Urteil des BFH vom 26.11.2014

Vorbezug aus einer privaten schweizerischen Pensionskasse für einen Grenzgänger ab dem Jahr 2005

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.11.2014, VIII R 39/10
Vorbezug aus einer privaten schweizerischen Pensionskasse für einen Grenzgänger ab
dem Jahr 2005
Leitsätze
1. Der sog. Vorbezug aus einer privaten schweizerischen Pensionskasse ist im
Anwendungsbereich des AltEinkG als andere Leistung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG steuerpflichtig, soweit ein Anteil des obligatorischen
Altersguthabens ausgezahlt wird (Anschluss an BFH-Entscheidungen vom 25. März 2010 X
B 142/09, BFH/NV 2010, 1275; vom 20. August 2014 I R 83/11, BFH/NV 2015, 20). Die
Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 EStG sind in diesem Fall nicht
erfüllt.
2. Die Auszahlung eines Vorbezugs kann gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der bis
zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung steuerfrei sein, soweit das überobligatorische
Altersguthaben samt des darin enthaltenen Zinsanteils zur Auszahlung gelangt.
3. Auch nach Inkrafttreten des AltEinkG sind obligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer
privaten schweizerischen Pensionskasse sowie Arbeitgeberleistungen zur schweizerischen
Alters- und Hinterlassenen- und Invalidenversicherung gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG
steuerfrei. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer schweizerischen Pensionskasse
sind als Beiträge i.S. des § 3 Nr. 62 Satz 4 1. Halbsatz EStG innerhalb der Grenzen des § 3
Nr. 62 Satz 3 EStG steuerfrei; auf die danach steuerfreien Arbeitgeberleistungen sind die
gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers
anzurechnen (Anschluss an das BFH-Urteil vom 24. September 2013 VI R 6/11, BFHE 243,
210).
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg,
Außensenate Freiburg, vom 28. April 2010 3 K 1285/08 aufgehoben.
Die Einkommensteuer 2005 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des
Beklagten vom 1. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar
2008 nach Maßgabe der Urteilsgründe auf den Betrag festgesetzt, der sich bei
Berücksichtigung
- eines Bruttoarbeitslohns von 57.167 EUR,
- einer "anderen Leistung" gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des
Einkommensteuergesetzes in Höhe von 20.969 EUR (abzüglich des steuerfreien Teils der
Rente in Höhe von 10.485 EUR),
- verbleibender Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 738 EUR und abzugsfähiger
übriger Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 2.400 EUR,
- einer Tarifermäßigung gemäß § 34 des Einkommensteuergesetzes für den
steuerpflichtigen Teil der anderen Leistung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 10.484 EUR ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Revision des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Beklagte zu 59 % und der Kläger zu 41 %
zu tragen.
Tatbestand
1 I. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, wie ein sog. Vorbezug aus einer
schweizerischen Pensionskasse und Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, die an
diese Pensionskasse geleistet worden sind, im Streitjahr 2005 zu beurteilen sind.
2 Der Kläger, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (Kläger) arbeitete seit dem 1. Juli
1992 bei verschiedenen schweizerischen Arbeitgebern als Angestellter ... in der
Schweiz. Ab dem 1. Januar 2001 war er bei der Firma K-AG als Arbeitnehmer tätig.
Sein Arbeitsort war von Anfang der Tätigkeit an in X (Schweiz).
3 Der Kläger wurde im Streitjahr allein zur Einkommensteuer veranlagt. Er verfügte im
Streitjahr über einen inländischen Wohnsitz und unterlag den Grenzgängerregelungen
im Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf
dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971
(BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom
21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) --DBA-Schweiz 1992--.
Seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden im Inland der Besteuerung
unterworfen.
4 Aufgrund des Arbeitsverhältnisses war der Kläger Pflichtmitglied in der
schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der
schweizerischen Invaliditätsversicherung (IV). Zudem war er mit Beginn seiner
Berufstätigkeit in der Schweiz im Jahr 1992 der Pensionskasse seines ersten
schweizerischen Arbeitgebers beigetreten, der er bis zum Wechsel des
Arbeitsverhältnisses zur K-AG angehörte. Mit Beginn seiner Tätigkeit bei der K-AG
zum 1. Januar 2001 trat der Kläger in die Pensionskasse der K-AG ein.
5 Die Pensionskasse der K-AG wurde in der Rechtsform einer registrierten
Personalfür- oder -vorsorgestiftung schweizerischen Rechts geführt und war als sog.
autonome Pensionskasse für alle Arbeitnehmer der K-AG zuständig.
Rechtsgrundlagen der Tätigkeit der Pensionskasse waren deren jeweils gültige
Satzung (das Reglement), das schweizerische Bundesgesetz über die berufliche
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 sowie das
schweizerische Obligationenrecht.
6 Die betriebliche Vorsorge für Arbeitnehmer über eine private Pensionskasse, die von
einer privatrechtlichen Stiftung getragen wird, stand nach dem schweizerischen
System neben der gesetzlichen Versicherung über die AHV/IV. Die AHV/IV war
obligatorisch mit paritätischer Beitragspflicht von Arbeitnehmer und -geber
ausgestaltet und stellte die Basisversorgung entsprechend der deutschen
Sozialversicherungsrente dar (Säule 1). Die betriebliche Altersvorsorge bildete die
"Säule 2" im System der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Innerhalb der
betrieblichen Vorsorge durch den Arbeitgeber, die einheitlich durch die
Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers --hier die Pensionskasse-- gewährleistet
wurde, war zwischen einer gesetzlichen Mindestversicherung durch die
Pensionskasse (dem "Obligatorium" – Säule 2a) und einer weitergehenden freiwillig
übernommenen Vorsorgeverpflichtung zu unterscheiden (dem "Überobligatorium" –
Säule 2b).
7 Im Bereich der gesetzlich verpflichtenden betrieblichen Altersversorgung (Säule 2a)
waren alle Arbeitnehmer in den Versicherungsschutz einzubeziehen, die innerhalb
einer bestimmten Gehaltsbandbreite verdienten. Für Arbeitnehmer, die einen höheren
Lohn bezogen, zahlten Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Angebot einer
überobligatorischen Absicherung durch die Pensionskasse freiwillig höhere Beiträge.
8 Nach dem Reglement der Pensionskasse in der zum 1. Januar 2005 geltenden
Fassung konnte der Kläger als Regelleistung der Pensionskasse eine Altersrente
beanspruchen. Der Anspruch entstand nach Vollendung des 65. Lebensjahres,
welches das sog. ordentliche Rücktrittsalter darstellte und erlosch am Ende des
Monats, in dessen Verlauf der Anspruchsberechtigte verstarb. Endete das
Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahres und vor dem ordentlichen
Rücktrittsalter, erfolgte eine Beitragsfreistellung. Ab diesem Zeitpunkt bestand ein
Anspruch auf eine Altersrente, falls nicht bestimmte Ausnahmetatbestände erfüllt
waren. Die Pensionskasse gewährte die Möglichkeit, bei Pensionierung bis zu 50 %
des obligatorischen und überobligatorischen Sparguthabens als Kapitalauszahlung zu
beziehen.
9 Zur Absicherung des Risikos der Invalidität gewährte die Pensionskasse eine
Invalidenrente, die nach dem anerkannten Grad der Beeinträchtigung gestaffelt war.
Im Fall des Vorversterbens des Klägers gewährte die Pensionskasse die Auszahlung
eines Todesfallkapitals an die nach dem Reglement Anspruchsberechtigten.
