Urteil des BFH vom 20.07.2005

Verdeckte Einlage einer 100%-igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aus dem Betriebsvermögen - Betriebsaufspaltung: patentierte Erfindung als wesentliche Betriebsgrundlage - Gewinnverwirklichung nach Entnahme und anschließender verdeckter Einlage -

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.7.2005, X R 22/02
Verdeckte Einlage einer 100%-igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aus dem
Betriebsvermögen - Betriebsaufspaltung: patentierte Erfindung als wesentliche
Betriebsgrundlage - Gewinnverwirklichung nach Entnahme und anschließender verdeckter
Einlage - Beteiligung an Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen - analoge
Anwendung des § 20 UmwStG 1977
Leitsätze
Die verdeckte Einlage einer im Betriebsvermögen gehaltenen 100 %-igen Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft, an welcher der einlegende
Steuerpflichtige ebenfalls zu 100 % beteiligt ist, führt auch dann zu einer Gewinnrealisierung,
wenn auch die Beteiligung an der Zielkapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen des
Steuerpflichtigen gehört.
Tatbestand
1 I. Über das Vermögen des früheren Klägers und Revisionsklägers (K) ist während des
Revisionsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der jetzige Kläger und
Revisionskläger zu 1. (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des K.
2 K ist Ingenieur und war in den Jahren 1982 bis 1990 Geschäftsführer der von seiner
Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin), als Einzelunternehmen
betriebenen und Anfang Januar 1990 aufgelösten Fa. M. Neben seiner
Geschäftsführertätigkeit für die M betätigte sich K im Entwicklungs- und
Forschungsbereich der M.
3 K meldete im Mai 1988 für eine Erfindung Schutzrechte (Patent- bzw.
Gebrauchsmusterschutz) an und überließ sie sodann im Rahmen eines Lizenzvertrages
an die im Dezember 1987 gegründete D-GmbH zur Verwertung. Er hielt sämtliche Anteile
an der D-GmbH; die Klägerin war bei der D-GmbH als Prokuristin angestellt. Die von der
D-GmbH an K zu zahlende Lizenzgebühr betrug 7 v.H. der von der D-GmbH mit den
produzierten Lizenzgegenständen erzielten Umsätze. Die Anteile dieser Lizenzumsätze
an den Gesamterlösen der D-GmbH betrugen 1988 100 v.H. (Mindestgebühr), 1989 98
v.H., 1990 61 v.H. und 1991 57 v.H.
4 Am 30. Dezember 1991 übertrug K seine Geschäftsanteile an der D-GmbH auf die I-
GmbH, deren Alleingesellschafter im Übertragungszeitpunkt ebenfalls er selbst war.
5 Im Mai 1992 verkaufte K die Schutzrechte für 13 Mio. DM an die D-GmbH. Gleichzeitig
veräußerten er und die Klägerin, der zwischenzeitlich im Rahmen einer güterrechtlichen
Regelung die Hälfte der Anteile an der I-GmbH übertragen worden waren, sämtliche
Anteile an dieser Gesellschaft sowie die --offenbar im Wesentlichen wertlosen-- Anteile
an einer weiteren Gesellschaft zum Preis von 68,3 Mio. DM an die P-GmbH.
6 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine
Außenprüfung die Ansicht, dass K die Lizenz an die D-GmbH im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung vergeben habe. Die unentgeltliche Übertragung der Anteile an der D-
GmbH auf die I-GmbH habe zu einer --gewinnrealisierenden-- Entnahme der Anteile des
K an der D-GmbH aus dem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens geführt. Der --
nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in
der für das Streitjahr 1991 maßgeblichen Fassung (EStG) tarifbegünstigt zu versteuernde-
- Entnahmegewinn habe in Anlehnung an den späteren Erlös aus der Veräußerung der
Anteile an der I-GmbH an die P-GmbH 67,5 Mio. DM betragen. Dementsprechend erließ
das FA erstmalige Gewerbesteuermessbescheide gegen K für die Jahre 1988 bis 1991
und Einkommensteueränderungsbescheide für die Veranlagungszeiträume 1987 bis
1991 gegen die Eheleute. Im Einspruchsverfahren beantragten die Eheleute, für das
Streitjahr 1991 eine getrennte Veranlagung durchzuführen. In der
Einspruchsentscheidung entsprach das FA diesem Antrag.
