Urteil des BFH vom 11.01.2017

Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung bei fehlenden Programmierunterlagen; "30/70-Methode" als Schätzungsmethode

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 11.1.2017, X B 104/16
ECLI:DE:BFH:2017:B.110117.XB104.16.0
Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung bei fehlenden Programmierunterlagen; "30/70-Methode" als
Schätzungsmethode
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts
vom 10. Mai 2016 8 K 175/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist verheiratet und betrieb in den Streitjahren 2006 bis 2012 ein
Speiserestaurant. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 des
Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung.
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Im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen stellten die Prüfer fest, dass der Kläger für seine Bareinnahmen eine
elektronische Registrierkasse verwendet habe. Die hierzu gehörenden Organisationsunterlagen, auch
Bedienungsunterlagen, Programmieranleitung sowie die Programmabrufe nach jeder Änderung habe er nicht
vorlegen können. Ebenso wenig habe er alle weiteren Anweisungen zur Kassenprogrammierung übergeben können.
Die mit der Registrierkasse erstellten Rechnungen habe der Kläger nicht aufbewahrt. Das gleiche gelte für die im
Rahmen des Tagesabschlusses aufgerufenen Ausdrucke der Registrierkasse, etwa betriebswirtschaftliche
Auswertungen, Ausdrucke der Trainingsspeicher oder Kellnerberichte.
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In der Buchführung habe der Kläger lediglich den sog. Tagesbericht verwahrt. Trotz eines Hinweises im Rahmen der
Umsatzsteuer-Nachschau habe er alle übrigen Berichte aus dem elektronischen Speicher der Kasse gelöscht.
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Die mit dem Bedienerschlüssel Nr. 5 durchgeführten Eingaben hätten, da dieser als sog. Trainingsbediener
eingerichtet gewesen sei, den Umsatz der einzelnen Berichte nicht erhöht. Der Bediener Nr. 5 sei wie ein regulärer
Kellner verwendet worden. Die Übungsumsätze seien nicht gesondert aufgezeichnet worden. Auch seien die mit
diesem Schlüssel gebuchten Bons nicht aufbewahrt worden.
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Soweit die Stornoart "Berichtigung" gewählt worden sei, seien diese Eingaben nicht auf dem Journaldruck
erschienen. Sie seien auch nicht im elektronischen Journal gespeichert worden. Auf diese Weise seien in fünf
Monaten über 40.000 EUR storniert worden.
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Die Einnahmen und Ausgaben seien vom Steuerberater zum Monatsende verbucht worden, allerdings ohne
Nutzung eines Kontos "Kasse". Vielmehr seien die Einnahmen und Ausgaben hinsichtlich der Bestandskonten
ergebnisunwirksam gebucht und der Saldo über Entnahmen/Einlagen ausgebucht worden. Eine Überprüfung des
Veranlagungszeitraums 2012 mittels taggenauer Einnahmen und Ausgaben habe umfangreiche Kassenfehlbeträge
ergeben.
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Lohnzahlungen an die Angestellten seien nicht vom Bankkonto überwiesen, sondern als Barausgaben nachträglich
erfasst worden, so dass sich nicht habe ermitteln lassen, ob die Angestellten den Lohn tatsächlich erhalten hätten.
8
Bei einer Durchsuchung seien in der Handtasche der Ehefrau des Klägers Bareinzahlungsbelege für verschiedene
Konten gefunden worden. Auf Konten der Ehefrau und der Tochter des Klägers seien Bareinzahlungen von
insgesamt über 200.000 EUR getätigt worden. Eine nicht mit dem Betrieb des Klägers in Zusammenhang
stehende Herkunft der Mittel habe der Kläger nicht darlegen können.
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Die Prüferin des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) zog aus diesen Feststellungen den Schluss,
die Buchführung sei im gesamten Prüfungszeitraum nicht ordnungsgemäß gewesen. Für die Jahre 2008 und 2012
führte sie eine Kalkulation nach Anteilen durch und ermittelte auf Grundlage der vom Kläger vorgelegten Unterlagen
ein Verhältnis der Speisen zu Getränken von 70 % zu 30 %. Für die Getränke nahm sie eine Ausbeutekalkulation
vor. Ausgehend vom Ergebnis für das Streitjahr 2012 ermittelte sie einen Gesamtrohgewinnaufschlag von
abgerundet 320 %. Diesen Rohgewinnaufschlag übertrug sie auf alle Streitjahre, da das Verhältnis von Speisen zu
Getränken im gesamten Prüfungszeitraum nahezu unverändert blieb.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren als unbegründet ab. Die
Hinzuschätzungen seien weder dem Grunde nach noch der Höhe nach zu beanstanden.
