Urteil des BGH vom 01.10.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
XI ZR 28/12
Verkündet am:
1. Oktober 2013
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 765
VwVfGBbg § 38; LOGBbg aF § 11 Abs. 4
Zur Zuständigkeit eines Landesministers, im Wege des Selbsteintritts die Haf-
tung eines Bürgen für die Rückforderung von Fördermitteln zu beschränken,
wenn die Befugnis zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben bei Durchführung
des betreffenden Förderprogramms einer als rechtsfähiger Anstalt des öffentli-
chen Rechts errichteten Investitionsbank des Landes übertragen worden ist.
BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013 - XI ZR 28/12 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 1. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers
und die Richter Dr. Ellenberger, Dr. Grüneberg, Maihold und die Richterin
Dr. Menges für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember
2011 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom
25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits sowie
die weiteren Kosten der Nebenintervention.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die klagende Investitionsbank begehrt von der Beklagten aufgrund ei-
ner von dieser abgegebenen Haftungserklärung die Erstattung eines Investiti-
onszuschusses, der für die Errichtung einer Recyclinganlage gewährt worden
ist.
Das streithelfende Land schloss am 27. Mai/8. Juni 1993
mit der Klägerin, einer unter Rechtsaufsicht des Finanzministeriums des Lan-
des stehenden Anstalt des öffentlichen Rechts, einen Ge-
schäftsbesorgungsvertrag, in dem diese beauftragt wurde, unter Fachaufsicht
(Unterrichtung, fachliche Weisung, Selbsteintrittsrecht im Einzelfall) des Wirt-
schaftsministers Fördermittel zu vergeben, die im Rahmen des Gesetzes über
die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"
aus Bundes- und Landeshaushalt bereitgestellt worden waren. Um solche
Fördermittel
bewarb
sich
die
P.
AG (nachfolgend: P. ), die in Pr. , einem
früheren Chemiestandort mit hoher Arbeitslosigkeit, eine neuartige Anlage
zum Recycling von Teppichböden errichten und betreiben wollte. An der P.
beteiligten sich als Minderheitsaktionäre die zum Konzern der M.
AG gehörende Beklagte und deren Schwesterunternehmen L.
GmbH, die als Generalunternehmerin für den Bau der
Anlage in Aussicht genommen worden war. Nach längeren Verhandlungen er-
teilte die Klägerin der P. am 18. Juni 1998 einen Bescheid, in dem sie die
Gewährung einer Gesamtsubvention von 67.248.900 DM in Aussicht stellte
und ankündigte, den Zuwendungsbescheid mit der Auflage zu verbinden, dass
die Gesellschafter der P. im Falle eines Widerrufs des Zuwendungsbe-
scheids die Haftung für eine Rückzahlung der Subvention entsprechend ihrer
jeweiligen Beteiligungen übernehmen sollten. Der Vorstand der Konzernmutter
der Beklagten und der L. GmbH beauftragte am
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23. Juni 1998 den damaligen Vorstandssprecher der Beklagten S. , eine
Minimierung dieses Risikos zu bewirken.
Am 25. Juni 1998 richtete dieser ein Schreiben an den damaligen Minis-
ter für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes
D. , in dem er auf die Kritik des Vorstandes an der hohen Haftungs-
summe bei Nichteinhaltung der vorgesehenen Beschäftigungsgarantie hinwies
und fragte, was geschehe, wenn wichtige angenommene Planungsdaten, wie
etwa Verkaufspreise der erzeugten Produkte oder Gesetzesbestimmungen zur
Abfallwirtschaft, sich später so dramatisch ändern sollten, dass die P.
nachhaltig in die Verlustzone gerate. Da das Rückforderungsrecht des Landes
eine Kann-Bestimmung sei und darauf verzichtet werden könne, ließe sich die
Diskussion über diesen Punkt beenden, wenn das Land erklären
könnte, dass es auf Rückzahlung der Fördermittel verzichte, wenn die P.
"aufgrund von ihr nicht zu beeinflussender Umstände" in eine wirtschaftliche
Schieflage gerate.
Der Minister hielt in einem am 26. Juni 1998 gefertigten Vermerk über
ein Telefonat fest, er habe Herrn S. unterrichtet, dass in wirtschaftlichen
Notfällen das Land einen Ermessensspielraum habe (z.B. bei Konjunkturein-
bruch). Dies solle weiter präzisiert und besprochen werden.