7 Gegen die Gewerbesteuermessbescheide hatte K bereits in einem früheren --inzwischen
rechtskräftig abgeschlossenen-- Klageverfahren erfolglos geklagt (vgl. Urteil des
Finanzgerichts --FG-- Münster vom 30. Januar 1997 5 K 5257/94 G).
8 Mit der Klage gegen die Einkommensteueränderungsbescheide 1987 bis 1991 machten
die Eheleute u.a. geltend:
9 Die D-Beteiligung des Ehemannes sei durch die Einlegung in die I-GmbH steuerverhaftet
geblieben. Die Besteuerung der stillen Reserven in der D-Beteiligung sei dadurch
sichergestellt gewesen, dass die I-GmbH diese Beteiligung zu den historischen
Anschaffungskosten habe bilanzieren müssen. Die Beteiligung des Ehemannes an der I-
GmbH habe --bei unterstellter Betriebsaufspaltung-- ebenso wie die Beteiligung an der D-
GmbH zu seinem Betriebsvermögen gehört. Dann aber bestehe kein Anlass für die
Annahme, dass die Einlegung der Anteile an der D-GmbH in die I-GmbH zu einer
Gewinnrealisierung geführt habe.
10 In der mündlichen Verhandlung vor dem FG legten die Klägervertreter dar, dass die
Eheleute nach dem Verkauf der Anteile an der I-GmbH in dem von der Erwerberin (P-
GmbH) wegen nicht hinreichender Werthaltigkeit dieser Anteile angestrengten
Schiedsverfahren 20 Mio. DM aufgewendet hätten, um die Minderungsansprüche der
Erwerberin zu befriedigen. Die Beteiligten trafen daraufhin eine tatsächliche
Verständigung des Inhalts, dass der Teilwert der Anteile an der D-GmbH zum Zeitpunkt
ihrer unentgeltlichen Übertragung auf die I-GmbH mit dem bisher vom FA angesetzten
Teilwert abzüglich 20 Mio. DM zu bemessen sei.
11 Das FG hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 960
veröffentlichten Urteil insoweit stattgegeben, als es den Gewinn aus der Übertragung der
D-Anteile auf die I-GmbH entsprechend der tatsächlichen Verständigung um 20 Mio. DM
reduzierte.
12 Mit ihrer dagegen bezüglich der Streitjahre 1990 und 1991 erhobenen Revision rügen die
Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen (sinngemäß), die
Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie die Streitjahre 1990 und 1991 betrifft, und
die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1991 und 1990 mit der Maßgabe
abzuändern, dass kein Gewinn aus der verdeckten Einlage der Anteile an der D-GmbH in
die I-GmbH berücksichtigt werde.
13 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
14 II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass
zwischen K als Besitzunternehmer und der D-GmbH als Betriebsgesellschaft im Streitjahr
1991 eine Betriebsaufspaltung bestand (unten 1.) und dass K seine Beteiligung an dieser
Gesellschaft im Wege der verdeckten Einlage an die I-GmbH übertragen hat (unten 2.).
Ebenso wenig ist die Auffassung der Vorinstanz revisionsrechtlich zu beanstanden, dass
dieser Transfer zu einer Aufdeckung der im Buchwert der D-Beteiligung enthaltenen
stillen Reserven geführt hat (unten 3.).
15 1. Ohne Rechtsirrtum ist das FG davon ausgegangen, dass das Patent an die D-GmbH
durch K als Besitzunternehmer an die D-GmbH als Betriebsgesellschaft überlassen
wurde und dass diese Betriebsaufspaltung auch noch im Zeitpunkt der Übertragung der
D-Beteiligung an die I-GmbH (30. Dezember 1991) fortbestand. Davon gehen inzwischen
auch die Kläger aus.