10 Grundlage der Leistungen der Pensionskasse war eine Anwartschaft, die im
Reglement der Pensionskasse als Sparguthaben bezeichnet wurde. In dieses gingen
u.a. sog. Freizügigkeitsleistungen (Eintrittsleistungen) früherer Arbeitgeber ein. Auch
für den Kläger wurde durch die Pensionskasse des vorherigen Arbeitgebers im Jahr
2001 eine solche Leistung ermittelt und als Eintrittsleistung in die Pensionskasse der
K-AG übertragen. Das Sparguthaben erhöhte sich um freiwillig gezahlte
Vorsorgebeiträge, die nur im Fall des Eintritts in die Pensionskasse und innerhalb
bestimmter Höchstgrenzen geleistet werden konnten. Zudem beruhte das
Sparguthaben auf den reglementarisch vorgeschriebenen Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberbeiträgen, Zuwendungen des Stiftungsrats und einer von der
Pensionskasse gewährten Verzinsung des Sparguthabens.
11 Die Finanzierung des obligatorischen und überobligatorischen Altersguthabens
beruhte auf Pflichtbeiträgen sowohl der versicherten Arbeitnehmer als auch des
Arbeitgebers. Bezugsgröße war der beitragspflichtige Lohn. Die Beitragspflicht war
nach dem Lebensalter der versicherten Arbeitnehmer gestaffelt. Die
Arbeitgeberbeiträge waren ebenfalls altersabhängig gestaffelt. Die K-AG und der
Kläger zahlten dementsprechend für das Streitjahr Beiträge an die AHV/IV und an die
Pensionskasse. Aus dem Gesamtbeitrag der Arbeitgeberbeiträge ermittelte der
Kläger im Rahmen der Einkommensteuererklärung einen gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1
des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG)
steuerfreien Teilbetrag und einen darüber hinausgehenden freiwilligen
Arbeitgeberbeitrag, den er bei seinen Lohneinkünften erklärte.
12 Der Kläger beanspruchte einen sog. Vorbezug von der Pensionskasse. Die
Pensionskasse gewährte auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen in der
Schweiz und ihres Reglements die Möglichkeit, ein bereits gebildetes Sparguthaben
zum Erwerb von Wohneigentum zu verwenden (vgl. Rz 20 bis 25 der
Vorentscheidung vom 28. April 2010 3 K 1285/08, Entscheidungen der
Finanzgerichte --EFG-- 2011, 1799). Förderbar war Wohneigentum für den
Eigenbedarf der versicherten Person an ihrem Wohnsitz oder am Ort des
gewöhnlichen Aufenthalts. Für Wohnsitze außerhalb der Schweiz war der Nachweis
zu erbringen, dass der ausgezahlte Betrag tatsächlich für den Erwerb des
Wohneigentums eingesetzt wurde. Zur Sicherung der Verwendung des Vorbezugs für
die Wohneigentumsbewerber war im schweizerischen Grundbuch eine
Veräußerungsbeschränkung einzutragen, was jedoch im deutschen Grundbuch nicht
möglich war und daher nicht verlangt wurde.
13 Innerhalb der Förderung zum Erwerb des Wohneigentums gab es zwei
unterschiedliche Durchführungsformen. So konnte eine Einmalzahlung geleistet
und/oder ein (Teil-)Betrag des künftigen Leistungsanspruchs gegen die
Pensionskasse verpfändet werden. Die Auszahlung des Förderbetrags (Vorbezug)
konnte nur bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres beansprucht werden, wenn nicht
bereits eine Altersrente an den Empfänger ausgezahlt wurde. Sie war der Höhe nach
je nach Alter des Zahlungsempfängers begrenzt. Mit Bezug des Vorbezugs wurde
das Sparguthaben herabgesetzt, was sich auf die Höhe der zu diesem Zeitpunkt
verfügbaren Leistungen auswirkte. Die Höhe des Vorbezugs konnte der vollen Höhe
des Sparguthabens zum Stichtag entsprechen, so dass das Sparguthaben auf Null
reduziert und ab diesem Zeitpunkt neu aufzubauen war. Schließlich war ein Vorbezug
unter bestimmten Voraussetzungen vom Arbeitnehmer an die Pensionskasse
rückzahlbar, um das Sparguthaben wieder aufzubauen. Wurde die Verpfändung des
Altersguthabens zur Förderung des Wohneigentums gewählt, konnte dies ebenfalls
bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres erfolgen. Die Verpfändung war möglich in
Höhe des Anspruchs auf künftige Vorsorgeleistungen; der pfändbare Betrag war nach
Maßgabe des Reglements altersabhängig begrenzt zu berechnen.
14 Dem im Streitjahr 37-jährigen Kläger wurde von der Pensionskasse auf seinen Antrag
hin ein Vorbezug in Höhe von 85.000 CHF ausbezahlt, den er zur Finanzierung seines
selbstgenutzten Wohneigentums im Inland verwendete. Der ausgezahlte Betrag
beruhte in Höhe von 32.510,70 CHF auf dem obligatorischen, in Höhe von
52.489,30 CHF auf dem überobligatorischen Teil des Sparguthabens. Das
ausgezahlte Guthaben im Überobligatorium beruhte in Höhe von 15.746,79 CHF auf
gutgeschriebenen Zinsen und im Bereich des Obligatoriums in Höhe von
5.460,05 CHF auf Zinsgutschriften. In seiner Einkommensteuererklärung für das
Streitjahr behandelte der Kläger den Vorbezug als nicht steuerbare Einnahme.
15 Er erklärte zudem steuerfreie Arbeitgeberbeiträge in die AHV/IV und die
Pensionskasse gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sowie nicht steuerfreie
Arbeitgeberbeiträge in Höhe von 1.509 CHF. Seine Arbeitnehmerbeiträge zur AHV/IV
und in die Pensionskasse erklärte der Kläger als Beiträge zu einer gesetzlichen
Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Zudem erklärte der
Kläger im Bereich der Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG bei
den "übrigen Vorsorgeaufwendungen" geleistete Beiträge in Höhe von 3.520 EUR, die
zwischen den Beteiligten unstreitig sind. Mit diesen Beiträgen gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 3 Buchst. a EStG schöpfte der Kläger den Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 4 EStG
in Höhe von 2.400 EUR für das Streitjahr aus.
16 Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wich im
Einkommensteuerbescheid 2005 vom 1. Oktober 2007 bei der Behandlung des
Vorbezugs von der Auffassung des Klägers ab. Es sah den gesamten Vorbezug als
"andere Leistung" gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und
damit als steuerpflichtig an. Hierbei nahm das FA auf Grundlage der sog.
Kohortenregelung einen Abschlag in Höhe von 50 % vor und setzte die Hälfte des
Vorbezugs als steuerpflichtige Einnahme aus sonstigen Einkünften in Höhe von
27.412 EUR an. Es berücksichtigte erklärungsgemäß die nicht steuerfreien
Arbeitgeberbeiträge (1.509 CHF) als Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger
Arbeit. Die übrigen Vorsorgeaufwendungen wurden in Höhe von 2.400 EUR im
Bescheid berücksichtigt.
17 Das anschließende Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
18 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in EFG 2011, 1799 mitgeteilten
Gründen weitgehend statt.
19 Es stufte die Absicherung des Klägers im Obligatorium der Pensionskasse als eine
der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare ausländische
Rentenversicherung ein. Soweit der Vorbezug aus dem obligatorischen Sparguthaben
geleistet worden sei, liege eine "andere Leistung aus einer gesetzlichen
Rentenversicherung" gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG vor,
die dem Grunde nach steuerbar sei. Für diese Auszahlung könne der Kläger jedoch
die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 3 EStG beanspruchen, da es sich um die
Kapitalabfindung eines gesetzlichen Rentenanspruchs handele.
