Urteil des BGH vom 05.11.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 28/12
vom
5. November 2013
in dem Verfahren auf Auskunftserteilung
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
AktG § 131
a) Die in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG enthaltene Beschränkung des Auskunftsrechts
des Aktionärs auf zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tages-
ordnung einer Hauptversammlung erforderliche Informationen ist eine zulässige
Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Aktionärsrechterichtlinie.
b) Jedenfalls dann, wenn eine Frage auf eine Vielzahl von Informationen gerichtet
ist, die zumindest teilweise nicht für die Beurteilung eines Tagesordnungspunkts
relevant sind, muss der Aktionär, der auf seine Frage eine aus seiner Sicht unzu-
reichende Pauschalantwort erhält, durch eine Nachfrage deutlich machen, dass
sein Informationsinteresse auf bestimmte Detailauskünfte gerichtet ist.
c) Der Vorstand darf regelmäßig die Auskunft verweigern, wenn sich das Aus-
kunftsverlangen auf vertrauliche Vorgänge in den Sitzungen des Aufsichtsrats
oder der von ihm nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG bestellten Ausschüsse richtet.
BGH, Beschluss vom 5. November 2013 - II ZB 28/12 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die
Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
8. November 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
10.000
€ festgesetzt.
Gründe:
A. Die Antragstellerin hält Stimmrechtsaktien der Antragsgegnerin, einer Akti-
engesellschaft mit Sitz in Deutschland. Sie war auf der ordentlichen Hauptversamm-
lung am 27. Mai 2010 - deren Tagesordnung unter Tagesordnungspunkt 3 und Ta-
gesordnungspunkt 4 die Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands und
des Aufsichtsrats vorsah - durch einen Bevollmächtigten vertreten. Dieser richtete im
Rahmen einer Generaldebatte unter anderem folgende Fragen an die Antragsgegne-
rin:
II. 3. Bitte geben Sie uns einen detaillierten Überblick über den Erwerb von Sal. Oppen-
heim. Wer hat hierzu mit wem welche Verträge abgeschlossen und welchen Inhalt ha-
ben diese Verträge? (Ist eine Due Diligence durchgeführt worden und wenn ja, von
wem?) Nennen Sie alle wesentlichen Punkte der Prüfung, alle aufgedeckten Risiken
und einen detaillierten Überblick über den sonstigen Inhalt des Berichts. ...
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II. 4. Welche „vorlagepflichtige Engagements“ wurden im Berichtszeitraum im Risiko-
ausschuss behandelt, bei welchen Engagements wurden welche Beschlüsse gefasst
und wie haben sich diese Engagements seit der Beschlussfassung wirtschaftlich entwi-
ckelt? Gab es Veränderungen des bankinternen Ratings und wenn ja, wie viele und
welche? Gab es Ausfälle bei diesen Engagements?
Die Antragsgegnerin gab hierauf folgende Antworten:
Zu Frage II. 3.:
Die Deutsche Bank hat am 28. Oktober 2009 mit den Eigentümern von Sal. Oppenheim
eine Rahmenvereinbarung zum Erwerb der Sal. Oppenheim-Gruppe abgeschlossen.
Diese Rahmenvereinbarung, die die wesentlichen Eckpunkte regelte, ist durch Ergän-
zungsvereinbarungen in den folgenden Wochen und Monaten spezifiziert und durch
Ausführungsvereinbarungen umgesetzt worden, auf deren Grundlage es dann am
15. März 2010 zum Vollzug der Transaktion, d.h. zum Übertrag der Aktien auf die Deut-
sche Bank kam. … Die Deutsche Bank hat letztes Jahr ab August eine detaillierte, alle
Bereiche umfassende Due Diligence durchgeführt. Darüber hinaus wurde bis zur Ver-
tragsunterzeichnung zur Finalisierung der Transaktionsstruktur und Aktualisierung der
Ergebnisse/Informationen kontinuierlich eine sogenannte bestätigende oder Confirmato-
ry Due Diligence betrieben.
Zudem führte die Antragsgegnerin in anderem Zusammenhang aus:
… wir haben die Risiken isoliert, wir haben die Risiken ja zum großen Teil auch nicht
übernommen, und wir haben auch bei der Preisfindung darauf Rücksicht genommen,
dass gewisse Restrisiken bestehen können. … Aber es ist so, dass Sal. Oppenheim
auch gewisse Probleme hat. Das haben wir gesehen. …
Zu Frage II. 4.:
Der Risikoausschuss des Aufsichtsrats beschäftigt sich regelmäßig mit Engagements
aufgrund von rechtlichen und internen Vorgaben. Dies ist z.B. bei Krediten der Fall, bei
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denen zwischen dem jeweiligen Kreditnehmer und der Bank eine Mandatsbeziehung
besteht. Wie üblich können wir an dieser Stelle zu einzelnen Namen keine Stellung be-
ziehen. Antwort zu 2: Das Ratingprofil des globalen Kreditportfolios der Bank ist grund-
sätzlich laufenden Änderungen unterworfen. Dies betrifft selbstverständlich auch dieje-
nigen Engagements, die dem Risikoausschuss vorgelegt werden.
Die Antragstellerin hält ihre Fragen, soweit diese vorstehend nicht in Klam-
mern gesetzt wurden, für unzureichend beantwortet. Mit ihrem Antrag auf gerichtliche
Entscheidung über das Auskunftsrecht verfolgt sie ihr Auskunftsbegehren weiter. Das
Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte
keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene
Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
B. Das Beschwerdegericht (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2012, 2502) hat zur
Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Frage II. 3. sei mit Blick auf die allein relevanten Tagesordnungspunkte
der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat in noch ausreichendem Maße beant-
wortet. An der Voraussetzung der Erforderlichkeit der Auskunft habe sich durch den
Erlass der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom
11. Juli 2007 nichts geändert, denn das durch Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie gewährte
Fragerecht stehe unter dem Vorbehalt etwaiger Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten
unter anderem zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Vorbereitung und eines
ordnungsgemäßen Ablaufs der Hauptversammlung träfen. Hierunter falle die Vor-
aussetzung der Erforderlichkeit der Auskunft.
Der Unternehmenserwerb sei beschrieben worden. Der Überblick über die
Transaktion sei zwar nicht sonderlich detailreich. Warum die Information über weitere
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Einzelheiten zum Ablauf der Transaktion erforderlich gewesen sei, um eine Entlas-
tungsentscheidung sinnvoll treffen zu können, erschließe sich aber nicht.
Die Frage, mit wem die Verträge abgeschlossen worden seien und welchen
genauen Inhalt sie gehabt hätten, sei für die Entscheidung über eine Entlastung des
Vorstands und des Aufsichtsrats ohne erkennbare Relevanz. Der allein wesentliche
Aspekt, dass nämlich die Eigentümer die Vertragspartner gewesen seien, sei mitge-
teilt worden.