16 a) Zwischen K und der D-GmbH bestand eine personelle Verflechtung. Soweit die
Eheleute dies noch während des FG-Verfahrens in Abrede gestellt hatten, halten sie
hieran im Revisionsverfahren nicht mehr fest. Das FG hat hierzu unwidersprochen und
damit für den erkennenden Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die
Ehefrau ungeachtet des "Inanspruchnahmeschreibens" vom 6. April 1988 bis zum
Verkauf der Schutzrechte an die D-GmbH und die Veräußerung an die P-GmbH
zugunsten des K auf eine Verwertung der formell in Anspruch genommenen Erfindung
verzichtet hat.
17 b) Darüber hinaus bestand zwischen dem Besitzunternehmen des K und der D-GmbH
auch eine sachliche Verflechtung. Das von K der D-GmbH lizenzweise überlassene
Patent stellte für diese im Streitjahr 1991 eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage
dar. Diese Rechtsqualität können auch immaterielle Wirtschaftsgüter, insbesondere
Erfindungen, haben, sofern die Produktion des Betriebsunternehmens in erheblichem
Umfang auf ihnen basiert (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. September 1973
IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869; vom 1. Juni 1978 IV R 152/73, BFHE 125,
280, BStBl II 1978, 545; vom 26. Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989,
455; vom 11. Juli 1989 VIII R 151/85, BFH/NV 1990, 99; vom 6. November 1991 XI R
12/87, BFHE 166, 206, BStBl II 1992, 415). Dies trifft im Streitfall zu, weil die D-GmbH aus
dem überlassenen Patent in den Jahren 1989 bis 1991 durchschnittlich 72 v.H. ihrer
gesamten Umsätze erzielte.
18 2. Zutreffend hat das FG angenommen, dass K die zum notwendigen Betriebsvermögen
seines Besitzunternehmens gehörende, alle Anteile am Stammkapital umfassende
Beteiligung an der D-GmbH (Betriebsgesellschaft) im Wege der verdeckten Einlage auf
die I-GmbH übertragen hat.
19 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn
ein Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person der Kapitalgesellschaft, ohne
dass der Gesellschafter hierfür neue Gesellschaftsanteile erhält, einen einlagefähigen
Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im
Gesellschaftsverhältnis hat. Letztere Voraussetzung ist gegeben, wenn ein
Nichtgesellschafter der Gesellschaft den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt
eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt hätte (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. März
1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705, unter II. 2. d und b; vom 18.
Dezember 1990 VIII R 17/85, BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512, unter 2., m.w.N).
20 Im Streitfall liegt eine solche verdeckte Einlage vor, weil K der I-GmbH --was ein
Nichtgesellschafter nicht getan hätte-- durch die Übertragung der D-Beteiligung einen (bei
der I-GmbH zu aktivierenden) Vermögensvorteil zuwendete, ohne dafür neue
Gesellschaftsanteile oder eine sonstige Bar- oder Sachvergütung zu erhalten.
21 b) Eine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft stellt nach inzwischen gefestigter,
auch vom erkennenden Senat befürworteter Rechtsprechung des BFH --anders als die
sog. offene, gegen die Gewährung neuer Gesellschaftsanteile vollzogene Einlage-- einen
unentgeltlichen Vorgang dar (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705,
und in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512). Nach dem grundlegenden (zu § 17 EStG
ergangenen) Urteil des BFH vom 27. Juli 1988 I R 147/83 (BFHE 155, 52, BStBl II 1989,
271, unter II. 5. a und b der Gründe) gehört es zum Wesen jeder verdeckten Einlage, dass
ihr keine Gegenleistung der Gesellschaft gegenübersteht. Als Gegenleistung kann auch
nicht die Werterhöhung angesehen werden, welche die Beteiligung in Folge der
verdeckten Einlage erfahren kann. Denn eine solche Wertsteigerung ist nur eine
Reflexwirkung der verdeckten Einlage, jedoch keine Gegenleistung im Sinne eines
Veräußerungspreises. Deshalb ergeben sich aus der verdeckten Einlage für den
Gesellschafter weder Einnahmen noch Vermögenszugänge. Dies folgt aus der
Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151,
523, BStBl II 1988, 348).
22 3. Der erkennende Senat folgt dem FG darin, dass die Übertragung der D-Beteiligung
durch K an die I-GmbH die Aufdeckung der in dem Buchwertansatz der D-Beteiligung
ruhenden stillen Reserven nach sich zog.
