Urteil des BFH vom 05.02.2014

Ausnahmsweiser Abzug "finaler" ausländischer Betriebstättenverluste bei der Ermittlung des Gewinns

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 5.2.2014, I R 48/11
Ausnahmsweiser Abzug "finaler" ausländischer Betriebstättenverluste bei der Ermittlung des
Gewinns
Leitsätze
1. Der Senat hält auch für Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2
sowie Art. 13 Abs. 2 DBA-Belgien daran fest, dass Deutschland für (laufende und Veräußerungs-
)Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in Belgien belegenen
Betriebstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (sog. Symmetriethese; ständige
Rechtsprechung).
2. Ein Verlustabzug kommt abweichend davon aus Gründen des Unionsrechts nur ausnahmsweise
in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat --
als sog. finale Verluste-- steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind
(Anschluss an die ständige Rechtsprechung des EuGH). Eine derartige "Finalität" ist gegeben,
wenn die Verluste im Quellenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden
können oder ihr Abzug in jenem Staat zwar theoretisch noch möglich, aus tatsächlichen Gründen
aber so gut wie ausgeschlossen ist und ein wider Erwarten dennoch erfolgter späterer Abzug im
Inland verfahrensrechtlich noch rückwirkend nachvollzogen werden könnte (Bestätigung des
Senatsurteils vom 9. Juni 2010 I R 107/09, BFHE 230, 35).
3. Wird eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebstätte entgeltlich oder unentgeltlich
übertragen, ist ein nach § 2a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG 1997 abgezogener Betriebstättenverlust
nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 i.d.F. von § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 (jetzt §
52 Abs. 3 Satz 7 EStG 2009) im Veranlagungszeitraum der Übertragung dem Gesamtbetrag der
Einkünfte hinzuzurechnen; § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 ist in der vorgenannten Fassung für die
Veranlagungszeiträume 1999 bis 2005 anzuwenden. Die Vorschrift bleibt im
Veranlagungszeitraum 1999 danach unanwendbar, wenn die Übertragung der Betriebstätte (hier
durch Verkauf an eine Kapitalgesellschaft) zwar im abweichenden Wirtschaftsjahr 1998/1999,
tatsächlich jedoch noch im Kalenderjahr 1998 vorgenommen worden ist.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH mit einem seinerzeit
abweichenden Wirtschaftsjahr zum 28. Februar, deren Geschäftsanteile im Streitjahr 1999 zu
60 v.H. von der R-GmbH --zugleich einem Zuliefererbetrieb der Klägerin-- und zu jeweils
20 v.H. von den Brüdern P gehalten wurden. Sie betrieb das Großhandelsgeschäft mit
italienischen Eisspezialitäten und mit dem Zubehör für den Betrieb von Eiscafés. Im Jahre
1996 gründete sie eine Zweigniederlassung in Belgien, deren Aufbau sie mit einem Darlehen
der R-GmbH finanzierte. Für die Niederlassung erstellte die Klägerin eine gesonderte
Buchführung, deren Ergebnisse in den deutschen Jahresabschluss eingingen. Als
Ergebnisse der belgischen Betriebstätte berücksichtigte die Klägerin in ihren deutschen
Jahresabschlüssen für den Veranlagungszeitraum 1997 aus dem Wirtschaftsjahr 1996/1997
einen Verlust in Höhe von 88.816 DM und im Veranlagungszeitraum 1998 aus dem
Wirtschaftsjahr 1997/1998 einen Verlust in Höhe von 354.514 DM. Insoweit fand die
Regelung in § 2a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) Anwendung, die
letztmals für den Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden war (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 EStG
1997 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 [BGBl I 1999,
402, BStBl I 1999, 304], nachfolgend § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Gesetzes zur
Bereinigung von steuerlichen Vorschriften --Steuerbereinigungsgesetz 1999-- vom
22. Dezember 1999 --EStG 1997 n.F.-- [BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13], jetzt § 52 Abs. 3
Satz 4 EStG 2009), jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999).
