Urteil des BFH vom 05.02.2015

Aufhebung von DDR-Steuerbescheiden - Voraussetzungen und Beweisgrundsätze - Nichtigkeit solcher Bescheide - Binnendivergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO auch bei Abweichung vom Urteil eines aufgelösten FG - Kein Verfahrensmangel wegen Abwesenhei

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 5.2.2015, X B 117/14
Aufhebung von DDR-Steuerbescheiden - Voraussetzungen und Beweisgrundsätze - Nichtigkeit
solcher Bescheide - Binnendivergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO auch bei
Abweichung vom Urteil eines aufgelösten FG - Kein Verfahrensmangel wegen Abwesenheit
des Berichterstatters bei informellem Vorgespräch
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2014 2 K 2158/08 wird als unzulässig
verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Erben des während des
finanzgerichtlichen Verfahrens im Alter von 79 Jahren verstorbenen ehemaligen Klägers X.
Die Kläger haben das Verfahren als Gesamtrechtsnachfolger des X aufgenommen und
setzen es gemeinschaftlich fort (§ 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m.
§§ 239 Abs. 1, 250 der Zivilprozessordnung).
2 X war in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bis 1976 als … tätig.
Daneben betätigte er sich als Sammler von Kunstgegenständen, wobei er u.a. in diesem
Zusammenhang als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR
zur Beobachtung des privaten Kunsthandels eingesetzt wurde. Aufgrund seiner Aktivitäten
als Kunstsammler bzw. --nach damals von den DDR-Behörden vertretener Auffassung--
Kunsthändler wurden gegen X seit 1975 Ermittlungen wegen des Verdachts der
Steuerhinterziehung geführt. Diese mündeten in seine Verhaftung und die Beschlagnahme
der bei ihm aufgefundenen Kunstgegenstände. Ende 1976 wurde X letztinstanzlich wegen
"Steuerverkürzung", Urkundenfälschung sowie weiteren Zoll- und Devisendelikten zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren und einer Geldstrafe von 100.000 Mark der DDR (M)
verurteilt. Außerdem verpflichtete ihn das Gericht aufgrund zoll- und devisenrechtlicher
Vorschriften zur Zahlung eines Gegenwerts von 317.860,50 M. Aufgrund einer Amnestie
wurde X vorzeitig aus der Strafhaft entlassen. In steuerlicher Hinsicht hatte der Magistrat
von Berlin bereits zuvor die Besteuerungsgrundlagen geschätzt und mit
zusammengefasstem Bescheid vom 11. Juni 1976 für die Jahre 1969 bis 1975 sowie mit
gesondertem Bescheid für das Jahr 1976 hinterzogene Steuern (Einkommen-, Umsatz-,
Gewerbe- und Vermögensteuer) in Höhe von 1.626.647 M bzw. 80.298 M festgesetzt, die
im Nachgang noch reduziert wurden. Zudem wurde mit weiterem Bescheid vom
10. September 1980 für die Jahre 1978/79 Vermögensteuer in Höhe von 2.400 M gegen X
festgesetzt.
3 Nachdem X nach der Haftentlassung seine Aktivitäten als Sammler bzw. An- und Verkäufer
von Kunstgegenständen und Antiquitäten mit den ihm verbliebenen bzw. vor der
Beschlagnahme ausgelagerten Stücken fortgesetzt hatte, kam es zu einem weiteren gegen
ihn geführten Steuerstrafverfahren, das abermals zu seiner Verhaftung, zur
Beschlagnahme aufgefundener Wertgegenstände und zu einer zweiten Verurteilung führte
(mehrjährige Freiheitsstrafe sowie Geldstrafe). In der Folgezeit wurde X aus der Strafhaft
unmittelbar in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) entlassen. Zuvor hatte der Magistrat
von Berlin unter Zugrundelegung eines Hinterziehungssachverhalts mit gesonderten
(Schätz-)Bescheiden vom 29. November (richtig: Oktober) 1981 die Einkommen-, Umsatz-
und Gewerbesteuer des B für die Jahre 1980 und 1981 auf 585.669 M bzw. 181.071 M
festgesetzt.
4 Die bei X beschlagnahmten Gegenstände wurden im Anschluss an das erste
Strafverfahren teilweise zurückgegeben. Im Übrigen wurden sie zur Tilgung der
staatlicherseits erhobenen Forderungen durch die DDR-Behörden verwertet.
