Urteil des BFH vom 08.04.2014

Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Falle der nicht steuerbaren Veräußerung einer Immobilie; Zurechnung eines von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft aufgenommenen, der Immobilienfinanzierung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 8.4.2014, IX R 45/13
Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Falle
der nicht steuerbaren Veräußerung einer Immobilie; Zurechnung eines von einer
vermögensverwaltenden Personengesellschaft aufgenommenen, der Immobilienfinanzierung
dienenden Anschaffungsdarlehens nach Beendigung der Gesellschaft - Sog.
"Surrogationsbetrachtung" und Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung
Leitsätze
1. Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche der Finanzierung von
Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
genutzten Wohngrundstücks dienten, können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der
Immobilie grundsätzlich weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und
soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können.
2. Auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können im
Einzelfall durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein.
3. War der Steuerpflichtige an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt, ist
ihm ein von der Gesellschaft zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines zur Vermietung
bestimmten Wohngrundstücks aufgenommenes und ursprünglich durch diese Einkünfteerzielung
veranlasstes Darlehen nach der Beendigung der Gesellschaft grundsätzlich in dem Umfang
zuzurechnen, in dem ihm vormals auch Einkünfte anteilig zuzurechnen waren.
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute; sie wurden in den Streitjahren
(2009 und 2010) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
2 Der Kläger war, neben zwei weiteren Gesellschaftern (A und B), an einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die im Jahr 1996 ein Mehrfamilienhaus in X errichtete,
welches nach Fertigstellung der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
diente. Die GbR veräußerte das Mehrfamilienhaus --nach Ablauf der Veräußerungsfrist des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)-- mit notariell beurkundetem
Vertrag vom 9. Oktober 2007; der Veräußerungspreis wurde dem Konto der GbR im Januar
2008 gutgeschrieben.
3 Der Erlös aus der nicht steuerbaren Veräußerung des Mehrfamilienhauses reichte indes nicht
aus, um die im Zeitpunkt der Zahlung des Veräußerungspreises bestehenden
Darlehensverbindlichkeiten der GbR vollständig auszugleichen. Das verbliebene Darlehen
wurde anteilig in Höhe von 75.000 EUR durch den Gesellschafter A am 29. Dezember 2008
getilgt. Die nach anteiliger Tilgung noch verbliebene Darlehensrestschuld in Höhe von
59.550,27 EUR übernahm der Kläger ebenso wie die am Jahresende 2008 bestehende
Kontokorrentschuld der GbR bei der D Bank in Höhe von 12.158,60 EUR. Sodann wurde die
GbR von den Gesellschaftern noch im Jahr 2008 aufgelöst.
4 Zur Finanzierung der übernommenen Darlehensrestschuld sowie der Kontokorrentschuld der
GbR nahm der Kläger unter dem 6. Dezember 2008 ein neues Darlehen über 71.000 EUR bei
der D Bank auf; die auf dieses Darlehen gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 4.801 EUR
(2009) und 4.053 EUR (2010) machten die Kläger im Rahmen ihrer
Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung geltend.
5 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die geltend
gemachten Schuldzinsen in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre vom
6. Dezember 2010 (2009) und vom 15. September 2011 (2010) nicht. In seiner
Einspruchsentscheidung führte das FA unter Bezugnahme auf das Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Juni 2012 IX R 67/10 (BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275)
aus, dass ein Abzug der nachträglichen Schuldzinsen im Streitfall ausscheide, weil das
maßgebliche Objekt --anders als im Verfahren IX R 67/10-- nicht steuerbar veräußert worden
sei.
6 Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2013, 1990 veröffentlichten Urteil die Auffassung, dass auch im Falle einer
Veräußerung des Vermietungsobjektes außerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG der wirtschaftliche Zusammenhang nachträglicher Schuldzinsen zu den
früheren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht aufgehoben werde, so dass auch
solche Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.
7 Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es vertritt die Ansicht, ein
Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung sei ausschließlich in jenen Fällen anzunehmen, in denen das
Vermietungsobjekt auch innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
und damit steuerbar und steuerpflichtig veräußert worden sei. Allenfalls komme eine
Berücksichtigung der im Streitfall geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen als
Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG in Betracht.
8 Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass die im Streitfall geltend
gemachten nachträglichen Schuldzinsen nur bei den sonstigen Einkünften i.S. der §§ 22
Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Berücksichtigung finden.
9 Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
10 II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Nach den bisherigen Feststellungen
des FG kann nicht entschieden werden, ob die von den Klägern in den Streitjahren geltend
gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung zu berücksichtigen sind.
11 1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung,
Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese
mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 1 Satz 1 EStG).