2 Durch Kaufvertrag vom 12. November 1998 veräußerte die Klägerin das Betriebsvermögen
ihrer belgischen Niederlassung rückwirkend zum 31. August 1998 an eine belgische
Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Naamloze vennootschap, deren Gesellschafter
ebenfalls die Gebrüder P waren. In ihrer Gewinnermittlung für das Rumpfwirtschaftsjahr
1998/1999 berücksichtigte die Klägerin aus dem Wirtschaftsjahr vom 1. März bis 31. August
1998 aus der belgischen Betriebstätte gewinnmindernd einen laufenden Verlust in Höhe von
169.708 DM und einen Veräußerungsverlust in Höhe von 504.523 DM, ferner Zinszahlungen
aus dem Aufbaudarlehen in Höhe von 39.286 DM; diese Zahlungen hatte sie nicht der
gesonderten Buchführung der belgischen Betriebstätte zugeordnet.
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, im Streitjahr die
Verluste aus der belgischen Betriebstätte zu berücksichtigen. Sie seien sämtlich nach
Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 sowie
Art. 13 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung
verschiedener Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
einschließlich der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 11. April 1967 --DBA-Belgien--
(BGBl II 1969, 18, BStBl I 1969, 39) von der deutschen Besteuerung auszunehmen.
4 Die Klage gegen den hiernach geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1999 war erfolgreich.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 16. Juni 2011 6 K 445/09
statt und hob den Änderungsbescheid auf; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2011, 2088 abgedruckt.
5 Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7 Dem Revisionsverfahren ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten. Es hat
sich in der Sache dem FA angeschlossen.
Entscheidungsgründe
8 II. Die Revision ist unbegründet.
9 1. Die im Inland ansässige und hier mit ihren sämtlichen Einkünften (vgl. § 1 Abs. 2 i.V.m.
Abs. 1 KStG 1999) unbeschränkt steuerpflichtige Klägerin erwirtschaftete mit ihrer in Belgien
belegenen Betriebstätte im Streitjahr Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen i.S.
von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DBA-Belgien. Die Einkünfte aus der Betriebstätte können
gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-Belgien sowie --betreffend die Gewinne aus der
Betriebstättenveräußerung-- gemäß Art. 13 Abs. 2 DBA-Belgien in Belgien besteuert werden
und sind nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 DBA-Belgien als aus Belgien stammende
Einkünfte in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) von der Steuer befreit. Die
insoweit anzustellende Einkünfteermittlung richtet sich nach deutschem Recht.
10 2. Da sich der Begriff der Betriebstätteneinkünfte auf einen Nettobetrag bezieht, entspricht es
ständiger Rechtsprechung des Senats, dass nicht nur Betriebstättengewinne, sondern
ebenso Betriebstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer
auszunehmen sind. Das gilt auch für die mit Belgien vereinbarte Abkommenslage. Zwar
weicht diese von der Regelungsfassung in Art. 23 Abs. 1 des Musterabkommens der
Organisation for Economic Cooperation and Development zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen ab; denn
danach "nimmt" der Ansässigkeitsstaat die betreffenden Einkünfte unter den gegebenen
Umständen "von der Besteuerung aus", während sie nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1
DBA-Belgien "von der Steuer befreit" sind. Doch bedingt die unterschiedliche Formulierung
keine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Verluste. Deutlich wird das nicht zuletzt
anhand von Nr. 14 des zum DBA-Belgien ergangenen Schlussprotokolls vom 11. April 1967
(BGBl II 1969, 46, BStBl I 1969, 49), wo unter Bezugnahme auf Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
und Abs. 2 Nr. 1 DBA-Belgien ausdrücklich die Steuerfreistellung der Verluste aus in dem
jeweils anderen Vertragsstaat liegenden Betriebstätten angesprochen wird. Der Senat nimmt
deswegen, um Wiederholungen zu vermeiden, beispielhaften Bezug auf seine Urteile vom
17. Juli 2008 I R 84/04 (BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630) und vom 3. Februar 2010
I R 23/09 (BFHE 228, 305, BStBl II 2010, 599), beide für die Abkommenslage mit
Luxemburg, und vom 9. Juni 2010 I R 107/09 (BFHE 230, 35), dort für die Abkommenslage
mit Frankreich, sowie seinen Beschluss vom 29. November 2006 I R 45/05 (BFHE 216, 149,
BStBl II 2007, 398), dort für die Abkommenslage mit Österreich (s. auch FG Köln, Urteil vom