20 Die Auszahlung des überobligatorischen Sparguthabens samt des darin enthaltenen
Zinsanteils behandelte es gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der am
31. Dezember 2004 geltenden Fassung (EStG 2004) als steuerfrei.
21 Die Arbeitgeberbeiträge der K-AG an die AHV/IV und an die Pensionskasse
behandelte das FG zu Lasten des Klägers nur insoweit gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1
EStG als steuerfreien Arbeitslohn, als sie der Absicherung in der AHV/IV und im
Obligatorium der Pensionskasse dienten. Eine weitergehende Steuerbefreiung für die
überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG verneinte das
FG.
22 Die Arbeitnehmerbeiträge des Klägers beurteilte das FG als Sonderausgabe gemäß
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, soweit diese an die AHV/IV und in das
Obligatorium der Pensionskasse gezahlt worden waren, da nur insoweit Beiträge an
ausländische gesetzliche Rentenversicherungen vorlägen. Die Arbeitnehmerbeiträge
des Klägers an die Pensionskasse, die der Versicherung im Bereich der
überobligatorischen Vorsorge dienten, behandelte das FG als gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 3 Buchst. b EStG abziehbare Sonderausgaben, für die der Höchstbetrag gemäß
§ 10 Abs. 4 EStG bereits ausgeschöpft war.
23 Mit ihren eingelegten Revisionen rügen die Beteiligten jeweils die Verletzung
materiellen Bundesrechts.
24 Das FA wendet sich gegen die getrennte Behandlung des Obligatoriums und des
Überobligatoriums der Pensionskasse durch das FG. Der gesamte Vorbezug sei
einheitlich als "andere Leistung" aus einer gesetzlichen Rentenversicherung gemäß
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu behandeln, aber gemäß § 34
EStG tarifbegünstigt. Das FG habe auch zu Unrecht den aus dem Obligatorium
ausgezahlten Vorbezug als steuerfreie Kapitalabfindung gemäß § 3 Nr. 3 EStG
behandelt. Die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 auf die
Auszahlung des überobligatorischen Sparguthabens samt des enthaltenen Zinsanteils
sei ebenfalls unzutreffend.
25 Das FA beantragt,
1. das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben, die sonstigen Einkünfte von
27.412 EUR nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern und im Übrigen die Klage
abzuweisen.
2. die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
26 Der Kläger beantragt,
1. das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und unter Änderung des
Einkommensteuerbescheids 2005 vom 1. Oktober 2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2008 die Einkommensteuer auf
12.976 EUR festzusetzen.
2. die Revision des FA unter Beachtung der Tarifermäßigung als unbegründet
zurückzuweisen.
27 Das FG habe hinsichtlich des ausgezahlten Vorbezugs zu Recht zwischen der
Auszahlung des Obligatoriums und des Überobligatoriums unterschieden. Beide
Auszahlungen seien entsprechend der Begründung des FG im Ergebnis steuerfrei.
28 Das FG habe aber zu Unrecht den Lohn des Klägers um nicht gemäß § 3 Nr. 62
Satz 1 und Satz 4 EStG steuerfreie Arbeitgeberbeiträge zur AHV/IV und in das
Obligatorium der Pensionskasse erhöht. Nach diesen Regelungen seien zusätzliche
Arbeitgeberbeiträge in Höhe von 1.072 CHF (691,60 EUR) steuerfrei zu belassen und
der vom FG angesetzte höhere Lohn des Klägers entsprechend zu mindern. Der
Gesamtbeitrag der Arbeitgeberbeiträge, die das FG im Ergebnis gemäß § 3 Nr. 62
Satz 1 und Satz 4 EStG als steuerfrei angesehen habe, sei geringer als der Betrag,
der zu zahlen gewesen wäre, wenn der Kläger im Inland gesetzlich
rentenversicherungspflichtig gewesen wäre. Der Kläger dürfe aber nicht schlechter
als bei einer inländischen Rentenversicherungspflicht stehen.
29 Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat den Beitritt zum Revisionsverfahren
erklärt. Es hat keinen Antrag gestellt.
30 Das BMF ist wie das FA der Auffassung, die Absicherung im Rahmen einer
schweizerischen Pensionskasse sei sowohl im Obligatorium als auch im
Überobligatorium einheitlich zu betrachten und einer deutschen "gesetzlichen
Sozialversicherung" vergleichbar. Der Vorbezug sei insgesamt als andere Leistung
aus einer gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG steuerpflichtig.
31 Es treffe nicht zu, wenn das FG allein aufgrund des Wortlauts der im Streitjahr 2005
noch geltenden Fassung des § 3 Nr. 3 EStG die Auszahlung des Vorbezugs aus dem
Obligatorium als steuerbefreit ansehe. Der Gesetzgeber habe die
Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 3 EStG im Hinblick auf die Abfindung
inländischer Rentenversicherungsansprüche konzipiert, so dass eine Subsumtion der
Auszahlungen ausländischer Rentenversicherungen unter die Vorschrift nur auf
Grundlage einer wertenden Betrachtung möglich sei. Dem inländischen Recht sei die
Steuerbefreiung originärer Rentenansprüche aus einer inländischen gesetzlichen
Rentenversicherung im Streitjahr bis auf Einzelfälle weitgehend fremd gewesen.
32 Wenn man die Auszahlung des Überobligatoriums getrennt betrachte, könne man
nicht zum Ergebnis kommen, dass diese einer deutschen privaten
Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht vergleichbar sei. Die
Steuerbefreiungsregelung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 für die im
Überobligatorium enthaltenen ausgezahlten Zinsen komme daher nicht zur
Anwendung. Nach dem Verweis der Regelung auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Doppelbuchst. cc EStG 2004 sei u.a. Voraussetzung für die Steuerbefreiung, dass ein
Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf der gesetzlichen Mindestlaufzeit (Zwölfjahresfrist
seit Vertragsschluss) habe ausgeübt werden können. Dieser Ausschluss sei im
Reglement der Pensionskasse nicht vorgesehen gewesen.
Entscheidungsgründe
33
II. Revision des FA
Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat zu Unrecht die Auszahlung des
obligatorischen Sparguthabens gemäß § 3 Nr. 3 EStG als steuerfrei angesehen
(siehe unten II.1.a und b). Indessen hat das FG zutreffend die Auszahlungen aus dem
Obligatorium und dem Überobligatorium getrennt beurteilt und die Auszahlung des
überobligatorischen Sparguthabens samt Zinsen als steuerfrei angesehen
(siehe unten II.2.).
34 Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Einkommensteuer anderweitig (siehe
unten IV.) festzusetzen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-
-).
35 1. Das FG hat die Auszahlung des obligatorischen Sparguthabens im Rahmen des
Vorbezugs zwar zutreffend als andere Leistung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG beurteilt, diese aber zu Unrecht als gemäß § 3
Nr. 3 EStG steuerfreie Kapitalabfindung angesehen.
36 a) Wie der Senat mit Urteil vom 26. November 2014 im Verfahren VIII R 38/10 (BFHE
249, 22, dort unter II.1.) entschieden hat, ist nach den in der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) für die Einordnung von Einmalzahlungen aus ausländischen
Rentenversicherungen entwickelten Kriterien die Auszahlung des auf das
Obligatorium entfallenden Sparguthabens aus einer privaten schweizerischen
Pensionskasse als andere Leistung aus einer ausländischen gesetzlichen
Rentenversicherung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG
steuerbar. Dies hat auch der X. Senat bereits für einen Teil-Vorbezug entschieden,
der aus dem Freizügigkeitskonto einer schweizerischen Freizügigkeitsstiftung
geleistet worden war (BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 142/09, BFH/NV 2010,
1275, unter Rz 24 ff.; zur Rechtsnatur der Freizügigkeitsstiftung in Abgrenzung von
der im Streitfall vorliegenden Personalfür- oder -vorsorgestiftung siehe Rz 26 bis 29
der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799).