5 Im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung erreichte X die Aufhebung der gegen ihn
ergangenen Strafurteile in von ihm angestrengten Rehabilitierungsverfahren. Mit Schreiben
vom 31. Dezember 2003 wandte er sich darüber hinaus gegen die vorgenannten
Steuerbescheide des Magistrats von Berlin und beantragte, diese aufzuheben bzw. für
nichtig zu erklären; zudem legte er vorsorglich Einspruch gegen die Bescheide ein. Der
Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wies die Anträge nach
Auswertung der X betreffenden, vom Landgericht Berlin --Rehabilitierungskammer-- und
vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR (BStU) beigezogenen Akten als unbegründet zurück. Eine Aufhebung der
angegriffenen Bescheide komme nicht in Betracht, da diese nach den von der
Rechtsprechung insbesondere im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Januar 1995
X R 146/93 (BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686) gemachten Vorgaben nicht "mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar" i.S. von Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrages
--EinigVtr-- (BGBl II 1990, 889) seien.
6 Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
7 II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Sie ist
unzulässig, weil die Kläger die Voraussetzungen eines der in § 115 Abs. 2 FGO
genannten Revisionszulassungsgründe nicht ausreichend dargelegt haben (§ 116 Abs. 3
Satz 3 FGO).
8 1. Hinsichtlich der von ihnen geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) leidet die Beschwerdebegründung bereits daran,
dass die Kläger --anders als vom BFH in ständiger Rechtsprechung gefordert-- keine
bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage
herausgestellt haben (s. dazu z.B. Senatsbeschluss vom 21. August 2014 X B 159/13,
BFH/NV 2014, 1743, unter 1., m.w.N., sowie speziell im vorliegenden Kontext BFH-
Beschluss vom 22. März 1996 III B 145/95, BFH/NV 1996, 822). Außerdem setzen sie
sich nicht näher mit der auf dem Grundsatzurteil des Senats in BFHE 177, 317, BStBl II
1995, 686 fußenden Judikatur auseinander, aufgrund deren die --vom FG zutreffend
erkannten-- rechtlichen Parameter zur Beurteilung der Unvereinbarkeit von DDR-
Steuerbescheiden mit rechtsstaatlichen Grundsätzen i.S. von Art. 19 Satz 2 EinigVtr
bereits geklärt und deshalb nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung sind (vgl. BFH-
Beschluss vom 14. November 1995 IV B 28/95, BFH/NV 1996, 300; Senatsbeschlüsse
vom 29. September 2004 X B 50/04, BFH/NV 2005, 166, und vom 25. März 2010
X B 96/09, BFH/NV 2010, 1459). Demgegenüber ist die auf die Anwendung dieser
Maßstäbe im konkreten Einzelfall bezogene Kritik der Kläger als solche nicht geeignet,
die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung der Sache zu rechtfertigen (vgl.
zuletzt Senatsbeschluss vom 5. November 2014 X B 223/13, BFH/NV 2015, 202, unter 4.,
m.w.N.).
9 2. Auch in Bezug auf die in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geregelten
Revisionszulassungsgründe wird die Beschwerdebegründung den
Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
10 a) Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO setzt voraus,
dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen "zur Fortbildung des Rechts" zu entscheiden
ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der Nr. 1, sodass insoweit die
Darlegungsanforderungen zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
entsprechend gelten (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1743, unter 2., m.w.N.).
Diese haben die Kläger jedoch, wie bereits unter II.1. ausgeführt, nicht beachtet.
11 b) Die schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO)
bedingt u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen
Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung einander widersprechender
abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und der bzw. den
behaupteten Divergenzentscheidung(en) andererseits, um eine Abweichung deutlich
erkennbar zu machen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014 X B 112, 113/13,
BFH/NV 2014, 487, unter II.1., m.w.N.).
12 aa) Im Streitfall rügen die Kläger eine Abweichung der Entscheidung von dem in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1108 veröffentlichten Urteil des FG
Berlin vom 15. Dezember 2003 8 K 8537/99 sowie von "der ständigen Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs seit seiner Grundsatzentscheidung".