In einem Telefax vom 30. Juni 1998 an die Klägerin bezog sich die Be-
klagte auf ein Telefonat mit dem Minister und verwies auf Nr. 7.6.2. Buchst. c)
aa) der Richtlinie des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie
zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Rahmen der Gemeinschaftsauf-
gabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" GA - (GA-G) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 19. Mai 1998 (ABl. Bbg, S. 522), wonach
von einem Widerruf ganz abgesehen werden könne, wenn "die Marktverhält-
nisse sich seit Investitionsbeginn in unvorhersehbarer Weise verändert ha-
ben". Nach ihrem Verständnis habe der Minister zugesagt, dass von einem
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Widerruf des Zuwendungsbescheides abgesehen werde, "wenn die in o.a. Be-
stimmung erwähnte Veränderung der Marktverhältnisse auf späteren Ände-
rungen der gesetzlichen Regelungen oder nachhaltiger Gefährdung der wirt-
schaftlichen Existenz des Unternehmens aufgrund nicht beeinflussbarer äuße-
rer Umstände, wie z.B. Preisverfall, beruht".
Die Klägerin verwies in ihrer Antwort vom 1. Juli 1998 darauf, dass sie
bei Widerruf eines Bescheides nach den in der Förderrichtlinie des Ministeri-
ums festgelegten Regelungen zur Ermessensausübung verfahre. Sie gehe
davon aus, dass zu Fragen aus den Gesprächen zwischen Herrn D.
und Herrn S. eine schriftliche Äußerung des Ministeriums für Wirtschaft,
Mittelstand und Technologie des Landes erfolgen werde.
Unter Hinweis auf die entscheidende Vorstandssitzung bei der M.
am 7. Juli 1998 erbat der Vorstandssprecher der Beklagten in ei-
nem Schreiben vom 3. Juli 1998 von dem Minister bis zum 6. Juli 1998 eine
Zusage des streithelfenden Landes, "keine Fördermittel zurückzufordern, wenn
die P. AG durch von ihr nicht zu beeinflussende Faktoren in wirt-
schaftliche Schwierigkeiten gerät".
Darauf antwortete der Minister mit Schreiben vom 6. Juli 1998 an den
Vorstandssprecher der Beklagten auszugsweise wie folgt:
"Ihre Schreiben vom 25. Juni 1998 sowie das nachgeschobene
Schreiben vom 03. Juli 1998 sind hier im Hause Gegenstand
eingehender Prüfung gewesen. Im Ergebnis dessen teile ich
Ihnen sehr gern mit, dass das Land seine Forde-
rungen bei einem eventuellen gänzlichen oder teilweisen Schei-
tern des Projektes lediglich gegen die Gesellschaft, nicht aber
gegen die Gesellschafter erheben wird. […]
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In diesem Zusammenhang hat die Landesregierung
regelmäßig von den ihr eingeräumten Ermessensspiel-
räumen Gebrauch gemacht, wenn es darum ging, einem unver-
schuldet in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen zu helfen.
Das war immer so und wird auch in dem hier beschriebenen
Falle so gehandhabt werden.
Ich werde deshalb die für mein Haus tätige Bewilligungsbehörde
(InvestitionsBank des Landes ) darauf hin-
weise
n, dass im Falle des Projektes ‚P. ‘ – genauso
wie in anderen Fällen
– alle Möglichkeiten der Ermessensaus-
übung auszuschöpfen sind, wenn die P. durch von
ihr nicht zu beeinflussende Faktoren in wirtschaftliche Schwie-
rigkeiten gerät."
Am 13. Juli 1998 erließ die Klägerin einen Zuwendungsbescheid über
eine zweckgebundene Subvention von 106.953.700 DM, der sowohl mit der
Auflage verknüpft war, während einer Mindestbetriebszeit eine bestimmte An-
zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen, als auch mit der angekündigten Auflage
einer quotalen Haftungsübernahme durch die Gesellschafter der P. , er-
satzweise Stellung einer Bankbürgschaft. Mit notariell beurkundeter Erklärung
vom 6. November 1998 übernahm die Beklagte unter Bezugnahme auf die
entsprechenden Nebenbestimmungen zum Subventionsbescheid die ihrer Be-
teiligung an der P. von 17,43% entsprechende quotale Haftung für Erstat-
tungsansprüche nach Widerruf oder Rücknahme des Subventionsbescheides
ohne weitere Einschränkungen.
Die Anlage wurde errichtet, konnte aber wegen einer Fehleinschätzung
der Subventionsempfängerin zum Polyamidanteil und zu Störstoffen in deut-
schen Teppichböden nicht wirtschaftlich betrieben werden. Am 1. September
2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. eröffnet.