37 Im Streitfall unterscheiden sich die Pensionskasse des Klägers und die von dieser als
gewährten Leistungen hinsichtlich ihrer Art, der Struktur und der Ausgestaltung nur
unwesentlich von dem Sachverhalt, den der Senat im Verfahren VIII R 38/10 vom
26. November 2014 (BFHE 249, 22) im Hinblick auf die Kapitalabfindung eines
Rentenanspruchs zu beurteilen hatte. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der
Senat daher von einer ausführlichen Darstellung der Vergleichbarkeitskriterien ab und
nimmt auf diese Entscheidung Bezug.
38 Das FG hat unter Anwendung dieser Vergleichskriterien zutreffend die Umstände des
Streitfalls in der Weise gewürdigt, dass die Absicherung im obligatorischen Bereich
der Pensionskasse einer inländischen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar
ist. Wie das FG festgestellt hat, bestand hinsichtlich des Obligatoriums ein öffentlich-
rechtliches Versicherungsverhältnis des Klägers zur Pensionskasse, das neben der
Absicherung über die AHV/IV wie eine Basisversicherung durch Gewährung einer
Altersrente der Existenzsicherung im Alter diente (siehe die Feststellungen in Rz 4,
11, 15, 75, 76 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799). Der Beitritt zur
Pensionskasse war für alle Mitarbeiter der K-AG obligatorisch. Die Mitgliedschaft in
der Pensionskasse endete, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem anderen Grund als
Invalidität oder Pensionierung beendet wurde. Die Pensionskasse gewährte dem
Kläger als Hauptleistung auf Grundlage des Reglements eine Altersrente und sicherte
ihn gegen Invalidität und dessen Nachkommen gegen den Tod des Klägers vor
Erreichen der Altersrente ab (siehe auch Rz 4, 32 der Vorentscheidung in EFG 2011,
1799). Der Anspruch auf Altersrente entstand nach Vollendung des 65. Lebensjahres,
welches das sog. ordentliche Rücktrittsalter nach dem Reglement bildete und erlosch
am Ende des Monats, in dessen Verlauf der Anspruchsberechtigte verstarb. Endete
das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahres und dem ordentlichen
Rücktrittsalter, erfolgte eine Beitragsfreistellung und es bestand ab diesem Zeitpunkt
ein Anspruch auf eine Altersrente, falls nicht bestimmte Ausnahmetatbestände erfüllt
waren. Auf Grundlage dieses öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses bestanden
eine gesetzliche Beitragspflicht sowohl des Arbeitgebers als auch des Klägers (siehe
Rz 67, 78 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799). Die Pensionskasse selbst hatte
für das obligatorische und das überobligatorische Sparguthaben eine
Schattenrechnung zu führen, um diese abzugrenzen (Rz 35 der Vorentscheidung in
EFG 2011, 1799).
39 Die von der Pensionskasse neben oder anstatt des Bezugs der Altersrente
gewährten Möglichkeiten, Kapitalauszahlungen in Form von Austrittsleistungen, des
Vorbezugs und der Hälfte des obligatorischen Sparguthabens beanspruchen zu
können (siehe Rz 18 bis 20, 32 f. der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799), welche im
deutschen Recht in dieser Form für eine gesetzliche Rentenversicherung nicht
bekannt sind, betreffen nur Randbereiche und stellen aufgrund der öffentlich-
rechtlichen Struktur des Versicherungsverhältnisses die Vergleichbarkeit der
obligatorischen Absicherung in der Pensionskasse mit einer inländischen
gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Frage.
40 Dies führt, wie auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, im Streitjahr zu
steuerbaren sonstigen Einkünften des Klägers gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG in Höhe von 50 % des obligatorischen Vorbezugs
(32.510,70 CHF = 20.969 EUR), d.h. 10.484 EUR.
41 b) Entgegen der Auffassung des FG ist der Vorbezug, soweit er auf das Obligatorium
entfällt, nicht gemäß § 3 Nr. 3 EStG steuerfrei. Dieser Rechtsfehler führt zur
Aufhebung des FG-Urteils.
42 aa) Steuerfrei sind im Streitjahr nach dieser Vorschrift Kapitalabfindungen aufgrund
der gesetzlichen Rentenversicherung und aufgrund der Beamten-(Pensions-
)Gesetze. Nach der Rechtsprechung des X. Senats, der der erkennende Senat folgt,
ist die Anwendung des § 3 Nr. 3 EStG auf eine Kapitalleistung einer ausländischen
Rentenversicherung nur gerechtfertigt, wenn sich die Leistungen im Wesentlichen
entsprechen und demselben Zweck dienen. Kapitalabfindungsansprüche der
deutschen Versorgungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Wegfall
bestehender Renten- oder Versorgungsansprüche kompensieren (vgl. BFH-Urteil
vom 23. Oktober 2013 X R 33/10, BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103, unter Rz 43
bis 45). Auf dieser Grundlage hat der X. Senat Austrittsleistungen zur Abfindung des
Altersguthabens von einer schweizerischen Pensionskasse an einen
Steuerpflichtigen, der mangels Erreichens der Altersgrenze noch keinen
Rentenanspruch gegen die Pensionskasse geltend machen konnte, nicht als eine
steuerbefreite Kapitalabfindung gemäß § 3 Nr. 3 EStG beurteilt, die für den Verlust
eines bestehenden Anspruchs auf Versorgungsleistungen gewährt worden ist,
sondern als einen besonderen "Auszahlungsmodus von erworbenen Ansprüchen bis
zum Ausscheidenszeitpunkt" aus der Pensionskasse beurteilt (siehe Rz 45 des BFH-
Urteils in BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103). Auch für einen Vorbezug, der zur
Wohnraumförderung von einer Freizügigkeitsstiftung gezahlt wurde und somit keine
Abfindung eines schon bestehenden Rentenanspruchs des Empfängers beinhaltete,
hat der X. Senat die Steuerbefreiung verneint (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1275,
unter Rz 40 bis 42). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
43 bb) Der Vorbezug im Streitfall ist keine Kapitalabfindung eines bestehenden
Rentenanspruchs, sondern ebenfalls nur ein besonderer Auszahlungsmodus von
erworbenen Ansprüchen bis zum Zeitpunkt des Bezugs der Zahlung. Nach den
Feststellungen des FG (siehe Rz 42 bis 46, 112 der Vorentscheidung in EFG 2011,
1799) sind die Inanspruchnahme eines Vorbezugs oder die Verpfändung künftiger
Leistungsansprüche im Streitfall keine Leistungen aufgrund des Eintritts eines
reglementarischen Vorsorgefalls, da die Leistung weder aufgrund des Alters, Todes
oder der Invalidität des Anspruchsberechtigten gewährt wurde. Zwar wird die
Wohnraumförderung durch die Pensionskasse als Bestandteil der betrieblichen
Altersvorsorge im weiteren Sinne angesehen, da der Besitz eigenen Wohneigentums
wie eine spätere Rente nach den Leitgedanken des schweizerischen Rechts
Vorsorgefunktion hat und mit einer endgültigen Kürzung des Rentenanspruchs bei
Erreichen der Altersgrenze einhergeht, wenn der Kläger die reglementarischen
Möglichkeiten zur Rückzahlung des Vorbezugs bis zum Erreichen der
reglementarischen Altersgrenze nicht nutzt. Dass der Vorbezug auch zur
Absicherung im Alter beitragen kann, reicht jedoch nicht aus, um den Vorbezug als
Kapitalabfindung eines bereits bestehenden Rentenanspruchs einzuordnen.
