Urteil des BGH vom 25.10.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 212/12
Verkündet am:
25. Oktober 2013
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Wohnungseigentumssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 5 Abs. 1, Abs. 2
Wohnungseingangstüren stehen im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungsei-
gentümer.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 212/12 - LG Dortmund
AG Lüdenscheid
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des
Landgerichts Dortmund vom 20. Juli 2012 wird auf Kosten
der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Zutritt
zu den Wohnungen erfolgt über Laubengänge, die ihrerseits von dem Treppen-
haus aus über eine Tür zugänglich sind. § 3 der Gemeinschaftsordnung enthält
unter anderem die folgende Regelung:
„Zum Sondereigentum gehören ferner:
Die Türen der Zwischenwände innerhalb der Sondereigentums-
räume, auch die Türen zum Treppenhaus, unbeschadet dessen,
dass Veränderungen an der Außenseite derselben nur mit Mehr-
heitsbeschluss der Eigentümerversammlung vorgenommen wer-
den dürfen…“
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Die Klägerin tauschte ihre Wohnungseingangstür gegen eine anders ge-
staltete Tür aus. Auf die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde
sie rechtskräftig zum Ausbau der Tür verurteilt. In der Eigentümerversammlung
vom 15. Juni 2011 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass
die an den Laubengängen gelegenen, neu einzubauenden Wohnungseingangs-
türen der einzelnen Einheiten mit einem Glasscheibeneinsatz versehen werden
und wie folgt aussehen sollen:
„Material: Holz, Farbe: Mahagoni hell, Größe der
Scheibe: 162,00 x 75,40 cm, Glasart: drahtorna
mentweiß“.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage. Das Amts-
gericht hat den Beschluss für nichtig erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Landgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der zu-
gelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will die
Klägerin das Urteil des Amtsgerichts wiederherstellen lassen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, Wohnungseingangstüren stünden gemäß
§ 5 Abs. 1 und 2 WEG insgesamt zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum
der Wohnungseigentümer. Sie dienten dem gemeinschaftlichen Gebrauch, in-
dem sie das Sonder- von dem Gemeinschaftseigentum abgrenzten. Darüber
hinaus bestehe hier die Besonderheit, dass die Wohnungseingangstüren auf
Laubengänge hinausführten und von außen sichtbar seien. Daher dienten sie
dem Schutz des Gebäudes vor witterungsbedingten Einflüssen und damit des-
sen Sicherheit im Sinne von § 5 Abs. 2 WEG. Ferner ergebe sich aus § 5
Abs. 1 WEG, dass sie nicht Gegenstand des Sondereigentums sein könnten,
weil durch ihre Entfernung oder Veränderung die äußere Gestaltung des Ge-
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bäudes unweigerlich verändert würde. Der Beschluss entspreche auch ord-
nungsmäßiger Verwaltung, weil er ein optisch einheitliches Erscheinungsbild
der Anlage sicherstelle.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Wohnungseigentümer sind gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG befugt,
generelle Vorgaben zu der Gestaltung der Wohnungseingangstüren zu be-
schließen. Der Beschluss enthält keine Maßgaben für die Gestaltung des Son-
dereigentums, für die generell keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigen-
tümer besteht (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 238/11, ZfIR 2013,
511 Rn. 14 mwN), weil Wohnungseingangstüren im gemeinschaftlichen Eigen-
tum stehen.
a) Auf die Regelung in der Teilungserklärung, nach der die Türen der
Zwischenwände innerhalb der Sondereigentumsräume und die Türen zum
Treppenhaus zum Sondereigentum gehören, kommt es für die sachenrechtliche
Zuordnung nicht an. Wie der Senat bereits klargestellt hat, kann durch eine Tei-
lungserklärung Sondereigentum an wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes
(§§ 93, 94 BGB) nicht begründet werden (eingehend Senat, Urteil vom
26. Oktober 2012 - V ZR 57/12, NJW 2013, 1154 Rn. 10 f.). Wohnungsein-
gangstüren gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes (§ 94
Abs. 2 BGB; MünchKomm-BGB/Stresemann, 6. Aufl., § 94 Rn. 23). Enthält die
Teilungserklärung - wie hier - eine Aufzählung der zum Sondereigentum gehö-
renden Bestandteile des Gebäudes, hat dies nur deklaratorischen Charakter;
welche wesentlichen Gebäudebestandteile im Sondereigentum stehen, be-
stimmt sich allein nach den gesetzlichen Regelungen in § 5 Abs. 1 bis 3 WEG
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(Senat, Urteil vom 26. Oktober 2012 - V ZR 57/12, aaO, Rn. 11). Davon zu
trennen ist die Frage, ob die Wohnungseigentümer die Pflicht zur Instandset-
zung und Instandhaltung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums bzw.
zur Tragung der damit verbundenen Kosten abweichend von § 21 Abs. 5 Nr. 2,
§ 16 Abs. 2 WEG einzelnen Sondereigentümern auferlegen können (dazu Se-
nat, Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 174/11, NJW 2012, 1722 Rn. 7 f.).
