Urteil des BFH vom 24.02.2016

Keine Stromsteuerentstehung für in einem Versorgungsnetz entstandene Umspann- und Leitungsverluste

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 24.2.2016, VII R 7/15
Keine Stromsteuerentstehung für in einem Versorgungsnetz entstandene Umspann- und
Leitungsverluste
Leitsätze
1. Für stromsteuerrechtliche Zwecke ist von einem einzigen Versorgungsnetz auszugehen,
das nicht in verschiedene Teilnetze aufgespalten werden kann.
2. Ein Versorgungsnetz liegt nicht vor, wenn ein Stromnetz ausschließlich dem
Eigenverbrauch von Eigenerzeugern nach § 2 Nr. 2 StromStG dient.
3. Sofern ein Versorger mehrere Betriebsstätten mit entsprechenden Verbrauchsstellen
unterhält, gehören sämtliche Stromleitungen und Umspannvorrichtungen unabhängig davon
zum Versorgungsnetz, ob in den Betriebsstätten Strom von Dritten oder vom Versorger
selbst entnommen wird.
Tenor
Die Revision des Hauptzollamts gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 29.
Januar 2015 14 K 2822/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Hauptzollamt zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein mit mehreren Niederlassungen
in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Wirtschaftsunternehmen, das über
Stromerzeugungseinheiten, produzierende Betriebe, Laboratorien und Büros verfügt.
Als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes besitzt sie eine Erlaubnis zur
Leistung von Strom an Letztverbraucher nach § 4 des Stromsteuergesetzes
(StromStG) – hier und im Folgenden in der im Streitjahr geltenden Fassung. An ihren
Standorten entstehen Verluste sowohl in Form von Umspannungs- bzw.
Trafoverlusten als auch in Form von Kabel- und Leitungsverlusten.
2 In ihrer für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2007 beim Beklagten und
Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) eingereichten Steueranmeldung zog die
Klägerin Umspann- und Leitungsverluste von insgesamt 49 989,462 MWh ab. Unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung setzte das HZA mit Bescheid vom 23. Mai 2008 die
Stromsteuer für das Kalenderjahr 2007 zunächst auf ... EUR fest. In der Folgezeit
wurde diese Festsetzung aufgrund einer berichtigten Steueranmeldung und der
Ergebnisse einer Außenprüfung mehrfach geändert. Gegen den am 23. Dezember
2010 erlassenen Steueränderungsbescheid, mit dem das HZA Nacherhebungen
wegen nicht anerkannter Umspann- und Leitungsverluste geltend machte, legte die
Klägerin Einspruch ein. Aufgrund nachträglich angemeldeter Strommengen erließ das
HZA weitere Steueränderungsbescheide. In einer tatsächlichen Verständigung vom
2. August 2013 kamen die Klägerin und das HZA überein, u.a. für das Streitjahr
Stromleitungsverluste in Höhe von 1,6 % in Relation zu einer noch festzustellenden
Strombezugsmenge anzusetzen. Ausdrücklich strittig blieb die Strommenge und die
rechtliche Bewertung des Versorgungsnetzes.
3 Mit E-Mail vom 2. August 2013 legte die Klägerin eine neue Berechnung der
Umspannverluste für das Kalenderjahr 2007 vor. Daraufhin setzte das HZA mit
Steueränderungsbescheid vom 29. August 2013 die Stromsteuer für das Kalenderjahr
2007 auf insgesamt ... EUR für eine steuerpflichtige Strommenge von insgesamt
... MWh fest. Dabei erkannte das HZA Umspannverluste in Höhe von ... MWh und
Leitungsverluste in Höhe von ... MWh an. Dies entsprach 1,6 % der Strommenge bei
Betriebsstätten, bei denen Strom auch an andere Abnehmer geleistet worden war. Für
Umspannverluste in Höhe von 5 861,975 MWh und Leitungsverluste in Höhe von
4 410,088 MWh setzte es dagegen Stromsteuer fest und begründete dies damit, dass
ein Versorgungsnetz erst dann vorliege, wenn der an den Betriebsstätten bzw. den
Verbrauchsstellen der Klägerin bezogene und in das jeweilige Betriebsstättennetz
eingespeiste Strom zumindest teilweise auch durch andere Personen entnommen oder
an andere Versorger durchgeleitet werde. Werde Strom hingegen aus einem
betrieblichen Netz ausschließlich zum Selbstverbrauch entnommen, seien diese
betrieblichen Netze nicht als Versorgungsnetz zu qualifizieren. Im Übrigen wies das
HZA den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 29. August 2013
zurück.
