Urteil des BFH vom 26.03.2015

Basisgesellschaft - Darlegungsanforderungen im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren - fehlende Anerkennung einer Treuhandvereinbarung durch die eidgenössische Steuerverwaltung - Gehörsrüge - Sachverständigenbeweis

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 26.3.2015, X B 92/14
Basisgesellschaft - Darlegungsanforderungen im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren -
fehlende Anerkennung einer Treuhandvereinbarung durch die eidgenössische
Steuerverwaltung - Gehörsrüge - Sachverständigenbeweis
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2014 13 K 4576/11 E,G wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte gegen die Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) aufgrund von umfangreichen, insgesamt fünf
Sachverhaltskomplexe umfassenden Ermittlungserkenntnissen (Außen- und
Fahndungsprüfungen) Erst- bzw. Änderungsbescheide betreffend die Einkommensteuer
2001 bis 2010 und den Gewerbesteuermessbetrag 2001, 2004 bis 2006 erlassen;
außerdem setzte das FA Einkommensteuervorauszahlungen für 2011 fest. Dabei brachte
es --auf Schätzungen basierend-- bisher nicht versteuerte bzw. künftig zu erwartende
Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in --zum Teil-- Millionenhöhe in Ansatz. Nach
Teilerfolgen im Einspruchs- und Klageverfahren wenden sich die Kläger nur noch gegen
die --vom Finanzgericht (FG) in Anwendung von § 42 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung
(AO) dem Grunde nach bestätigte-- Zurechnung der gewerblichen Einkünfte einer
ansonsten funktionslosen schweizerischen Aktiengesellschaft an den Kläger
("Sachverhalt X").
2 Mit der von ihnen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde machen sie zum einen die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Bei der X handele es sich entgegen der
Beurteilung durch die deutschen Finanzbehörden und das FG nicht um eine
gesellschaftsrechtlich mit dem Kläger verflochtene Basisgesellschaft. Dies ergebe sich
u.a. daraus, dass der im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen aufgefundene
Treuhandvertrag zwischen dem Kläger und dem Treugeber A vom 2. Februar 2004 nicht
unterschrieben sei. Dies sei jedoch für die Anerkennung einer derartigen Vereinbarung
durch die eidgenössische Steuerverwaltung konstitutiv, was das FG zu Unrecht
unberücksichtigt gelassen habe. Der Streitfall werfe demnach die abstrakte und über den
entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage auf,
"ob die Finanzgerichte aufgrund von Feststellungen, die sie aus von der
Steuerfahndung beschlagnahmten Akten des Steuerpflichtigen getroffen haben, sich
über die fehlende --nach eidgenössischen Steuervorschriften erforderliche--
Schriftform eines Treuhandvertrages zwischen Treugeber und Treuhänder
(Aktionär) hinwegsetzen können, oder nicht die Schriftform nach Ortsstatut der
Gesellschaft, an der gesellschaftliche Verhältnisse allein wirtschaftlich zugerechnet
werden sollen, einzuhalten ist."
3 Darüber hinaus stützen die Kläger ihre Beschwerde auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2
Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
4 II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Kläger die Voraussetzungen eines der in § 115
Abs. 2 FGO genannten Revisionszulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt haben,
§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
5 1. Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend,
hat er zuerst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte
Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche
Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren
Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die
Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den
zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen
Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im
Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt
werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die
Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
Senatsbeschluss vom 21. August 2014 X B 159/13, BFH/NV 2014, 1743, unter 1.).
6 Die Kläger haben bereits die Entscheidungserheblichkeit der von ihnen aufgeworfenen
Rechtsfrage nicht schlüssig dargetan. Aus ihrem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht,
ob und wenn ja, mit welchen rechtlichen Konsequenzen es sich bei dem nicht
unterschriebenen Dokument lediglich um eine (formlose) "Ausfertigung" (FG-Urteil,
Seite 19, 3. Absatz), also gerade nicht um die Urschrift der Vertragsurkunde handelt. Es
wird auch nicht erörtert, ob die Schriftform (unter Berücksichtigung des Art. 11 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis 16. Dezember 2009
geltenden Fassung) nach schweizerischem Recht auch für die
zivil
rechtliche Wirksamkeit
der Treuhandvereinbarung einzuhalten war und in welchem Verhältnis Schweizer
steuerrechtliche und zivilrechtliche Maßstäbe zueinander stehen sollen. Dessen
ungeachtet fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und
Literatur zur steuerrechtlichen Anerkennung von (eventuell) formunwirksamen
Treuhandvereinbarungen. Da außerdem das Verhältnis von § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO
zu der (dann gegebenenfalls maßgeblichen) Vorschrift des § 41 Abs. 1 AO bereits durch
den Bundesfinanzhof (BFH) geklärt ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007
VIII R 14/05, BFH/NV 2008, 745, unter II.2.b; dem zustimmend Bundesgerichtshof,
Beschluss vom 6. September 2012 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1, unter III.1.b; jeweils
m.w.N.), hätte es einer Erörterung bedurft, inwieweit gerade § 41 Abs. 1 AO in Fällen mit
Auslandsbezug nicht anwendbar sein soll.
