Urteil des BFH vom 19.02.2016

Prozesskostenhilfe: EGVP - Terminsverlegung - Übergehen eines Antrags

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 19.2.2016, X S 38/15 (PKH)
Prozesskostenhilfe: EGVP - Terminsverlegung - Übergehen eines Antrags
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
1 I. Die Antragsteller wurden in den Streitjahren als Eheleute zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller erzielte u.a. Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. Der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) erließ zunächst
Schätzungsbescheide, mit denen er für das Jahr 2006 die Einkommensteuer auf einen
positiven Betrag, für die Jahre 2007 und 2008 auf 0 EUR festsetzte. Dabei war das FA
für das Jahr 2007 von einem Verlust ausgegangen, den es in das Jahr 2006
zurücktrug. Nach Eingang der Steuererklärung für 2006 setzte das FA im Rahmen
eines Änderungsbescheids vom 30. April 2009 Zinsen nach § 233a der
Abgabenordnung (AO) in Höhe von 96 EUR fest.
2 Mit der Steuererklärung für 2007 erwies sich der für dieses Jahr geschätzte Verlust als
zu hoch. Der Verlustrücktrag entfiel. Mit Bescheid vom 2. Dezember 2013 änderte das
FA die Einkommensteuer 2006 nochmals und setzte auf der Grundlage eines
Teilunterschiedsbetrags von 1.020 EUR Zinsen in Höhe von 376 EUR bei einem
Zinslaufbeginn 1. April 2009 fest. Bei den Nullfestsetzungen 2007 und 2008 blieb es.
Zudem ergingen Abrechnungsbescheide zu den Zinsen zur Einkommensteuer 2006
sowie zur Umsatzsteuer 2009.
3 Die Klage gegen diese Bescheide ging am 17. Mai 2014 ein. Das Finanzgericht (FG)
nahm als Streitgegenstand Einkommensteuer 2006 bis 2008, Abrechnungsbescheid
zur Umsatzsteuer 2009 und Zinsen zur Einkommensteuer 2006 auf. Am 22. Juni 2014
beantragten die Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH). Mit Beschluss vom
1. Dezember 2014 lehnte das FG den Antrag ab, da trotz Aufforderung vom
14. November 2014 der Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse nicht eingereicht sei. Die Antragsteller hatten am 26. November 2014
mitgeteilt, sie hätten auch für das PKH-Verfahren die Beiordnung eines Anwalts
beantragt, und Fristverlängerung begehrt.
4 Nach einem Erörterungstermin, in dem die Antragsteller insbesondere die
Zinsfestsetzung angriffen, lud das FG mit einem Hinweis, dass bei Ausbleiben eines
Beteiligten das Gericht gemäß § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch
ohne ihn verhandeln und entscheiden könne, zur mündlichen Verhandlung auf den
12. Mai 2015. Am 11. Mai 2015 beantragten die Antragsteller per Telefax, eingegangen
um 14:10 Uhr, Verlegung des Termins, da sie arbeitsunfähig (Antragsteller) bzw.
erwerbsunfähig (Antragstellerin) seien und sich ohne die nachteiligen Auswirkungen
ihrer Leistungseinschränkungen zur Sache äußern wollten. Sie übersandten dabei für
den Antragsteller einen Beleg für den Empfang von Krankenkassenleistungen wegen
Arbeitsunfähigkeit und ein ärztliches Attest, demzufolge sich der Antragsteller seit 1 1/2
Jahren in schmerztherapeutischer Mitbehandlung befinde und er sich nach eigener
Aussage nicht in der Lage fühle, an mündlichen Verhandlungen teilzunehmen. Für die
Antragstellerin überreichten sie einen Rentenbescheid wegen voller
Erwerbsminderung. Sie trugen zudem vor, der Beschluss zur PKH sei angesichts
mehrfach eingesandter Vordrucke und Unterlagen nicht nachvollziehbar.