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Die Buchführung des Klägers sei aufgrund zahlreicher Mängel nicht nach § 158 der Abgabenordnung (AO) der
Besteuerung zugrunde zu legen. Schon das Fehlen der Programmierprotokolle sowie weiterer
Organisationsunterlagen der Registrierkasse stellten formelle Mängel dar. Insoweit werde auf das Senatsurteil vom
25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) verwiesen. Zwar sei in einem solchen Fall kein
sicherer Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen möglich. Gleichwohl sei aber systembedingt keine Gewähr für
die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen gegeben. Elektronische Kassensysteme seien durch
Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar. Gleiches gelte in Bezug auf die nicht aufbewahrten
Rechnungen.
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Weitere Mängel lägen vor, da zahlreiche die Besteuerung betreffende Umstände für den prüfenden Dritten nicht
erkennbar seien, so insbesondere auch die Durchführung der Stornierungen.
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Einen schweren materiellen Buchführungsfehler stelle auch die fehlende Erfassung und Verbuchung von privaten
Barentnahmen dar.
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Die Schätzung sei der Höhe nach rechtmäßig.
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Die vom FA durchgeführte Kalkulation nach Anteilen sei eine anerkannte Schätzungsmethode. Bedenken hinsichtlich
der durchgeführten Kalkulation gebe es aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht. Dies gelte auch für das von der
Prüferin ermittelte Verhältnis zwischen Speisen und Getränken. Die Sonderaktionen des Jahres 2012 seien in
ausreichendem Maße berücksichtigt worden.
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Die Übertragung des ermittelten Rohgewinnaufschlagsatzes auf die Vorjahre sei gerechtfertigt. Zum einen seien 40
der 50 im Jahr 2008 neu angelegten Plätze lediglich Ausweichmöglichkeiten für Raucher gewesen. Zum anderen
seien im Vergleich der Jahre 2006 bis September 2008 zu den Jahren 2009 bis 2012 nach den Unterlagen des
Klägers keine signifikanten Veränderungen des Wareneinsatzes und des Umsatzes zu erkennen gewesen.
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Das FA sei nicht verpflichtet gewesen, die hinzugeschätzten Beträge durch eine Geldverkehrsrechnung zu
plausibilisieren. Der Verbleib der hinzugeschätzten Beträge lasse sich zum größten Teil durch die Bareinlagen des
Klägers auf betriebsfremden Konten erklären. Im Übrigen spreche die Barlohnzahlung dafür, dass die erzielten
Umsätze durch Einbeziehung weiterer Hilfskräfte erzielt worden seien, deren Löhne nicht in der Buchhaltung erfasst
worden seien.
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Die vom Kläger beantragte Tatbestandsberichtigung nach § 108 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat das FG mit
Beschluss vom 16. August 2016 abgelehnt.
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Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision und verweist zur Begründung auch auf seinen
Antrag auf Tatbestandsberichtigung.
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Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
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Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO
genügenden Form dargelegt werden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
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a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
geltend, so hat er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage
herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert;
nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des
Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur
aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für
bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss
ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage
zweifelhaft und streitig ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 X B 216/13, BFH/NV 2014, 1888). Hierfür
genügt weder der Hinweis darauf, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung
sei, noch darauf, dass eine Rechtsfrage höchstrichterlich nicht geklärt sei; denn daraus ergibt sich nicht, dass die
Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 8. Juni 2010 X B 126/09, BFH/NV 2010, 1628;
auch schon Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610).
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b) Der Kläger ist der Ansicht, dem Rechtsstreit komme grundsätzliche Bedeutung zu, da bislang nicht
höchstrichterlich geklärt sei, ob eine Kalkulation allein für Getränke durchgeführt werden könne, die anschließend im
Zeitreihenvergleich auf den Gesamtumsatz anderer Jahre übertragen werde. Dieser Vortrag, soweit er überhaupt
eine abstrakte Rechtsfrage enthält, ist nicht geeignet, die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu
begründen.