23 a) Die verdeckte Einlage von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen des
Gesellschafters in das Vermögen der Kapitalgesellschaft führt dazu, dass die
Einlagegüter nunmehr einem anderen Rechtsträger (Steuerrechtssubjekt) zuzurechnen
sind. Da sich dieser Vermögenstransfer --wie schon dargelegt (oben 2. b)--, anders als bei
einer offenen Einlage, unentgeltlich vollzieht, hat die empfangende Kapitalgesellschaft
die eingelegten Wirtschaftsgüter gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG) i.V.m. § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 5, § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG grundsätzlich mit dem
Teilwert zu bilanzieren. Damit korrespondierend hat der einlegende Gesellschafter
grundsätzlich einen Entnahmegewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu
versteuern. Denn der verdeckten Einlage von einzelnen Wirtschaftsgütern aus dem
Betriebsvermögen des einlegenden Gesellschafters geht grundsätzlich die vorherige
Entnahme der nämlichen Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des Einlegenden
voraus (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512, unter 3.; ferner z.B.
Wassermeyer, Betriebs-Berater --BB-- 1994, 1, 3 f.). Dies folgt aus der Erwägung, dass die
verdeckte Einlage per definitionem durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und
damit aus der Perspektive des einlegenden Gesellschafters zu außerbetrieblichen
Zwecken geschieht (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705, unter II. 2.
a; Schmidt/ Glanegger, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 6 Rz. 550).
24 b) Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch dann, wenn Gegenstand der verdeckten
Einlage nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern (ganze) Betriebe, Teilbetriebe oder
Mitunternehmeranteile sind. Allerdings tritt in diesen Fällen an die Stelle der der
verdeckten Einlage vorausgehenden Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG der beim
einlegenden Gesellschafter nach Maßgabe der §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG
begünstigt zu versteuernde Tatbestand der Betriebsaufgabe, Teilbetriebsaufgabe oder
Aufgabe eines Mitunternehmeranteils (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 163, 352, BStBl II
1991, 512, unter 2. der Gründe, betreffend Betriebsaufgabe).
25 c) Wie der BFH in seinem grundlegenden Urteil in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512
zutreffend ausgeführt hat, steht der Annahme einer zur Realisierung der im Betrieb
vorhandenen stillen Reserven führenden Betriebsaufgabe grundsätzlich nicht die in § 7
Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV-- a.F. (vgl. nunmehr § 6
Abs. 3 EStG) getroffene Regelung entgegen: Diese Bestimmung, so heißt es dort, "findet
keine Anwendung auf Fälle, in denen von dem beherrschenden Gesellschafter einer
GmbH ein Betrieb dieses Gesellschafters auf die GmbH in der Form einer verdeckten
Einlage übertragen wird. Da der verdeckten Einlage eine Entnahme zwangsläufig
vorausgeht (...), ist der Vorgang als Betriebsaufgabe zu beurteilen, so dass eine
Betriebsübertragung nicht mehr möglich ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn --wie im
Streitfall-- die Anteile an der GmbH Privatvermögen sind (...)".
26 d) Der BFH hat bislang offen gelassen, ob die vorstehend zu 3. c zur (Nicht-)Anwendung
des § 7 Abs. 1 EStDV a.F. dargelegten Grundsätze, denen auch der erkennende Senat
folgt, auch für den Fall Anwendung finden, dass die Beteiligung des einlegenden
Gesellschafters an der Zielgesellschaft ihrerseits zum Betriebsvermögen des
Einlegenden gehört (vgl. neben dem BFH-Urteil in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512,
unter 3. auch das BFH-Urteil vom 24. August 2000 IV R 51/98, BFHE 192, 534, unter 2. b
aa).