5 Mit Verfügung vom selben Tage lehnte das FG die Terminsverlegung ab, da Reise-
oder Verhandlungsunfähigkeit nicht belegt seien. Der Versuch, die Verfügung per
Telefax an diejenige Nummer zu übermitteln, die die Antragsteller auf ihrem
Anschreiben angegeben hatten, schlug sowohl um 14:36 Uhr als auch um 14:47 Uhr
fehl. Eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des FG legte einen Vermerk nieder,
demzufolge sie den Antragstellern unter der auch auf deren Anschreiben angegebenen
Nummer auf die Sprachmailbox mitgeteilt habe, dass der Termin nicht aufgehoben
werde und sie die Möglichkeit hätten, sie bis 17:00 Uhr zu erreichen. Ferner
übermittelte sie den Antragstellern die Verfügung auf eine E-Mail-Adresse, die ebenso
wie Telefon- und Telefaxnummer jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt dem Internetauftritt
des Betriebs des Antragstellers zu entnehmen ist, allerdings von der E-Mail-Adresse
abweicht, die die Antragsteller in früheren Anschreiben angegeben hatten. Der
Terminsverlegungsantrag selbst hatte gar keine E-Mail-Adresse mehr enthalten.
Schließlich vermerkte die Mitarbeiterin, sie habe um 16:25 Uhr den Antragstellern die
Verfügung auf der Sprachmailbox vorgelesen.
6 Die Antragsteller erschienen zur mündlichen Verhandlung nicht. Das FG führte die
mündliche Verhandlung durch und wies unter dem unverändert in das Rubrum
aufgenommenen Streitgegenstand die Klage ab. Das Urteil wurde am 3. September
2015 zugestellt.
7 Am 3. Oktober 2015 übermittelten die Antragsteller über das Elektronische Gerichts-
und Verwaltungspostfach des Bundesfinanzhofs (BFH) ein mit "Beschwerde", "Antrag
auf Wiedereinsetzung", "Antrag auf Zulassung der Revision" und "Antrag auf PKH"
überschriebenes elektronisches Dokument. Eine qualifizierte elektronische Signatur
i.S. des § 2 Nr. 3 des Gesetzes über Rahmenbedingungen für elektronische
Signaturen (Signaturgesetz --SigG--) enthielt es nicht. Die Antragsteller beantragen
unter Beifügung der entsprechenden Formulare PKH und beanstanden in der Sache,
das FG habe ihren schriftlichen Vortrag zur Zinsfestsetzung und zur Zinsüberhöhung
nicht zur Kenntnis genommen und sie unter Missachtung ihrer Krankheit nicht
angehört. Die Mitwirkungs- und Auskunftspflicht des FA sei mangelhaft. Es sei auch
davon auszugehen, dass das FA die Einreichung von Jahresabschlüssen zum Zweck
der Zinsfestsetzung absichtlich hinausgeschoben habe. Durch die Änderung des
Einkommensteuerbescheids 2007 sei die Verteilung von Gewinn und Verlust seit 2004
unklar. Ferner haben die Antragsteller ein augenscheinlich aus dem Internet
stammendes Dokument beigefügt, das sich mit der Verfassungsmäßigkeit des
Zinssatzes von 6 % p.a. befasst und unter Hinweis auf zwei finanzgerichtliche
Verfahren Einspruch gegen die Zinsfestsetzungen verbunden mit einem Ruhensantrag
empfiehlt, schließlich den Abdruck eines an das FA gerichteten Antrags auf Erlass der
Zinsen zur Einkommensteuer 2006 aus Billigkeitsgründen.
8 Da eine Wiedereinsetzung im Hinblick auf das Verfahren beim FG in der konkreten
Prozesssituation nicht in Betracht kommt, hat der Senat die Eingabe der Antragsteller
als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (X B 173/15) sowie als Antrag
auf Bewilligung von PKH für die Beschwerde ausgelegt. Das FA hat die Anträge zur
Kenntnis erhalten und sich bisher zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
9 II. Der Antrag hat keinen Erfolg. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 114 ff. der
Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Bewilligung von PKH u.a. voraus, dass die
beabsichtigte Rechtsverfolgung --im vorliegenden Falle die Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision-- hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.
10 1. Es steht der Erfolgsaussicht des Beschwerdeverfahrens allerdings nicht
grundsätzlich entgegen, dass die Beschwerde bis zum Ablauf der Beschwerdefrist
entgegen § 62 Abs. 4 FGO nicht von einer vor dem BFH vertretungsberechtigten
Person eingelegt wurde. Wird PKH für ein fristgebundenes Rechtsmittel beantragt,
dann kommt hinsichtlich der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
in Betracht, wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die
Bewilligung der PKH geschaffen sind (ständige Rechtsprechung, vgl.
Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011, X S 7/10 (PKH), BFH/NV 2011, 630).
