Urteil des BFH vom 14.11.2013

Erhöhte Investitionszulage bei Beteiligungen des Staates

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 14.11.2013, III R 34/12
Erhöhte Investitionszulage bei Beteiligungen des Staates
Leitsätze
1. Beteiligt sich die öffentliche Hand mit mehr als 25 % an einem Unternehmen, das nach seinen
eigenen Daten ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) im Sinne der EU-Definition wäre,
dann führt dies grundsätzlich zum Verlust des KMU-Status und dem damit verbundenen Anspruch
auf erhöhte Investitionszulage.
2. Bei bestimmten Beteiligungsformen der öffentlichen Hand bleibt der KMU-Status
ausnahmsweise erhalten, wenn die Beteiligungshöhe 50 % nicht übersteigt.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) im Streitjahr 2008 ein kleines
oder mittleres Unternehmen (KMU) im Sinne der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai
2003 --Empfehlung-- (Amtsblatt der Europäischen Union 2003 Nr. L 124, 36) war.
2 Die Klägerin ist ein Unternehmen der Elektrozulieferungsindustrie. Sie wurde im April 2001
von der X. GmbH & Co. KG (X), einem Tochterunternehmen der T-Bank, als AG mit einem
anfänglichen Grundkapital von 65.000 EUR errichtet. Geschäftsbereich der X ist u.a. die
Übernahme von Minderheitsbeteiligungen bei Investitionen von ein bis fünf Mio. EUR
sowohl als Einzelinvestor wie auch als Lead- oder Co-Investor im Rahmen eines
Konsortiums. Nach § 4 Abs. 3 der Satzung der Klägerin gewährt jede Namens-Stückaktie
eine Stimme, wobei auf jeden Euro am Grundkapital eine Aktie entfällt.
3 Im Mai 2001 brachte Herr H. sein Einzelunternehmen im Wege der Sachgründung in die
Klägerin ein. Dabei wurde das Grundkapital der Klägerin auf 200.000 EUR erhöht. Hiervon
übernahm Herr H. zunächst einen Anteil von 135.000 EUR (67,5 %). Der Anteil der X
reduzierte sich hierdurch auf 65.000 EUR (32,5 %).
4 Da die Klägerin anfänglich existenzielle Verluste erzielte, die der Hauptbeteiligte nicht
tragen konnte, erfolgten mehrfach Kapitalerhöhungen unter Beteiligung der X. Diese
übernahm die neuen Aktien und erreichte hierdurch bei der letzten Kapitalerhöhung im April
2006 auf 500.000 EUR eine Beteiligungsquote von 73 % (365.000 EUR) am Kapital. Die X
hat ihre Aktien im Jahr 2009 verkauft.
5 Zur Erweiterung ihrer Produktionskapazität errichtete die Klägerin im Jahr 2008 eine neue
Produktionshalle. Ferner schaffte sie Maschinen, einen Zentralserver, Personal-Computer,
eine zweite Telefonanlage, Einrichtungsgegenstände etc. an. Für die beweglichen
Wirtschaftsgüter beantragte sie die Zulage für KMU von 25 % nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 2007. Im Antrag gab sie an, sie sei trotz der
Beteiligung der X ein Unternehmen mit KMU-Status. Während der Beteiligung der X habe
keine Einflussnahme des Mehrheitsgesellschafters auf ihre Geschäftsführung stattgefunden.
6 Die maßgeblichen Unternehmensdaten stellten sich wie folgt dar:
7
Mitarbeiter (JAE) Jahresumsatz in 1.000 EUR Bilanzsumme in 1.000 EUR
Klägerin
45
4.113,000
3.159,500
X
593
88.987,000
102.340,000
8 Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt --FA--) die erhöhte KMU-Zulage. Zur Begründung verwies das FA auf die
Beteiligungsverhältnisse. Die Klägerin sei ein mit der X verbundenes Unternehmen i.S. des
Art. 3 Abs. 3 Buchst. a der Empfehlung. Bei der danach gebotenen Zusammenrechnung der
Mitarbeiterzahlen und finanziellen Schwellenwerte sei die KMU-Grenze überschritten.