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Grundsätzlich ist die im Streitfall vom FA vorgenommene Schätzung auf Grundlage einer Getränkekalkulation auch
aus Sicht des Senats eine geeignete Schätzungsmethode, die auf betriebsinternen Daten aufbaut. Diese sog.
"30/70-Methode" basiert nämlich auf dem Gedanken, dass in einem Speiserestaurant das Verhältnis zwischen
verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt, da die Gäste typischerweise im
Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken zu sich nehmen. Dieser Gedanke rechtfertigt es,
aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speisenumsätze zu schließen, ohne dass diese
gesondert anhand des Wareneinkaufs kalkuliert werden müssten, zumal eine solche Speisenkalkulation in einem
Restaurant meist aufgrund des umfangreichen Angebots nur schwer durchführbar ist.
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Den Ausführungen des Klägers kann nicht entnommen werden, dass, in welchem Umfang und aus welchen
Gründen die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist und worin die Bedeutung einer Entscheidung zu
dieser Rechtsfrage durch den BFH für die Fortentwicklung des Rechts zu sehen ist.
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2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Rechtsprechungsdivergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO
zuzulassen.
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a) Eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus, dass das FG in einer
Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist. Dies bedingt zum einen, dass in dem
angefochtenen FG-Urteil dieselbe Rechtsfrage wie in der angeblichen Divergenzentscheidung entschieden wurde
und die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind. Zum anderen muss die
abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren klärbar und auch für beide Entscheidungen
rechtserheblich gewesen sein. Außerdem muss eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit
erforderlich sein (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2015 X B 43/15, BFH/NV
2016, 201, Rz 12).
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b) Wie im Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 hat das FG die formelle Ordnungsmäßigkeit der
Kassenbuchführung jedenfalls auch deshalb als nicht gegeben angesehen, weil der Kläger, was unstreitig ist, die
Programmierunterlagen zur verwendeten Registrierkasse nicht vorlegen konnte. Denn bei einem programmierbaren
Kassensystem stellt das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher
Programmänderungen einen formellen Mangel dar, dessen Bedeutung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei
einer Registrierkasse gleichkommt. Es reicht in einem solchen Fall nicht aus, wenn der Steuerpflichtige --wie hier--
alle Tagesendsummenbons vorlegen kann. Folglich geht das FG zu Recht davon aus, dass die Beweiskraft der
Buchführung des Klägers in allen Streitjahren erschüttert ist und daher grundsätzlich die Berechtigung zu
Hinzuschätzungen besteht.
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In Relation zum Zeitreihenvergleich hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 den
Vorrang der die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigenden Schätzungsmethoden
dargelegt, zu denen neben der Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung auch die Aufschlags- und
Ausbeutekalkulation gehört. Vorliegend hat das FG diese Grundsätze beachtet, da es die Ausbeutekalkulation des
FA als sachgerecht übernommen hat. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung, etwa eine Geldverkehrsrechnung
vorzunehmen, besteht auch nach dem Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, dort unter II.3.b
ausgeführt, ausdrücklich nicht (so auch schon Senatsbeschluss vom 13. September 2016 X B 146/15, BFH/NV
2016, 1747, unter II.2.a, m.w.N.).
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3. Das FG-Urteil ist auch nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Insbesondere liegt keine Verletzung der
Sachaufklärungspflicht nach §&sbsp;76 Abs. 1 Satz 1 FGO vor.
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a) Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen
(Amtsermittlungsgrundsatz). Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen der
zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (z.B. Senatsbeschluss vom 7. Juli 2014 X B 134/13, BFH/NV 2014, 1772).
Diese Verpflichtung des FG zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bedeutet nicht, dass jeder
fernliegenden Erwägung nachzugehen ist. Wohl aber muss das FG die sich im Einzelfall aufdrängenden
Überlegungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Beweise erheben. Die
Sachaufklärungspflicht des FG kann allerdings nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76
Abs. 1 Satz 2 FGO) gesehen werden (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom
20. November 2013 X B 164/13, BFH/NV 2014, 374, m.w.N.). Vielmehr begrenzt die Mitwirkungspflicht der
Beteiligten die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO (Senatsentscheidungen vom
30. Juli 2003 X R 28/99, BFH/NV 2004, 201, und vom 10. Januar 2007 X B 113/06, BFH/NV 2007, 935), wobei
dem Gedanken der Beweisnähe besondere Bedeutung zukommt.