11 2. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der nicht mit qualifizierter elektronischer
Signatur versehene PKH-Antrag den formellen Anforderungen an einen
ordnungsgemäßen Antrag entspricht oder ob ggf. in diesem Punkt eine
Wiedereinsetzung in Betracht kommen könnte. Grundsätzlich ist ein Antrag auf PKH
als Prozesshandlung gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO
schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen (hinsichtlich der Schriftform
ausdrücklich Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 142 FGO Rz 129;
Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rz 7;
Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 142 Rz 58). § 52a Abs. 1 FGO
lässt --anstelle der Schriftform-- die Übermittlung von elektronischen Dokumenten
nach Maßgabe von Rechtsverordnungen des Bundes oder des jeweiligen Landes zu.
Nach § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO ist dabei für Dokumente, die einem schriftlich zu
unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur
nach § 2 Nr. 3 SigG vorzuschreiben. Für den BFH hat die Verordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim BFH vom
26. November 2004 (BGBl I 2004, 3091) die Übermittlung elektronischer Dokumente
zugelassen. Allerdings begründet § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO die Obliegenheit zur
Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht unmittelbar, sondern
enthält eine Verpflichtung für den Verordnungsgeber. Der II. Senat des BFH geht
davon aus, dass der Verordnungsgeber diese Vorgabe bisher nicht umgesetzt hat, da
die Verordnung zwar in § 2 Abs. 3 bestimmte Anforderungen an die qualifizierte
elektronische Signatur stelle, aber keine ausdrückliche Pflicht zur Verwendung einer
solchen Signatur begründe (vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 2009 II B 168/08,
BFHE 224, 401, BStBl II 2009, 670; a.A., nicht tragend, der VII. Senat des BFH mit
Beschluss vom 14. September 2005 VII B 138/05, BFH/NV 2006, 104). Der Senat
muss im Streitfall nicht entscheiden, ob er sich der Auslegung des II. Senats, mit der
die Anforderungen an die qualifizierte elektronische Signatur in § 2 Abs. 3 der
Verordnung und damit diese Vorschrift selbst überflüssig werden, anschließen
könnte, ob widrigenfalls aber die Antragsteller zumindest Gelegenheit erhalten
müssten, insoweit die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu schaffen.
12 3. Der Antrag ist jedenfalls in der Sache abzulehnen, weil die Beschwerde keine
Aussicht auf Erfolg hat.
13 a) Nach § 116 Abs. 3 FGO ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des
vollständigen Urteils die Beschwerdebegründung beim BFH einzureichen, in der die
Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO darzulegen sind. Nach § 115 Abs. 2 FGO
wiederum ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2) oder ein
Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Wird
PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt, so ist es
ausreichend, aber auch erforderlich, dass innerhalb der für die
Beschwerdebegründung geltenden Frist zumindest in laienhafter Weise ein
Zulassungsgrund dargelegt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2012 VII S 19/12,
BFH/NV 2012, 1624; vom 18. Juni 2014 X S 13/14, BFH/NV 2014, 1565).
14 Nach der Zustellung des Urteils am 3. September 2015 ist die zweimonatige Frist zur
Begründung am 3. November 2015, einem Dienstag, abgelaufen. Der Akteninhalt und
der Vortrag der Antragsteller können daher abschließend gewürdigt werden, bieten
jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Revision zuzulassen sein könnte. Die
Beschwerde wäre unbegründet.
15 b) Der Vorhalt der Antragsteller, das FG habe ihren schriftlichen Vortrag nicht
berücksichtigt und sie nicht angehört, indem es --so versteht der Senat dies-- den
Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt hat, ist als Rüge von
Verfahrensfehlern durch Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO zu verstehen und bezieht sich als solche auf sämtliche
Streitgegenstände. Unter beiden Aspekten liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs
jedoch nicht vor.
16 aa) Es existiert kein schriftliches Vorbringen, das das FG nicht (angemessen)
gewürdigt hätte. Die Antragsteller hatten schriftlich auf die Zinsproblematik
hingewiesen. Das FG ist darauf inhaltlich eingegangen. Der Anspruch auf rechtliches
Gehör bedeutet nur, dass das FG den Beteiligten "hören" muss, aber nicht, dass es
ihn "erhören", sich also seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste (vgl.
Senatsbeschluss vom 24. März 2015 X B 127/14, BFH/NV 2015, 809, unter 5.).