44 c) Die unter der Geltung des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 5. Juli 2004
(BGBl I 2004, 1427, BStBl I 2004, 554) gegenüber der früheren Behandlung durch die
Baden-Württembergische Finanzverwaltung geänderte Beurteilung, die im Streitfall
nunmehr zur Steuerpflicht des obligatorischen Teils des Vorbezugs führt, verstößt
weder gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen den Grundsatz von
Treu und Glauben (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103, unter
Rz 48 ff.).
45 d) Der gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG steuerpflichtige
obligatorische Vorbezug von 10.484 EUR ist, wovon auch die Beteiligten
übereinstimmend ausgehen, gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt
zu besteuern (siehe BFH-Urteil in BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103, unter Rz 59 ff.).
46 2. Zutreffend hat das FG den ausgezahlten überobligatorischen Vorbezug --entgegen
der Auffassung des FA und des BMF-- als eine steuerfreie Auszahlung aus einer
privaten Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2
EStG 2004 beurteilt.
47 a) Wie der Senat im Urteil vom 26. November 2014 zum Verfahren VIII R 38/10
(BFHE 249, 22, unter II.3.) für die Einmalzahlungen aus einer schweizerischen
privaten Pensionskasse dargelegt hat, gebietet der eigenständige privatrechtliche und
freiwillige Charakter des überobligatorischen Rechtsverhältnisses zwischen dem
Arbeitnehmer und einer privatrechtlichen Pensionskasse, dieses Verhältnis nicht nur
als Annex zur öffentlich-rechtlichen obligatorischen Pflichtmitgliedschaft in der
Pensionskasse, sondern als privatrechtliche Rechtsbeziehung anzusehen, die
hinsichtlich ihrer Besteuerungsfolgen eigenständig zu würdigen ist (zustimmend zu
dieser "Trennungsbetrachtung" siehe Miessl, Internationales Steuerrecht --IStR--
2013, 850 ff.; ders., Betriebs-Berater 2011, 2711, 2713; ders., IStR 2007, 883, 888; für
eine "Einheitsbetrachtung" Decker/Looser, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB--
Heft 2006, Fach 3, S. 14099, 14102; Myßen/Finckh, NWB Heft 2006, Fach 3,
S. 14159, 14181).
48 Dies gilt auch im Streitfall. Das FG hat in Rz 10 der Vorentscheidung in EFG 2011,
1799 auf die Feststellungen zur Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses im
Überobligatorium auf das Urteil vom 28. April 2010 zum Verfahren 3 K 4156/08 --EFG
2011, 1716-- (Vorentscheidung zum Verfahren VIII R 38/10) auch für den Streitfall
Bezug genommen. Es hat weiter festgestellt, das Rechtsverhältnis des Klägers zur
Pensionskasse im Überobligatorium sei auch im Streitfall als privatrechtlicher
Vorsorgevertrag zwischen dem Kläger und der Pensionskasse zu würdigen, der auf
dem Obligationenrecht beruhte und den Lebensunterhalt im Alter, bei Invalidität oder
der Angehörigen sichern sollte (Rz 11 bis 15, 83 f. der Vorentscheidung in EFG 2011,
1799).
49 b) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das FG das überobligatorische
Vorsorgeverhältnis des Klägers zur Pensionskasse im Streitfall unter Bezugnahme
auf seine Ausführungen im Urteil in EFG 2011, 1716 (siehe Rz 72 der
Vorentscheidung in EFG 2011, 1799) nicht als Rechtsverhältnis zu einer
"Pensionskasse" i.S. des § 22 Nr. 5 i.V.m. § 3 Nr. 63 EStG beurteilt hat. Im Urteil vom
26. November 2014 zum Verfahren VIII R 38/10 (BFHE 249, 22) unter II.3.b hat der
Senat näher ausgeführt, dass die Auszahlungsmöglichkeiten, die das Reglement der
Pensionskasse dem Kläger vor Eintritt eines Versorgungsfalls gewährte, die
Vergleichbarkeit des überobligatorischen Vorsorgeverhältnisses mit einer von §§ 3
Nr. 63, 22 Nr. 5 EStG erfassten inländischen Pensionskassenzusage ausschließen
können, da für inländische Pensionskassenzusagen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung prägend ist, dass die
Leistungspflicht erst durch Eintritt eines Vorsorgefalls (Alter, Tod, Invalidität) ausgelöst
wird. Der Senat sieht sich auch im Streitfall gemäß § 118 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Würdigung des FG gebunden, dass die im
Streitfall bestehenden Auszahlungsansprüche vor Erreichen der reglementarischen
Altersgrenze so gewichtig sind, dass sie die Vergleichbarkeit ausschließen.
50 c) Für Kapitalerträge aus Versicherungsverträgen, die vor dem 1. Januar 2005
abgeschlossen wurden, ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 unter den in § 52 Abs. 36
Satz 5 EStG enthaltenen Voraussetzungen weiterhin anzuwenden.
51 aa) Da der Kläger bereits vor dem 1. Januar 2005 der Pensionskasse der K-AG
angehörte und Beiträge gezahlt hatte, findet die Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 6
EStG 2004 im Streitfall Anwendung. Maßgeblich für die Anwendung der
Steuerbefreiung auf Kapitalerträge aus ausländischen Renten- und
Kapitalversicherungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 ist, ob der
Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004
begünstigten Vertragstypen gehört (siehe BFH-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 47/01,
BFHE 211, 436, BStBl II 2006, 365). Zu den dort genannten Vertragstypen gehören
u.a. gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004
Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung mit
Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren
abgeschlossen worden ist.
52 Entscheidend ist, dass der ausländische Vertrag unter den im Gesetz erfassten
Versicherungstypus fällt, die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach
dieser Vorschrift müssen hingegen --entgegen der Auffassung des FA und des BMF--
für die Steuerbefreiung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 nach dem BFH-
Urteil in BFHE 211, 436, BStBl II 2006, 365 nicht vollständig erfüllt sein (siehe auch
Senatsurteile vom 26. November 2014 VIII R 31/10 und VIII R 38/10, BFHE 249, 12).
53 bb) Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m.
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 sind im Streitfall erfüllt.
54 Es stand auch bei der überobligatorischen Absicherung die Leistungsart der Rente im
Vordergrund; die Absicherung war insgesamt als "gemischte Versicherung"
ausgestaltet, da neben dem Erlebens- auch das Todesfall- und das Invaliditätsrisiko
des Klägers vor dem Erreichen der reglementarischen Altersgrenze für den Bezug
einer Altersrente abgedeckt waren und die Versicherung ein Kapitalwahlrecht
gewährte (siehe oben zum Obligatorium unter II.1.a; dieselben Leistungen wurden im
Überobligatorium gewährt, siehe die Feststellungen in Rz 11, 15, 83 bis 85, 103 ff. der
Vorentscheidung in EFG 2011, 1799). Zudem wurden entsprechend § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 auch laufende Beiträge durch den Kläger und
vom Arbeitgeber nicht steuerbefreite Zukunftssicherungsleistungen gemäß § 3 Nr. 62
Satz 4 EStG gezahlt; diese sind wie Eigenbeiträge des Klägers zu behandeln
(s. unten III.1.). Damit war die Vorsorgevereinbarung des Klägers mit der
Pensionskasse über die überobligatorische Versicherung vom Typus der in § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004 genannten Rentenversicherung
mit Kapitalwahlrecht erfasst.