13 (1) Dabei führt der Umstand, dass das FG Berlin durch Staatsvertrag über die Errichtung
gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 --
Staatsvertrag-- (Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl-- für Berlin 2004, 381; GVBl für das
Land Brandenburg I 2004, 283) zum 1. Januar 2007 aufgelöst worden ist, für sich gesehen
noch nicht zur Unzulässigkeit der Divergenzrüge. Denn die vormaligen FG Berlin und
Brandenburg wurden aufgrund Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Staatsvertrag zum gemeinsamen
FG Berlin-Brandenburg vereinigt, bei dem es sich mithin institutionell um den
Rechtsnachfolger der FG beider Landesgerichtsbarkeiten handelt (vgl. auch Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 2006 2 BvR 1058/05, BFH/NV 2006,
Beilage 4, 493, unter III.2.b aa). Der Sache nach entspricht die hier vorliegende Fusion
zweier FG damit der Konstellation, dass das angefochtene Urteil von einem Spruchkörper
desselben FG abweicht. Für diesen Fall ist aber bereits höchstrichterlich entschieden,
dass zur Wahrung der Rechtseinheit auch derartige Binnendivergenzen dem
Revisionszulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO unterfallen (vgl.
zuletzt Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 X B 91/14, unter 2.,
www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Datum der Veröffentlichung: 28. Januar 2015;
Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 174; Seer in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 67, jeweils m.w.N.).
14 (2) Allerdings mangelt es der Beschwerdebegründung an der bei der Geltendmachung
des Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gebotenen
Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze. Dies betrifft
bereits das angefochtene FG-Urteil, aus dem die Kläger keinen solchen Rechtssatz
ableiten, sondern vielmehr allein die konkrete tatrichterliche Beweiswürdigung und
Überzeugungsbildung in Frage stellen. Die in Bezug auf die Entscheidungen des FG
Berlin in EFG 2004, 1108 und --nachgehend-- des BFH in BFH/NV 2005, 166 erhobene
Rüge, das FG sei willkürlich von der "einhelligen finanzgerichtlichen Rechtsprechung"
abgewichen, wonach in Fällen der vorliegenden Art ("DDR-Raubkunst") generell "die
Aufhebungsreife vermutet bzw. als indiziert betrachtet" werde, ist zu unpräzise. Zwar hat
der Senat in BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686 (unter 4.a) ausgesprochen, dass
jedenfalls solche Verwaltungsakte "mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar" i.S.
von Art. 19 Satz 2 EinigVtr sind, die einen Bezug zu einer alltäglichen sozialistischen
"Gesetzlichkeit" nicht mehr erkennen lassen, weil sie in verfahrens- wie materiell-
rechtlicher Hinsicht das Willkürverbot verletzen und/oder gegen das Gebot der
Verhältnismäßigkeit verstoßen. Solches ist vor allem dann anzunehmen, wenn ein
Steuerbescheid an schwerwiegenden Rechtsfehlern leidet und konkrete Umstände des
Einzelfalls die Annahme einer politisch-sachwidrigen Motivation der DDR-Behörden,
mithin einen Missbrauch des Steuerrechts zu sachwidrigen Zwecken, nahelegen.
15 Gerade davon hat sich das FG hier aber nach umfassender Würdigung sämtlicher den
Streitfall ausmachender Umstände auf tatsächlicher Ebene nicht überzeugen können.
Dabei hat es sich insbesondere auch mit dem klägerischen Sachvortrag im Einzelnen
auseinandergesetzt und diesen --anders als in dem der Entscheidung des
Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 24. Januar 2014 2/13 (unter B.I.2.b,
nicht veröffentlicht) zugrunde liegenden Fall, auf den die Kläger Bezug nehmen-- nicht
allein unter Hinweis auf die von der BStU übermittelten Unterlagen zurückgewiesen. Die
tatrichterliche Überzeugung von einer missbräuchlichen Steuerrechtshandhabung im
vorgenannten Sinne wäre nach der Senatsrechtsprechung aber erforderlich gewesen, um
--in einem zweiten Schritt-- zugunsten der Kläger zu einer (widerleglichen) Vermutung
dahingehend zu gelangen, dass für die Besteuerung des X eine vor allem politisch
motivierte Willkür tatsächlich ursächlich war bzw. die Steuerfestsetzung der "Verfolgung
eines Andersdenkenden" diente (vgl. Senatsurteil in BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686,
unter 4.a und 5.d).
16 Vor diesem Hintergrund ist keine gleichwie geartete Rechtsprechungsdivergenz des FG
erkennbar.