17 bb) Die Weigerung des FG, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, war
ebenfalls kein Verfahrensfehler.
18 aaa) Nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann aus erheblichen
Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt werden. Diese Gründe sind glaubhaft zu
machen. Erscheint dem Gericht die Begründung des Antrags nicht als ausreichend,
hat es den betreffenden Antragsteller zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern,
wenn der Antrag so rechtzeitig gestellt worden ist, dass die Aufforderung noch vor
dem Termin beantwortet werden kann, ggf. auch per Telefon, Telefax oder E-Mail,
wenn der Antragsteller auf diese Weise erreichbar ist. Sonst ist die Terminsverlegung
nur geboten, wenn die Gründe dafür substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht
sind (vgl. Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 91 Rz 3, m.w.N.).
19 bbb) Soweit die Antragsteller sich auf Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit berufen
hatten, waren dies in der vorliegenden Form keine ausreichenden Gründe, den
Termin zu verlegen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass selbst Krankheit
nur dann das Erscheinen zum Termin unzumutbar erscheinen lässt, wenn sie zu
Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit führt (vgl. Gräber/Herbert, a.a.O., § 91 Rz 4).
Für Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit gilt das erst recht. Beides geht nicht zwingend
mit Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit einher, so dass die Antragsteller weiter
hätten darstellen müssen, inwiefern sie tatsächlich an der Wahrnehmung des Termins
gehindert gewesen sein wollen. Den vorgelegten Bescheinigungen war dies nicht zu
entnehmen. Für den Antragsteller war neben der Arbeitsunfähigkeit als solcher zwar
belegt, dass eine längerfristige Schmerzbehandlung stattfand, jedoch nicht, dass
diese erfolglos, der Antragsteller also tatsächlich wegen dauerhafter Schmerzen
"außer Gefecht" gewesen wäre. Soweit dem Antragsteller das eigene Empfinden
fehlender Verhandlungsfähigkeit attestiert wurde, belegt dies gerade nicht, dass er
tatsächlich nicht verhandlungsfähig war. Bei der Antragstellerin fehlten jenseits der
Erwerbsunfähigkeit als solcher konkrete Angaben.
20 ccc) Das FG hat den Antragstellern unverzüglich nach Eingang des
Terminsverlegungsantrags auf den gebotenen und zur Verfügung stehenden
Kommunikationswegen mitgeteilt bzw. mitzuteilen versucht, dass die bisherigen
Angaben nicht ausreichten. Es hat ihnen damit ausreichend Gelegenheit gegeben,
entweder ihre Angaben zu ergänzen und so ihre Verhinderung doch noch glaubhaft zu
machen, oder zum Termin zu erscheinen. Die Antragsteller selbst hatten auf ihrem
Terminsverlegungsantrag ihre Telefon- und Telefaxnummer angegeben, die
grundsätzlich zur kurzfristigen Kontaktaufnahme geeignet sind. Nach dem Vermerk
der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass
besteht, hat sie sich vergeblich bemüht, die Antragsteller telefonisch zu erreichen und
letztlich alle erforderlichen Informationen über die Sprachmailbox übermittelt. Auch die
Telefaxübermittlung hat sie versucht. Damit hatte das FG seiner
Informationsobliegenheit genügt. Es hätte im Gegenzug den Antragstellern oblegen
und das FG durfte davon auch ausgehen, dass sie bei einem am Nachmittag vor der
mündlichen Verhandlung und damit überaus kurzfristig gestellten Antrag Telefon und
Telefax für die Antwort empfangsbereit halten oder, falls sie dies schon nicht tun,
zumindest aber die Sprachmailbox zeitnah abhören, höchst hilfsweise selbst im FG
anrufen, um sich zu vergewissern, ob der Termin antragsgemäß aufgehoben wurde
oder ob von ihnen hierfür noch etwas verlangt werde. Mehr konnte das FG nach den
Umständen nicht tun. Es bedarf keiner Feststellung, ob die Antragsteller die
Sprachmailbox tatsächlich abgehört haben, da dies in ihren Verantwortungsbereich
fällt und das FG hierauf keinen Einfluss hat. Da die Antragsteller danach auf weitere
Glaubhaftmachung verzichtet haben, musste das FG den Termin auch nicht
verlegen.
21 ddd) Nachdem auf dem Terminsverlegungsantrag selbst keine E-Mail-Adresse mehr
angegeben war, war die Übermittlung per E-Mail prinzipiell nicht mehr erforderlich.