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Am 11. September 2003 erließ die Klägerin einen Widerrufsbescheid, mit dem
52.113.129,01
€ Subventionszahlungen sowie 12.222.954,77 € Zinsen zu-
rückgefordert wurden. Den Widerspruch des Insolvenzverwalters der P.
wies die Klägerin zurück, eine Anfechtungsklage wurde zurückgenommen.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte entspre-
chend deren Gesellschaftsanteil an der P. auf Rückerstattung von insge-
samt 13.777.649,47
€ (9.083.318,39 € Subventionen und 4.694.331,08 € Zin-
sen) nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von
insgesamt 11.213.779,40
€ (9.083.318,39 € Subventionen und 2.130.461,01 €
Zinsen) nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abge-
wiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klä-
gerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-
fungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für die Revision von Interesse - ausgeführt:
Der Klägerin stehe nach Widerruf des Subventionsbescheids aufgrund
der Haftungserklärung vom 6. November 1998 ein Anspruch auf Bürgenleis-
tung nach § 765 Abs. 1 BGB in Höhe von 17,43% der Erstattungsansprüche
der Klägerin gegen die P. zu. Die Haftungserklärung der Beklagten vom
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6. November 1998 sei mangels Einhaltung der beiderseitigen Schriftform nach
§ 57 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land in der bis
zum 16. Juli 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: VwVfGBbg aF) als öf-
fentlich-rechtlicher Vertrag nichtig. Sie könne nicht in einen privatrechtlichen
Schuldbeitritt, wohl aber in eine Bürgschaft umgedeutet werden (§ 140 BGB).
Die Beklagte könne einem Anspruch daraus jedoch nach § 242 BGB entge-
genhalten, dass durch das Schreiben des Ministers vom 6. Juli 1998 ein Ver-
trauenstatbestand geschaffen worden sei. Der Minister habe das streithelfende
Land verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Klägerin die Bürgschaft gegen-
über der Beklagten bei einem gänzlichen oder teilweisen Scheitern des Pro-
jekts nicht eintreibe, sodass die Beklagte habe annehmen können und auch
angenommen habe, sie werde von der Klägerin nicht in Anspruch genommen.
Das Schreiben sei gemäß §§ 133, 157 BGB seinem objektiven Erklä-
rungswert nach als verbindlich auszulegen. Auch das nachvertragliche Verhal-
ten der Beklagten - Abgabe der Haftungserklärung am 6. November 1998 -
stehe nicht entgegen. Der unveränderten Auflage im Subventionsbescheid
vom 13. Juli 1998 habe die Beklagte nämlich entsprechen müssen, weil das
Schreiben des Ministers eine Freistellung nur für einen Teil der möglichen Wi-
derrufs- oder Rücknahmegründe gewährt habe, nämlich für das "Scheitern"
des Projekts.
Die Klägerin müsse sich die Verpflichtung des Ministers bei der Gel-
tendmachung des Anspruchs aus der Bürgschaft entgegenhalten lassen, ob-
wohl der Minister die Erklärung nicht im Namen der Klägerin und in deren Ver-
tretung abgegeben habe. Denn der Minister habe mit dem Schreiben eine
verwaltungsrechtliche Zusage erteilt, bei der er in die Zuständigkeitsrechte der
Klägerin eingetreten sei. Die Zusage wäre nur dann nichtig, wenn sie nicht
schriftlich oder von der unzuständigen Behörde abgegeben worden wäre bzw.
sonst an einem schwerwiegenden offenkundigen Mangel im Sinne des
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§ 44 Abs. 1, Abs. 2 VwVfGBbg aF leiden würde. Die Zuständigkeit des Minis-
ters ergebe sich aus der Ausübung des Selbsteintrittsrechts. Ein Selbsteintritt
liege vor, wenn eine ressortmäßig und instanziell zur Aufsicht berufene und mit
entsprechenden Weisungsbefugnissen ausgestattete Stelle die Aufgabe, die
Gegenstand der Aufsicht sei, extern gegenüber dem Bürger wahrnehme, also
in Überspringung der instanziellen Aufgabenverteilung die Funktion der sach-
lich erstzuständigen Stelle ausübe. Ein Recht zum Selbsteintritt sei durch die
Ermächtigung in § 5 Abs. 4 (richtig § 4 Abs. 2 Satz 3) des Gesetzes über die
Investitionsbank des Landes in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 23. Juli 1996, (GVBl. I, S. 258; im Folgenden: InvestitionsbankG)
geschaffen worden, die erlaube, die Einzelheiten bei der Wahrnehmung von
hoheitlichen Aufgaben zur Umsetzung von Fördermaßnahmen durch Ge-
schäftsbesorgungsverträge zu regeln. Der zur Durchführung der Gemein-
schaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" abge-
schlossene öffentlich-rechtliche Geschäftsbesorgungsvertrag habe dem vom
Wirtschaftsminister vertretenen streithelfenden Land unter Ziffer 1.1. Abs. 3 ein
Recht zum Selbsteintritt eingeräumt.