27 Letzteres traf im Streitfall zu. In diesem Zusammenhang braucht der erkennende Senat
die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beteiligung des K an der
Zielgesellschaft (I-GmbH) bereits vor der verdeckten Einlage der D-Beteiligung zum
(notwendigen) Betriebsvermögen seines Besitzunternehmens gehörte, nicht zu
entscheiden. Denn jedenfalls gewann die Beteiligung diese Eigenschaft spätestens im
Zeitpunkt der verdeckten Einlage. Die verdeckte Einlage der Beteiligung an der D-GmbH
(Betriebsgesellschaft) in die I-GmbH führte zu einer Umqualifizierung der bislang
bestehenden unmittelbaren Betriebsaufspaltung zu einer mittelbaren Betriebsaufspaltung
(vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993,
134). Die 100 %-ige Beteiligung an der I-GmbH gewährleistete es K, weiterhin --nunmehr
mittelbar, über die von ihm dominierte I-GmbH-- einen beherrschenden Einfluss auf die
Betriebsgesellschaft (D-GmbH) auszuüben. Mit der in Rede stehenden verdeckten
Einlage gewann daher die Beteiligung des K an der I-GmbH für dessen
Besitzunternehmen wirtschaftliches Gewicht mit der Folge, dass sie spätestens in diesem
Augenblick die Eigenschaft von notwendigem Betriebsvermögen des
Besitzunternehmens erlangte. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gehören zum
notwendigen Betriebsvermögen, wenn die Beteiligung nach ihrer Art und nach der
tatsächlichen Betriebsführung für diese ein besonderes Gewicht besitzt und der Stärkung
der unternehmerischen Position dient (vgl. z.B. Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 252,
m.w.N. und Beispielen aus der Rechtsprechung des BFH in Rz. 253 ff.). Dies war im
Streitfall zweifellos der Fall.
28 e) Der vorliegende Fall gebietet deswegen die Beantwortung der unter d formulierten
Frage, die der Senat verneint und sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lässt:
29 Da --wie dargelegt-- der verdeckten Einlage aus dem Betriebsvermögen in eine
Kapitalgesellschaft die Verwirklichung des Entnahmetatbestandes (oben a) oder eines
(Betriebs-)Aufgabetatbestandes --hier: in Form der Aufgabe einer 100 %-igen Beteiligung
i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG (jetzt: § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG)--
(oben b) grundsätzlich vorausgeht, löste dies im vorliegenden Fall gemäß § 16 Abs. 3
Satz 3 EStG in der für das Streitjahr 1991 maßgeblichen Fassung eine
(steuerbegünstigte) Realisierung der im Buchwertansatz der eingelegten D-Beteiligung
enthaltenen stillen Reserven aus. Dieser Rechtsfolge stand § 7 Abs. 1 EStDV a.F. nicht
entgegen.
30 aa) Zwar setzt eine unentgeltliche Übertragung i.S. von § 7 Abs. 1 EStDV a.F. (nunmehr:
§ 6 Abs. 3 EStG) nach einmütiger Auffassung nicht voraus, dass der Rechtsnachfolger
eine natürliche Person ist. Als unentgeltliche Rechtsnachfolger in diesem Sinne kommen
vielmehr auch juristische Personen, namentlich Kapitalgesellschaften, in Betracht (vgl.
z.B. BFH-Urteile vom 24. März 1993 I R 131/90, BFHE 171, 185, BStBl II 1993, 799, unter
II. B. 4., und vom 19. Februar 1998 IV R 38/97, BFHE 186, 42, BStBl II 1998, 509, unter 1.
b).
31 bb) Typische Fälle des § 7 Abs. 1 EStDV a.F. bilden die unentgeltlichen Übertragungen
der dort bezeichneten Organisationseinheiten im Wege des Erbfalls und der
vorweggenommenen Erbfolge (vgl. z.B. Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
Einkommensteuergesetz, § 16 Rz. B 129). In diesen Fällen führt die dort (zwingend)
angeordnete Buchwertfortführung durch den unentgeltlichen Rechtsnachfolger zu einer
interpersonellen Verlagerung der stillen Reserven. Anders als bei der unentgeltlichen
Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern räumt hier der Gesetz- und Verordnungsgeber
im Interesse einer ertragsteuerlich unbelasteten Vermögensübertragung und der
Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit in der Hand des Erwerbers ausnahmsweise dem
Realisationsprinzip (verstanden im Sinne eines Umsatzakts) den Vorrang vor dem
Subjektsteuerprinzip ein (so zutreffend Reiß in Kirchhof, Einkommensteuergesetz,
KompaktKommentar, 5. Aufl., § 16 Rz. 15).