Die Teilfrage nach den geprüften Risiken sei - zumindest im Rahmen des
Auskunftsverfahrens - ausreichend beantwortet worden. Dass die Angaben in der
Hauptversammlung zu den mit der Transaktion verbundenen Gefahren sehr wenig
präzise seien, sei trotz der Bedeutung des Unternehmenskaufs noch hinnehmbar.
Geschildert worden sei die Durchführung einer - grundsätzlich umfassenden - Due
Diligence. Wegen fehlender Erforderlichkeit habe die Antragsgegnerin keinen detail-
lierten Überblick über die übrigen Ergebnisse des Berichts geben müssen. Die An-
tragsgegnerin sei nicht verpflichtet gewesen, sämtliche aufgedeckten Risiken im Ein-
zelnen zu benennen, weil eine abschließende Aufzählung - selbst wenn eine solche
möglich gewesen wäre - das Informationsbedürfnis eines durchschnittlichen Aktio-
närs deutlich überstiegen hätte.
Unabhängig davon, ob die Frage zugleich darauf gerichtet gewesen sei, die
wichtigsten Risiken zu benennen und die Gesellschaft unaufgefordert auf diesen re-
duzierten Teil hätte antworten müssen, stehe dem entgegen, dass identifizierte Un-
wägbarkeiten nur dann aus der Sicht eines Aktionärs von Interesse seien, wenn die-
se Risiken von seiner Gesellschaft auch im Rahmen des Unternehmenskaufs über-
nommen worden seien. Hierzu habe die Antragsgegnerin ausgeführt, dass vorhan-
dene Risikoquellen zum großen Teil nicht übernommen worden seien. Hieraus habe
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sich für den durchschnittlichen Aktionär zugleich ergeben, dass infolge des Erwerbs
nur Restrisiken auf seine Gesellschaft übergegangen seien. Deren Benennung sei
nicht mehr erforderlich gewesen, zumal diese Risiken bei der Preisfindung berück-
sichtigt worden seien.
Dem Auskunftsbegehren zur ersten Teilfrage der Frage II. 4. nach den Vorla-
gen und Beschlüssen des Risikoausschusses stehe entgegen, dass es sich bei dem
Ausschuss um einen Teil des Aufsichtsrats handele und hinsichtlich der Vorgänge in
Aufsichtsratssitzungen regelmäßig kein Auskunftsrecht bestehe. Hiervon eine Aus-
nahme zu machen, sei nicht veranlasst, weil die Antragstellerin bereits die Erforder-
lichkeit ihres Auskunftsbegehrens nicht hinreichend dargelegt habe. Es bestehe kein
Anhaltspunkt mehr für die Nichtigkeit der im Risikoausschuss getroffenen Entschei-
dungen. Im Übrigen ergebe sich aus dem geschilderten Hintergrund nichts für ein
besonderes Interesse eines durchschnittlichen Aktionärs an den im Einzelnen be-
handelten Vorlagen und gefassten Beschlüssen. Dass überhaupt der Risikoaus-
schuss im Berichtszeitraum Vorlagen behandelt habe, sei den Ausführungen der An-
tragsgegnerin zu entnehmen. Es habe nahegelegen, die Frage so zu verstehen,
dass alle Engagements im Einzelnen unter Nennung der betroffenen Kreditnehmer
beschrieben werden sollten. Hieran müsse sich die Antragstellerin im Auskunftsver-
fahren festhalten lassen.
Die zweite Teilfrage der Frage II. 4. sei mit dem Hinweis darauf, dass das Ra-
tingprofil des globalen Kreditportfolios der Bank laufenden Änderungen unterworfen
sei, ausreichend beantwortet worden.
Die dritte Teilfrage habe sich erkennbar auf die im Aufsichtsrat behandelten
Engagements bezogen, so dass auch ihrer Beantwortung die Vertraulichkeit der Be-
ratung im Aufsichtsrat entgegenstehe. Zugleich könne sich die Antragsgegnerin auf
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das Bankgeheimnis der betroffenen Kreditnehmer und auf die mit dessen Verletzung
verbundenen nicht unerheblichen Nachteile im Sinne des § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG
berufen. So wie die Antragsgegnerin die Frage habe auffassen dürfen, sei die Be-
antwortung zudem nicht erforderlich gewesen.
C. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig; in der Sache hat sie jedoch keinen Er-
folg.
I. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG,
§ 70 Abs. 1 FamFG statthaft, nachdem das Beschwerdegericht sie zugelassen hat.
Sie ist auch im Übrigen zulässig.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die An-
tragsgegnerin auf die Frage II. 3. die erforderlichen Auskünfte erteilt hat und keine
weitergehende Auskunft nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG schuldet.
a) Das Merkmal der Erforderlichkeit der Auskunft in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG
zielt nach der Rechtsprechung des Senats darauf ab, missbräuchlich ausufernde
Auskunftsbegehren zu verhindern, um die Hauptversammlung nicht mit überflüssi-
gen, für eine sachgemäße Beurteilung des Beschluss- oder sonstigen Gegenstands
der Tagesordnung unerheblichen Fragen zu belasten (BGH, Urteil vom 18. Oktober
2004 - II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 388 f.). Entsprechend der Funktion des Aus-
kunftsrechts, das auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre in der
Hauptversammlung beitragen soll, ist Maßstab für die „Erforderlichkeit“ eines Aus-
kunftsverlangens der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs, der die Ge-
sellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und da-
her die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt
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(BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 389; Urteil vom
16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 39 - Kirch/Deutsche Bank). Durch
dieses Kriterium wird das Informationsrecht gemäß § 131 AktG in qualitativer und
quantitativer Hinsicht sowie hinsichtlich seines Detaillierungsgrads begrenzt (BGH,
Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 39 - Kirch/Deutsche
Bank).
b) Entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde verstößt § 131 Abs. 1 Satz 1
AktG nicht gegen Art. 9 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären
in börsennotierten Gesellschaften (Abl. L 184 vom 14. Juli 2007, S. 17 ff.) - nach-
stehend Richtlinie oder Aktionärsrechterichtlinie -, soweit das Auskunftsrecht des Ak-
tionärs auf zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erfor-
derliche Auskünfte beschränkt ist. Zwar spricht einiges dafür, dass das Fragerecht
der Aktionäre und die mit diesem korrespondierende Antwortpflicht der Gesellschaft
nicht schon nach Art. 9 Abs. 1 der Aktionärsrechterichtlinie auf die zur Beurteilung
eines Gegenstands der Tagesordnung erforderlichen Informationen beschränkt sind.