17 (3) Dasselbe gilt für die in der Entscheidung des FG Berlin in EFG 2004, 1108 parallel zu
Art. 19 Satz 2 EinigVtr angenommene Nichtigkeit des dort zu beurteilenden DDR-
Steuerbescheids nach § 125 Abs. 1 der (bundesdeutschen) Abgabenordnung (AO). Denn
ungeachtet dessen, dass das vom FG Berlin unter den Prämissen jenes Falls bejahte
Eingreifen des selbständigen Aufhebungsgrundes in Art. 19 Satz 2 EinigVtr voraussetzt,
dass die betroffene Verwaltungsentscheidung wirksam --also nicht nichtig-- ist (vgl.
Senatsurteil in BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686, unter 2.; BFH-Beschluss vom 30. März
2005 VII B 272/04, BFH/NV 2005, 1507, unter II.2.), und die Anwendung des § 125 AO auf
DDR-Steuerbescheide mit Blick auf Art. 97a § 2 des Einführungsgesetzes zur
Abgabenordnung ohnedies ausgeschlossen erscheint, konnte sich das FG hier nicht
davon überzeugen, dass die X betreffenden Schätzbescheide evident willkürlich erlassen
wurden (vgl. dazu Senatsurteil vom 15. Juli 2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145, unter
II.2.b bb, m.w.N.). Darauf kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden.
18 bb) Mit ihrem Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. August
1995 5 StR 63/95 (NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht 1996, 19) zu den
Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen in Strafurteilen wegen
Steuerhinterziehung machen die Kläger der Sache nach keine
Rechtsprechungsdivergenz geltend. Stattdessen zielt ihr Vortrag auf eine vermeintliche
Verletzung von § 105 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 FGO ab (s. dazu Gräber/von Groll,
Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 105 Rz 21, m.w.N.). Mit einer solchen, dem
Revisionsrecht in Strafsachen entlehnten Darstellungsrüge können sie im Streitfall nicht
gehört werden. Denn das finanzgerichtliche Verfahren unterliegt aufgrund der in § 105
Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 FGO eröffneten Verweisungsmöglichkeiten anderen Vorgaben
als das von der insoweit strengeren Bestimmung des § 267 der Strafprozessordnung
geprägte Strafverfahren.
19 cc) Die auf die ablehnende Haltung des Zentralkomitees der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands in Bezug auf eine vorzeitige Haftentlassung des X in die
BRD im Jahre 1977 und den Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1459 abhebende
Divergenzrüge erschließt sich nicht.
20 dd) Im Übrigen ist auch kein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler des FG erkennbar,
der die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung des BFH
ausnahmsweise bei "greifbarer Gesetzwidrigkeit" der angefochtenen Entscheidung
gestatten würde (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 X B 95/13, BFH/NV 2014,
1355, unter 2.a, m.w.N.; s. im hiesigen Kontext auch Senatsbeschluss in BFH/NV 2010,
1459, unter 4.). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.
21 3. Schließlich sind auch die von den Klägern beanstandeten Verfahrensmängel nicht
hinreichend substantiiert dargelegt worden.
22 a) Die eingangs ihrer Ausführungen zum Vorliegen eines Revisionszulassungsgrunds
nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unter Bezugnahme auf die Senatsbeschlüsse vom 25. Juli
2012 X B 175/11 (BFH/NV 2013, 44) und vom 17. August 2011 X S 10/11 (PKH) (BFH/NV
2012, 50) erhobene Gehörsrüge ist unschlüssig. Denn ihrem knappen und bereits nach
eigener Vorgabe ("Unter anderem") insgesamt unvollständig gehaltenen Vortrag lässt
sich schon nicht entnehmen, ob bzw. inwieweit der ihres Erachtens "unberücksichtigt"
gebliebene "Katalog" mit der ausweislich Seite 13 des FG-Urteils gemäß § 105 Abs. 3
Satz 2 FGO zur Entscheidungsgrundlage gemachten "Auflistung vom 13. April 1976"
übereinstimmt.
23 b) Dasselbe gilt für die von den Klägern erhobene Aufklärungsrüge, die sich "unter
anderem" auf den "Tod des Bruders" des X bezieht. Unbeschadet der --ersichtlich nicht
eingehaltenen-- sonstigen Darlegungsanforderungen bei der Geltendmachung einer
Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO (s. dazu etwa
Senatsbeschluss vom 8. Mai 2014 X B 105/13, BFH/NV 2014, 1213, unter II.5.b, m.w.N.)
geht aus dem Beschwerdevortrag insbesondere nicht hervor, inwieweit die
steuerrechtliche Sachentscheidung im Streitfall davon (vom FG in seine Entscheidung
miteinbezogen) abhängt, dass der Bruder des X respektive der Vater der Kläger im Jahre
1978 in … unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist.