13. März 2013 10 K 2067/12, EFG 2013, 1430).
11 3. Letzteres --die Bezugnahme auf das Senatsurteil in BFHE 230, 35-- gilt gleichermaßen für
die unter den Beteiligten kontroverse Frage danach, ob die in Belgien erlittenen, aber nach
deutschem Steuerrecht ermittelten und ihrer Höhe nach unstreitigen Verluste als sog. finale
Verluste in Deutschland trotz der prinzipiellen Freistellung ausnahmsweise abzugsfähig
sind, weil sie in Belgien definitiv nicht mehr verwertet werden können und deswegen die
unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (nach Art. 43 i.V.m. Art. 48 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung
des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften und einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --EG--, Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. C-340, 1, jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur
Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft --AEUV--, Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2008,
Nr. C-115, 47) ihre Berücksichtigung in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat einfordert;
jenem Staat wird für diesen Fall die "Ausfallbürgschaft" für die Abzugsfähigkeit der
andernfalls gänzlich unberücksichtigt bleibenden Verluste abverlangt. Der Senat hat eine
derartige Abzugsnotwendigkeit für Sachverhalte angenommen, in welchen der
Betriebstättenverlust aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden kann,
beispielsweise bei der entgeltlichen Übertragung der Betriebstätte, also der Situation des
Streitfalls. Er hat sich dabei auf die einschlägige Spruchpraxis des Gerichtshofs der
Europäischen Union (früher Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) --EuGH--
(namentlich in dessen Urteil vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium, C-414/06, Slg. 2008, I-3601,
BStBl II 2009, 692) gestützt, und er sieht sich daran durch die Folgeentscheidungen des
EuGH bestätigt. Insbesondere im Urteil vom 21. Februar 2013, A, C-123/11 (Deutsches
Steuerrecht --DStR-- 2013, 392), hat er seine Spruchpraxis bekräftigt, und nichts anderes
ergibt sich aus der jüngsten Entscheidung, dem Urteil vom 7. November 2013, K, C-322/11
(DStR 2013, 2441). Gegenläufige Erwartungen, welche in beiden Verfahren durch die
jeweiligen Schlussanträge der Generalanwältin Kokott (vom 19. Juli 2012, Internationales
Steuerrecht --IStR-- 2012, 618) sowie des Generalanwalts Mengozzi (vom 21. März 2013,
IStR 2013, 312) und der darin zum Ausdruck gekommenen Fundamentalkritik an der
Spruchpraxis zu den sog. finalen Verlusten geschürt worden sind (s. aus wissenschaftlicher
Sicht dagegen unter dem Aspekt des sog. Folgerichtigkeitsgebots grundlegend auch
Karrenbrock, Die steuerliche Berücksichtigung ausländischer Betriebstättenverluste im
Inland, 2013, S. 162 ff. und passim), haben sich hingegen nicht erfüllt; der EuGH hat sich den
Schlussanträgen in beiden Fällen erklärtermaßen --in "geradezu stoischer Manier" (so
Henze, Internationale Steuer-Rundschau --ISR-- 2013, 381, 383)-- nicht angeschlossen,
vielmehr seine bisherigen Rechtsstandpunkte vollauf beibehalten. Nichts anderes gilt, was
das EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010, X Holding, C-337/08 (Slg. 2010, I-1215) anbelangt;
soweit vor allem die Finanzverwaltung darin ein Abrücken des Gerichtshofs von der
vorgängigen Rechtsprechung zu erkennen glaubte (vgl. z.B. Benecke/Staats, IStR 2010,
668; Schulz-Trieglaff, ISR 2013, 216; Mitschke, Finanz-Rundschau 2011, 24), hat sich das
nicht bewahrheitet (s.a. Gosch in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 2a Rz 5 und 5a, m.w.N.). Der
Senat hat dieserhalb nach allem keinen Grund, nun seinerseits seine Rechtsprechung,
welche auf der EuGH-Judikatur aufbaut, in Frage zu stellen oder abermals den EuGH
gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV anzurufen; die einschlägigen Rechtsfragen sind geklärt (vgl.
EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415; s.a. Gosch in
Kirchhof, a.a.O., § 2a Rz 5a, m.w.N.).
12 4. Der tatrichterlich festgestellte und den Senat bindende (vgl. § 118 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--) Sachverhalt des Streitfalls veranlasst ebenfalls nicht zu
einer abweichenden Einschätzung.