Die in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG enthaltene Beschränkung der Auskunftspflicht ist
aber jedenfalls eine zulässige Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Richtli-
nie. Der Senat kann die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen zur Aus-
legung der Richtlinie selbst beantworten.
aa) Es spricht einiges dafür, dass das Fragerecht der Aktionäre nach Art. 9
Abs. 1 Satz 1 der Aktionärsrechterichtlinie und die mit diesem korrespondierende
Antwortpflicht der Gesellschaft nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Aktionärsrechterichtlinie
nicht auf die zur Beurteilung der Gegenstände der Tagesordnung erforderlichen In-
formationen beschränkt ist.
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(1) Dem Wortlaut der Richtlinie lässt sich eine solche Einschränkung nicht
entnehmen (OLG Stuttgart, ZIP 2012, 970, 973; Busche, Festschrift Reuter, 2010,
939, 947; Kersting in KK-AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 113; ders., Festschrift Hoffmann-
Becking, 2013, S. 651, 652 f.; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 64;
Pöschke, ZIP 2010, 1221, 1222; Ziemons in Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der
Aktiengesellschaft, Stand März 2013, Rz. I 10.667; Lack, Rechtsfragen des individu-
ellen Auskunftsrechts des Aktionärs nach dem Gesetz zur Unternehmensintegrität
und Modernisierung des Anfechtungsrechts, 2009, S. 264). Nach diesem genügt es,
dass die Frage zu einem Punkt der Tagesordnung gestellt wird. Damit ist nur ein Zu-
sammenhang mit einem Tagesordnungspunkt angesprochen. Aus den vom Senat in
den Blick genommenen weiteren Sprachfassungen der Richtlinie, die bei der Ausle-
gung ebenfalls heranzuziehen sind (vgl. EuGH, Slg. 2010, I-4871 Rn. 35; Slg. 2011,
I-4973 Rn. 23; NJW 2013, 2579 Rn. 25; ZIP 2013, 1971 Rn. 27), ergibt sich kein an-
deres Ergebnis. Die Formulierungen „questions concernant des points inscrits à
l’ordre du jour” (französische Sprachfassung), „questions related to items on the
agenda“ (englische Sprachfassung), „preguntas relacionadas con los puntos del or-
den del día“ (spanische Sprachfassung), „porre domande connesse con i punti
all’ordine del giorno“ (italienische Sprachfassung) geben keinen Anhaltspunkt für ei-
ne Beschränkung des Auskunftsrechts auf erforderliche Angaben (so auch Kersting
in Festschrift Hoffmann-Becking, 2013, S. 651, 653). Dem das Fragerecht des Aktio-
närs betreffenden Erwägungsgrund 8 der Aktionärsrechterichtlinie lässt sich für eine
über den Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie hinausgehende Einschränkung des
Fragerechts bzw. der Antwortpflicht ebenfalls nichts entnehmen.
(2) Für eine inhaltliche Begrenzung des Fragerechts des Aktionärs bzw. der
Antwortpflicht der Gesellschaft nach Art. 9 Abs. 1 der Aktionärsrechterichtlinie lässt
sich auch weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm noch aus ihrem begrenz-
ten Anwendungsbereich etwas ableiten.
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Den Materialien der Aktionärsrechterichtlinie lassen sich Anhaltspunkte für ei-
ne inhaltliche Beschränkung des Fragerechts bzw. der diesem korrespondierenden
Antwortpflicht nicht entnehmen. Die Begründung des Richtlinienvorschlags der
Kommission spricht lediglich den in Art. 9 Abs. 2 normierten Vorbehalt an (KOM
[2005] 685, S. 7). Die allgemeine Begründung des Vorschlags nennt zwar die in Er-
wägungsgrund 3 zum Ausdruck gekommene Zielsetzung, Hindernisse für die Stimm-
rechtsausübung im Ausland zu beseitigen, und bezieht sich auf den schwierigen und
verzögerten Zugang zu Informationen, die für die Hauptversammlung von Bedeutung
sind (KOM [2005] 685, S. 3). Eine inhaltliche Konkretisierung des im Richtlinientext
angesprochenen Bezugs zur Tagesordnung lässt sich anhand der Begründung je-
doch nicht vornehmen. Dies gilt auch für die Stellungnahme des Ausschusses für
Wirtschaft und Währung (Plenarsitzungsdokument A6-0024/2007, S. 39) und den
Entwurf einer legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments (Plenarsit-
zungsdokument A6-0024/2007, S. 35).
Eine Beschränkung des Fragerechts bzw. der Antwortpflicht auf zur Beurtei-
lung eines Tagesordnungspunkts der Hauptversammlung erforderliche Informationen
lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass ihr Anwendungsbereich nach Art. 1
Abs. 1 auf die Ausübung bestimmter, mit Stimmrechtsaktien verbundener Rechte
beschränkt ist (so aber OLG Stuttgart, ZIP 2012, 970, 973; Ziemons in Nirk/
Ziemons/Binnewies, Handbuch der Aktiengesellschaft, Stand März 2013, Rz. I
10.667 unter Bezugnahme auf den Auslegungsgrundsatz des effet utile; Busche,
Festschrift Reuter, 2010, S. 939, 948). Richtig ist zwar, dass dem Aktionär das Fra-
gerecht - wie bereits anhand der Materialien der Aktionärsrechterichtlinie aufgezeigt
und wie auch in Erwägungsgrund 3 der Richtlinie deutlich wird - nicht losgelöst von
der Ausübung seines Stimmrechts zugestanden wird. Selbst wenn der Informations-
anspruch die Voraussetzungen für eine sachgerechte Stimmrechtsausübung sicher-
stellen soll, besagt dies aber nicht, dass für diesen nicht bereits ein subjektives,
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durch einen inhaltlichen Bezug zu einem Tagesordnungspunkt legitimiertes Informa-
tionsinteresse des einzelnen Aktionärs ausreichend sein kann (zur unterschiedlichen
Ausgestaltung der materiellen Voraussetzungen des Auskunftsrechts Pelzer, Das
Auskunftsrecht der Aktionäre in der Europäischen Union, 2004, S. 205 ff.). Im Übri-
gen wird in Erwägungsgrund 3 der Aktionärsrechterichtlinie auch eine wirksame Kon-
trolle durch die Aktionäre als Grundvoraussetzung für eine solide Unternehmensfüh-
rung genannt, die erleichtert und gefördert werden sollte (Kersting in Festschrift
Hoffmann-Becking, 2013, S. 651, 655).