Der Selbsteintritt sei auch ausgeübt worden, da sich der Minister, der
sich schon zuvor an den Verhandlungen beteiligt habe, durch die Zusage ge-
genüber der Beklagten erkennbar an die Stelle der nachgeordneten Behörde,
der Bewilligungsstelle, gesetzt habe. Dass der Minister nicht das gesamte
Verwaltungsverfahren zur Bewilligung der Subvention an sich gezogen habe,
sei unschädlich. Ob die Zusage gegen Haushaltsrecht des Landes verstoßen
habe, könne dahinstehen, da es sich bei § 34 Abs. 1 LHOBbg nicht um einen
Rechtssatz mit Außenwirkung handele. Die Beklagte habe durch die Abgabe
der Haftungserklärung auch nicht auf ihre Rechte aus der Zusage verzichtet.
Die tatsächlichen Voraussetzungen der Zusage lägen vor, da das Pro-
jekt "gescheitert" sei. Ob der wirtschaftliche Misserfolg der P. ein Scheitern
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in diesem Sinne darstelle, bedürfe ebenfalls der Auslegung nach §§ 133, 157
BGB. Der Wortlaut der Zusage knüpfe mit dem Wort "Scheitern" nur an einen
Fehlschlag des Projekts an, also an einen Zustand, in dem nicht mehr zu er-
warten sei, dass das Projekt fortgeführt werden könne, wobei ein Verschulden
- ähnlich § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Scheitern der Ehe - ohne Bedeutung
sei. Zu einer anderen Beurteilung führe auch nicht der Umstand, dass die Be-
klagte mehrfach um Schonung für den Fall nachgesucht habe, dass das Pro-
jekt in eine wirtschaftliche Schieflage aufgrund von Umständen gerate, "die die
Subventionsempfängerin nicht beeinflussen kann". Die Anfragen rechtfertigten
nicht die Annahme, dass nur bei unverschuldeten Fehlschlägen mittels der Mi-
nistererklärung freizustellen sei. Denn das Ministerschreiben gehe durchaus
auf das zunächst gestellte Ansinnen ein, nämlich durch Ausführungen, in de-
nen insoweit - nur - eine wohlwollende Ermessensausübung in Aussicht ge-
stellt werde. Die Freistellung für einen wirtschaftlichen Fehlschlag schlechthin
sei auch nicht interessenwidrig. Der Minister habe davon ausgehen können,
dass die Beklagte die hohen Geldbeträge nicht leichtfertig aufs Spiel setzen
würde. Die Beklagte habe sich auf eine Freistellung nur bei schuldlosen Fehl-
schlägen nicht sinnvoll einlassen können, da sie dies mit einem kaum zu füh-
renden Nachweis belastet und hohe Risiken begründet hätte.
Die Beklagte habe im Hinblick auf die Ministererklärung Dispositionen
getroffen, also auf eine Einhaltung des Zugesagten vertraut, indem sie die Haf-
tungserklärung am 6. November 1998 unterzeichnet habe.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung in entscheiden-
den Punkten nicht stand. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach Widerruf
der Subventionsbewilligung im Bescheid vom 11. September 2003 aufgrund
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der Haftungserklärung der Beklagten vom 6. November 1998 gemäß
§ 765 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung von 11.213.779,40
€ (9.083.318,39 €
an Subventionen und 2.130.461,01
€ an Zinsen). Dem kann die Beklagte nicht
das Ministerschreiben vom 6. Juli 1998 entgegenhalten, da der Minister, der
für eine solche Zusage nicht zuständig war, auch nicht im Rahmen eines
Selbsteintrittsrechts handelte und der hier vorliegende Fall eines verschulde-
ten Scheiterns des subventionierten Projekts von der Ministererklärung nicht
umfasst war.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die von der Beklagten am
6. November 1998 unterzeichnete Haftungserklärung als Bürgschaftserklärung
nach § 765 Abs. 1 BGB angesehen.
