Urteil des BFH vom 17.03.2015

Nichtzulassungsbeschwerde: Zeitpunkt der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 17.3.2015, XI B 11/14
Nichtzulassungsbeschwerde: Zeitpunkt der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts des Saarlandes vom 18. Dezember 2013 2 K 1063/12 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Mutter des im Jahr 1991 geborenen
Sohnes Z, der im Jahr 2010 zum Zimmerer ausgebildet wurde. Sie bezog für Z zunächst
Kindergeld für Januar bis Dezember 2010 (Streitzeitraum).
2 Unter dem 16. Mai 2011 hob die frühere Beklagte (Familienkasse X) die
Kindergeldfestsetzung betreffend Z für 2010 mit der Begründung auf, dass der für den
Bezug von Kindergeld maßgebliche Grenzbetrag von 8.004 EUR überschritten sei. Der
Einspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, der Grenzbetrag sei unterschritten,
weil weitere Werbungskosten des Z einkünftemindernd zu berücksichtigen seien, blieb
erfolglos.
3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2013 auch im zweiten
Rechtsgang ab. Es ließ Fahrtkosten des Z zum Ausbildungsbetrieb und zu den
Einsatzbaustellen nur mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer zum Werbungskostenabzug
zu. Ausgaben des Z für "Arbeitsbücher" in Höhe von 170 EUR blieben unberücksichtigt, da
der entsprechende Beleg keine "differenzierten Angaben" über Autor, Titel oder Einzelpreis
enthielt.
4 Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
--FGO--) sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur
Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) und zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
5 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher
Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zuzulassen.
6 1. Den geltend gemachten Zulassungsgründen ist gemein, dass sie eine
entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffen müssen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom
6. Mai 2014 XI B 4/14, BFH/NV 2014, 1406, Rz 29 zum Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung und der Fortbildung des Rechts; z.B. BFH-Beschluss vom
2. März 2011 IV B 139/09, BFH/NV 2011, 1125, unter 3. zum Zulassungsgrund der
Divergenz).
7 a) Soweit die Klägerin insoweit als Rechtsfrage anführt, "ob bei einem nicht universitären
dualen Berufs-Ausbildungsverhältnis die Ausbildungsbetriebsstätte nicht als 'regelmäßige
Arbeitsstätte' des Auszubildenden, sondern als nicht auf Dauer angelegte,
vorübergehende Ausbildungsstätte anzusehen ist und somit die Regelung des § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 [des Einkommensteuergesetzes --EStG--] (Entfernungspauschale) auf die
Fahrten des Auszubildenden zum bzw. vom Ausbildungsbetrieb nicht anzuwenden [ist],
sondern die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Bildungseinrichtung
(Betrieb) in tatsächlicher Höhe bzw. nach Dienstreisegrundsätzen zu berücksichtigen sind
oder nicht", bestehen die geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht mehr.
8 b) Der BFH hat mit Urteil vom 27. Februar 2014 III R 60/13 (BFHE 244, 421, BStBl II 2015,
27; vorgehend Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2013 6 K 1103/13,
Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 53) entschieden, dass der Ausbildungsbetrieb
regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der bis Ende
2013 geltenden Fassung ist, wenn ein Auszubildender im Rahmen eines
Ausbildungsdienstverhältnisses, aus dem er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
erzielt, dem Ausbildungsbetrieb zugeordnet ist und diesen fortdauernd aufsucht, um dort
seine für den Ausbildungszweck zentralen Tätigkeiten zu erbringen. Entsprechendes
ergibt sich aus dem BFH-Urteil vom 10. April 2014 III R 35/13 (BFHE 245, 207, BStBl II
2014, 1011).
9 c) Maßgeblich für die Klärungsbedürftigkeit der jeweiligen Rechtsfrage ist der Zeitpunkt
der Entscheidung über die Zulassung der Revision; hat das FG die Revision nicht
zugelassen und muss der BFH über die Nichtzulassungsbeschwerde befinden, ist der
Zeitpunkt der Entscheidung des BFH maßgebend (z.B. BFH-Beschluss vom 27. April
2010 X B 85/09, BFH/NV 2010, 1641, Rz 4, m.w.N.). Danach ist eine Rechtsfrage nicht
(mehr) klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt ist,
und zwar auch dann, wenn die Entscheidung des BFH erst nach der angefochtenen
Entscheidung des FG oder auch erst nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
ergangen ist (BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2000 III B 66/97, BFH/NV 2001, 158; in
BFH/NV 2010, 1641; Werth in Beermann/Gosch, FGO § 115 Rz 106; Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 21 ff.; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 14). Letzteres ist hier der Fall.
10 Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität des
Rechtsschutzes zuzulassen (vgl. hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
25. Juli 2005 1 BvR 2419/03, 1 BvR 2420/03, Wertpapier-Mitteilungen 2005, 2014 zu
§ 543 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Denn der BFH hat mit Urteilen in BFHE 244, 421,
BStBl II 2015, 27 und in BFHE 245, 207, BStBl II 2014, 1011 die betreffende Rechtsfrage
so beantwortet, wie sie das FG entschieden hat; danach hätte die Revision in der Sache
keine Aussicht auf Erfolg (vgl. hierzu Werth in Beermann/Gosch, FGO § 115 Rz 71; Lange
in HHSp, § 115 FGO Rz 21c; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 61).
11 d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin in Bezug auf den vom FG versagten
Werbungskostenabzug für "Arbeitsbücher" einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2
FGO den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargetan hat oder
ob sie diesbezüglich vielmehr eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung des
Einzelfalls rügt, was grundsätzlich nicht zu einer Zulassung der Revision führen kann (vgl.
z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 XI B 89/11, BFH/NV 2013, 778, Rz 10; vom
24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 26).
12 Auf den insoweit von der Klägerin geltend gemachten Abzug weiterer Werbungskosten in
Höhe von 170 EUR kommt es nicht an. Auch unter Berücksichtigung dieser Ausgaben
würde der maßgebliche Grenzbetrag von 8.004 EUR nicht unterschritten, nachdem die
Einkünfte und Bezüge des Z, wie das FG entschieden hat, im Jahr 2010 8.199,23 EUR
betragen haben.
13 2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
FGO).
14 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.