bb) Die in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG enthaltene Beschränkung des Auskunfts-
rechts auf zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erfor-
derliche Informationen in der oben unter a) näher beschriebenen Auslegung ist aber
jedenfalls eine zulässige Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Aktionärs-
rechterichtlinie. Danach bestehen das Fragerecht und die Antwortpflicht nur vorbe-
haltlich etwaiger Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen oder den Gesell-
schaften zu ergreifen gestatten, um den ordnungsgemäßen Ablauf von Hauptver-
sammlungen und ihre ordnungsgemäße Vorbereitung zu gewährleisten. Die mit der
Begrenzung der Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG verbundene Ein-
schränkung des Informationsanspruchs einzelner Aktionäre bewegt sich innerhalb
der den Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Erwägungs-
grund 8 Halbsatz 2 und Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie zustehenden Regelungskompe-
tenz und ist offenkundig ein geeignetes und nicht über das erforderliche Maß hinaus-
gehendes Mittel zur Erreichung der der Aktionärsrechterichtlinie zu Grunde liegenden
und für die Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV verbindlichen Ziele
(Kocher/Lönner, AG 2010, 153, 155; vgl. auch Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht
der Europäischen Union, 50. Lfg., Art. 288 AEUV Rn. 112). Sie sorgt für einen ange-
messenen Ausgleich der Informationsinteressen einzelner Aktionäre mit dem allge-
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meinen Interesse an einer zielgerichteten und sachbezogenen Information innerhalb
der Hauptversammlung (vgl. auch EuGH, Slg. 2011, I-4599 Rn. 84 ff.).
(1) Zu Unrecht wird im Schrifttum eingewandt, Maßnahmen zur Gewährleis-
tung des ordnungsgemäßen Ablaufs und der ordnungsgemäßen Vorbereitung der
Hauptversammlung könnten nur solche organisatorischer Art sein (Kersting in Fest-
schrift Hoffmann-Becking, 2013, S. 651, 660; Pöschke, ZIP 2010, 1221, 1222 f.). Ei-
ne solche Beschränkung kann dem Wortlaut der Richtlinie nicht entnommen werden
(Kocher/Lönner, AG 2010, 153, 156; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschafts-
recht, 4. Aufl., § 7 Rn. 23). Der ordnungsgemäße Ablauf der Hauptversammlung
kann vielmehr nicht nur durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden,
sondern auch dadurch, dass sich die Diskussion in der Hauptversammlung auf die
für die Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung wesentlichen Fragen kon-
zentriert. So beruht die Einführung des Erforderlichkeitskriteriums im nationalen
Recht nach den Materialien des § 131 AktG gerade darauf, dass Missbräuche des
Auskunftsrechts verhindert und ein ordnungsgemäßer Ablauf der Hauptversammlung
gewährleistet werden soll (Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz
vom 6. September 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 185; vgl.
auch BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 389). Abge-
sehen davon kann der Formulierung „ordnungsgemäßer Ablauf“ in der deutschen
Sprachfassung bei der Auslegung kein entscheidendes Gewicht beigemessen wer-
den, weil insoweit sowohl die englische Sprachfassung („the good order of general
meetings and their preparation“) als auch die niederländische Sprachfassung („de
voorbereiding en de goede orde van der algemene vergadering“) Formulierungen
verwenden, die noch deutlicher machen, dass der Vorbehalt sich nach dem Wort-
lautbefund nicht auf Maßnahmen organisatorischer Art beschränkt.
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Eine Beschränkung des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Aktionärsrechte-
richtlinie auf organisatorische Maßnahmen lässt sich auch nicht aus Erwägungs-
grund 8 der Richtlinie herleiten. Der Erwägungsgrund 8 steht einer inhaltlichen Be-
schränkung des Fragerechts bzw. der Antwortpflicht nicht entgegen, weil Aktionären
nur „grundsätzlich“ entsprechende Möglichkeiten eingeräumt werden sollten und
Halbsatz 2 des Erwägungsgrunds ausdrücklich das Regelungsermessen der Mit-
gliedstaaten hervorhebt, das durch Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie konkretisiert wird.
(2) Aus dem Zusammenhang der Richtlinie (vgl. zu diesem Auslegungskriteri-
um EuGH, ZIP 2013, 1971 Rn. 26) lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass eine Be-
schränkung der Antwortpflicht auf erforderliche Auskünfte nicht vom Vorbehalt des
Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Aktionärsrechterichtlinie gedeckt sein kann. Der im
Schrifttum erhobene Einwand, Art. 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Richtlinie enthielten ei-
genständige und engere Regelungen dazu, in welchem Umfang wiederholende Fra-
gen und auf die Erteilung öffentlich verfügbarer Auskünfte abzielende Fragen zu be-
antworten seien, so dass für eine weitergehende inhaltliche Einschränkung des Fra-
gerechts kein Raum sei (Kersting in Festschrift Hoffmann-Becking, 2013, S. 651,
662), ist unbegründet. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten
die Möglichkeit, es den Gesellschaften zu gestatten, auf Fragen gleichen Inhalts eine
Gesamtantwort zu geben. Damit ist nicht allgemein die Behandlung wiederholender
Fragen, sondern nur die Art und Weise ihrer Beantwortung geregelt. Das in § 131
Abs. 1 Satz 1 AktG genannte Merkmal der Erforderlichkeit ist damit nicht angespro-
chen. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie, nach dem den Mitgliedstaa-
ten die Festlegung ermöglicht wird, dass eine Frage als beantwortet gilt, wenn die
entsprechende Information bereits in Form von Frage und Antwort auf der Internet-
seite der Gesellschaft verfügbar ist. Diese Vorschrift hat eine Antwortfiktion zum In-
halt („als beantwortet gilt“), was zeigt, dass nicht etwa eine (inhaltliche) Einschrän-
kung der Antwortpflicht geregelt ist, sondern die (organisatorische) Möglichkeit eröff-
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net wird, durch die Veröffentlichung der Information in der Form von Frage und Ant-
wort auf der Internetseite der Gesellschaft die Wiederholung inhaltsgleicher Antwor-
ten zu vermeiden. Entsprechend stellt die Richtlinie nicht auf die öffentliche Verfüg-
barkeit der jeweiligen Information, sondern auf die Veröffentlichung in der Form von
Frage und Antwort ab. Diese - Einzelheiten des Verfahrens bei der Erfüllung des
Auskunftsanspruchs regelnden - Vorbehalte sind dabei auch vor dem Hintergrund
der durch die Richtlinie eröffneten Möglichkeit zu sehen, Fragen bereits im Vorfeld
der Hauptversammlung zu beantworten (Begründung zum Entwurf einer legislativen
Entschließung des Europäischen Parlaments, Plenarsitzungsdokument A6-
0024/2007, S. 35). Ihnen kann nicht entnommen werden, dass mit diesen Vorbehal-
ten die Behandlung nicht zielführender Fragen in der Hauptversammlung abschlie-
ßend geregelt werden sollte (aA Kersting in Festschrift Hoffmann-Becking, 2013, S.