9 Während der Einspruch erfolglos blieb, folgte das Finanzgericht (FG) der Argumentation der
Klägerin. Es ging davon aus, dass die Klägerin und die X an sich verbundene Unternehmen
seien. Jedoch gehöre die X zum Kreis derjenigen Investoren, die nach der Empfehlung die
Eigenschaft der Klägerin als eigenständiges Unternehmen gemäß Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2
der Empfehlung unberührt lasse, wenn, wie im Streitfall, eine Einmischung der
Beteiligungsgesellschaft (X) in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens nicht
stattgefunden habe.
10 Das FA rügt mit seiner Revision, dass das FG bei seiner rechtlichen Beurteilung die
Regelung in Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung nicht berücksichtigt habe. Im Streitfall sei die T-
Bank eine öffentliche Stelle im Sinne der genannten Bestimmung. Sie sei mittelbar zu mehr
als 25 % an der Klägerin beteiligt. Eine derartige Beteiligung der öffentlichen Hand führe
zwingend zum Verlust des KMU-Status. Denn Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung sehe eine
Ausnahme nur bei Unternehmen in den Größenklassen eines Partnerunternehmens nach
Art. 3 Abs. 2 der Empfehlung vor, nicht aber bei einem Verbundunternehmen i.S. des Art. 3
Abs. 3 der Empfehlung. Es komme bei verbundenen Unternehmen auch nicht darauf an, ob
der Investor zur Kategorie der privilegierten Anteilseigner gehöre.
11 Das FA beantragt, das angegriffene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
12 Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
13 Sie ist der Auffassung, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Empfehlung gegenüber Art. 3
Abs. 4 der Empfehlung eine vorrangige Spezialregelung darstelle. Es ergebe keinen Sinn,
staatlich kontrollierte Investitionen, wie für verbundene Unternehmen in Art. 3 Abs. 3
Unterabs. 2 der Empfehlung geschehen, bei der Einordnung eines Unternehmens als
eigenständiges Unternehmen zunächst auszunehmen, um diese Regelung sogleich im
nächsten Absatz (Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung) wieder zu konterkarieren. Art. 3 Abs. 3
Unterabs. 2 der Empfehlung würde ansonsten keinen Sinn machen und vollkommen
leerlaufen.
14 Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
15 II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat rechtsfehlerhaft
nicht geprüft, ob die Klägerin wegen mittelbarer Beteiligung einer öffentlichen Stelle im
Streitjahr kein KMU war. Die von ihm getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um diese
Frage abschließend beantworten zu können.
16 1. a) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 erhöht sich die Investitionszulage unter
weiteren Voraussetzungen auf 25 % der Bemessungsgrundlage, wenn die beweglichen
Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben,
der im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens zusätzlich die Begriffsdefinition
für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung erfüllt.
17 Zur Definition der Unternehmensklassen stellt die Empfehlung auf die Mitarbeiterzahl, den
Jahresumsatz und die Jahresbilanzsumme ab. Bei der Berechnung der Mitarbeiterzahlen
und der finanziellen Schwellenwerte sind drei Unternehmenstypen zu berücksichtigen.
Hierzu trifft die Empfehlung in den ersten drei Absätzen des Art. 3 folgende
Einzelbestimmungen:
18 (1) Ein "eigenständiges Unternehmen" ist jedes Unternehmen, das nicht als
Partnerunternehmen i.S. von Abs. 2 oder als verbundenes Unternehmen i.S. von Abs. 3 gilt.
19 (2) "Partnerunternehmen" sind alle Unternehmen, die nicht als verbundene Unternehmen i.S.
von Abs. 3 gelten und zwischen denen folgende Beziehung besteht: Ein Unternehmen (das
vorgeschaltete Unternehmen) hält --allein oder gemeinsam mit einem oder mehreren
verbundenen Unternehmen i.S. von Abs. 3-- 25 % oder mehr des Kapitals oder der
Stimmrechte eines anderen Unternehmens (des nachgeschalteten Unternehmens).