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b) Unbeschadet einer Mitwirkungspflicht der Beteiligten hat das FG jedoch dem Amtsermittlungsgrundsatz
besondere Bedeutung zuzumessen, soweit es sich um Feststellungen handelt, denen unmittelbar
entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. In diesen Fällen hat das FG jedenfalls solchen tatsächlichen Zweifeln
nachzugehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen müssen (vgl. auch
Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 935).
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c) Die Sachaufklärungsrüge kann jedoch nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein
fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen
hat (BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2012 VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490). Ebenso wenig kann die
Sachaufklärungsrüge dazu dienen, (nachträglich) Ermittlungen vom FG zu verlangen, die sich jedenfalls für einen
beratenen Beteiligten in der Weise aufdrängen, dass dieser die fehlenden Angaben aus den ihm vorliegenden oder
von ihm beschaffbaren Unterlagen in das Verfahren einbringen muss.
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d) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, dort unter II.1.a cc, dargelegt, dass er sich
der schon lange vor den hier relevanten Streitjahren von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht anschließt, das
Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stelle einen formellen Mangel dar, da diese wie auch andere
Anweisungen zur Kassenprogrammierung als "sonstige Organisationsunterlagen" i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO
aufbewahrungspflichtig seien (vgl. schon Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 7. November
1995, BStBl I 1995, 738, Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze
ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996, BStBl I 1996, 34).
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e) Das Gewicht des Mangels der fehlenden Programmierprotokolle tritt nach dem Senatsurteil in BFHE 249, 390,
BStBl II 2015, 743, unter II.1.a cc allerdings zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt,
dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine
Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Besteht dagegen eine solche grundsätzliche Manipulationsmöglichkeit, können
aber die entsprechenden Programmierprotokolle nicht (mehr) vorgelegt werden, wird es Sache des
Steuerpflichtigen sein, substantiiert darzulegen, warum die von ihm verwendete Registrierkasse nicht manipuliert
worden ist. Dabei reicht es nicht aus, dass er wie vorliegend lediglich ein Sachverständigengutachten beantragt.
Vielmehr wird er dessen Erheblichkeit anhand geeigneter (Ersatz-)Unterlagen, ggf. unter Hilfestellung durch den
Kassenhersteller, darlegen und so insbesondere den Zustand der Programmierung, ausgehend vom Werkszustand,
erläutern müssen. Erst wenn das FG aufgrund dieses Vortrags Zweifel an der konkreten Manipulation der
Registrierkasse hat, wird es verpflichtet sein, die Kasse (gutachterlich) untersuchen zu lassen. In einem solchen Fall
wäre es fehlerhaft, allein aufgrund der fehlenden Organisationsunterlagen von einer formell nicht ordnungsgemäßen
Kassenführung auszugehen.
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f) Da vorliegend entsprechend substantiierter Vortrag des Klägers nicht gegeben ist, war das FG jedenfalls nicht
verpflichtet, von sich aus eine technische Ablaufprüfung der Registrierkasse vornehmen zu lassen. Zu Recht hat es
auch das vom Kläger beantragte Sachverständigengutachten nicht eingeholt. Aufgrund der dargestellten
Senatsrechtsprechung durfte das FG von einer formell nicht ordnungsgemäßen Kassenbuchführung ausgehen. Eine
Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht vor.
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4. Sofern der Kläger die Höhe des geschätzten Rohgewinnaufschlagsatzes wie auch die Art und Weise der
Plausibilitätsprüfung des FG rügt, richtet sich sein Vorbringen gegen die Richtigkeit der Schätzung. Die Rüge der
falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen einer Schätzung
ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwendungen
gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und
Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV
2009, 951).
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Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in
Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin
unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen
willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis als offensichtlich realitätsfremd darstellt
(Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 951). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da sich das Schätzungsergebnis
innerhalb bzw. nur sehr leicht oberhalb der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung der jeweiligen Streitjahre
für Gast- und Speisewirtschaften (2006: 144 bis 317; 2007 bis 2009: 170 bis 335; 2010 bis 2012: 186 bis 400)
bewegt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
42
6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116
Abs. 5 Satz 2 FGO ab.