651, 662).
(3) Aus der Entstehungsgeschichte der Aktionärsrechterichtlinie ergeben sich
auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der den ordnungsgemäßen Ablauf der
Hauptversammlung betreffende Regelungsvorbehalt für die Mitgliedstaaten aus-
schließlich auf den äußeren Ablauf der Auskunftsgewährung bezieht. Dass die Richt-
linie beruhend auf einem Änderungsvorschlag des Rechtsausschusses in Art. 9
Abs. 1 abweichend vom Richtlinienvorschlag der Kommission (vgl. Art. 9 Nr. 1 der
Vorschlagsfassung, KOM [2005] 685 endgültig) ein Fragerecht nur zu Punkten auf
der Tagesordnung eröffnet, besagt nicht, dass mit der Richtlinie die Reichweite des
Fragerechts und der mit diesem korrespondierenden Antwortpflicht der Gesellschaft
abschließend geregelt werden sollte. Auch der Kommissionsvorschlag enthält in
Art. 9 Nr. 2 einen Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 der Aktionärsrechterichtlinie entspre-
chenden Regelungsvorbehalt. Hätte mit der inhaltlichen Präzisierung des Frage-
rechts zugleich eine Beschränkung des Regelungsvorbehalts einhergehen sollen,
hätte es nahegelegen, im Hinblick darauf auch den Regelungsvorbehalt anzupassen
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oder dessen geänderten Inhalt zumindest in den Materialien zu dokumentieren. Hie-
ran fehlt es. Vielmehr wird in der Begründung des im Rechtsausschuss eingebrach-
ten Änderungsantrags des Abgeordneten G. , der für eine Beschränkung des
Fragerechts auf Fragen mit einem Bezug zur Tagesordnung eintrat, ausdrücklich da-
rauf hingewiesen, dass ein solcher Bezug im Hinblick auf „einen ordnungsgemäßen
Ablauf der Hauptversammlung“ nötig sei (Änderungsantrag 113, abgedruckt im Ent-
wurf eines Berichts des Rechtsausschusses vom 19. September 2006, PE
378.495v04-00). Dem liegt offensichtlich die Annahme zu Grunde, dass der ord-
nungsgemäße Ablauf der Hauptversammlung auch durch eine inhaltliche Begren-
zung des Fragerechts erreicht werden kann. Ferner hat auch der Abgeordnete L.
in der Plenardebatte am 15. Februar 2007 darauf hingewiesen, dass nach dem im
Rechtsausschuss gefundenen Kompromiss den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ver-
bleiben soll, entsprechend ihrer eigenen Rechtstradition vernünftige Anpassungen
und auch begrenzte Einschränkungen des Fragerechts vorzunehmen, ohne es
grundsätzlich in Frage zu stellen (Protokoll der Plenardebatte vom 15. Februar 2007,
CRE 15/02/2007-5).
(4) Es entspricht vielmehr der in den Erwägungsgründen zum Ausdruck kom-
menden Zielrichtung der Aktionärsrechterichtlinie (vgl. EuGH, ZIP 2013, 1971
Rn. 26), den ordnungsgemäßen Ablauf einer Hauptversammlung in Bezug auf Frage-
recht und Antwortpflicht nicht ausschließlich durch organisatorische Maßnahmen,
sondern auch durch Regelungen zur Reichweite des Fragerechts und der Antwort-
pflicht zu steuern. Die Beschränkung der Auskunftspflicht auf zur sachgemäßen Be-
urteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderliche Informationen sorgt für
einen angemessenen Ausgleich der Informationsinteressen einzelner Aktionäre mit
dem allgemeinen Interesse an einer zielgerichteten und sachbezogenen Information
innerhalb der Hauptversammlung.
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Zielsetzung der Aktionärsrechterichtlinie ist nach deren Erwägungsgrund 1 die
Stärkung der Rechte der Aktionäre in börsennotierten Gesellschaften, die - vgl. Er-
wägungsgrund 4 Satz 4 - durch die Einführung gewisser Mindestnormen zum Schutz
der Anleger und zur Förderung einer reibungslosen und wirksamen Ausübung der mit
Stimmrechtsaktien verbundenen Rechte der Aktionäre erreicht werden soll. Nach
Erwägungsgrund 6 Satz 1 soll der Aktionär in der Lage sein, sein Stimmrecht in der
Hauptversammlung oder davor in Kenntnis der Sachlage auszuüben. Soweit es - wie
in der Vorschrift des § 131 AktG - um die Information der Aktionäre in der Hauptver-
sammlung geht, ist dabei nicht nur die individualrechtliche Komponente des Aus-
kunftsrechts in den Blick zu nehmen; das Auskunftsrecht hat auch die Funktion, zur
Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre in der Hauptversammlung beizutra-
gen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 389). Ent-
sprechend wird ein auf eine gleichmäßige Unterrichtung aller Aktionäre gerichteter
Auskunftsanspruch als durch den allgemeinen Gleichheitssatz legitimiert angesehen
(BVerfG, ZIP 1999, 1778, 1799). Dieser Sicht steht es nicht entgegen, dass die im
Vorschlag der Kommission enthaltene Regelung, Antworten auf Fragen aller Aktionä-
re auf der Internetseite der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, Art. 9 Abs. 3 der
Vorschlagsfassung (KOM [2005] 685 endgültig, S. 7, 16), auf die Stellungnahme des
Ausschusses für Wirtschaft und Währung hin (Plenarsitzungsdokument A6-
0024/2007 endgültig, S. 39) nicht in die Richtlinie aufgenommen wurde. Die Strei-
chung dieser Regelung war in den Stellungnahmen zum Vorschlag der Kommission
im Hinblick darauf angeregt worden, dass eine Pflicht zur Veröffentlichung ad hoc
gegebener Antworten auf Fragen, die in der Hauptversammlung mündlich gestellt
werden, überzogen sei (Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deut-
schen Anwaltsvereins zum Richtlinienvorschlag der Kommission, NZG 2006, 577,
578), insbesondere, weil die Antworten regelmäßig nur im Hinblick auf die in der
Hauptversammlung erfolgenden Abstimmungen von allgemeinem Interesse seien
33
- 17 -
(Gemeinsame Stellungnahme von BDA/BDI/DAI/DIHK/GDV zum Richtlinienvorschlag
der Kommission, NZG 2006, 300, 302). Hierdurch wird eine über das Individualrecht
hinausgehende Funktion des Auskunftsrechts in der Hauptversammlung nicht in Fra-
ge gestellt.