20 Ein Unternehmen gilt jedoch weiterhin als eigenständig, auch wenn der Schwellenwert von
25 % erreicht oder überschritten wird, sofern es sich um folgende Kategorien von Investoren
handelt und unter der Bedingung, dass diese Investoren nicht i.S. von Abs. 3 einzeln oder
gemeinsam mit dem betroffenen Unternehmen verbunden sind:
(a) staatliche Beteiligungsgesellschaften, Risikokapitalgesellschaften, natürliche Personen
bzw. Gruppen natürlicher Personen, die regelmäßig im Bereich der Risikokapitalinvestition
tätig sind ("Business Angels") und die Eigenmittel in nicht börsennotierte Unternehmen
investieren, sofern der Gesamtbetrag der Investition der genannten "Business Angels" in ein
und dasselbe Unternehmen 1.250.000 EUR nicht überschreitet;
(b) Universitäten oder Forschungszentren ohne Gewinnzweck;
(c) institutionelle Anleger einschließlich regionaler Entwicklungsfonds;
(d) autonome Gebietskörperschaften mit einem Jahreshaushalt von weniger als 10 Mio. EUR
und weniger als 5 000 Einwohnern.
21 (3) "Verbundene Unternehmen" sind Unternehmen, die zueinander in einer der folgenden
Beziehungen stehen:
(a) Ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter
eines anderen Unternehmens;
(b) ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs-
oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen;
(c) ein Unternehmen ist gemäß einem mit einem anderen Unternehmen abgeschlossenen
Vertrag oder aufgrund einer Klausel in dessen Satzung berechtigt, einen beherrschenden
Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben;
(d) ein Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, übt
gemäß einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses anderen Unternehmens
getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte von
dessen Aktionären oder Gesellschaftern aus.
Es besteht die Vermutung, dass kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, sofern sich die
in Abs. 2 Unterabs. 2 genannten Investoren nicht direkt oder indirekt in die Verwaltung des
betroffenen Unternehmens einmischen, unbeschadet der Rechte, die sie in ihrer Eigenschaft
als Aktionäre oder Gesellschafter besitzen.
22 b) Abs. 4 des Art. 3 der Empfehlung enthält für Beteiligungen der öffentlichen Hand eine
ergänzende Bestimmung. Danach kann außer den in Abs. 2 Unterabs. 2 der Empfehlung
angeführten Fällen ein Unternehmen nicht als KMU angesehen werden, wenn 25 % oder
mehr seines Kapitals oder seiner Stimmrechte direkt oder indirekt von einem oder mehreren
öffentlichen Stellen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts einzeln oder gemeinsam
kontrolliert werden.
23 c) Nach Auffassung des Senats unterliegt es keinem Zweifel, dass Art. 3 Abs. 4 der
Empfehlung eine Sonderregelung für die Beteiligung der öffentlichen Hand trifft, die
unabhängig von den vorstehenden Regelungen in den Abs. 2 und 3 der Empfehlung dazu
führen kann, dass ein Unternehmen, das nach seinen eigenen Daten (Mitarbeiterzahl,
Jahresumsatz, Jahresbilanzsumme) an sich ein KMU wäre, diesen Status verliert. Diese
Rechtsfolge tritt ab einer staatlichen Beteiligungshöhe von mehr als 25 % unmittelbar ein,
ohne dass es überhaupt noch auf eine Zusammenrechnung der Daten ankäme. Eine solche
Zusammenrechnung wäre in vielen Fällen, etwa bei unmittelbarer Beteiligung eines
Bundeslandes, auch gar nicht möglich, weil Personal- und Finanzdaten der öffentlichen
Stelle nicht berechnet werden können (vgl. S. 21 des Benutzerhandbuchs der Europäischen
Kommission zur KMU-Definition --Benutzerhandbuch--, abrufbar auf der Webseite der
Europäischen Kommission unter www.ec.europa.eu/enterprise/policies/sme) oder diese
Daten wegen der "Größe" der staatlichen Stelle unweigerlich zur Überschreitung der
Schwellenwerte führen müsste. Damit begünstigt die Kommission, was den KMU-Status und
die damit verbundene Förderung angeht, das private gegenüber dem staatlichen
Beteiligungskapital. Dieser Grundentscheidung der Kommission, die auch darin Ausdruck
findet, dass der Anwendungsbereich der Sonderregelung bewusst weit gehalten wird
(direkte und indirekte Staatsbeteiligung, einzelne und gemeinsame Kontrolle), ist bei der
Auslegung des Art. 3 der Empfehlung Rechnung zu tragen.