4 Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA
habe zu Unrecht für das Kalenderjahr 2007 die von der Klägerin geltend gemachten
Umspann- und Leitungsverluste nicht steuermindernd anerkannt. Die
Steuerfestsetzung sei hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 der
Abgabenordnung. Mit dem Stromsteuerrecht sei eine Differenzierung nach einzelnen
Betriebsstätten nicht zu vereinbaren, weshalb das Versorgungsnetz alle Leitungen und
Umspannvorrichtungen des Versorgers umfasse. Die Regelung in § 3 Nr. 2 des
Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in der im Streitfall maßgeblichen Fassung lasse
sich nicht auf das StromStG übertragen. Die Systematik des StromStG spreche dafür,
dass dem Versorgungsnetz sämtliche Leitungen und Umspannvorrichtungen in allen
Niederlassungen des Versorgers zugerechnet werden müssten. Dies ergebe sich aus
der Definition des Versorgers in § 2 Nr. 1 StromStG, die nicht an eine Betriebsstätte
anknüpfe. Wie § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG belege, unterscheide das StromStG klar
zwischen dem Versorger und dem Letztverbraucher. Auch die in § 1 Abs. 3 der
Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) --hier und im Folgenden in der im
Streitjahr geltenden Fassung-- normierte Fiktion, nach der Versorger in bestimmten
Fällen als Letztverbraucher gelten, bestätige, dass ein Versorger nicht zugleich
Letztverbraucher sein könne. Darüber hinaus werde die Versorgererlaubnis i.S. des § 4
StromStG, die eine personenbezogene Rechtsposition vermittele, nicht für jede
Betriebsstätte, sondern dem Versorger insgesamt erteilt. Für eine weite Ausdehnung
des Begriffs des Versorgungsnetzes spreche die der Gesetzesbegründung zu
entnehmende Intention des Gesetzgebers, nach der Leitungsverluste steuerlich nicht
erfasst werden sollten. Schließlich führe eine Differenzierung nach der
Entnahmesituation an der jeweiligen Betriebsstätte dazu, dass der Entnahmebegriff
unterschiedlich gehandhabt werde. Die Verwaltungsauffassung führe dazu, dass eine
Entnahme von Strom auch ohne einen bewussten Willensakt erfolgen könne.
5 Mit seiner Revision rügt das HZA die nach seiner Ansicht fehlerhafte Auslegung des
Begriffs des Versorgungsnetzes durch das FG. Insbesondere verkenne es, dass nicht
das gesamte innerbetriebliche Leitungsnetz eines Versorgers als Versorgungsnetz
angesehen werden könne. Im allgemeinen Sprachgebrauch werde unter dem Begriff
des Versorgungsnetzes nur das öffentliche Stromnetz verstanden. Aus
stromsteuerrechtlicher Sicht könne jedoch auch ein betriebliches Netz unter den
Voraussetzungen als Versorgungsnetz angesehen werden, dass über dieses Netz
Dritte mit Strom versorgt werden oder dass das Netz der Durchleitung von Strom
dient. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, sei das betriebliche Leitungsnetz eines
Versorgers nicht anders zu betrachten als das Leitungsnetz innerhalb eines
Unternehmens, das keinen Versorgerstatus habe. Bei diesen Unternehmen ende das
Versorgungsnetz an einem festgelegten Übergabepunkt, in der Regel an einem Zähler.
Das vom FG gefundene Auslegungsergebnis führe zu einer Privilegierung des
betrieblichen Netzes eines Versorgers gegenüber anderen betrieblichen
Leitungsnetzen. Hinzu komme, dass in diesem Fall für jeglichen Stromverbrauch eines
Versorgers im Ergebnis das Prinzip einer "Steuerentstehung an der Steckdose" mit
den daraus u.a. resultierenden Problemen einer sachgerechten Mengenermittlung
gölte. Schließlich träfen die Definition des Versorgers in § 2 Nr. 1 StromStG und der
Erlaubnis in § 4 StromStG keine Aussage über das Tatbestandsmerkmal der
Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz.
6 Zur Begründung ihres Antrags schließt sich die Klägerin der Rechtsauffassung des FG
an. Zu Recht habe dieses entschieden, dass der Begriff des Versorgungsnetzes
sämtliche Leitungen und Umspannvorrichtungen des Versorgers umfasse. Als
maßgebliches Kriterium setze die Entnahme von Strom zum Verbrauch eine nach
außen erkennbare Willensbetätigung voraus, die bei Umspann- und Leitungsverlusten
nicht vorliege. Zudem müsse der Strom, z.B. zum Betrieb eines Gerätes, verbraucht
werden. Die genannten Verluste seien jedoch unstreitig kein Verbrauch. Die Klägerin
könne auch nicht als Letztverbraucher besteuert werden, so dass eine Anwendung des
§ 5 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative StromStG nicht in Betracht komme. Nach den
Bestimmungen des StromStG gebe es nur ein Versorgungsnetz, das nicht in
verschiedene Teilnetze aufgeteilt werden könne. Zur Ermittlung von Verlusten könnten
Schätzungen, Pauschalierungen oder Erfahrungswerte herangezogen werden. Im
Streitfall sei eine tatsächliche Verständigung erfolgt. Nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch erfasse der Begriff des Versorgungsnetzes nicht nur die bloße
Fremdversorgung, sondern auch die Selbstversorgung über betriebsinterne
Stromnetze. Schließlich fehle es für eine Aufteilung ihres Versorgungsnetzes nach
verschiedenen Betriebsstätten an einer gesetzlichen Grundlage und an einem
handhabbaren Maßstab.