Der Adressat eines solchen Schreibens, hier das FG, muss bei verständiger
Würdigung eines solchen Briefkopfes annehmen, dass der Absender die dort
genannten Kontaktmöglichkeiten, aber auch nur diese, zur Verfügung stellt. Das gilt
erst recht, wenn zur Reaktion auf den Verlegungsantrag nur noch wenige Stunden zur
Verfügung stehen. Das FG muss jedenfalls in einer derartigen Kürze der Zeit nicht
von sich aus recherchieren, ob vielleicht noch weitere Kommunikationswege denkbar
sind. Es ist daher unschädlich, wenn das FG gleichwohl über das eigentlich Gebotene
hinaus die Verfügung zusätzlich an die betriebliche E-Mail-Adresse, aber nicht an die
aus früheren Schreiben erkennbare E-Mail-Adresse übermittelt hat.
22 cc) Schließlich ist aus der Ablehnung des PKH-Antrages durch das FG und der
Fortsetzung des Verfahrens, ohne dass die Antragsteller fachkundig vertreten waren,
keine Verletzung rechtlichen Gehörs herzuleiten. Diese Verfahrensweise war korrekt.
Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO sind für die Angaben zu den
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zwingend die entsprechenden
Formulare zu benutzen. Dies haben die Antragsteller nicht getan, so dass das FG
folgerichtig die PKH abgelehnt hat und ablehnen musste. Soweit sie im Rahmen des
Terminsverlegungsantrags (erstmals) behauptet haben, sie hätten Vordrucke und
Unterlagen mehrfach eingereicht, ist dies den Akten nicht zu entnehmen. Ein Indiz
gegen die Richtigkeit dieser Behauptung ist im Übrigen auch die Mitteilung der
Antragsteller vom 26. November 2014. Hätten die Antragsteller tatsächlich die
Vordrucke eingereicht, hätte es nahegelegen, auf diesen Punkt ausdrücklich
hinzuweisen.
23 c) Mit dem Hinweis auf die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten des FA meinen die
Antragsteller wohl deren ungenügende Erfüllung. Der Senat kann den Akten aber
weder entsprechende Fehlleistungen des FA entnehmen noch wäre hieraus ein
Grund für die Zulassung der Revision abzuleiten. Verfahrensmängel i.S. des § 115
Abs. 2 Nr. 3 FGO müssen Fehler des FG, nicht des FA sein.
24 d) Aus denselben Gründen geht der Einwand fehl, das FA habe Jahresabschlüsse
verzögert, um Zinsen festsetzen zu können. Die Einreichung von Jahresabschlüssen
gehört nach § 60 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zu den Pflichten
des Steuerpflichtigen, hier des Antragstellers, nicht des FA. Das FA kann in diesem
Punkt nichts verzögern.
25 e) Abgesehen davon, dass hierin kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO zu
erkennen ist, vermag der Senat auch nicht nachzuvollziehen, inwiefern die Änderung
des Einkommensteuerbescheids 2007 Unklarheiten für die Gewinne und Verluste seit
2004 geschaffen haben soll. In jedem Jahr entsteht ein Gewinn oder Verlust. Für
steuerliche Zwecke können Verluste eines Jahres nach Maßgabe von § 10d des
Einkommensteuergesetzes in andere Jahre rück- und vorgetragen werden. Sollten
sich in noch anhängigen Verfahren in bestimmten Jahren neue oder abweichende
Verluste ergeben, sind anschließend ggf. für andere Jahre die entsprechenden
Folgerungen zu ziehen. Daraus entstehen aber keine Unklarheiten für die Höhe der in
den anderen Jahren entstandenen Gewinne und Verluste.
26 f) Unbegründet wäre die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
schließlich im Hinblick auf die bis heute in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgeschriebene
Höhe des Zinssatzes von 6 % (0,5 % p.m.) für die verschiedenen Zinstatbestände der
§§ 233 ff. AO. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Zinssatzes besitzt keine
grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, denn sie ist in der
Rechtsprechung des BFH sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits
geklärt, und zwar mit Erwägungen, die jedenfalls auch für den im Streitfall
maßgebenden Zeitraum Geltung beanspruchen. Der Senat verkennt nicht, dass
trotzdem auch in der Fachöffentlichkeit die innere Rechtfertigung dieses Zinssatzes
angesichts der nun seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase immer wieder
beanstandet wird. Diese Kritik beachtet weder die Funktion dieses Zinssatzes noch
die einschlägige Rechtsprechung hierzu.