Das Frage- und Rederecht steht den Aktionären in der Hauptversammlung nur
in zeitlich begrenztem Umfang zur Verfügung. Nach § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG ist es
den Gesellschaften eröffnet, durch die Satzung oder die Geschäftsordnung den Ver-
sammlungsleiter zu ermächtigen, das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich
angemessen zu beschränken. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung auf eine
zum Teil missbräuchliche Ausübung des Auskunfts- und Rederechts reagiert, die zur
Beeinträchtigung der im Interesse aller Aktionäre wichtigen Diskussionskultur führt.
Sie soll den Aktionären bei dem Ziel, eine Abwicklung der Hauptversammlung in an-
gemessener und zumutbarer Zeit zu ermöglichen, mehr Entscheidungsfreiheit ein-
räumen und die Hauptversammlung - sofern sie das wünschen - wieder zu einer
straffen, auf die wesentlichen strategischen Entscheidungen konzentrierten Plattform
machen (Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung
des Anfechtungsrechts [UMAG], BT-Drs. 15/5092 S. 17; vgl. auch BGH, Urteil vom
8. Februar 2010 - II ZR 94/08, BGHZ 184, 239 Rn. 11 f.). Der Senat hat in diesem
Zusammenhang eine Satzungsregelung, nach der das Rede- und Fragerecht durch
den Versammlungsleiter in solcher Weise zeitlich beschränkt werden darf, dass die
Hauptversammlung, in der nur über die in § 119 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 AktG aufgeführten
Gegenstände und/oder die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien Beschluss zu
fassen ist, insgesamt nicht länger als sechs Stunden dauert, aus Rechtsgründen
nicht beanstandet (BGH, Urteil vom 8. Februar 2010 - II ZR 94/08, BGHZ 184, 239
Rn. 20).
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- 18 -
Eine angemessene Unterrichtung der Aktionäre über die Gegenstände der
Tagesordnung mit Hilfe der in der Hauptversammlung erteilten Auskünfte kann indes
allein durch Maßnahmen organisatorischer Art - wie die vorstehend genannte zeitli-
che Beschränkung des Rede- und Fragerechts - nicht zuverlässig erreicht werden.
Vielmehr würden solche - ihrerseits durch legitime Ziele gerechtfertigten - Beschrän-
kungen zu einer empfindlichen Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte anderer
Aktionäre führen, wenn die Gesellschaft Auskünfte auf Fragen geben müsste, die
zwar in einem Zusammenhang mit einem Tagesordnungspunkt stehen, für die Be-
schlussfassung vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs aus betrachtet
jedoch nicht beurteilungserheblich sind. Eine Hauptversammlung kann ihre Aufgabe
als Entscheidungsforum und „Sitz der Aktionärsdemokratie“ nur erfüllen, wenn der
Versammlungsleiter dafür Sorge trägt, dass die zur Verfügung stehende Zeit mög-
lichst gerecht verteilt wird und nicht durch Beiträge oder Fragen einzelner Aktionäre,
die ersichtlich nicht auf einen Erkenntnisgewinn in Bezug auf einen zur Entscheidung
anstehenden Tagesordnungspunkt gerichtet sind, verbraucht wird (BVerfG, ZIP
1999, 1798, 1800; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 131 Rn. 35). Diese Erwägung gilt spie-
gelbildlich auch für die von der Gesellschaft zu erteilenden Auskünfte. Ist - wie im
vorliegenden Fall - die Entlastung der Organmitglieder der Gesellschaft Gegenstand
der Tagesordnung, stünden jedwede Fragen mit einem Bezug zur Organtätigkeit mit
diesem in einem Zusammenhang, selbst wenn sie - objektiv betrachtet - keine nen-
nenswerte Aussagekraft über die tatsächliche Verwaltungsleistung haben. Müsste
bereits ein ausschließlich subjektiv begründetes Informationsbedürfnis eines einzel-
nen Aktionärs erfüllt werden oder bestünde gar die Möglichkeit, mit missbräuchlichen
Auskunftsverlangen gezielt ein verzerrtes Bild über den Gegenstand der Tagesord-
nung zu zeichnen, würde dies das Mitgliedschaftsrecht anderer Aktionäre beeinträch-
tigen, denn der Zweck des Auskunftsanspruchs, innerhalb begrenzter Zeit eine aus-
reichende Informationsgrundlage für die Entscheidung über den Gegenstand der Ta-
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gesordnung zu gewinnen, könnte nicht effektiv verwirklicht werden (Kocher/Lönner,
AG 2010, 153, 156).
Die Begrenzung des Auskunftsrechts der Aktionäre stellt schließlich auch kei-
ne unverhältnismäßige Beschränkung der Aktionärsrechte dar, weil zum einen die
Beurteilung der Erforderlichkeit einer Auskunft durch die Gesellschaft nach § 132
Abs. 1 AktG einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt und zum anderen die Erteilung
unzureichender Auskünfte die Gefahr der Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungs-
beschlusses in sich birgt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 250/02, BGHZ
160, 385, 388; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 33 ff.
- Kirch/Deutsche Bank).
cc) Der Senat kann die Vereinbarkeit von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG mit der
Aktionärsrechterichtlinie feststellen, ohne dass er den Gerichtshof der Europäischen
Union gem. Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV um eine Vorabentscheidung ersuchen muss.
Die Vorlagepflicht entfällt unter anderem dann, wenn die richtige Auslegung des Ge-
meinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein
Raum mehr bleibt ("acte claire"; EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 13 ff.; Slg. 2005, I-8151
Rn. 39; BGH, Beschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 33;
Urteil vom 4. März 2013 - NotZ (Brfg) 9/12, ZIP 2013, 886 Rn. 33; BVerfGE 82, 159,
192 f.; 128, 157, 187 f.; BVerfG, ZIP 2013, 924 Rn. 28). Ob dies der Fall ist, ist unter
Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts und der besonderen
Schwierigkeiten seiner Auslegung zu beurteilen (EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 17 ff.
- Cilfit u.a.). Hieran gemessen war ein Vorabentscheidungsersuchen nicht veranlasst.