24 Ebenfalls nicht nachvollziehbar in diesem Sinne ist die weitere, auf den BFH-Beschluss
vom 17. Februar 2010 VII R 41/08 (BFHE 228, 396, BStBl II 2011, 4) zum
Konkurrenzverhältnis zwischen § 37 Abs. 2 AO und § 1 Abs. 7 des Gesetzes zur
Regelung offener Vermögensfragen gestützte Aufklärungsrüge. Die in dem dortigen
Verfahren entscheidungsrelevante Frage nach der Rechtsgrundlage für die Erstattung von
in der DDR gezahlten Steuern stellt sich erst im Nachgang zu einer --vom FA im Streitfall
abgelehnten-- Aufhebungsentscheidung nach Art. 19 Satz 2 EinigVtr.
25 c) Auch die von den Klägern erhobene Besetzungsrüge (§ 119 Nr. 1 FGO) ist unschlüssig
(zusammenfassend Ruban, a.a.O., § 119 Rz 8, m.w.N.). Denn dem sich aus § 16 FGO
ergebenden Recht der ehrenamtlichen Richter auf umfassende Information über die zu
entscheidende Streitsache ist in der Regel durch den Sachvortrag des Berichterstatters in
der mündlichen Verhandlung, verbunden mit Ergänzungen in einem Gespräch vor der
Sitzung
oder
während der Beratung Genüge getan (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juli 2008
XI S 5/08 (PKH), BFH/NV 2008, 1863, unter II.2.b cc (1), m.w.N.). Danach hätten die
Kläger darlegen müssen, inwiefern sich die --von ihnen ohne weitere eigene Ermittlungen
schlicht behauptete-- mangelnde "effektive" Vorbereitung der Sache aufgrund des
verspäteten Eintreffens des Berichterstatters am Tag der mündlichen Verhandlung auf die
anschließende Beratung ausgewirkt hat. Außerdem bleibt nach ihrem Vortrag gänzlich
offen, ob eine Vorbesprechung der Streitsache gegebenenfalls bereits an einem anderen
Tag stattgefunden hat. Dass der Berichterstatter "während des informellen Vorgespräches
der Verfahrensbeteiligten mit dem Vorsitzenden bzw. diesem und den anderen Richtern"
noch nicht zugegen war, begründet demnach bzw. mit Blick auf § 92 Abs. 2 FGO
ebenfalls keinen die Revisionszulassung gestattenden Verfahrensfehler.
26 4. Zuletzt vermag auch die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer der
Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar kann in einer
überlangen Verfahrensdauer ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO
liegen. Voraussetzung einer entsprechenden Beanstandung ist allerdings die schlüssige
Darlegung, dass das angegriffene Urteil auf diesem Mangel beruhen kann, d.h. dass es
bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer inhaltlich anderen Entscheidung des FG
hätte kommen können (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschluss in
BFH/NV 2014, 1213, unter II.5.f, m.w.N.). Dazu haben die Kläger jedoch nichts
vorgetragen.
27 Der aus verfassungs- und menschenrechtlichen Gründen erforderliche Rechtsschutz von
Verfahrensbeteiligten gegen überlange Finanzgerichtsverfahren wird im Übrigen durch
die Möglichkeit zur Erhebung von Verzögerungsrügen und Entschädigungsklagen nach
§ 155 Satz 2 FGO i.V.m. § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) gewährleistet.
28 Da der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen ist, dass die Kläger --was
grundsätzlich denkbar wäre-- zugleich eine Verzögerungsklage (§ 198 Abs. 5 Satz 1
GVG) erhoben haben, braucht der Senat, bei dem es sich nach der Geschäftsverteilung
des BFH auch um das Entschädigungsgericht i.S. von § 155 Satz 2 Halbsatz 1 FGO
i.V.m. § 201 Abs. 1 GVG handelt, auf die vom FA aufgeworfene Frage nach einer
etwaigen Anspruchspräklusion gemäß Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei
überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (BGBl I 2011,
2302; s. dazu bereits Senatsurteil vom 20. August 2014 X K 12/12, BFH/NV 2015, 208,
unter II.) nicht näher einzugehen.
29 5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht
der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
30 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.