27 aa) Mit Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07 (BFH/NV
2009, 2115, dort unter III.1.b bb) hat das BVerfG entschieden, dass der durch den
Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung
typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzte Zinssatz, der immerhin zugunsten wie
zulasten des Steuerpflichtigen gilt, rechtsstaatlich unbedenklich ist und keinen
Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot darstellt.
Es entspricht gerade der Absicht des Gesetzgebers, dass der konkrete Zinsvorteil
oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden muss. Entsprechend haben
sowohl der I. Senat des BFH (Urteil vom 20. April 2011 I R 80/10, BFH/NV 2011,
1654, unter II.2.) als auch der IX. Senat des BFH (Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13,
BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925, dort unter II.2.a bis c; bestätigt durch Urteil vom
14. April 2015 IX R 5/14, BFHE 250, 483, BStBl II 2015, 986) entschieden.
28 Der IX. Senat hatte für einen Zinszeitraum bis zum Jahre 2011 sinngemäß näher
ausgeführt, dass es zwar unter praktischen Gesichtspunkten unter Einsatz moderner
EDV durchaus denkbar sei, eine Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen
Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) vorzunehmen, dass aber weitere Gesichtspunkte existieren, die
die grundsätzliche Abkopplung von diesen beiden Zinsfüßen rechtfertigen und den
geltenden Zinssatz von 6 % nicht als so hoch erscheinen lassen wie er auf den ersten
Blick scheint. So wäre es unangemessen, als Vergleichsmaßstab lediglich den
jeweils aktuellen Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, da sowohl die bei der
Verwendung von Kapital erzielbaren als auch bei der Finanzierung von
Steuernachzahlungen aufzubringenden Zinsen bzw. Renditen von individuellen
Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig sind. Das bedeutet,
dass bei einer Beurteilung des gesetzlichen Zinssatzes anhand der Marktverhältnisse
einerseits die üblichen Zinssätze etwa für Dispositionskredite und andere
unbesicherte Konsumentenkredite, andererseits die Renditemöglichkeiten von
Anlageformen außerhalb der reinen Geldanlage zu berücksichtigen sind.
29 bb) Diese Überlegungen gelten für den hier in Rede stehenden Zeitraum bis 2013
unverändert fort. Es besteht daher kein Anlass, die Frage der Verfassungsmäßigkeit
des gesetzlichen Zinssatzes für diesen Zeitraum gegen diese höchstrichterliche
Rechtsprechung noch einmal aufzuwerfen. Die Abkopplung des gesetzlichen
Zinssatzes von dem individuellen Zinsvorteil oder -nachteil ist ein grundlegendes
Prinzip, das nicht von dem Zeitraum abhängt, um den es geht. Es zeigt vielmehr,
dass der gesetzliche Zinssatz grundsätzlich auch und gerade gerechtfertigt ist, wenn
er signifikant von dem Marktzins abweicht, der seinerseits die tatsächlichen
Zinsvorteile oder -nachteile prägt. Eine einschneidende Veränderung der
wirtschaftlichen Verhältnisse, die so weit ginge, dass selbst bei Einbeziehung der für
den Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze namentlich bei unbesicherten
Kreditformen bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß
von 6 % p.a. gänzlich markt- und realitätsfremd erschiene, vermag der Senat nicht zu
erkennen.
30 g) Über den Antrag auf Billigkeitserlass der Zinsen zur Einkommensteuer 2006
entscheidet das FA in einem selbständigen und von dem Ausgang der vorliegenden
Beschwerde unabhängigen Verfahren. Einen Grund zur Zulassung der Revision stellt
dieser Antrag daher nicht dar.
31 h) Das FG hat über die Klage nicht entschieden, soweit sie sich gegen einen
Abrechnungsbescheid zu den Zinsen zur Einkommensteuer 2006 richtete.