55 Nicht schädlich für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 ist nach
dem Senatsurteil in BFHE 211, 436, BStBl II 2006, 365 und dem Senatsurteil vom
26. November 2014 VIII R 31/10 (BFHE 249, 1), dass zwischen dem Kläger und der
Pensionskasse das Kapitalwahlrecht nicht für zwölf Jahre seit Vertragsabschluss
ausgeschlossen war (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG 2004) und
die Pensionskasse nicht über die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland gemäß
§ 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG verfügte. Ausreichend ist, dass der Kläger den
Vorbezug erst nach zwölf Jahren erhalten hat. Auf die Ausführungen hierzu im Urteil
vom 26. November 2014 VIII R 31/10 (BFHE 249, 1) wird Bezug genommen.
56 cc) Entgegen der Auffassung des FG sind die mit dem überobligatorischen Vorbezug
ausgezahlten Zinsen aber nicht aufgrund eines Versicherungsfalls i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 geleistet worden. Denn der Vorbezug wurde, wie das
FG in Rz 44, 45, 104, 105 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799 selbst festgestellt
hat, gerade nicht aufgrund des Eintritts eines der reglementarischen Versorgungsfälle
Alter, Tod oder Invalidität geleistet (siehe dazu BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005
VIII R 87/03, BFHE 211, 467, BStBl II 2006, 251, unter II.1.c). Nach dem Senatsurteil
in BFHE 211, 467, BStBl II 2006, 251 sind jedoch ausgezahlte Zinsen auch bei
anschließender Weiterführung einer unter die Norm fallenden Versicherung
entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerbefreit, wenn im Zeitpunkt
der Auszahlung die zwölfjährige Haltedauer erfüllt ist. Dies war hier der Fall, da der
Kläger seit 1992 in den Pensionskassen früherer Arbeitgeber und der K-AG
überobligatorisch versichert war.
57 dd) Der Senat sieht es wie das FG als unschädlich an, dass der Kläger bei Erhalt des
Vorbezugs nicht zwölf Jahre der Pensionskasse der K-AG angehörte (Eintritt im Jahr
2001).
58 Auf Grundlage der in diesem Zusammenhang erforderlichen Vergleichbarkeitsprüfung
zwischen den Modifikationen ausländischer Versicherungsverträge mit der
Modifikation inländischer Versicherungsverträge ist zu beachten, dass der Kläger im
System der schweizerischen überobligatorischen Absicherung bei Wechsel eines
Arbeitgebers in der Schweiz das erworbene überobligatorische Altersguthaben als
Austrittsleistung erhielt und als Eintrittsleistung in die Pensionskasse des neuen
Arbeitgebers nach den schweizerischen gesetzlichen Vorgaben einzubringen hatte
(siehe Rz 19, 106 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799).
59 In diesem Zusammenhang sieht auch die Rechtsprechung des BFH die Auszahlung
einer Freizügigkeitsleistung bei Ausscheiden aus der Pensionskasse eines
Arbeitgebers und Wiedereinzahlung in die Pensionskasse eines neuen Arbeitgebers
als Instrument zur Gewährleistung der Portabilität von Anwartschaften an, was
regelmäßig nicht zum Zufluss der ausgezahlten Beträge führt (vgl. BFH-Beschluss
vom 13. November 2012 VI R 20/10, BFHE 239, 399, BStBl II 2013, 405). Daher ist
es gerechtfertigt, im Hinblick auf die Steuerbefreiung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2
EStG 2004 die nach dem schweizerischen Recht zwingend aneinander
anknüpfenden überobligatorischen Mitgliedschaften in verschiedenen
Pensionskassen als einheitliches Vorsorge- und Versicherungsverhältnis anzusehen,
wenn die einzelnen Vorsorgeverträge ihrem Inhalt und wirtschaftlichen Gehalt nach
(bezogen auf Laufzeit, Beitragszahlungsdauer, Höhe des koordinierten Lohns bzw.
des versicherten Lohns, die Gewährung normierter Leistungen bei Alter, Tod und
Invalidität) unverändert geblieben sind. Dieser Prüfung unterliegen nach dem
Senatsurteil vom 6. Juli 2005 VIII R 71/04 (BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53) auch
inländische Versicherungsverträge im Fall einer Abänderung. Das FG hat im Streitfall
nach dieser Vorgabe festgestellt, dass die einzelnen Vorsorgeverträge des Klägers
ihrem Inhalt und wirtschaftlichen Gehalt nach unverändert waren.
60
III. Revision des Klägers
Die Revision des Klägers, mit der er einen größeren Anteil der Arbeitgeberleistungen
als steuerfrei beurteilt wissen will, ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 FGO).
61 1. Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen
Dritten --hier in die AHV/IV und die Pensionskasse-- erfolgt, sind im Zeitpunkt der
Beitragsleistung durch den Arbeitgeber Arbeitslohn, wenn sich der Vorgang --
wirtschaftlich betrachtet-- so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel
zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer diese "Eigenbeiträge" zum Zweck seiner
Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer --
wie im Streitfall dem Kläger-- gegen die Versorgungseinrichtung, an die der
Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, unentziehbare Rechtsansprüche auf Leistung
zustehen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl
II 2009, 385; vom 24. September 2013 VI R 6/11, BFHE 243, 210 für schweizerische
Pensionskassen; siehe zum Vorliegen dieses Rechtsanspruchs Rz 65 bis 67 der
Vorentscheidung in EFG 2011, 1799). Spätere Auszahlungen der Pensionskasse
führen daher im Streitfall auch nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (vgl.
z.B. BFH-Entscheidungen vom 6. Oktober 2010 VI R 15/08, BFH/NV 2011, 39 zu
"Taggeldern" aus einer schweizerischen Invalidenversicherung für einen
Grenzgänger; vom 15. November 2007 VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550 zu
Krankentagegeldern aus einer schweizer Betriebskrankenkasse; in BFHE 239, 399,
BStBl II 2013, 405, unter II.2.).
62 2. Zur Steuerfreistellung von Arbeitgeberbeiträgen in schweizerische Pensionskassen
hat der VI. Senat für die Streitjahre bis einschließlich 2001 entschieden, obligatorische
Arbeitgeberbeiträge zu einer schweizerischen Pensionskasse sowie
Arbeitgeberleistungen auf Grundlage der schweizerischen AHV/IV seien gemäß § 3
Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer
schweizerischen Pensionskasse seien hingegen als Beiträge i.S. des § 3 Nr. 62
Satz 4 1. Halbsatz EStG innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG
steuerfrei; auf die danach steuerfreien Arbeitgeberleistungen seien die gemäß § 3
Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers
anzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 243, 210).
63 Der erkennende Senat ordnet wie das FG nur das Obligatorium einer
schweizerischen (privatrechtlichen) Pensionskasse neben der AHV/IV als
gesetzliche Rentenversicherung mit einer gesetzlichen Beitragspflicht ein und
betrachtet das Überobligatorium einer schweizerischen privatrechtlichen
Pensionskasse als eigenständiges privatrechtliches Rechtsverhältnis. Damit ist für
die Steuerfreistellung der Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 und Satz 4
EStG im Streitjahr auch nach dem Inkrafttreten des AltEinkG wie im BFH-Urteil in
BFHE 243, 210 zwischen der Behandlung von Arbeitgeberbeiträgen in das
Obligatorium und in das Überobligatorium zu unterscheiden. Auf Basis der bindenden
Feststellung des FG, dass nur die in die AHV/IV und das Obligatorium geleisteten
Arbeitgeberbeiträge auf einer gesetzlichen Verpflichtung nach dem schweizer Recht
beruhen (siehe Rz 67 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799), führt dies im Streitfall
nur zu einer Steuerfreistellung der Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG
in die AHV/IV und das Obligatorium der Pensionskasse in der vom FG ermittelten
Höhe.