Als privatrechtlicher Schuldbeitritt ist die Erklärung nach § 306 BGB in
der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung nichtig, da ein Schuldbei-
tritt seinem Wesen nach der Rechtsnatur der Hauptforderung folgen muss
(Senatsurteile vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rn. 21 ff.
und vom 28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 15; BGH, Be-
schluss vom 17. September 2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 15). Der
Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags hätte der - hier nicht eingehal-
tenen - Schriftform des § 57 VwVfGBbg aF bedurft (vgl. Senatsurteil vom
28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 15; BGH, Beschluss vom
17. September 2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 17). Der nichtige
Schuldbeitritt ist gemäß § 140 BGB in eine Bürgschaftserklärung umzudeuten
(vgl. Senatsurteile vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39
Rn. 24 ff. und vom 28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 16; BGH,
Beschluss vom 17. September 2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 18 f.).
Dies nehmen die Klägerin und ihr Streithelfer hin.
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2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, die
Beklagte könne ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft das Schreiben des
Wirtschaftsministers vom 6. Juli 1998 entgegenhalten.
a) Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen,
dass die fragliche Ministererklärung als verwaltungsrechtliche Zusage anzuse-
hen ist, da sie - anders als eine verwaltungsrechtliche Zusicherung nach
§ 38 Abs. 1 VwVfGBbg aF - nicht auf einen noch zu erlassenden Verwal-
tungsakt, sondern auf ein künftiges tatsächliches Verhalten des Landes
, hier die Rückforderung von Zuwendungen nach Widerruf eines Sub-
ventionsbescheids, gerichtet war, das dem öffentlichen Recht zuzuordnen war.
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Zusage des Ministers
vom 6. Juli 1998 als wirksam angesehen, da es übersehen hat, dass die ge-
setzlichen Voraussetzungen eines Selbsteintrittsrechts des Ministers nicht er-
füllt waren.
aa) Zwar führt ein Mangel der instanziellen Zuständigkeit im Allgemei-
nen nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nach § 44 Abs. 1 VwVfGBbg
(vgl. dazu BVerwG, NJW 1976, 765, 767; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Ver-
waltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 44 Rn. 177 mwN; Schemmer in BeckOK
VwVfG, Stand 1. Juli 2013, § 44 Rn. 24). Die Wirksamkeit einer Zusage setzt
aber - anders als die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
geltend gemacht hat - voraus, dass sie im Rahmen der Handlungszuständig-
keit der jeweiligen Behörde und von einem Bediensteten abgegeben worden
ist, der nach seiner Stellung in der Behörde zu derartigen Erklärungen befugt
ist (vgl. BVerwGE 26, 31, 36; 49, 244, 248; BVerwG, BeckRS 1988, 31247101;
BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2007 - 8 BV 06.1765, juris Rn. 50).
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bb) Weiter geht das Berufungsgericht in Anwendung insoweit nicht revi-
siblen Landesrechts (vgl. § 545 Abs. 1 ZPO aF, Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-
RG) davon aus, dass für die vorliegende Zusage nicht der Minister, sondern
nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 27. Mai/8. Juni 1993 die Klägerin
als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Investiti-
onsbankG; § 3 Abs. 3 Satz 4 der Satzung der Klägerin in der Fassung vom
11. August 2004) zuständig war (vgl. insoweit auch BayVGH, Urteil vom
17. Juli 2007 - 8 BV 06.1765, juris Rn. 51). Das hat ersichtlich auch die Be-
klagte so gesehen, da sie mit Telefax vom 30. Juni 1998 - allerdings vergeb-
lich - versucht hat, eine Zusage von der Klägerin zu erlangen.
cc) Weiter stellt das Berufungsgericht unangegriffen fest, dass der Mi-
nister mit dem Schreiben vom 6. Juli 1998 nicht in Vertretung der Klägerin ge-
handelt hat.
dd) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revisionser-
widerung konnte der Minister mit der vorliegenden Zusage die Klägerin aber
auch nicht im Wege eines Selbsteintritts gestützt auf Ziffer 1.1. Abs. 3 des Ge-
schäftsbesorgungsvertrags binden, da die Voraussetzungen für einen Selbst-
eintritt nach § 11 Abs. 4 des Gesetzes über die Organisation der Landesver-
waltung in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1994 (GVBl.
I, S. 406, nachfolgend: LOGBbg aF; jetzt: § 15 Abs. 3 LOGBbg nF) nicht erfüllt
waren.
(1) Einer Berücksichtigung von § 11 Abs. 4 LOGBbg aF im Revisions-
verfahren steht nicht nach § 545 Abs. 1 ZPO aF entgegen, dass diese Rege-
lung sich nicht über den Bezirk eines Oberlandesgerichts, hier des Oberlan-
desgerichts für , hinaus erstreckt hat. Obwohl diese Beschrän-
kung einer Überprüfung von Landesrecht durch das FGG-Reformgesetz vom
17. Dezember 2008 aufgehoben worden ist, muss sie vorliegend weiter beach-
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tet werden, da § 545 Abs. 1 ZPO nF nach der Übergangsvorschrift in
Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG nicht auf Verfahren anzuwenden ist, die vor
dem 1. September 2009 eingeleitet worden sind (vgl. BGH, Urteil vom
18. Februar 2011 - V ZR 137/10, NJW-RR 2011, 515 Rn. 9 mwN). Damit wird
der vorliegende Rechtsstreit, in dem die Klage bereits im Jahr 2007 erhoben
worden ist, von der Neuregelung nicht erfasst.
