Urteil des BFH vom 11.12.2013

Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 11.12.2013, XI R 21/11
Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen
Leitsätze
§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass bei Werklieferungen
oder sonstigen Leistungen i.S. des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG die Steuerschuldnerschaft nur
dann auf den Leistungsempfänger verlagert wird, wenn der Leistungsempfänger die an ihn
erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung,
Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer
derartigen Leistung verwendet.
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nach § 13b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als
Leistungsempfänger Umsatzsteuer für sog. Bauleistungen schuldet.
2 Der Kläger war im Jahr 2007 (Streitjahr) überwiegend als "Bauträger" tätig. Er war zugleich
alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der X-GmbH (GmbH), über deren
Vermögen im März 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
3 Der Kläger bezog im Streitjahr von der GmbH Rohbauarbeiten für ein Wohn- und
Geschäftshaus auf dem Grundstück A-Straße in B.
4 Für die geleisteten Arbeiten erteilte die GmbH zunächst zwischen dem 17. April 2007 und
dem 31. Oktober 2007 an den Kläger 12 Abschlagsrechnungen über insgesamt ... EUR, in
denen sie auf die angeforderten Abschlagszahlungen § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG
anwandte und den Kläger auf eine Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger hinwies.
Der Kläger meldete die Umsatzsteuer aus den Umsätzen der GmbH in seinen Umsatzsteuer-
Voranmeldungen an und führte diese ab.
5 In der Schlussrechnung vom 17. Dezember 2007 hingegen wies die GmbH Umsatzsteuer
offen aus.
6 In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 4. Quartal 2007 erklärte der Kläger erhaltene
Bauleistungen gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG, für die er als Leistungsempfänger die
Umsatzsteuer schulde, mit einer negativen Bemessungsgrundlage. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nach Durchführung einer
Außenprüfung nicht, sondern ging im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das
4. Quartal 2007 vom 1. April 2008 davon aus, dass gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG
der Kläger als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die an ihn erbrachten
Bauleistungen schulde.
7 Mit seinem Einspruch trug der Kläger vor, die GmbH habe ihn von Anfang an zu Unrecht
gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Steuerschuldner angesehen. Im Jahr 2006
(Vorjahr) seien weniger als 10 % seiner Umsätze Bauleistungen gewesen, was nach
Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2, Satz 3, 1. Spiegelstrich der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR--
(jetzt: Abschn. 13b.3. Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--)
Voraussetzung für die nachhaltige Erbringung von Bauleistungen sei. Mit der Erstellung der
Abschlagsrechnungen der GmbH habe er sich als Geschäftsführer nicht persönlich befasst.
Erst bei der Erteilung der Schlussrechnung habe er den Fehler bemerkt.
8 Das FA wies den Einspruch des Klägers durch Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober
2008 als unbegründet zurück. Der Kläger und die GmbH hätten in insgesamt
12 Abschlagsrechnungen § 13b UStG angewandt und dadurch dokumentiert, dass der
Kläger Steuerschuldner sei. Der Kläger habe der GmbH eine Freistellungsbescheinigung
nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für umsatzsteuerliche Zwecke vorgelegt
(Hinweis auf Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2, Satz 3, 2. Spiegelstrich UStR 2005; jetzt
Abschn. 13b.3. Abs. 1 und 3 UStAE). Die nachträgliche Erkenntnis, dass der Kläger im
Vorjahr die 10 %-Grenze nicht erreicht habe und somit nicht als Bauleistender angesehen
werden könne, sei nicht von Bedeutung, da durch die Verwendung der
Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG Vertrauensschutz entstanden sei. Außerdem
sei der Kläger auch gegenüber anderen Auftragnehmern als Bauleistender i.S. des § 13b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG aufgetreten.
9 Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA am 7. September 2009 einen
Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen, der
nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens
wurde. Das FA führte in den Erläuterungen zum Bescheid aus, der Kläger habe keine
Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr abgegeben, und nahm u.a. weiterhin an, dass der
Kläger die Umsatzsteuer aus den Bauleistungen der GmbH schulde.
10 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2012, 282 veröffentlicht.
11 Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
12 Er trägt vor, er sei kein Unternehmer, der Leistungen i.S. des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG
erbracht habe.