7 2. Die Kläger haben auch Verfahrensfehler des FG nicht schlüssig gerügt.
8 a) Bei dem von ihnen geltend gemachten Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) handelt es sich nicht um eine Rüge nach § 119
Nr. 3 FGO, bei der die Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung
unwiderleglich vermutet wird. Denn eine solche Rüge betrifft nach ständiger
Rechtsprechung nur solche Fälle, in denen die behauptete Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör das Gesamtergebnis des Verfahrens erfasst. Bezieht sich der
vermeintliche Gehörsverstoß dagegen, wie im Streitfall, lediglich auf einzelne
Feststellungen --hier den "Sachverhalt X"--, so ist die mögliche Kausalität des
beanstandeten Verfahrensmangels für das Urteil --unter Zugrundelegung des materiell-
rechtlichen Standpunkts des FG-- vom Beschwerdeführer darzulegen und vom
Beschwerdegericht zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220,
332, BStBl II 2009, 842, unter II.2.b cc; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl.,
§ 119 Rz 14, m.w.N.).
9 Zur Beruhensfrage haben sich die Kläger jedoch in diesem Kontext nicht näher verhalten.
Vielmehr beschränkt sich ihre Beschwerdebegründung auf den Vortrag, der Kläger,
dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war und der durchgängig von einem
Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, hätte im Falle der beantragten
Terminsverlegung bzw. Vertagung (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung) Darlegungen "zu dem später widerrufenen Geständnis vom
19.07.2007 (...) machen" bzw. "Auskünfte zu der ihm erteilten Vollmacht über Bankkonten"
und "den ihm seitens der Y zugerechneten Geldbeträgen" geben können. Dies ist --auch
vor dem Hintergrund, dass die Kläger zu diesen Punkten nach den Feststellungen des FG
zum Verfahrensablauf bereits umfassend in ihrer Klagebegründung vorgetragen hatten--
nicht ausreichend, um den gerügten Gehörsverstoß schlüssig darzulegen.
10 Das gilt umso mehr, soweit das FG auf Seite 37 des Urteils ausführt, dass es "seine
Überzeugung, dass Herr A die Anteile an der X treuhänderisch für den Kläger gehalten
hat, nicht auf die Erklärung des Klägers vom 19.07.2007 gestützt" hat. Denn damit hat das
Gericht klar zum Ausdruck gebracht, dass es für die Entscheidung auf das widerrufene
Geständnis des Klägers nicht ankam.
11 Angesichts der inhaltlichen Beschränkung der Beschwerde auf die sich aus dem
"Sachverhalt X" ergebenden steuerlichen Folgen erschließt sich anhand der
Begründungsschrift zudem nicht, inwieweit sich eine Gehörsverletzung in Bezug auf die
dem Kläger "seitens der A zugerechneten Geldbeträge" ergeben könnte. Denn dieser --in
der Beschwerdebegründung nicht (mehr) näher spezifizierte-- Aspekt betrifft nach den
Entscheidungsgründen nicht den "Sachverhalt X", sondern den "Sachverhalt Y".
12 b) Schließlich ist auch die auf die Nichteinholung des beantragten
Sachverständigengutachtens zur schweizerischen Steuerrechtslage gestützte
Aufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 FGO) unschlüssig. Das FG hat die --von den Klägern damit
unter Beweis gestellte-- Einstufung der X als "gemischte Gesellschaft" i.S. von "§ 69
Satz 2" (richtig: Absatz 2) des Steuergesetzes des Kantons Zug durch die Schweizer
Steuerbehörden ausweislich Seiten 22 und 37 des Urteils bei seiner Gesamtwürdigung
als wahr unterstellt. Danach ist aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht
nachvollziehbar, hinsichtlich welcher ermittlungsbedürftigen Tatsache die Kläger die
Sachaufklärungspflicht des FG als verletzt ansehen (grundlegend zu den
Darlegungsanforderungen BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236,
BStBl II 1991, 66, unter II.A.1.; s. auch Senatsbeschluss vom 8. Juni 2011 X B 214/10,
BFH/NV 2011, 2073, unter II.2.a). Dass das Tatgericht den von den Klägern aus der
schweizerischen Steuerrechtslage gezogenen Schlussfolgerungen zur eigenen
wirtschaftlichen Tätigkeit der X im Rahmen der Beweiswürdigung nicht gefolgt ist, stellt für
sich gesehen keinen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensmangel dar.
13 3. Hinsichtlich der von dem "Sachverhalt X" nicht berührten Streitjahre fehlt eine
Begründung, so dass die Beschwerde auch insoweit unzulässig ist.
14 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
15 5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung
sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.