Das Revisionsgericht hat nicht revisibles Recht aber dann zu klären und
auszulegen, wenn dieses - wie hier § 11 Abs. 4 LOGBbg aF - vom Beru-
fungsgericht außer Betracht gelassen wurde und infolgedessen auch nicht
gewürdigt worden ist, da es sich dann nicht um die ansonsten unzulässige
Nachprüfung einer insoweit nicht revisiblen Entscheidung handelt (vgl. BGH,
Urteile vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 23 und vom
11. Juli 1996 - III ZR 133/95, WM 1996, 2063, 2064).
(2) Dabei bedarf keiner Klärung, ob bei Fehlen einer gesetzlichen Re-
gelung ein ungeschriebenes Selbsteintrittsrecht angenommen werden kann
(vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1962 - III ZR 15/61, juris Rn. 31), da vorliegend
das Zuständigkeits- bzw. Organisationsrecht des Landes regelt, ob und unter
welchen Voraussetzungen eine Aufsichtsbehörde zum Selbsteintritt berechtigt
ist (vgl. dazu BVerwG, Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 84; BayVGH, Urteil vom
17. Juli 2007 - 8 BV 06.1765, juris Rn. 52).
Nach § 11 Abs. 4 LOGBbg aF durften die Fachaufsichtsbehörden des
Landes - hier nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag vom
27. Mai/8. Juni 1993 das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technolo-
gie des streithelfenden Landes - die Befugnisse nachgeordneter Behörden bei
Gefahr im Verzuge oder aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung
selbst ausüben. Damit waren abschließend die Fälle festgelegt, in denen ein
Selbsteintrittsrecht bestand (vgl. LT-Drucks. 3/6939
zu §
15 Abs. 3).
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Die in § 11 Abs. 4 LOGBbg aF genannten Voraussetzungen für ein
Selbsteintrittsrecht sind vorliegend nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine Eilkom-
petenz sind nicht erkennbar. Eine besondere gesetzliche Ermächtigung, die
dem Minister ein allgemeines Recht zum Selbsteintritt eröffnet hätte, bestand
hier nicht. Dafür reichte die Erwähnung eines Selbsteintrittsrechts in Ziffer 1.1.
Abs. 3 des Geschäftsbesorgungsvertrags nicht aus. Der Geschäftsbesor-
gungsvertrag zwischen dem Land und der Klägerin stellte näm-
lich keine gesetzliche Ermächtigung im Sinne von § 11 Abs. 4 LOGBbg aF dar,
sondern setzt in Ziffer 1.1. Abs. 3 das in § 11 Abs. 4 LOGBbg aF abschließend
normierte Selbsteintrittsrecht voraus.
c) Unabhängig davon begegnet auch die Auslegung des Minister-
schreibens vom 6. Juli 1998 durch das Berufungsgericht durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die
Auslegung einer Individualerklärung allerdings grundsätzlich den Tatsachen-
gerichten vorbehalten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft
werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist, gesetzliche Aus-
legungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften
verletzt sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, WM 2009,
2321 Rn. 18 mwN) und der Tatrichter die beiderseitige Interessenlage ausrei-
chend berücksichtigt (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2000 - II ZR 345/98, WM
2000, 2428, 2429) hat. Handelt es sich aber - wie hier - um hoheitliches Han-
deln, kann der Senat, was die Revisionserwiderung übersieht, die betreffende
Erklärung in vollem Umfang selbst auslegen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom
9. Dezember 1982 - III ZR 106/81, BGHZ 86, 104, 110, vom 16. September
1993 - IX ZR 255/92, NJW 1994, 4950, vom 19. März 1998 - IX ZR 120/97,
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NJW 1998, 2138, 2140 und vom 22. September 2009 - XI ZR 286/08, WM
2009, 2073 Rn. 20, jeweils mwN). Dabei gilt § 133 BGB entsprechend (vgl.
BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR 120/97, NJW 1998, 2138, 2140 mwN
und BVerwGE 49, 244, 247).
bb) Die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung, die Ministererklä-
rung habe die Beklagte auch im Falle des verschuldeten wirtschaftlichen Miss-
erfolgs des Projekts vor einer Inanspruchnahme durch die Klägerin schützen
sollen, ist nach diesen Maßstäben rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat
nur unzureichend den gesamten Wortlaut des Schreibens vom 6. Juli 1998,
dessen Einbettung in die vorangehende Korrespondenz zwischen den Beteilig-
ten und die beiderseitige Interessenlage berücksichtigt.
(1) Der im Schreiben vom 6. Juli 1998 verwendete Begriff "Scheitern
des Projektes" ist für sich genommen nicht aussagekräftig, da er die Ursachen,
die zum Fehlschlag geführt haben, offen lässt. Dass deswegen jedes "Schei-
tern des Projektes" ohne Rücksicht auf die Gründe dafür zur Freistellung der
Gesellschafter von einer Haftung führen sollte, legt der übrige Wortlaut des
Schreibens nicht nahe, da dort der Begriff "Scheitern" ausdrücklich in den Zu-
sammenhang mit vorangehender, im Einzelnen genannter Korrespondenz ge-
stellt ist, und folglich als sachliche Antwort auf konkrete Anfragen der Beklag-
ten zu verstehen ist. Zudem ist in der nachfolgenden, programmatischen Be-
gründung von "unverschuldet in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen" die
Rede. Fernliegend ist die vom Berufungsgericht für die Auslegung nach
§§ 133, 157 BGB herangezogene Vorschrift des § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB,
weil der Umstand, dass im Familienrecht für das Scheitern einer Ehe Ver-
schulden eines oder beider Ehegatten unerheblich ist (vgl. BT-Drucks. 7/650,
S. 73, 104), nichts zur Klärung einer verwaltungsrechtlichen Zusage beiträgt.
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Dem steht - anders als das Berufungsgericht meint - nicht entgegen,
dass in dem Schreiben vom 6. Juli 1998 zur Bitte der Beklagten, im Falle un-
verschuldeten Scheiterns des Projekts auf einen Widerruf des Subventionsbe-
scheides zu verzichten, lediglich eine wohlwollende Ermessensausübung in
Aussicht gestellt wird. Die sachliche Begründung des Ministers spricht viel-
mehr dafür, dass die Einschränkung auf unverschuldetes Scheitern nicht nur
für diese Ermessensentscheidung über einen Widerruf, sondern auch für eine
Haftungsfreistellung der Gesellschafter gelten sollte.
(2) Für die Auslegung der Zusage sind deswegen die Begleitumstände
(vgl. dazu BGH, Urteile vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00, WM 2002, 822,
824, vom 7. März 2006 - VI ZR 54/05, NJW 2006, 1511 Rn. 10 und vom
18. September 2012 - II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22), im vorliegenden
Fall insbesondere die Vorkorrespondenz zwischen den Beteiligten heranzu-
ziehen.
(a) Sowohl die beiden Schreiben des damaligen Vorstandssprechers
der Beklagten an den Minister vom 25. Juni 1998 und 3. Juli 1998, auf die das
Ministerschreiben vom 6. Juli 1998 in dem hier entscheidenden Absatz aus-
drücklich Bezug nimmt, als auch das Schreiben der Beklagten an die Klägerin
vom 30. Juni 1998 befassen sich ausschließlich mit der - einer Haftung der
Beklagten vorgelagerten - Möglichkeit, bei einem unverschuldeten wirtschaftli-
chen Fehlschlag des Projekts von einem Widerruf des Subventionsbescheides
gegenüber der P. abzusehen. Dies ergibt sich insbesondere aus den For-
mulierungen: "aufgrund von ihr nicht zu beeinflussender Umstände", "von ihr
nicht zu beeinflussende Faktoren" und "aufgrund nicht beeinflussbarer äußerer
Umstände". In diesem eingeschränkten Sinne ist die Bitte der Beklagten er-
sichtlich auch vom Minister verstanden worden, der in seinem Telefonvermerk
vom 26. Juni 1998 beispielhaft einen Konjunktureinbruch als wirtschaftlichen
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Notfall nennt und konsequent in dem Schreiben vom 6. Juli 1998 von einem
"unverschuldet in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen" spricht.