24 d) Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung ist auch eindeutig, was etwaige
Ausnahmen von der KMU-schädlichen Staatsbeteiligung angeht. Danach sind nur die "in
Absatz 2 Unterabsatz 2 angeführten Fälle" ausgenommen. Damit ist allein der
Unternehmenstyp des Partnerunternehmens angesprochen. In den Fällen des Abs. 2
Unterabs. 2 der Empfehlung gilt ein Unternehmen trotz der qualifizierten Beziehung zu
einem anderen Unternehmen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Empfehlung) als
eigenständig, wenn sich eine bestimmte --privilegierte-- Kategorie von Investoren (u.a.
staatliche Beteiligungsgesellschaften, Risikokapitalgesellschaften, sog. "Business Angels",
kleinere Gebietskörperschaften) beteiligt hat. Dass von "den in Absatz 2 Unterabsatz 2
angeführten Fällen" nur die Beteiligung in Form des Partnerunternehmens erfasst ist, stellt
dieser Unterabsatz selbst klar, indem er als negative Voraussetzung für die Privilegierung
fordert, dass "diese Investoren nicht im Sinne von Absatz 3 mit dem betroffenen
Unternehmen verbunden sind". Auch daran wird nochmals deutlich, dass die
Kommissionsempfehlung von der strengen Unterscheidung in drei Unternehmenstypen und
der verbindlichen Einordnung des betroffenen Unternehmens in eine bestimmte Kategorie
geprägt ist. Zu beachten ist auch, dass der Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung von
den "in Absatz 2 Unterabsatz 2 angeführten Fällen" spricht und nicht --wie z.B. Art. 3 Abs. 3
Unterabs. 2 der Empfehlung-- von den "in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten Investoren". Es
werden von Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung also bestimmte partnerschaftliche
Beteiligungsverhältnisse ausgenommen (fallbezogene Ausnahme), aber nicht generell eine
bestimmte Gruppe von Investoren (personenbezogene Ausnahme). Der Wortlaut des Art. 3
Abs. 4 der Empfehlung lässt damit die von der Klägerin gewünschte Auslegung nicht zu,
dass auch solche staatlichen Beteiligungsgesellschaften, von denen trotz
Mehrheitsbeteiligung gemäß Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Empfehlung unter bestimmten
Voraussetzungen vermutet wird, dass kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, für den
KMU-Status des betroffenen Unternehmens unschädlich sind. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 4
der Empfehlung müsste, worauf das FA zu Recht hingewiesen hat, dann nämlich wie folgt
lauten: "Außer den in Absatz 2 Unterabsatz 2 und in Absatz 3 Unterabsatz 2 angeführten
Fällen kann ein Unternehmen nicht als KMU angesehen werden, wenn ...".
25 e) Gesichtspunkte, die ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis des Art. 3 Abs. 4 der
Empfehlung nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich.
26 Auch dem von der Kommission herausgegebenen Benutzerhandbuch liegt die strenge
Unterteilung in drei Unternehmenstypen zugrunde. Es wendet die in Art. 3 Abs. 4 der
Empfehlung enthaltene Ausnahme nur auf Partnerunternehmen, also auf Beteiligungen
zwischen 25 % und 50 % (S. 20 des Benutzerhandbuchs) an. Es geht davon aus, dass die
privilegierten Investoren bei einer partnerunternehmerischen Beteiligung von der Regelung
in Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung nicht betroffen sind. Wörtlich heißt es: "Sie können sich mit
einem Anteil zwischen 25 % und 50 % an einem Unternehmen beteiligen, ohne dass dieses
dadurch seinen KMU-Status verliert." (S. 21 des Benutzerhandbuchs; s. dort auch S. 18).
27 Die auch im Falle des verbundenen Unternehmens gewollte Privilegierung der Beteiligung
bestimmter Investoren gemäß Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Empfehlung läuft, entgegen der
Auffassung der Klägerin, nicht leer. Denn das private Beteiligungskapital (private
Risikokapitalgesellschaften, "Business Angels", institutionelle Anleger) wird von dieser
Vorschrift nach wie vor erfasst. Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag der Senat in
Abs. 2 Unterabs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 2 des Art. 3 der Empfehlung auch keine gegenüber
Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung vorrangige Sonderregelung (lex specialis) für die dort
genannten Investoren zu erkennen. Bereits die Stellung in einem eigenen Absatz zeigt, dass
Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung den Vorrang genießt. Auch die dort angeordnete Rechtsfolge
ist spezieller und weitergehender Natur. Denn die qualifizierte Beteiligung der öffentlichen
Hand schließt ohne Weiteres den KMU-Status aus (s. oben unter 1.c), während die
Beteiligung der in Abs. 2 Unterabs. 2 der Empfehlung genannten Investoren, etwa bei
Überschreitung der in Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Empfehlung genannten
Investitionssumme oder bei Einmischung in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens
i.S. des Abs. 3 Unterabs. 2 der Empfehlung, nicht notwendigerweise KMU-schädlich sein
muss. Denn es käme dann noch auf das Ergebnis der Zusammenrechnung der
Unternehmensdaten gemäß Art. 6 Abs. 2 der Empfehlung an.