Der Senat gelangt - wie vorstehend aufgezeigt - bei den sich hier stellenden Fragen
zur Auslegung der Aktionärsrechterichtlinie zu einem eindeutigen Ergebnis. Die im
Schrifttum geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG mit
Art. 9 der Aktionärsrechterichtlinie sind vereinzelt geblieben und berücksichtigen
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- 20 -
- ebenso wie die Rechtsbeschwerde - die in § 288 Abs. 3 AEUV und Art. 5 EUV in
Verbindung mit Erwägungsgrund 8 Halbsatz 2 und Art. 9 Abs. 2 der Aktionärsrechte-
richtlinie geregelte Kompetenzverteilung nicht hinreichend.
c) Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Frage II. 3. der Antragstellerin
sei ausreichend beantwortet, ist im Ergebnis zutreffend.
aa) Bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Entlastung
(§ 120 Abs. 1 und 2 AktG) haben die Aktionäre darüber zu entscheiden, ob die Tätig-
keit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr zu billigen ist, sie in der Un-
ternehmensführung eine „glückliche Hand“ bewiesen haben und ihnen das Vertrauen
auch für ihre künftige Tätigkeit auszusprechen ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004
- II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 389; Urteil vom 21. Juni 2010 - II ZR 24/09, ZIP
2010, 1437 Rn. 24). Weder die nach § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG beschränkte Wirkung
der Entlastung noch das der Hauptversammlung bei dieser Entscheidung zustehen-
de Ermessen rechtfertigen eine Einschränkung des Auskunftsrechts gemäß § 131
AktG oder eine Verschärfung seiner Anforderungen. Dem Aktionär sind vielmehr die
für seine Ermessensausübung erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Es ist ihm nicht
zuzumuten, die Tätigkeit der Verwaltung ohne die dazu erforderlichen Informationen
„abzusegnen“ und ihr das Vertrauen auszusprechen (BGH, Urteil vom 18. Oktober
2004 - II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 389 f.).
bb) Hieran gemessen musste die Antragsgegnerin jedenfalls ohne eine weite-
re Rückfrage der Antragstellerin keine weiteren Auskünfte für die Ermessensaus-
übung bei den Entscheidungen über die Entlastung erteilen.
(1) Bei dem Erwerb von Sal. Oppenheim handelte es sich nach den Feststel-
lungen des Beschwerdegerichts um eine Entscheidung von grundlegender Bedeu-
tung, weil dieser die größte Privatbank Deutschlands betraf. Zudem mussten die Ak-
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- 21 -
tionäre auf Grund von Presseinformationen annehmen, dass sich die übernommene
Gesellschaft zum damaligen Zeitpunkt in einer existenziellen Krise befand. Für das
Rechtsbeschwerdeverfahren ist daher davon auszugehen, dass die ordnungsgemä-
ße Abwicklung des Geschäfts ein für die Billigung des Organhandelns wesentlicher
Umstand war und sich das Auskunftsrecht ausnahmsweise auf dessen konkreten
Inhalt bezog (vgl. OLG Stuttgart, ZIP 2012, 970, 971; BayObLG, ZIP 1996, 1251,
1253; Kersting in KK-AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 208).
(2) Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Mit-
teilung des genauen Inhalts der über den Erwerb geschlossenen Verträge keine für
die Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns erforderli-
che Information darstellt und auch die Benennung sämtlicher im Rahmen der Due
Diligence aufgedeckten Risiken das für die Beurteilung der Entscheidungen über die
Entlastungen maßgebliche Informationsbedürfnis der Antragstellerin deutlich über-
steigt (vgl. auch Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 131 Rn. 19). Das Auskunftsverlangen ist
insoweit auf eine Fülle nebensächlicher Informationen gerichtet, die für die Beurtei-
lung der Verwaltungsleistung keine Relevanz haben. Das bezweifelt auch die
Rechtsbeschwerde nicht.
(3) Die Antragsgegnerin war auf die Frage II. 3. hin auch nicht gehalten näher
zu erläutern, welcher Art die von der Due Diligence aufgedeckten Risiken waren, und
diese zu quantifizieren. Da die Antragsgegnerin nicht verpflichtet war, sämtliche im
Rahmen der Due Diligence aufgedeckten Risiken zu benennen, waren auch nähere
Erläuterungen zur Art der Risiken nicht geboten. Nach der Quantifizierung aufge-
deckter Risiken hat die Antragstellerin schon nicht ausdrücklich gefragt. Soweit die
Antragstellerin die Vorstellung gehabt haben mochte, im Zusammenhang mit der In-
formation über den „sonstigen Inhalt“ des Berichts der Due Diligence auch über den
Umfang der Risiken aufgeklärt zu werden, war dies für die Antragsgegnerin nicht hin-
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- 22 -
reichend deutlich. Im Übrigen ist nicht erkennbar, warum aus der Sicht des objektiv
urteilenden Durchschnittsaktionärs eine weitere Detaillierung der Auskunft für die
Beurteilung der Verwaltungsleistung erforderlich war, nachdem die Antragsgegnerin
geantwortet hat, dass die vorhandenen Risiken zu einem großen Teil nicht über-
nommen worden seien.
(4) Schließlich war die Antragsgegnerin auch nicht von sich aus verpflichtet,
die für sie mit dem Erwerb von Sal. Oppenheim verbundenen Restrisiken zu benen-
nen, damit die Antragstellerin hätte nachvollziehen können, ob die Risikoübernahme
vertretbar war und von der Verwaltung angemessen berücksichtigt wurde. Dabei
kann offen bleiben, ob der Vorstand bei einer zumindest teilweise auf nicht erforderli-
che Auskünfte gerichteten Frage verpflichtet ist, diese in den durch § 131 Abs. 1
Satz 1 AktG gezogenen Grenzen zu beantworten (bejahend: KG, ZIP 1995, 1585,
1589; aA Decher in Großkomm.AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 155; Spindler in K.
Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 31; Groß, AG 1997, 97, 103; Marsch-
Barner, WM 1984, 41, 42). Jedenfalls dann, wenn eine Frage auf eine Vielzahl von
Informationen gerichtet ist, die zumindest teilweise nicht für die Beurteilung eines
Tagesordnungspunkts relevant sind, muss der Aktionär, der auf seine Frage eine aus
seiner Sicht unzureichende Pauschalantwort erhält, durch eine Nachfrage deutlich
machen, dass sein Informationsinteresse auf bestimmte Detailauskünfte gerichtet ist.
Es gelten in diesem Fall dieselben Grundsätze wie bei einer pauschalen Frage, bei
der der Aktionär ein auf detaillierte Informationen gerichtetes Auskunftsverlangen
ebenfalls durch eine Nachfrage kundtun muss (dazu OLG Hamburg, AG 2001, 359,
360; LG Braunschweig, AG 1991, 36, 37; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl.,
§ 131 Rn. 17; Drinhausen in Hölters, AktG, § 131 Rn. 22; Hüffer, AktG, 10. Aufl.,
§ 131 Rn. 21; Kersting in KK-AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 266; Groß, AG 1997, 97, 103).