64 3. Das FG hat für die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 und Satz 4 EStG
zutreffend die in das Überobligatorium geleisteten Arbeitgeberbeiträge nicht als
Beiträge angesehen, die auf einer gesetzlichen Verpflichtung im Sinne des Satzes 1
der Regelung beruhten.
65 a) Dies zieht auch der Kläger nicht in Zweifel. Entgegen seiner Auffassung sind auf
dieser Grundlage aber nicht weitere 1.072 CHF als steuerfreie Arbeitgeberbeiträge
gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 und Satz 4 EStG anzusehen.
66 aa) Das FG hat folgende Arbeitgeberbeiträge in das Sparguthaben und die
Risikoabsicherung des Klägers bei der Pensionskasse für den Senat bindend gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO festgestellt:
67 Arbeitgeberbeitrag in das Obligatorium
3.076 CHF Rz 37, 68, 70 der
Vorentscheidung
Arbeitgeberbeitrag in das
Überobligatorium
3.087 CHF Rz 69 der Vorentscheidung
Arbeitgebergesamtbeitrag in die
Pensionskasse
6.164 CHF Rz 40 der Vorentscheidung
Arbeitgeberanteil in die AHV/IV
4.192 CHF Rz 70 der Vorentscheidung
68 Das FG ist daher zutreffend von gesetzlichen Arbeitgeberpflichtbeiträgen in das
Obligatorium der Pensionskasse und die AHV/IV in Höhe von
3.076 CHF + 4.192 CHF = 7.268 CHF ausgegangen, die es als steuerfreie
Arbeitgeberbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG beurteilt hat. Die in das
Überobligatorium geleisteten Arbeitgeberbeiträge in Höhe von 3.087 CHF hat das FG
zu Recht insgesamt nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG als steuerfrei angesehen;
zudem hat es eine Steuerfreistellung dieser Beiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG
verneint. § 3 Nr. 62 Satz 4 1. Halbsatz EStG befreit zwar nach dem BFH-Urteil in
BFHE 243, 210 überobligatorische Arbeitgeberbeiträge wie im Streitfall. Denn der
Arbeitgeber des Klägers entrichtete 3.087 CHF in die Pensionskasse für den bei ihr in
der Schweiz beschäftigten Kläger. Überdies leistete er für den Kläger keine Beiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung im Inland, weil dieser wegen seiner
Beschäftigung in der Schweiz nicht der inländischen gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht unterlag. Allerdings sind gemäß § 3 Nr. 62
Satz 4 2. Halbsatz EStG auf diese dem Grunde nach steuerfreien
überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge die Zukunftssicherungsleistungen
anzurechnen, die der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen erbracht hat.
Dies sind im Streitfall Arbeitgeberbeiträge in Höhe von 7.268 CHF in das Obligatorium
und die AHV/IV, sodass eine Steuerfreistellung des gesamten Arbeitgeberbeitrags in
das Überobligatorium (3.087 CHF) gemäß § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG im Streitfall nicht in
Betracht kommt.
69 Da der Kläger und das FA selbst für das Streitjahr von diesen 3.087 CHF schon
1.509 CHF als nicht steuerfrei gestellte Arbeitgeberbeiträge berücksichtigt haben und
die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit im angefochtenen
Einkommensteuerbescheid um diesen Betrag erhöht sind, hat das FG bei seiner
Steuerberechnung zutreffend weitere [3.087 CHF ./. 1.509 CHF =] 1.578 CHF
(1.017,81 EUR) als steuerpflichtige Zukunftssicherungsleistungen behandelt und die
Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit von 56.149 EUR auf
57.167 EUR erhöht.
70 bb) Für die Steuerfreistellung eines weiteren Teilbetrags von 1.072 CHF aus den
gesamten obligatorischen und überobligatorischen Arbeitgeberbeiträgen in die AHV/IV
und die Pensionskasse, wie vom Kläger mit seiner Revision begehrt, fehlt es an einer
Rechtsgrundlage.
71 Das FG hat in Rz 70 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799 festgestellt, dass bei
einer gesetzlichen Rentenversicherungspflicht des Klägers im Inland insgesamt
8.341 CHF als gesetzliche Pflichtbeiträge gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG --und nicht
nur im Ergebnis 7.268 CHF wie im Streitfall-- freizustellen wären. Die Differenz
zwischen diesen --bei einer hypothetischen inländischen Rentenversicherungspflicht--
steuerbefreiten Arbeitgeberbeiträgen und den vom FG steuerfrei belassenen
Arbeitgeberbeiträgen beträgt 1.073 CHF; deren Steuerbefreiung und damit Minderung
seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG begehrt der Kläger.
72 Zwar ist der Revision zuzugeben, dass nach § 3 Nr. 62 Satz 4 1. Halbsatz EStG
auch § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG entsprechend gilt, nach dem nicht auf einer gesetzlichen
Verpflichtung beruhende Zukunftssicherungsleistungen im Sinne des Satzes 2 der
Vorschrift nicht höher sein dürfen, als der Betrag, der als Arbeitgeberanteil bei einer
Versicherungspflicht in der allgemeinen Rentenversicherung zu zahlen wäre.
Normzweck der Regelung ist neben der Gleichstellung mit inländischen
Arbeitnehmern, die im Inland versichert sind, auch die Vermeidung einer
Überprivilegierung von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern, indem die
Steuerfreiheit der für diese geleisteten freiwilligen Arbeitgeberleistungen nur auf solche
Ausnahmefälle beschränkt sein soll, in denen verpflichtend zu erbringende
Zukunftssicherungsleistungen lediglich eine Grundversorgung gewährleisten und
insgesamt Arbeitgeberbeiträge in Höhe der steuerfrei gestellten inländischen
gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberbeiträge nicht erreichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE
243, 210, unter Rz 24 mit Hinweis auf BTDrucks 8/2501, 18; von Beckerath, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 62 Rz B 62/79; Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3 Nr. 62 EStG Rz 8).
73 Aus diesem Normzweck folgt aber nicht, dass im Ergebnis stets nach ausländischem
Recht gesetzlich geschuldete und gleichgestellte Arbeitgeberbeiträge in eine
schweizerische Pensionskasse in der Höhe steuerfrei zu belassen sind, die dem
steuerfreien Arbeitgeberanteil bei einer Versicherungspflicht in der allgemeinen
inländischen Rentenversicherung entsprechen. § 3 Nr. 62 Satz 1 und Satz 4 EStG
lassen eine solche Auslegung nicht zu. Satz 1 der Vorschrift knüpft an den tatsächlich
verwirklichten Sachverhalt, mithin an die nach schweizer Recht auf gesetzlicher
Grundlage tatsächlich geschuldeten (obligatorischen) Arbeitgeberbeiträge in die
Pensionskasse und die AHV/IV an; weitergehende (überobligatorische)
"gleichgestellte" Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse sind nach Satz 4 i.V.m.
Satz 2 und Satz 3 der Regelung ohne Ausnahme nur unter Anrechnung der
regelmäßig höheren gesetzlich geschuldeten obligatorischen Arbeitgeberbeiträge bis
maximal zur Höhe der steuerfreien Arbeitgeberbeiträge bei einer inländischen
Rentenversicherungspflicht abzugsfähig.