13 a) Zwar ist es Sache des Steuerpflichtigen, die "finale" Nichtverwertbarkeit der
Auslandsverluste im Betriebstättenstaat nachzuweisen. Das aber ist nach den
Feststellungen des FG zum belgischen Steuerrecht geschehen. Allerdings lassen sich die
streitgegenständlichen Betriebstättenverluste danach womöglich bei einem neuerlichen
Engagement der Klägerin in Belgien in irgendeiner Weise --beispielsweise durch
Wiedereröffnung einer Betriebstätte-- steuerlich zukünftig effektuieren. Doch ist de facto
nichts dafür dargetan oder ersichtlich, und das ist angesichts des Streitjahres und der
vergangenen Zeit auch eher unwahrscheinlich. Sollte sich eine derartige Verlustnutzung
dennoch ergeben haben oder noch ergeben, böte das deutsche allgemeine Abgabenrecht
vermittels § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) die verfahrensrechtliche
Handhabe, dem rückwirkend Rechnung zu tragen; auch dazu ist auf das Senatsurteil in
BFHE 230, 35 zu verweisen. Dem vom FA und dem beigetretenen BMF ins Feld geführten
Argument, allein die nach belgischem Steuerrecht rechtlich bestehende abstrakte
Möglichkeit einer künftigen Verlustnutzung genüge, um eine "Finalität" der Verluste im
unionsrechtlichen Sinne auszuschließen, folgt der Senat jedenfalls dann nicht, wenn eine
solche Möglichkeit nur "auf dem Papier steht" und keinen Bezug zu den tatsächlichen
Gegebenheiten aufweist und deswegen aus tatsächlichen Gründen so gut wie
ausgeschlossen ist. Dass der Verlustabzug im anderen Vertragsstaat aus rechtlicher --und
aus unionsrechtlich damit prinzipiell unbeachtlicher (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 23. Oktober
2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, C-157/07, Slg. 2008, I-8061,
sowie im Anschluss daran z.B. Senatsurteil in BFHE 228, 305, BStBl II 2010, 599)- Sicht
nicht gänzlich ausgeschlossen ist, tritt dann für die Frage nach der endgültigen
Unverwertbarkeit der ausländischen Verluste zurück (vgl. umfassend und m.w.N.
Hohenwarter, Verlustverwertung im Konzern, 2010, S. 522 ff.).
14 b) Ebensowenig bietet der festgestellte Sachverhalt Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin
sich vermittels des Verkaufs ihrer belgischen Betriebstätte "willkürlich" oder "freiwillig" in die
ihr unter den gegebenen Umständen steuerlich günstige Situation "finaler" Verluste begeben
hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Betriebstättenverkauf im Rahmen der
unternehmerischen Gestaltungsfreiheit aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit erfolgt ist.
Soweit das FA in der mündlichen Verhandlung insoweit einen "Beliebigkeitsfaktor"
angesprochen hat, ist das deshalb nicht weiterführend. Missbräuchlichen oder beliebigen
Transaktionen der beteiligten Steuerpflichtigen, um "finale Verluste" zu generieren,
unterfallen --wie sonst auch-- dem allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchsvorbehalt
(§ 42 AO). Gibt die zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung aber dafür nichts her, besteht
kein Grund, die Berücksichtigung "finaler Verluste" unter einen allgemeinen
Missbrauchsvorbehalt zu stellen (s. auch Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 2a Rz 5a; Hufeld, Die
Unternehmensbesteuerung 2011, 504; s. auch Eisenbarth, Grenzüberschreitende
Verlustverrechnung als Kerngebiet des Europäischen Steuerrechts, 2011, S. 224 ff.,
S. 234 ff., jeweils m.w.N.; Hohenwarter, a.a.O., S. 417, S. 524 f.). Für den Streitfall hat das FA
in diese Richtung denn auch keine belastbaren Mutmaßungen angestellt. Dass der Verkauf
der Betriebstätte an eine konzernverbundene Gesellschaft erfolgt ist, gibt für sich genommen
dafür jedenfalls keine Handhabe. Und ohnehin bleibt zu berücksichtigen, dass die
Vertragsbeteiligten im Streitjahr 1999 kaum in der Lage gewesen sein dürften, die erst Jahre
später entwickelte Spruchpraxis des EuGH zu den sog. finalen Verlusten zu antizipieren und
ihre Gestaltungen vorgreiflich danach auszurichten. Schon das allein widerspricht
entsprechenden Annahmen.