13 Im Hinblick auf die Ausführungen des FG zur 10 %-Grenze hat der Kläger zunächst
vorgetragen, dass er in den Jahren 2006 und 2007 überhaupt keine Bauleistungen erbracht
habe. Seine frühere Aussage, "95 % der Leistungen" des Jahres 2006 seien keine
Bauleistungen gewesen, sei dahingehend zu verstehen, dass "mindestens 95 % der
Leistungen" keine Bauleistungen gewesen seien. Die übrigen 5 % seien damals nicht näher
überprüft worden. Das FG hätte auf Basis seiner Rechtsauffassung die Umsatzverhältnisse
bei ihm, dem Kläger, im Jahr 2007 von Amts wegen aufklären müssen. Da er, der Kläger, in
beiden Jahren (überhaupt) keine Bauleistungen erbracht habe, komme es weder auf die
Vorlage der Freistellungsbescheinigung i.S. des § 48b EStG noch auf die 10 %-Grenze an.
Auch hätten sich deshalb die Verhältnisse zwischen Abschlagsrechnungen und
Schlussrechnung nicht geändert. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat der Kläger --nach
Einwendungen des FA gegen die Richtigkeit dieses Sachvortrags-- seinen Vortrag geändert
und behauptet nunmehr, im Jahr 2007 Bauleistungen mit einer Bemessungsgrundlage von
ca. ... EUR ausgeführt zu haben. Dies seien nur rund 0,2 % seiner Umsätze gewesen. Es
liege auch keine Steuerflucht oder Steuerumgehung vor.
14 Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober
2008 aufzuheben sowie den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 7. September
2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... EUR vermindert wird, hilfsweise,
die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
15 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
16 Es verteidigt die Verwaltungsauffassung in Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2, Satz 3,
2. Spiegelstrich UStR 2005 bzw. Abschn. 13b.3. Abs. 1 und 3 UStAE, wonach davon
auszugehen sei, dass der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringe, wenn er
dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung i.S. des § 48b EStG vorlege. Im Interesse
der Rechtssicherheit könne es keine Rolle spielen, wenn sich später herausstelle, dass die
Parteien von einem falschen Sachverhalt ausgegangen seien. Bei Zweifeln an der
Anwendbarkeit des § 13b UStG werde es nach Abschn. 182a Abs. 23 UStR (jetzt:
Abschn. 13b.8. UStAE) nicht beanstandet, wenn sich die Beteiligten über die Anwendung
des § 13b UStG einig seien und der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe
versteuert werde. Diese Einigung sei im Streitfall durch Ausstellung der
Abschlagsrechnungen, Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer dokumentiert worden.
17 Im Übrigen sei die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nicht in das Belieben der
Vertragsparteien gestellt. Deshalb sei es nicht möglich, in Abschlagsrechnungen § 13b
UStG anzuwenden, in der Schlussrechnung hingegen die Anwendung zu unterlassen. Der
willkürliche Wechsel könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Ein Wechsel
der Steuerschuldnerschaft zu diesem Zeitpunkt sei im Hinblick auf § 42 der
Abgabenordnung äußerst bedenklich. Der Insolvenzantrag der GmbH sei bereits am
3. Januar 2008 gestellt worden.
18 Hilfsweise macht das FA geltend, der Kläger habe auch im Jahr 2007 Bauleistungen
erbracht. Dem FA liege eine Rechnung des Klägers vom 1. Juni 2007 an die GmbH über
Bauleistungen vor. Außerdem habe der Kläger in seiner mittlerweile eingereichten
Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 angegeben, Umsätze i.S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2
bis 4 UStG ausgeführt zu haben, für die die Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulden.
19 Ebenfalls hilfsweise wendet das FA ein, es liege eine Organschaft zwischen dem Kläger als
Organträger und der GmbH als Organgesellschaft vor, wenn man mit dem Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. April 2003 V R 63/01 (BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434)
eine wirtschaftliche Eingliederung als gegeben ansehe. Der Kläger sei
Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der GmbH.
20 Der Kläger ist dem Einwand des FA, es liege eine Organschaft vor, entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
21 II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung
der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
22 Das FG konnte bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen, dass nach der neueren
Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BStBl II 2014, 128,
BFH/NV 2014, 130) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG dahingehend einschränkend auszulegen ist,
dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger darauf
ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige
Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung
von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Dazu
sind vom FG weitere Feststellungen zu treffen.