12 Ein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nach der ständigen Rechtsprechung des
erkennenden Senats gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen
mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die
Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der
erstmaligen (d.h. tatsächlichen) Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines
Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck
unterstellt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275, m.w.N.).
13 2. Mit dem genannten Urteil in BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275 hat der BFH die in der
früheren Rechtsprechung vertretene Auffassung zur beschränkten Abziehbarkeit
nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. etwa
BFH-Urteile vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966; vom 7. August 1990
VIII R 67/86, BFHE 162, 48; vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II
1983, 373) aufgegeben.
14 a) Der erkennende Senat ging in der genannten Grundsatzentscheidung davon aus, dass
die die bisherige Rechtsprechung prägende Erwägung, ein ursprünglich bestehender
wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einem zur Finanzierung von Anschaffungskosten
aufgenommenen Darlehen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei mit der
Veräußerung des Grundstücks beendet und das anschließend fortbestehende (Rest-
)Darlehen habe seine Ursache in dem im privaten Vermögensbereich erlittenen, nicht
steuerbaren Veräußerungsverlust, vor dem Hintergrund der mit dem
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 getroffenen gesetzgeberischen
Grundentscheidung, Wertsteigerungen bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des
Privatvermögens in deutlich erweitertem Umfang zu erfassen, nicht länger tragen könne. Der
Senat hat diese systemprägenden und -verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen
zum Anlass genommen, seine von der sog. "Surrogationsbetrachtung" getragene
Rechtsprechung, mit der er auch schon bisher den Abzug "nachträglicher" Schuldzinsen bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter bestimmten Voraussetzungen
zugelassen hat, zu erweitern, um die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von
nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und den Überschusseinkünften wieder
herzustellen.
15 b) Die bei allen Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG zur Anwendung kommende
Surrogationsbetrachtung geht von folgender Grundüberlegung aus: Wird ein einzelnes
Wirtschaftsgut (oder eine komplette Organisationseinheit von Wirtschaftsgütern, wie etwa ein
Betrieb), in das (oder in die) der Steuerpflichtige Darlehensmittel investiert hat, veräußert und
der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkunftserzielung eingesetzt, können
die für das zurückbehaltene bzw. aufrechterhaltene Darlehen gezahlten Zinsen unter
bestimmten Voraussetzungen weiter als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei der
neuen Einkunftsquelle zu berücksichtigen sein. Die Anwendung der
Surrogationsbetrachtung bei der Prüfung des --fortdauernden--
Veranlassungszusammenhangs im Falle von Änderungen in der Verwendung von
Darlehensmitteln entspricht der ständigen, von der Finanzverwaltung in vollem Umfang
akzeptierten Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94,
BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454; vom 7. Juli 1998 VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II
1999, 209; vom 8. April 2003 IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706; vom 17. August
2005 IX R 23/03, BFHE 211, 143, BStBl II 2006, 248; vom 27. März 2007 VIII R 28/04, BFHE
217, 460, BStBl II 2007, 699) und ist auch in der Literatur allgemein anerkannt (z.B.
Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 438 "Änderung der Darlehensqualifikation/Umwidmung";
Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 210; Schmidt/Loschelder, EStG, 33. Aufl., § 9 Rz 82; Blümich/
Ebling, § 17 EStG Rz 546; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz 300
"Nachträgliche Schuldzinsen" und "Umwidmung von Darlehen", jeweils als Unterpunkt bei
"Schuldzinsen"; Blümich/Heuermann, § 21 EStG Rz 276; Mellinghoff in Kirchhof, EStG,
13. Aufl., § 24 EStG Rz 42).
16 c) Auch die Finanzverwaltung sieht es im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen
Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei Gewinn- und
Überschusseinkunftsarten als notwendig an, Schuldzinsen, die bisher ohne Rückgriff auf die
Surrogationsbetrachtung aus anderen Erwägungen als nachträgliche Werbungskosten bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Anerkennung fanden (s. BFH-Urteil vom
16. September 1999 IX R 42/97, BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528; vom 12. Oktober 2005
IX R 28/04, BFHE 211, 255, BStBl II 2006, 407, zu Schuldzinsen für darlehensfinanzierte
Erhaltungsaufwendungen), künftig nach diesem, für alle Einkünfte einheitlichen Maßstab
und unter Berücksichtigung des sog. Grundsatzes des Vorrangs der Schuldentilgung --s.
unter II.4.b aa der Gründe-- zu behandeln (Schreiben des Bundesministers der Finanzen --
BMF-- vom 15. Januar 2014, BStBl I 2014, 108).