15 5. Da die in Rede stehenden Verluste solche des Streitjahres sind, stellt sich schließlich
nicht die Frage, ob das Streitjahr auch das Abzugsjahr im Sinne des sog. Finalitätsjahres ist
(s. auch dazu Senatsurteil in BFHE 230, 35, sowie Senatsbeschluss vom 9. November 2010
I R 16/10, BFHE 231, 554). Der Verlustabzug aus der Veräußerung der Betriebstätte ist
folglich im Streitjahr aus Gründen unionsrechtlicher Anforderungen unabhängig davon zu
gewährleisten, dass der deutsche Gesetzgeber im Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuerrecht bedauerlicherweise bislang davon abgesehen hat, einschlägige
Abzugsvorschriften zu schaffen.
16 6. Der Senat hat allerdings erwogen, ob es unbeschadet dessen und der danach
konstatierten Berücksichtigung der in Rede stehenden Verluste als "finale" dennoch eines
weiteren Abwartens bedürfte, bis der EuGH in der ihm vorliegenden (dänischen)
Rechtssache C-48/13, Nordea Bank Danmark A/S (ABlEU 2013, Nr. C-101, 11) entscheidet.
Diese Erwägung schlägt jedoch nicht durch.
17 a) In jener beim EuGH anhängigen Rechtssache geht es um die "asymmetrische" Situation
der Nachbesteuerung nach vorherigem Verlustabzug, wie sie bis zum
Veranlagungszeitraum 1998 (s. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 n.F., jetzt § 52 Abs. 3 Satz 4
EStG 2009) in § 2a Abs. 3 und 4 EStG 1997 (a.F.) auch in Deutschland geregelt war. Die
Vorlagefrage des dänischen Gerichts (des Østre Landsret) geht in diesem Zusammenhang
dahin, ob "Art. 49 AEUV i.V.m. Art. 54 AEUV (früher Art. 43 i.V.m. Art. 48 EG) und Art. 31 des
EWR-Abkommens i.V.m. Art. 34 einen Mitgliedstaat, der einer gebietsansässigen
Gesellschaft den laufenden Abzug von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat
gelegenen Betriebstätte gestattet, an einer vollständigen Nachbesteuerung der Verluste der
Betriebstätte (in dem Umfang, in dem ihnen keine Gewinne in späteren Jahren entsprechen)
bei der genannten Gesellschaft (hindern), wenn die Betriebstätte geschlossen wird und in
diesem Zusammenhang ein Teil ihres Geschäfts an eine verbundene Gesellschaft
übertragen wird, die im gleichen Staat wie die Betriebstätte ansässig ist, und davon
auszugehen ist, dass die Möglichkeiten der Berücksichtigung der betreffenden Verluste
ausgeschöpft sind". Doch ist diese Situation nach den tatrichterlichen Feststellungen im
Streitfall nicht einschlägig.
18 aa) Zwar hat die Klägerin danach mit ihrer belgischen Betriebstätte in den Vorjahren
(laufende) Verluste (im Wirtschaftsjahr 1996/1997 in Höhe von 88.816 DM und im
Wirtschaftsjahr 1997/1998 in Höhe von 354.514 DM) erwirtschaftet, welche nach Maßgabe
des genannten § 2a Abs. 3 EStG 1997 (a.F.) in den jeweiligen Wirtschaftsjahren auf Antrag
vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen worden waren (vgl. dazu auch Nr. 14 des zum
DBA-Belgien ergangenen Schlussprotokolls vom 11. April 1967, BGBl II 1969, 46, BStBl I
1969, 49). Diese abgezogenen Verluste wären aber wohl nach § 2a Abs. 4 EStG 1997 in
dessen zwischenzeitlich geänderten, vom Veranlagungszeitraum 1999 an geltenden
Fassung des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. (jetzt § 52 Abs. 3 Satz 7 EStG 2009), jeweils
i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999, nachzuversteuern. Mit jener Regelungsfassung hat der
Gesetzgeber nämlich --um etwaigen Ausweggestaltungen vorzubeugen-- (Ersatz-
)Tatbestände geschaffen, u.a. in § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 in der vorgenannten Fassung.