74 Nach dem Wortlaut der Regelung könnte dem Kläger also nur durch eine Auslegung
von § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG in der Weise geholfen werden, dass ein Teilbetrag der
überobligatorischen nicht gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberbeiträge in Höhe von
1.072 CHF "wie" ein gesetzlich geschuldeter steuerfrei gestellter Arbeitgeberbeitrag
gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG behandelt wird, wenn die gesetzlich geschuldeten
Arbeitgeberbeiträge nicht die Höhe freigestellter Arbeitgeberbeiträge bei einer
inländischen Rentenversicherungspflicht erreichen. Bei dieser Auslegung wäre der
Teilbetrag von 1.072 CHF auch der Anrechnung des § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG
entzogen. Einer solchen Subsumtion nicht gesetzlich geschuldeter
überobligatorischer Arbeitgeberbeiträge unter Satz 1 der Regelung steht jedoch der
Wortlaut der Norm entgegen, der klar zwischen "gesetzlich geschuldeten"
Arbeitgeberbeiträgen in Satz 1 und allen anderen nicht gesetzlich geschuldeten
"gleichgestellten" Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse unterscheidet, die der
Anwendung der Sätze 2 bis 4 unterliegen.
75 b) Ebenfalls im Ergebnis zutreffend hat das FG eine Steuerfreistellung der
überobligatorischen Beiträge gemäß § 3 Nr. 63 EStG verneint. Die Regelung in § 3
Nr. 62 Satz 1 und Satz 4 EStG ist nach der Rechtslage im Streitjahr --vor den
Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I
2008, 2794, BStBl I 2009, 74)-- jedenfalls für Beiträge eines ausländischen
Arbeitgebers in eine ausländische Pensionskasse für einen nicht der inländischen
Rentenversicherungspflicht unterliegenden Arbeitnehmer die gegenüber § 3 Nr. 63
EStG speziellere Vorschrift (vgl. auch HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 62 EStG Rz 2 und 5;
§ 3 Nr. 63 EStG Rz 5).
76 c) Die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sind danach wie vom FG
angenommen in Höhe von 57.167 EUR anzusetzen.
IV.
77 Die Sache ist spruchreif.
78 1. Der nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG steuerbare
Vorbezug von 10.484 EUR darf nach Maßgabe der abkommensrechtlichen
Zuweisung des Besteuerungsrechts gemäß Art. 21 i.V.m. Art. 15a DBA-
Schweiz 1992 in Deutschland besteuert werden (BFH-Zwischenurteil vom 20. August
2014 I R 83/11, BFH/NV 2015, 20). Zutreffend ist auch der Ansatz von Einnahmen
des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 57.167 EUR durch das FG, die
in Deutschland nach Maßgabe der Grenzgängerregelungen des DBA-Schweiz 1992
der Besteuerung unterliegen.
79 2. Zutreffend hat das FG als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG (Altersvorsorgeaufwendungen) Beiträge des Klägers in Höhe von 736 EUR
angesehen.
80 Dem liegen folgende für den Senat bindend festgestellte Beitragszahlungen und
folgende Berechnung des FG zugrunde:
81 Gesamtsumme der Altersvorsorgeaufwendungen
2.558 CHF Arbeitnehmerbeitrag in das
Obligatorium für das Sparguthaben
Rz 78 der
Vorentscheidung
und die Invaliditätsvorsorge,
anzusetzen gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a EStG
(aufgerundet)
+ 3.076 CHF Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG
steuerfrei gestellte
Arbeitgeberbeiträge in die
Pensionskasse, anzusetzen gemäß
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG
Rz 80 der
Vorentscheidung
und oben unter
III.3.a aa
+ 4.192 CHF Arbeitgeberpflichtbeitrag zur
AHV/IV, anzusetzen gemäß § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG
Rz 70 der
Vorentscheidung
und oben unter
III.3.a aa
+ 4.192 CHF Arbeitnehmerbeitrag in die AHV/IV
Rz 55, 70 der
Vorentscheidung
Gesamte Altersvorsorgeaufwendungen = 14.018 CHF
Dies entspricht im Streitjahr 9.042 EUR
Ermittlung der abzugsfähigen Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG
Gesamtbetrag
9.042 EUR
davon 60 % (§ 10
Abs. 3 Satz 4 EStG)
5.425 EUR
abzüglich des
Arbeitgeberanteils zur
gesetzlichen
Rentenversicherung
(§ 10 Abs. 3 Satz 5
EStG)
./. 4.689 EUR
Arbeitgeberbeitrag in die AHV/IV =
4.192 CHF = 2.704 EUR +
Arbeitgeberbeitrag in das Obligatorium
der Pensionskasse = 3.076 CHF =
1.985 EUR
vgl. Rz 55, 70 der Vorentscheidung
verbleiben
736 EUR
82 Die vorstehende Ermittlung der verbleibenden abzugsfähigen Sonderausgaben
gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG
durch das FG lässt auf der Grundlage, dass nur die Beiträge des Arbeitgebers und
des Klägers in die AHV/IV und das Obligatorium als Beiträge zu gesetzlichen
Rentenversicherungen im Sinne der Regelung heranzuziehen sind (siehe oben),
keinen Rechtsfehler erkennen. Das FG ist ausweislich seiner Ausführungen in
Rz 118 des Urteils in EFG 2011, 1799 zwar zu 738 EUR (3.138 EUR abzugsfähige
Sonderausgaben ./. 2.400 EUR Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b,
Abs. 4 Satz 1 EStG) gekommen. Dieser Differenzbetrag zur obigen Berechnung
beruht jedoch auf Rundungsdifferenzen, sodass der Abzug der verbleibenden
Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 738 EUR bestehen bleiben kann.
83 3. Die Beiträge des Klägers in Höhe von 459 CHF (Rz 81 der Vorentscheidung in
EFG 2011, 1799) und die --nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 und Satz 4 EStG steuerfrei
gestellten-- Beiträge des Arbeitgebers in Höhe von 3.087 CHF in das
Überobligatorium der Pensionskasse (vgl. oben unter III.3.a aa und Rz 69, 102 der
Vorentscheidung in EFG 2011, 1799), insgesamt 3.546 CHF (2.288 EUR), können
allenfalls als Beiträge zu einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht gemäß § 10
Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG abzugsfähig sein. Die Beiträge würden in diesem Fall die
übrigen Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG i.V.m. § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd EStG 2004 erhöhen. Der Kläger hat
jedoch schon mit seinen anderen übrigen Vorsorgeaufwendungen den Höchstbetrag
gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG ausgeschöpft.
84 Daher kann es im Streitfall dahin stehen, ob es sich bei den Beiträgen des Klägers in
das Überobligatorium der Pensionskasse um Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 3 Buchst. b EStG handelt oder ob dem Sonderausgabenabzug die in Rz 88
bis 101 der Vorentscheidung in EFG 2011, 1799 erörterten und zwischen den
Beteiligten streitigen Fragen entgegenstehen, ob die Pensionskasse hierzu über einen
Geschäftsbetrieb im Inland verfügen (siehe § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a 2. Halbsatz
EStG) und ein Kapitalwahlrecht des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Doppelbuchst. cc EStG 2004 für mindestens zwölf Jahre vertraglich ausgeschlossen
sein müsste.
85 Das FG hat somit im Ergebnis zu Recht nur 2.400 EUR als abziehbare übrige
Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG beurteilt, die im
angefochtenen Bescheid auch schon bereits berücksichtigt worden waren.
V.
86 Die Berechnung der Steuer nach Maßgabe des Tenors und der Urteilsgründe wird
dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf
§§ 135 Abs. 1, 136 FGO.