(b) Vor diesem Hintergrund begegnet es durchgreifenden Bedenken,
dass das Berufungsgericht davon ausgeht, die Zusage des Ministers greife
auch bei einem von der P. verschuldeten Scheitern des Projekts. Denn ge-
rade in diesem Fall musste der Subventionsbescheid grundsätzlich widerrufen
werden mit der Folge, dass die durch die Bürgschaft gesicherte Hauptforde-
rung auf Rückzahlung von Fördermitteln entsteht. Diese Sicht teilte auch die
Beklagte in ihrem Telefax vom 30. Juni 1998, in dem sie sich
auf Nr. 7.6.2 Buchst. c) aa) der Richtlinie des Ministeriums für Wirtschaft, Mit-
telstand und Technologie zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Rah-
men der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
struktur" GA - (GA-G) bezieht, die lediglich von einer Änderung der Marktver-
hältnisse "in unvorhersehbarer Weise" ausgeht. Konsequent forderte die Be-
klagte auch keine Haftungsfreistellung für den Fall einer Rückforderung der
Zuwendungen nach verschuldetem Scheitern des Projekts. Ebenso wurde ihr
in der weiteren Korrespondenz weder vom Minister noch von der Klägerin eine
solche Freistellung in Aussicht gestellt. Danach konnte die Beklagte aus objek-
tiver Empfängersicht die an ein "Scheitern des Projektes" geknüpfte Minister-
zusage in dem Schreiben vom 6. Juli 1998 nicht als verschuldensunabhängige
Haftungsfreistellung verstehen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, in dem
Ministerschreiben vom 6. Juli 1998 sei - erstmals - eine voraussetzungslose
Schonung der Gesellschafter bei einem Fehlschlag des Projekts zugesagt
worden, besitzt weder in dem Wortlaut des Schreibens noch in der Vorkorres-
pondenz eine Grundlage.
(3) Die Auslegung des Schreibens vom 6. Juli 1998 durch das Beru-
fungsgericht, die Beklagte sei von einer Haftung auch bei verschuldetem wirt-
schaftlichen Fehlschlag des Projekts freizustellen, entspricht auch nicht den
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erkennbaren Interessen der Beteiligten. In den Anfragen an die Klägerin und
den Wirtschaftsminister hat die Beklagte lediglich ihr Interesse artikuliert, die
P. und damit deren Gesellschafter zu schonen, wenn das geförderte Pro-
jekt an unverschuldeten wirtschaftlichen Schwierigkeiten scheitert. Nur diesem
ihm von der Beklagten mitgeteilten Begehren einer Haftungsbeschränkung im
Falle eines unverschuldeten Scheiterns des Projekts konnte der Minister - für
die Beklagte erkennbar - entgegenkommen, ohne die Pflicht zu einer wirt-
schaftlichen und sparsamen Verwaltung (§ 34 Abs. 2 Satz 1 LHOBbg) zu ver-
letzen. Dass sich möglicherweise - wie das Berufungsgericht meint - der
Nachweis fehlenden Vertretenmüssens im Nachhinein schwierig gestalten
kann, ändert nichts daran, dass die Beklagte in den vorangehenden Verhand-
lungen kein Interesse an einer Haftungsfreistellung für jedwedes Scheitern des
Projekts formuliert hat und ein Interesse des Ministers, diese nie geforderte
Haftungsfreistellung zuzusagen, nicht erkennbar ist.
(4) Davon ausgehend sind die Voraussetzungen der Freistellungszu-
sage aus dem Schreiben vom 6. Juli 1998 entgegen der Ansicht der Revisi-
onserwiderung nicht erfüllt. Denn das Berufungsgericht stellt in den Entschei-
dungsgründen rechtsfehlerfrei fest, dass das Projekt wegen einer Fehlein-
schätzung der Subventionsempfängerin zum Polyamidanteil und zu vorhande-
nen Störstoffen in den Teppichböden nicht wirtschaftlich betrieben werden
konnte. Diese tatbestandliche Feststellung nach § 314 ZPO (vgl. BGH, Urteile
vom 29. April 1993 - IX ZR 215/92, NJW 1993, 1851, insoweit nicht in
BGHZ 122, 297 abgedruckt und vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12, WM 2013,
1314 Rn. 18) kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofes nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn - wie hier - nicht
zuvor ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO gestellt worden
ist (Senatsurteile vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1
Rn. 40 mwN und vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12, WM 2013, 1314 Rn. 18). Die
weitere Verfahrensrüge eines fehlerhaft unterbliebenen Hinweises des Beru-
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fungsgerichts nach § 139 ZPO hat der Senat geprüft und für nicht durchgrei-
fend erachtet (§ 564 ZPO).
III.
Das angefochtene Urteil ist, weil sich die Revision als begründet er-
weist, gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da die Aufhebung des Urteils
nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestell-
te Sachverhältnis erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der
Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Be-
rufung der Beklagten zurückweisen.
Wiechers
Ellenberger
Grüneberg
Maihold
Menges
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 25.02.2010 - 3-4 O 93/07 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 06.12.2011 - 5 U 53/10 -
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