17 3. Die vollständige Übertragung dieser Erwägungen auf die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung führt dazu, dass ein einmal begründeter (und zwischenzeitlich auch nicht aus
anderen Gründen weggefallener) wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines
Darlehens mit Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht allein deshalb entfällt,
weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird. Vielmehr setzt sich
der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den
Einkünften aus der Vermietung --unabhängig von der Veräußerung und mithin auch
unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit-- am Veräußerungspreis fort. Daher sind
nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach
einer Veräußerung der Immobilie außerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
weiter als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch
den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 368,
BStBl II 2013, 275).
18 4. Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften i.S. des § 21
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist daher maßgeblich, was mit dem Veräußerungspreis geschieht.
19 a) Schafft der Steuerpflichtige damit eine neue Einkunftsquelle --etwa ein zur Vermietung
bestimmtes Immobilienobjekt-- an, besteht der Zusammenhang (ggf. anteilig in Höhe des
verwendeten Erlöses) am neuen Objekt fort (so schon BFH-Urteil in BFHE 202, 280, BStBl II
2003, 706).
20 b) Wird kein neues Objekt und auch keine anderweitige Einkunftsquelle angeschafft, kommt
es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen.
21 aa) Ist dies der Fall, endet der wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
EStG mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der
Steuerpflichtige tatsächlich das Darlehen ablöst, oder ob er den Veräußerungserlös
anderweitig (privat) verwendet und das Darlehen bestehen lässt. Denn im letztgenannten
Fall wird der grundsätzlich fortbestehende Veranlassungszusammenhang von einer privat
motivierten Entscheidung --die Nichtablösung des Darlehens bzw. der anderweitigen
Verwendung des Verkaufserlöses-- ersetzt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2009
IX R 52/07, BFH/NV 2009, 1255).
22 Ein dahin gehendes, privat motiviertes Verhalten stünde zudem im Widerspruch zu dem aus
den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der §§ 734, 735 des Bürgerlichen
Gesetzbuches und § 145 des Handelsgesetzbuches abgeleiteten und im Rahmen der
Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung sinngemäß anzuwendenden sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung
(vgl. allg. BFH-Urteil vom 27. November 1984 VIII R 2/81, BFHE 143, 120, BStBl II 1985,
323). Nach diesem Grundsatz hat die Tilgung von Schulden der Gesellschaft im Zuge ihrer
Auflösung --mittels des dem Gesellschafter zur Verfügung stehenden (Betriebs-)Vermögens--
Vorrang vor der Befriedigung privater Bedürfnisse der Gesellschafter oder ihrer Ansprüche
gegenüber der Gesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 13. Februar 1996 VIII R 18/92, BFHE 180,
79, BStBl II 1996, 291; vom 12. November 1997 XI R 98/96, BFHE 184, 502, BStBl II 1998,
144; vom 28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642, sowie in BFHE 143,
120, BStBl II 1985, 323, und in BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275). Verwertungshindernisse
rechtfertigen im Einzelfall eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung;
dies gilt jedoch nur für solche Verwertungshindernisse, die ihren Grund in der ursprünglichen
einkünftebezogenen Sphäre haben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642;
vom 19. August 1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353).
23 Übertragen auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bedeutet dies, dass der
Steuerpflichtige den aus der Veräußerung der bislang vermieteten Immobilie erzielten Erlös -
-soweit nicht Tilgungshindernisse entgegenstehen-- stets und in vollem Umfang zur
Ablösung eines im Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung aufgenommenen Darlehens
verwenden muss (in diesem Sinne auch zutreffend BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 108, zu
Schuldzinsen für darlehensfinanzierte Erhaltungsaufwendungen).
24 bb) Veräußert der Steuerpflichtige demgegenüber die vermietete Immobilie, reicht der
Verkaufserlös aber nicht aus, ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen, bleibt --in
einem ersten Schritt-- der nicht ablösbare Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens im
Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275).
25 c) Da die Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Schuldzinsen als
Werbungskosten indes nicht allein auf den ursprünglichen, mit der Schuldaufnahme
verfolgten Zweck und damit ausschließlich auf die erstmalige Verwendung der
Darlehensmittel abstellt, können --in einem zweiten Schritt-- auch auf ein Refinanzierungs–
oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen dem Grunde nach durch die (frühere)
Einkünfteerzielung veranlasst sein (so schon BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 57/96,
BFH/NV 1999, 594). Vor diesem Hintergrund kann auch ein Darlehen, das nicht unmittelbar
dazu dient, Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie zu finanzieren, sondern aufgenommen
wird, um ein bereits früher aufgenommenes und nach Veräußerung der Immobilie
fortgeführtes Anschaffungsdarlehen umzuschulden, mit Blick auf die
Surrogationsbetrachtung noch in einem mittelbaren --und damit hinreichenden (vgl. BFH-
Urteil vom 17. Juli 2007 IX R 2/05, BFHE 218, 353, BStBl II 2007, 941)-- wirtschaftlichen
Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit der Einkunftsart Vermietung und
Verpachtung stehen. Hat das "Altdarlehen" der Finanzierung der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gedient, dient in diesen Fällen --wirtschaftlich
gesehen-- auch das umgeschuldete "neue Darlehen" (noch immer) der Finanzierung dieser
Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens
nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht und die Umschuldung sich im
Rahmen einer marktüblichen Finanzierung --wozu regelmäßig auch eine vertraglich fixierte
Tilgungsvereinbarung gehört-- bewegt (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 19. Januar 2010
VIII R 40/06, BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254, zur steuerschädlichen
Darlehensverwendung bei Lebensversicherungen).
