983, 2449, 2451; Senat, Urteil
vom 13. Januar 1984 - V ZR 267/82, NJW 1984, 2527, 258; BGH, Urteil vom
16. Dezember 2009 - XII ZR 124/06, NJW-RR 2010, 520, 521). Hier scheidet
ihre Berücksichtigung aber aus, weil sich die unterschiedliche Belastung im
Verhältnis der Klägerin zur früheren Beklagten nicht auswirkt. Die Klägerin war,
wie unter c) bb) (2) dargelegt, seit dem Tod ihrer Mutter gehindert, von der frü-
heren Beklagten die Duldung der Zwangsversteigerung in deren Miteigentums-
anteil und die Zahlung von Grundschuldzinsen zu verlangen.
cc) Dessen ungeachtet wäre aber bei der Verteilung des Erlöses dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass die Klägerin den Erhöhungsbetrag entrich-
tet und im wirtschaftlichen Ergebnis die Auskehrung des auf die Grundschuld-
zinsen entfallenden Betrags an sich selbst finanziert hat. Das ändert aber nichts
daran, dass den Beklagten jedenfalls der hinterlegte Übererlös zusteht.
36
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III.
37
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke
Schmidt-Räntsch
Stresemann
Czub
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 18.05.2009 - 3 O 223/06 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 10.02.2010 - 5 U 316/09-77-