32 cc) Der Senat kann offen lassen, ob die Anwendung des § 7 Abs. 1 EStDV a.F. (nunmehr:
§ 6 Abs. 3 EStG) nach dessen Sinn und Zweck in dem hier in Rede stehenden Fall der
verdeckten Einlage generell, also auch dann ausgeschlossen ist, wenn Gegenstand einer
solchen Einlage ein ganzer Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil ist. Jedenfalls
begünstigt § 7 Abs. 1 EStDV a.F. ebenso wie auch § 6 Abs. 3 EStG als dessen
Nachfolgeregelung nicht die hier zu beurteilende verdeckte Einlage einer 100 %-igen
Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (ebenso z.B. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz.
161; Blümich/ Ehmcke, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz,
Gewerbesteuergesetz, § 6 EStG Rz. 1236; Gratz in Herrmann/Heuer/ Raupach,
Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 6 EStG Rz. 1355; a.A.
z.B. Reiß in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 16 Rz. B 287; ders. in Kirchhof, a.a.O., §
16 Rz. 69 und 99; Haritz/Slabon, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1998, 1159, 1161;
Hörger/Mentel/Schulz, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 565).
33 Letzteres folgt bereits aus der Tatsache, dass § 7 Abs. 1 EStDV a.F. (nunmehr: § 6 Abs. 3
EStG) anders als § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG die Gleichstellung der 100 %-igen
Beteiligung mit einem Teilbetrieb gerade nicht vorsieht. Wie die Entstehungsgeschichte
und die historische Entwicklung des § 7 Abs. 1 EStDV a.F. belegen, beruht diese
Inkongruenz auf einer bewussten und mit dem formellen Gesetz, namentlich
insbesondere § 16 EStG, in Einklang stehenden Entscheidung des Verordnungsgebers.
Zutreffend hat das FA in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass § 7 Abs. 1
EStDV in der hier maßgebenden Fassung durch die EStDV 1955 normiert worden ist. Zu
dieser Zeit sah § 16 EStG noch keine Gleichstellung der Veräußerung oder Aufgabe einer
100 %-igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit der Veräußerung oder Aufgabe
eines Teilbetriebes vor. Diese Gleichstellung wurde erst mit der Erweiterung des § 16
Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1965 bewerkstelligt. Obwohl die
EStDV nach dieser Gesetzesänderung vielfach modifiziert wurde, hat der
Verordnungsgeber diese Gleichstellung der 100 %-igen Beteiligung mit dem Teilbetrieb in
§ 7 Abs. 1 EStDV a.F. zu keiner Zeit nachvollzogen. Auch hat der Gesetzgeber mit der
Einfügung des § 6 Abs. 3 EStG in der ab 1999 geltenden Fassung die bisherige
Regelung des § 7 Abs. 1 EStDV a.F. unverändert in das Gesetz übernommen, ohne einen
"Gleichklang" zwischen jener Bestimmung und § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG
herzustellen. Wäre die Intention des Gesetzgebers darauf gerichtet gewesen, § 6 Abs. 3
EStG auf den Fall der unentgeltlichen Übertragung einer 100 %-igen Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft auszudehnen, hätte eine entsprechende Klarstellung im Gesetzestext
des § 6 Abs. 3 EStG nahe gelegen.
34 dd) Einen entsprechenden, gegen die Ausdehnung des § 6 Abs. 3 EStG auf 100 %-ige
Beteiligungen gerichteten Willen des Gesetzgebers bestätigen auch die anlässlich der
Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens in das Gesetz eingefügten Regelungen (vgl.