Hiervon ausgehend hätte die Antragstellerin weitere Informationen zu den mit dem
Erwerb von Sal. Oppenheim übernommenen Risiken konkret erfragen müssen, weil
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ihr Auskunftsverlangen sowohl zum Inhalt der für den Erwerb von Sal. Oppenheim
geschlossenen Verträge als auch zu den Ergebnissen der Due Diligence auch auf
Informationen gerichtet war, die für die Beurteilung der Entscheidung über die Entlas-
tung nicht relevant waren. Es war daher Sache der Antragstellerin, durch eine präzi-
se Nachfrage zum Ausdruck zu bringen, auf welche (weiteren) Informationen es ihr
ankam (vgl. auch MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 77; Marsch-Barner,
WM 1984, 41, 42).
2. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis auch ohne Rechtsfehler ange-
nommen, dass der aus der Frage II. 4. folgende Auskunftsanspruch von der Antrags-
gegnerin erfüllt wurde.
a) Dies gilt zunächst für die Teilfragen 1 und 3 der Frage II. 4. Die Antwort der
Antragsgegnerin bleibt insoweit zwar pauschal und enthält die Information über die
im Risikoausschuss behandelten Engagements im Einzelnen nicht. Das Beschwer-
degericht hat aber im Ergebnis zutreffend eine weitergehende Auskunftspflicht im
Hinblick auf den Vorrang der Vertraulichkeit der Vorgänge in den Sitzungen des Risi-
koausschusses verneint.
aa) Der Vorstand darf regelmäßig die Auskunft verweigern, wenn sich das
Auskunftsverlangen auf vertrauliche Vorgänge in den Sitzungen des Aufsichtsrats
oder der von ihm nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG bestellten Ausschüsse richtet (OLG
Stuttgart, AG 1995, 234, 235; LG Mannheim, AG 2005, 780, 781; Hüffer, AktG,
10. Aufl., § 131 Rn. 11; Kersting in KK-AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 244, 374; Spindler in
K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 44; Ebenroth, Das Auskunftsrecht des
Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 119; vgl. auch BVerfG, ZIP
1999, 1798, 1800; demgegenüber zur GmbH: BGH, Beschluss vom 6. März 1997
- II ZB 4/96, BGHZ 135, 48, 53 ff.). Die Grundlage für das Auskunftsverweigerungs-
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recht wird teilweise in § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG gesehen (Kersting in KK-AktG,
3. Aufl., § 131 Rn. 244, 374); teilweise wird es auch als eigenständiges Recht aner-
kannt (Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 171 Rn. 15). Unabhängig von
dieser Streitfrage sind die Diskussionen im Aufsichtsrat und das Abstimmungsverhal-
ten der Mitglieder des Aufsichtsrats vertraulich, und zwar unabhängig davon, ob dies
auch für den Gegenstand der Beratung selbst gilt (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975
- II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 331 f.; MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl., § 116
Rn. 54; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., § 6 Rn. 260 f.;
vgl. auch BVerfG, ZIP 1999, 1798, 1800). Ob sich das Auskunftsverweigerungsrecht
darüber hinaus auch auf den Gegenstand einer Aufsichtsratssitzung oder den Inhalt
eines in ihr gefassten Beschlusses erstreckt (so LG Mannheim, AG 2005, 780, 781;
Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 171 Rn. 15, Reger in Bürgers/Körber,
AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 13, Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131
Rn. 44; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4,
3. Aufl., § 33 Rn. 51) oder ob die Frage der Auskunftspflicht von den konkreten Um-
ständen des Einzelfalls abhängt (Heidel in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht,
3. Aufl., § 131 AktG Rn. 28; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 22; wohl
auch Siems in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 17), kann offen bleiben, weil im
vorliegenden Fall die Vertraulichkeit der verlangten Informationen offensichtlich ge-
geben ist.
Entscheidendes Kriterium ist insoweit ein objektives Bedürfnis der Ge-
heimhaltung im Interesse des Unternehmens (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975
- II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329).
bb) Die mit dem Auskunftsverlangen begehrten Informationen zu den im Risi-
koausschuss behandelten Kreditengagements und die hierzu gefassten Beschlüsse
des Risikoausschusses sind vertraulich, weil das Auskunftsverlangen insoweit auf die
Mitteilung persönlicher Umstände und Verhältnisse der Kunden der Antragsgegnerin
gerichtet ist (vgl. auch LG Frankfurt am Main, ZIP 2005, 1275, 1277; Reger in
48
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Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 19; Heidel in Heidel, Aktienrecht und Kapi-
talmarktrecht, 3. Aufl., § 131 AktG Rn. 71). Hiergegen wendet sich die Rechtsbe-
schwerde auch nicht. Sie meint vielmehr, es sei der Antragstellerin nicht um die na-
mentliche Benennung der Kunden der Antragsgegnerin gegangen. Dazu hat das Be-
schwerdegericht ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Frage als auf die Beschrei-
bung aller Engagements im Einzelnen unter Nennung der betroffenen Kreditnehmer
gerichtet aufgefasst werden konnte und von der Antragsgegnerin auch aufgefasst
wurde.
Das auf der Vertraulichkeit der verlangten Informationen beruhende Recht zur
Auskunftsverweigerung tritt hier auch nicht hinter ein vorrangiges Aufklärungsinteres-
se wegen eines objektiv begründeten Verdachts schwerwiegender Pflichtverletzun-
gen zurück (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9
Rn. 43 - Kirch/Deutsche Bank; Urteil vom 29. November 1982 - II ZR 88/81, BGHZ
86, 1, 19 f.). Zu einem solchen Interesse hat das Beschwerdegericht nichts festge-
stellt. Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit auch keine fehlerhafte Tatsachenfeststel-
lung.
b) Eine weiter gehende Antwort war auch auf die Teilfrage 2 nicht geboten.
Die Frage nach einer Veränderung des bankinternen Ratings knüpft an die Benen-
nung der im Risikoausschuss behandelten Engagements entsprechend der Teilfrage
1 an. Nachdem - wie vorstehend dargestellt - Einzelheiten über die Tätigkeit des Ri-
sikoausschusses bei der Überprüfung von Kreditengagements nicht mitgeteilt werden
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mussten, konnte die erkennbar auf die Offenlegung anschließender Bewertungsän-
derungen gerichtete Frage nicht konkret, sondern - wie geschehen - nur pauschal
beantwortet werden. Die Antwort der Antragsgegnerin legt diesbezüglich offen, dass
es auch hinsichtlich der im Risikoausschuss behandelten Engagements zu nachträg-
lichen Bewertungsänderungen gekommen ist.
Bergmann
Strohn
Reichart
Drescher
Born
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 17.05.2011 - 3-5 O 68/10 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 08.11.2012 - 21 W 33/11 -