b) Ob Wohnungseingangstüren im gemeinschaftlichen Eigentum oder im
Sondereigentum stehen, wird unterschiedlich beurteilt. Nach vereinzelter Auf-
fassung sind sie sondereigentumsfähig (so MünchKomm-BGB/Commichau,
6. Aufl., § 5 WEG Rn. 12 a.E.) und zählen nur dann zum Gemeinschaftseigen-
tum, wenn sie im Sinne von § 5 Abs. 2 WEG für den Bestand oder die Sicher-
heit des Gebäudes erforderlich sind (OLG Düsseldorf, ZWE 2002, 279, 280;
Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Rn. 52). Andere ordnen nur die
Innenseite der Tür (Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 5 WEG Rn. 25) oder nur
den Innenanstrich (Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums,
5. Aufl., Teil 2 D Rn. 80) dem Sondereigentum zu. Überwiegender Auffassung
zufolge stehen Wohnungseingangstüren dagegen stets insgesamt im gemein-
schaftlichen Eigentum (OLG München, NJW 2007, 2418; OLG Stuttgart,
BauR 2005, 1490 f.; OLG Düsseldorf, OLGR 2000, 1 ff.; Armbrüster in Bär-
mann, WEG, 12. Aufl., § 5 Rn. 124; Grziwotz in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 5
Rn. 105; Riecke/Schmidt/Schneider, WEG, 3. Aufl., § 5 Rn. 76; Spielbauer/
Then, WEG, 2. Aufl., § 5 Rn. 9 a.E.; Vandenhouten in Niedenführ/
Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 5 Rn. 29; BeckOK WEG/Kesseler,
Edition 17, § 5 Rn. 48; BeckOK BGB/Hügel, Edition 28, § 5 WEG Rn. 12).
c) Die letztere Auffassung trifft zu.
aa) Richtig ist allerdings, dass sich die Zuordnung zum gemeinschaftli-
chen Eigentum (auch) aus § 5 Abs. 2 WEG ergeben kann. Nach dieser Be-
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stimmung sind Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit
erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftli-
chen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, nicht Gegenstand des Son-
dereigentums, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehen-
den Räume befinden. Hier sind die Wohnungseingangstüren den Feststellun-
gen des Berufungsgerichts zufolge an der Außenwand des Gebäudes gelegen.
Dann sind sie - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - im Sinne von § 5
Abs. 2 WEG für den Bestand des Gebäudes erforderlich, weil sie dem Schutz
des Gebäudes gegen Witterungseinflüsse dienen. Zugleich stehen sie gemäß
§ 5 Abs. 1 WEG im gemeinschaftlichen Eigentum. Dieser Vorschrift zufolge sind
Gegenstand des Sondereigentums auch die zu den im Sondereigentum ste-
henden Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, besei-
tigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche
Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Woh-
nungseigentümers über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträch-
tigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. Eine andere Ge-
staltung von Wohnungseingangstüren, die an der Außenwand gelegen sind,
verändert regelmäßig die äußere Gestaltung des Gebäudes in diesem Sinne;
davon geht das Berufungsgericht auch hier nachvollziehbar aus.
bb) Aber auch unabhängig davon, ob Wohnungseingangstüren innerhalb
des Gebäudes oder an dessen Außenseite gelegen sind, sind sie gemäß § 5
Abs. 1 WEG zwingend dem gemeinschaftlichen Eigentum zugeordnet. Trep-
penhäuser und Laubengänge sind gemäß § 5 Abs. 2 WEG gemeinschaftliches
Eigentum (BGH, Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 386).
Wohnungseingangstüren, die das Sondereigentum von dem Treppenhaus oder
- wie hier - einem Laubengang trennen, gehören nicht, wie es § 5 Abs. 1 WEG
voraussetzt, zu den im Sondereigentum stehenden Räumen. Ob es für die Aus-
legung dieses Begriffs auf einen räumlichen oder einen funktionalen Zusam-
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menhang ankommt (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2012 - V ZR 57/12, NJW
2013, 1154 Rn. 16 ff.), kann dahinstehen. Denn Wohnungseingangstüren ste-
hen räumlich und funktional in einem Zusammenhang sowohl mit dem Sonder-
als auch dem Gemeinschaftseigentum. Erst durch ihre Einfügung wird die Ab-
geschlossenheit der dem Sondereigentum zugewiesenen Räume hergestellt,
die vorliegen soll, damit Sondereigentum entstehen kann (§ 3 Abs. 2 Satz 1, § 7
Abs. 4 Nr. 2 WEG). Sie dienen stets der räumlichen Abgrenzung von Gemein-
schafts- und Sondereigentum. Gehören sie damit räumlich und funktional
(auch) zu dem Gemeinschaftseigentum, steht die gesamte Tür als einheitliche
Sache im gemeinschaftlichen Eigentum (vgl. Armbrüster in Bärmann, WEG,
12. Aufl., § 5 Rn. 124).
2. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht Anfechtungsgründe.
Der Beschluss entspricht schon deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, weil er
ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage si-
cherstellt. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, ihr werde eine farbliche Ge-
staltung der Innenseite der Tür aufgezwungen. Denn mit der Frage, ob den
Wohnungseigentümern eine abweichende farbliche Gestaltung der Innenseite
der Wohnungseingangstür gestattet ist, befasst sich der Beschluss ersichtlich
nicht. Das von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat angesprochene Anliegen einzelner Wohnungsei-
gentümer, die für ihre Wohnungseingangstür bestimmte Sicherheitsstandards
wünschen, kann im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG)
bei einer Beschlussfassung zu berücksichtigen sein. Nach den getroffenen
Feststellungen hat dieser Aspekt in den Vorinstanzen jedoch keine Rolle ge-
spielt; es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihre Klage innerhalb der Klage-
begründungsfrist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) auf etwaige mit der vorgegebenen
Gestaltung verbundene Sicherheitsmängel gestützt hat.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Lemke
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Lüdenscheid, Entscheidung vom 19.01.2012 - 97a C 33/11 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.07.2012 - 17 S 55/12 -
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