insbesondere § 3 Nr. 40 Sätze 3 und 4 EStG sowie § 8b Abs. 4 Sätze 1 und 2 KStG), mit
denen der Gesetzgeber die zielgerichtete Ausnutzung des Halbeinkünfteverfahrens,
namentlich durch eine offene Einlage in eine Kapitalgesellschaft und die anschließende --
kürzerfristige-- Veräußerung der erhaltenen Anteile, verhindern wollte. Aus dem Umstand,
dass sich diese "Missbrauchsverhinderungsvorschriften" jedenfalls ausdrücklich lediglich
auf die offene , gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgende Einlage (=
"Einbringung" i.S. von § 20 des Umwandlungssteuergesetzes --UmwStG-- 1977)
beziehen, lässt sich folgern, dass der Gesetzgeber den hier beschrittenen Weg der
verdeckten Einlage im Hinblick auf die in diesem Fall nach seiner Auffassung durch den
Transfer ohnehin ausgelöste Aufdeckung der stillen Reserven nicht als
"Umgehungstatbestand" qualifiziert hat.
35 ee) Gegen die erweiternde Interpretation des § 7 Abs. 1 EStDV a.F. (§ 6 Abs. 3 EStG) in
dem Sinne, dass er auch die Übertragung 100 %-iger Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften erfasst, spricht zudem, dass es sich bei den dort ausdrücklich
aufgeführten Organisationseinheiten (Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile)
ausnahmslos um solche handelt, die sowohl beim Übertragenden als auch beim
unentgeltlichen Erwerber denknotwendig zum Betriebsvermögen rechnen. Dies trifft bei
einer Beteiligung --wenn auch 100 %-igen-- Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht
zu, da diese in steuerrechtlicher Sicht weder mit einem Betrieb oder Betriebsteil noch mit
einer Beteiligung an einer Personengesellschaft (Beteiligung an deren Betrieb)
vergleichbar ist und überdies weder beim Übertragenden noch beim unentgeltlichen
(Einzel- oder Gesamt-)Rechtsnachfolger zwingend zum Betriebsvermögen gehören muss.
36 f) Obwohl sich die hier zu beurteilende Übertragung auf sämtliche Anteile an einer
Kapitalgesellschaft (D-GmbH) erstreckte und das Übertragungsobjekt damit ein tauglicher
Gegenstand für eine Einbringung i.S. des § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1977
darstellte, kommt ein Buchwerttransfer vom Besitzunternehmen zur I-GmbH schließlich
auch nicht in direkter oder analoger Anwendung dieser Regelungen in Betracht.
37 aa) Eine direkte Anwendung des § 20 UmwStG 1977 scheitert im Streitfall schon daran,
dass § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 nach seinem eindeutigen Wortlaut eine offene (Sach-
)Einlage --d.h. eine Einbringung gegen die Gewährung von (neuen) Gesellschaftsrechten-
- fordert und diese Voraussetzung bei der hier vorliegenden verdeckten (Sach-)Einlage
schon definitionsgemäß ausscheidet (vgl. z.B. Reiß in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O.,
§ 16 Rz. B 341; ders. in Kirchhof, a.a.O., § 16 Rz. 21).
38 bb) Ebenso wenig kommt aber auch eine analoge Anwendung des § 20 UmwStG 1977 in
den Fällen der verdeckten Einlage von Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen
sowie den in § 20 Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1977 beschriebenen Anteilen an
Kapitalgesellschaften in Betracht (vgl. z.B. Gratz in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 6
EStG Rz. 1375; Hörger in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 16 EStG Rz.
18 b), weil diese Regelung nicht anders als die entsprechende Bestimmung des
geltenden UmwStG nach dem Willen des Gesetzgebers abschließenden Charakter
haben soll und darum eine Ausdehnung der dort gewährten Vergünstigungen auf nicht
geregelte, wenn auch ähnliche Konstellationen nicht gewollt ist (BTDrucks 14/23, S. 172).
39 4. Nach diesen Maßstäben hat das FG im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die von
K am 30. Dezember des Streitjahres 1991 vorgenommene verdeckte Einlage der D-
Beteiligung in die I-GmbH in diesem Streitjahr zu einer Aufdeckung der im
Buchwertansatz der D-Beteiligung ruhenden stillen Reserven in der zwischen den
Beteiligten unstreitigen Höhe von 47,5 Mio. DM geführt hat. Demzufolge ergibt sich für
dieses Streitjahr auch kein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte, welcher gemäß § 10d
Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Jahr 1991 geltenden Fassung in das Streitjahr 1990
zurückzutragen wäre.