28 Es leuchtet schließlich nicht ein, warum ein Unternehmen, hinter dem z.B. in Höhe von 95 %
die öffentliche Hand in Gestalt einer staatlichen Beteiligungsgesellschaft steht, noch einer
besonderen Förderung bedürfte. Ein solches Unternehmen hat nicht die KMU-typischen
Schwierigkeiten beim Zugang zu Kapital und zu Krediten (vgl. 5. Erwägungsgrund der
Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung
der Artikel 87 und 88 des Vertrags der Europäischen Gemeinschaften auf staatliche Beihilfen
an kleine und mittlere Unternehmen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2001
Nr. L 10, 33; S. 5 des Benutzerhandbuchs). Es genießt ganz im Gegenteil wegen seiner
Nähe zum Staat typischerweise Vorteile, insbesondere finanzieller Art (S. 21 des
Benutzerhandbuchs).
29 2. Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall die Anwendung des Art. 3 Abs. 4 der
Empfehlung in Betracht. Es fehlen jedoch ausreichende Feststellungen zum Status der T-
Bank sowie zur genauen Beteiligungsstruktur.
30 Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:
31 a) Zunächst ist der Status der T-Bank festzustellen. Das FA hat im Revisionsverfahren
vorgetragen, dass die Bank gemäß § 1 des Thüringer Aufbaubankgesetzes eine
landesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts sei. Der Senat hält es für zweckmäßig,
dass das FG nach Zurückverweisung die fehlenden Feststellungen zum nicht revisiblen
Landesrecht selbst trifft (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 63,
m.w.N.). Sollte der Vortrag des FA zutreffend sein, dann lassen sich der Freistaat Thüringen
und die T-Bank ohne Weiteres unter den Begriff der öffentlichen Stelle i.S. des Art. 3 Abs. 4
der Empfehlung fassen (vgl. Uhlmann, Betriebs-Berater 2004, 2213, Fußnote 21). Bei der
Wahl der recht weiten und neutralen Formulierung "öffentliche Stelle" musste ersichtlich der
europäischen Vielfalt der mitgliedstaatlichen Organisationsstrukturen Rechnung getragen
werden. Bund, Länder oder bundes- oder landesunmittelbare Institutionen fallen außerdem
unter den im Benutzerhandbuch (S. 21) verwandten Begriff der öffentlichen Hand.
32 b) Sodann wird zu prüfen sein, ob der Freistaat Thüringen und die T-Bank --vermittelt über
die von der X gehaltene Aktienmehrheit-- mehr als 50 % des Kapitals der Klägerin
kontrollieren. Ein in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Empfehlung angeführter Fall läge dann
nicht vor. Denn die X gehört als staatliche Beteiligungsgesellschaft zwar zu den dort
genannten Investoren, wäre aber kein Partnerunternehmen. Denn ihre Beteiligung läge bei
über 50 %. Da die indirekte Kontrolle nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 der Empfehlung
ausreicht und der Begriff indirekt auch mehrstufige Beteiligungsketten erfasst, wäre die
grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschrift auch dann gegeben, wenn die X im Verhältnis
zur T-Bank eine Enkelgesellschaft wäre. Die im FG-Urteil getroffene Feststellung, die X sei
ein Tochterunternehmen der T-Bank, muss im Hinblick auf die im Revisionsverfahren von
beiden Beteiligten erwähnte Zwischenschaltung einer "StUWT" durch genaue Angabe der
Beteiligungsverhältnisse, insbesondere der jeweiligen Beteiligungsquoten, präzisiert
werden. Der Senat vermag auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen auch nicht
sicher auszuschließen, dass sich durch die etwaige Mitbeteiligung einer nichtstaatlichen
Stelle Auswirkungen auf die Beteiligungsquote der öffentlichen Hand ergeben könnten.