Wird eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebstätte entgeltlich übertragen, ist
danach ein nach § 2a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG 1997 abgezogener Betriebstättenverlust im
Veranlagungszeitraum der Übertragung dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen
(vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2008 I R 96/05, BFH/NV 2009, 744).
Das betrifft nach den tatrichterlichen Feststellungen auch den Streitfall und gilt letztlich
unabhängig davon, dass die in Rede stehenden (laufenden) Verluste des Streitjahres (in
Höhe von insgesamt 713.517 DM) aus unionsrechtlichen Gründen infolge "Finalität" als
solche abziehbar sind (vgl. auch Schiefer, ISR 2013, 220, 224).
19 bb) Indessen ist § 2a Abs. 4 i.d.F. von § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 in der vorgenannten
Fassung "für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2005" anzuwenden und damit für das
Streitjahr nicht anwendbar. Denn im Streitfall erfolgte die Betriebstättenveräußerung bereits
am 12. November 1998 mit Wirkung zum 31. August 1998. Dass der Veräußerungsverlust
dennoch dem Veranlagungszeitraum 1999 zuzurechnen ist, liegt allein an dem
abweichenden Wirtschaftsjahr der Klägerin zum 28. Februar, ändert aber nichts daran, dass
die Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 EStG 1997 --in Einklang mit dem Berechnungsschema,
wie dies in R 29 Abs. 1 Satz 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2008 (i.V.m. R 2 Abs. 1 der
Einkommensteuer-Richtlinien --EStR 2008--, s.a. R 3 EStR 1996) wiedergegeben ist, und in
Einklang auch mit der aktenkundigen Rechtsauffassung der Betriebsprüfung des FA--
außerhalb der steuerlichen Gewinnermittlung bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der
Einkünfte (vgl. dazu § 2 Abs. 3 EStG 1997) vorzunehmen ist. Im Streitfall betrifft das die
steuerliche Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1997/1998 und damit den zum Ende
des Veranlagungszeitraums 1998 zu berechnenden Gesamtbetrag der Einkünfte. Für diesen
Zeitpunkt war aber --letztmals (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 4 EStG 1997 n.F.)-- noch § 2a Abs. 3
und 4 EStG 1997 (a.F.) und (noch) nicht die neukonzipierte Hinzurechnungsvorschrift
anzuwenden, und wohl deswegen ist auf eine etwaige veräußerungsbedingte
Hinzurechnung der zuvor abgezogenen laufenden Betriebstättenverluste bei der Klägerin
seitens des FA denn auch verzichtet worden (obschon das u.U. auch auf Basis der früheren
Regelung des § 2a Abs. 4 EStG 1997 (a.F.) nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen
wäre, vgl. dazu Probst in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 2a
EStG Rz 569; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 2a Rz 56, jeweils m.w.N.; zum "untechnischen"
Verständnis des in § 2a Abs. 4 EStG 1997 (a.F.) verwendeten Begriffs der Umwandlung
einer Betriebstätte s. auch bereits Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. April 1991 VIII R 68/86,
BFHE 165, 46, BStBl II 1991, 873). Dass nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997 der Gewinn des
abweichenden Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das
Wirtschaftsjahr endet, und dass Letzteres in dasjenige Kalenderjahr fällt, nach dessen Ablauf
die Einkommensteuer nach § 25 Abs. 1 EStG 1997 --als den maßgebenden
Veranlagungszeitraum-- veranlagt wird, wirkt sich sonach auf die erstmalige Anwendung von
§ 2a Abs. 4 EStG 1997 i.d.F. von § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. (jetzt § 52 Abs. 3 Satz 7
EStG 2009) nicht aus.
20 b) Konsequenz all dessen ist, dass die Abzugsfähigkeit der "finalen Verluste" nach Maßgabe
des unter zuvor (unter II.5.) Gesagten uneingeschränkt erhalten bleibt. Der Umfang der
abzugsfähigen Verluste wird nicht durch damit zu saldierende Hinzurechnungsbeträge nach
§ 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 i.d.F. von § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. (jetzt § 52 Abs. 3
Satz 7 EStG 2009) aus Anlass der Betriebstättenveräußerung geschmälert.