32 aa) Das Rubrum des FG-Urteils erfasst diesen Bescheid ebenso wenig wie er als
Streitgegenstand erfasst worden war. In Tatbestand und Entscheidungsgründen ist er
ebenfalls nicht genannt. Wenn es im Rubrum heißt "Abrechnungsbescheid zur
Umsatzsteuer 2009 und Zinsen zur Einkommensteuer 2006", so ist damit nicht ein
Abrechnungsbescheid zu den Zinsen zur Einkommensteuer 2006 gemeint, sondern
der Zinsbescheid selbst. Das ergibt sich nicht nur aus der Fassung des Rubrums, die
andernfalls hätte lauten müssen "Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 2009 und
zu den
Zinsen zur Einkommensteuer 2006", was im Übrigen zur Folge gehabt hätte,
dass umgekehrt gerade der den Kern des Streits darstellende Zinsbescheid selbst
aus der Bezeichnung des Streitgegenstands herausgefallen wäre. Es ergibt sich
vielmehr auch aus der Urteilsbegründung, die sich, wie es auch dem inhaltlichen
Vortrag der Antragsteller entsprach, recht ausführlich mit dem Zinsbescheid selbst
befasste. Von dem dazugehörigen Abrechnungsbescheid war hingegen nicht die
Rede.
33 bb) Dies war fehlerhaft, ermöglicht die Zulassung der Revision gleichwohl nicht. Der
Senat muss nicht entscheiden, ob das Übergehen des Antrags überhaupt
Gegenstand der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in Gestalt einer
Verletzung der aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO folgenden Pflicht des FG, seine
Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu schöpfen (Verstoß gegen
den klaren Inhalt der Akten) oder nur der Urteilsergänzung nach § 109 Abs. 1 FGO
sein könnte. Danach setzt zwar die Ergänzung eines Urteils hinsichtlich eines
übergangenen Antrags voraus, dass ein "nach dem Tatbestand" gestellter Antrag
übergangen wurde. Ist der Antrag aber, wie im Streitfall, im Tatbestand ebenfalls nicht
erwähnt, so ist dieser Mangel grundsätzlich zunächst durch Antrag auf Berichtigung
des Tatbestands nach § 108 Abs. 1 FGO zu beheben (vgl. zum Zusammentreffen
von § 108 FGO und § 109 FGO BFH-Beschluss vom 1. August 2014
V S 16/14 (PKH), BFH/NV 2014, 1768, unter II.2.b aa). Ob Letzteres wiederum auch
gilt, wenn ein Urteil ohne mündliche Verhandlung ergangen ist (so etwa BFH-
Beschluss vom 27. April 2009 II B 173/08, BFH/NV 2009, 1272, unter II.2.; Lange in
HHSp, § 108 FGO Rz 5; kritisch Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 108 FGO Rz 2), ob
es weiter dann gilt, wenn zwar, wie hier, eine mündliche Verhandlung durchgeführt
wurde, der betreffende Beteiligte daran aber nicht teilgenommen hat, kann
offenbleiben. Die Antragsteller haben das Übergehen des Antrags noch nicht einmal
ansatzweise gerügt und damit selbst den abgesenkten Anforderungen, die an die
Darlegung des Zulassungsgrundes durch den noch nicht beratenen Antragsteller im
PKH-Verfahren zu stellen sind, nicht genügt.
34 cc) Auch wenn es hierauf nicht ankommt, weist der Senat die Antragsteller in der
Sache darauf hin, dass ein Streit über einen Abrechnungsbescheid generell nicht die
Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen zum Gegenstand hat.
Das FG hat dies unter II.2. der Entscheidungsgründe für den Abrechnungsbescheid
zur Umsatzsteuer zutreffend erläutert. Dieses Prinzip gilt aber für den
Abrechnungsbescheid zum Zinsbescheid gleichermaßen.
35 4. Der Senat stellt die unter X B 173/15 zu treffende Entscheidung über die
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bis einen Monat nach
Bekanntgabe des vorliegenden Beschlusses zurück. Die Antragsteller haben damit
Gelegenheit, im eigenen Interesse die Beschwerde zurückzunehmen. Nach Nr. 6500,
6501 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes ermäßigen sich die
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren bei Rücknahme der Beschwerde um
die Hälfte.
36 Der Senat weist die Antragsteller ausdrücklich darauf hin, dass die Beschwerde
schon deshalb keinen Erfolg mehr wird haben können, weil sie nicht durch eine
postulationsfähige Person eingelegt wurde (s.o. unter 1.) und allein eine positive
Entscheidung über die PKH darüber hätte hinweghelfen können.
37 5. Die Entscheidung über die PKH ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche
Kosten werden nicht erstattet.