23 1. Die im Streitjahr 2007 maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
24 a) Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG in der seinerzeit geltenden Fassung schuldet in den in
§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Fällen der Leistungsempfänger die Steuer,
wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen i.S. des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG
erbringt. § 13b Abs. 1 UStG lautet wie folgt:
25 "(1) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der
Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden
Kalendermonats: ...
4. Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung,
Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von
Planungs- und Überwachungsleistungen. ..."
26 b) § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG beruhten im Streitjahr 2007
unionsrechtlich auf Art. 199 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
27 aa) Art. 199 der MwStSystRL hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
28 "(1) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die
Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden:
a) Bauleistungen, einschließlich Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und
Abbruchleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken sowie die auf Grund des Art. 14
Abs. 3 als Lieferung von Gegenständen betrachtete Erbringung bestimmter Bauleistungen; ...
(2) Bei der Anwendung der in Abs. 1 geregelten Möglichkeit können die Mitgliedstaaten die
Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen und die Kategorien von Lieferern und
Dienstleistungserbringern sowie von Erwerbern oder Dienstleistungsempfängern
bestimmen, für die sie von diesen Maßnahmen Gebrauch machen. ..."
29 Gemäß Art. 14 Abs. 3 der MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die Erbringung
bestimmter Bauleistungen als Lieferung von Gegenständen betrachten.
30 bb) Zur Begründung des Art. 199 der MwStSystRL ist im 42. Erwägungsgrund ausgeführt,
die Mitgliedstaaten sollten in die Lage versetzt werden, in bestimmten Fällen den Erwerber
von Gegenständen oder den Dienstleistungsempfänger als Steuerschuldner zu bestimmen.
Dies würde es den Mitgliedstaaten erlauben, die Vorschriften zu vereinfachen und die
Steuerhinterziehung und -umgehung in bestimmten Sektoren oder bei bestimmten Arten von
Umsätzen zu bekämpfen.
31 2. Ausgehend davon ist --wie der V. Senat des BFH in seinem Urteil in BStBl II 2014, 128,
BFH/NV 2014, 130 unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) vom 13. Dezember 2012 C-395/11 --BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH--
(Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR--
2013, 190) entschieden hat-- im Hinblick auf das sich aus dem Unionsrecht ergebende
Erfordernis der Rechtssicherheit § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG dahingehend teleologisch
einschränkend auszulegen, dass eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den
Leistungsempfänger nur dann in Betracht kommt, wenn der Leistungsempfänger die an ihn
erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung,
Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung
einer derartigen Leistung verwendet.
32 3. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung im Interesse einer einheitlichen
Rechtsprechung an.
33 Das bezeichnete Urteil des V. Senats des BFH ist zwar zur Rechtslage im Jahr 2005
ergangen, in dem bei Bauleistungen unionsrechtliche Rechtsgrundlage für die Verlagerung
der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung
2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung
einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 94 vom 31. März 2004, S. 59) war,
während im Jahr 2007 --wie unter II.1.b dargelegt-- Art. 199 der MwStSystRL maßgeblich ist.
Mit Einführung des Art. 199 der MwStSystRL zum 1. Januar 2007 wurden jedoch lediglich
alle Mitgliedstaaten durch eine unbefristete Bestimmung in die Lage versetzt, in bestimmten
Fällen den Leistungsempfänger als Steuerschuldner zu bestimmen, um die Vorschriften zu
vereinfachen und die Steuerhinterziehung und -umgehung in bestimmten Sektoren oder bei
bestimmten Arten von Umsätzen zu bekämpfen. An § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2
UStG hat sich dadurch nichts geändert.
34 4. Entgegen der Auffassung des FA ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten
über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren und ob
möglicherweise der Leistungsempfänger dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung
nach § 48b EStG vorgelegt hatte. Denn das Gesetz stellt den Übergang der
Steuerschuldnerschaft zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der
Vertragsparteien (BFH-Urteil in BStBl II 2014, 128, BFH/NV 2014, 130, Rz 55, m.w.N.).