26 5. Hat der Steuerpflichtige seine ursprüngliche steuerbare Tätigkeit in
gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit ausgeübt, ist es für die Berücksichtigung von
nachträglichen Schuldzinsen nach Veräußerung der bislang zur Einkünfteerzielung
genutzten Immobilie überdies von Bedeutung, in welchem Umfang der Steuerpflichtige
seinerzeit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG selbst erfüllt hat. Die
Frage nach dem objektiven Tatbestand des § 21 EStG ist dabei vornehmlich eine Frage der
Zurechnung von Einkünften (s. Blümich/ Heuermann, § 21 EStG Rz 41); für die Zurechnung
von zur Einkünfteerzielung genutzten Wirtschaftsgütern --auch für Darlehen-- gilt insoweit die
Bruchteilsbetrachtung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 29/11, BFH/NV 2012, 1952).
War der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- an einer vermögensverwaltenden
Personengesellschaft beteiligt, ist ihm daher ein von der Gesellschaft zur Finanzierung der
Anschaffungskosten einer zur Vermietung bestimmten Immobilie aufgenommenes und
ursprünglich durch diese Einkünfteerzielung veranlasstes Darlehen nach der Beendigung
der Gesellschaft grundsätzlich in dem gleichen Umfang zuzurechnen, in dem ihm vormals
auch Einkünfte anteilig zuzurechnen waren. Jedenfalls in diesem Umfang kann der
Steuerpflichtige --unter den eingangs genannten weiteren Voraussetzungen-- grundsätzlich
auch Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten geltend machen.
27 6. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es diesen Grundsätzen nicht in vollem
Umfang entspricht. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann auf der Grundlage der vom
FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob und ggf. inwieweit ein Abzug der von
den Klägern geltend gemachten Zinsaufwendungen als Werbungskosten bei ihren
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung möglich ist.
28 a) Die maßgeblichen Schuldzinsen wurden nicht auf ein Darlehen geleistet, das der Kläger -
-als Gesellschafter der GbR-- zur Finanzierung der Herstellungskosten einer der Vermietung
dienenden Immobilie aufgenommen und tatsächlich verwendet hat. Soweit die
Herstellungskosten des Mehrfamilienhauses fremdfinanziert worden sind, wurden die in
diesem Zusammenhang aufgenommenen Darlehen nach der Veräußerung des Objektes
und der Auflösung der GbR nicht fortgeführt, sondern zurückgezahlt.
29 b) Im Streitfall wurden die von den Klägern als Werbungskosten geltend gemachten
Schuldzinsen vielmehr auf ein Darlehen geleistet, das (auch) der Finanzierung einer
(anteiligen) Rückführung der nach der Veräußerung der Immobilie und Auflösung der GbR
verbliebenen Darlehensverbindlichkeiten diente. Nimmt der Steuerpflichtige in einem
solchen Fall ein neues Darlehen auf, das der Finanzierung einer vom Veräußerungserlös
nicht gedeckten Restschuld dient, steht auch ein solches "Umschuldungsdarlehen" dem
Grunde nach noch in einem mittelbaren und damit ausreichenden
Veranlassungszusammenhang mit den früheren Einkünften.
30 Dies gilt nach Maßgabe der unter II.5. der Gründe erläuterten Rechtsgrundsätze im Streitfall
jedoch nur, soweit
(1) dem Kläger im Umfang der neu begründeten Darlehensverpflichtung vormals die in
gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit erzielten Einkünfte auch persönlich zuzurechnen
waren,
(2) die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den insoweit abzulösenden
Restdarlehensbetrag hinausgeht und
(3) die Umschuldung sich im Rahmen einer üblichen Finanzierung bewegt.
31 c) Das FG wird im zweiten Rechtsgang prüfen, ob und ggf. inwieweit das vom Kläger
aufgenommene Umschuldungsdarlehen nach den dargelegten Grundsätzen noch immer der
Finanzierung der Herstellungskosten des Mehrfamilienhauses dient und mithin durch die
früheren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung veranlasst ist.