35 5. Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sie ist deshalb
aufzuheben. Über die vom Kläger hilfsweise erhobene Verfahrensrüge (Verletzung der
Sachaufklärungspflicht durch das FG) muss folglich nicht mehr entschieden werden.
36 6. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um
abschließend beurteilen zu können, ob und inwieweit der angefochtene
Umsatzsteuerbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
37 a) Zunächst hat das FG --aus seiner Sicht folgerichtig-- keine Feststellungen dazu getroffen,
ob der Kläger die Bauleistungen der GmbH ganz oder teilweise zur Ausführung von
Bauleistungen verwendet hat. Die Tz. 15 und 17 des Berichts vom 11. März 2008 über die
Außenprüfung beim Kläger könnten zwar dafür sprechen, dass der Kläger die Vorleistungen
der GmbH nicht zur Erbringung von Bauleistungen verwendet hat, zumal das FG den Kläger
als "Bauträger" bezeichnet hat. Vom FG i.S. des § 118 Abs. 2 FGO hinreichend tatsächlich
festgestellt ist dies indes nicht.
38 b) Weiter steht nicht fest, ob der Kläger Umsatzsteuer aus von ihm erbrachten Bauleistungen
schuldet, die bisher vom FA --auf Basis seiner Rechtsauffassung konsequenterweise-- nicht
erfasst worden ist. Dies kann vom Senat schon deshalb nicht beurteilt werden, weil das FG
nicht festgestellt hat, in welchem Umfang der Kläger im Streitjahr 2007 überhaupt
Bauleistungen erbracht hat. Die Feststellungen des FG beziehen sich auf das Jahr 2006,
das nicht Streitjahr ist. Zum Streitjahr 2007 sind deshalb tatsächliche Feststellungen
nachzuholen. Sollte der Kläger Bauleistungen erbracht haben, wird vom FG zusätzlich
festzustellen sein, ob die Leistungsempfänger des Klägers diese ihrerseits zu Ausführungen
von Bauleistungen verwendet haben und der Kläger die darauf entfallende Umsatzsteuer
darum nicht schuldet.
39 c) Vom FG sind außerdem im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu der --vorrangigen,
zwischen den Beteiligten jedoch erstmals im Revisionsverfahren streitig gewordenen--
Frage zu treffen, ob zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH als
Organgesellschaft im Streitjahr eine Organschaft bestand. Dazu müsste --worauf bereits das
FG von sich aus beide Beteiligte im Klageverfahren hingewiesen hatte-- neben einer (vom
FG tatsächlich festgestellten) finanziellen und organisatorischen Eingliederung auch eine
wirtschaftliche Eingliederung bestehen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 202, 79, BStBl II
2004, 434; vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256). Dazu hat
das FG keine Feststellungen getroffen.
40 d) Das FG muss im zweiten Rechtsgang überdies noch der Frage nachgehen, ob der Kläger
mit der Schlussrechnung der GmbH vom 17. Dezember 2007 ein --ggf. ganz oder teilweise
bestehendes-- Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. dazu Tz. 17 des Berichts vom 11. März 2008)
ausüben kann.
41 aa) Dazu ist u.a. zu klären, ob die Leistungsbeschreibung (vgl. dazu Senatsurteil vom
15. Mai 2012 XI R 32/10, BFH/NV 2012, 1836, m.w.N.) "Rohbau" und "Mehrmassen Stahl"
deshalb ausreicht, weil in der Rechnung auf ein Angebot vom 28. Februar 2007 Bezug
genommen wird, dessen Inhalt indes nicht festgestellt ist.
42 bb) Außerdem ist zu klären, ob der Leistungszeitraum (vgl. dazu Senatsurteil vom
17. Dezember 2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432) mit der Bezeichnung
"November bis Dezember 2007" richtig angegeben ist. Dagegen spricht, dass nach den
Feststellungen des FG von der GmbH bereits bis Oktober 2007 insgesamt
12 Abschlagsrechnungen erteilt worden sind.
43 cc) Eine zukünftige Berichtigung der Schlussrechnung durch die GmbH hätte nach dem
EuGH-Urteil vom 8. Mai 2013 C-271/12 --Petroma Transports S.A. u.a.--
(Mehrwertsteuerrecht 2013, 272, HFR 2013, 656, Rz 34 ff.) keine Auswirkungen auf das
Streitjahr.