Entscheidungsgründe
7 II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der
Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten
Gelegenheit zur Stellungnahme. In seinem Schreiben vom 12. Januar 2016 hat das
HZA an seinem Wunsch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung
festgehalten und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Einstufung des
kompletten Stromnetzes eines Versorgers als Versorgungsnetz zu einer nicht
gerechtfertigten Privilegierung von Versorgern führe. Durch geringfügige
Stromleistungen an einen Dritten könnten diese ihre Netzverluste steuerfrei stellen.
Die Klägerin ist dem Vorbringen des HZA unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 FGO
entgegengetreten.
8 Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das HZA hat zu Unrecht auf
die in der Höhe unstrittigen Umspann- und Leitungsverluste Stromsteuer erhoben. Für
die als Verluste geltend gemachten Strommengen ist eine Stromsteuer durch
Entnahme aus dem Versorgungsnetz nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG nicht
entstanden.
9 1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG entsteht die Steuer dadurch, dass vom im
Steuergebiet ansässigen Versorger geleisteter Strom durch Letztverbraucher im
Steuergebiet dem Versorgungsnetz entnommen wird und dadurch, dass der
Versorger dem Versorgungsnetz Strom zum Selbstverbrauch entnimmt. In beiden
Alternativen setzt die Tatbestandserfüllung den Realakt der Entnahme der
verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Transportmedium voraus
(Senatsbeschluss vom 31. Januar 2008 VII B 79/07, BFH/NV 2008, 1013). Dies
entspricht der Systematik der anderen Verbrauchsteuergesetze und der
Ausgestaltung der besonderen Verbrauchsteuern als Realaktsteuern, bei denen die
Entstehung der Steuer an einen tatsächlichen Vorgang oder an einen Zustand knüpft
(F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, 2. Aufl., Rz 91, und Förster,
Die Verbrauchsteuern, S. 67, sowie Senatsurteil vom 10. November 2009
VII R 39/08, BFHE 227, 546). Die Stromsteuer weist allerdings die Besonderheit auf,
dass bei ihr die Entnahme in den steuerrechtlich freien Verkehr und der Verbrauch
zeitlich zusammenfallen. Damit ist die vom Gesetzgeber intendierte Folge verbunden,
dass Leitungsverluste, die beim Strom in nicht unerheblichem Umfang regelmäßig
auftreten, steuerlich nicht erfasst werden (BTDrucks 14/40, S. 11). In der
Gesetzesbegründung wird zudem darauf hingewiesen, dass die Anknüpfung an das
letzte Stadium des Umgangs mit einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware deshalb
sinnvoll ist, weil sich bei der Elektrizität der Eintritt in den Wirtschaftskreislauf
ausschließlich in ihrem Verbrauch manifestiert.
10 Demnach kann von einer Entnahme i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG nur dann
ausgegangen werden, wenn der Steuergegenstand Strom (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1
StromStG) zugleich einer eliminierenden Nutzung zugeführt wird. Erforderlich ist eine
von einem entsprechenden Willen getragene menschliche Handlung, weshalb keine
Entnahme des Stroms vorliegt, wenn dieser ohne menschliches Zutun --z.B. infolge
einer Beschädigung des Versorgungsnetzes-- in den steuerrechtlich freien Verkehr
tritt und damit verlustig geht (Jatzke, Die Stromsteuer – eine Anomalie im
bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuerrecht, Deutsche Steuer-Zeitung 1999,
520, 524; im Ergebnis ebenso Khazzoum in Khazzoum/Kudla/Reuter, Energie und
Steuern, S. 41, und Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/ Schröer-Schallenberg,
EnergieStG, StromStG, § 5 StromStG Rz 5). Auch Umspann- und Leitungsverluste
entstehen ohne menschliches Zutun. Zudem führen sie nicht zu einer eliminierenden
Nutzung des Stroms i.S. einer zielgerichteten und auf ein tatsächliches Handeln
beruhenden Verwendung.
11 Aufgrund dieser Vorgaben käme entgegen der Intention des Gesetzgebers eine
Besteuerung von Umspann- und Leitungsverlusten nur dann in Betracht, wenn der
Zeitpunkt der Entnahme der entsprechenden Strommengen aus dem
Versorgungsnetz auf einen Zeitpunkt vorverlegt werden könnte, zu dem die Verluste
noch nicht entstanden sind, so dass der Realakt der Entnahme und der eigentliche
Verbrauch des in einem Netz weitergeleiteten Stroms zeitlich auseinanderfallen. Nur
in diesem Fall wären die nach der Steuerentstehung auftretenden Verluste für die
Höhe der Steuerschuld unbeachtlich. In diesem Zusammenhang kommt der
räumlichen Ausdehnung des Versorgungsnetzes entscheidende Bedeutung zu. Im
Fall seiner Erstreckung bis zu den einzelnen Verbrauchsstellen wäre für eine
Besteuerung von Umspann- und Leitungsverlusten kein Raum.
12 2. Im Streitfall ist davon auszugehen, dass das von der Klägerin genutzte
Versorgungsnetz alle Leitungen und Umspannvorrichtungen erfasst, so dass für die
von ihr geltend gemachten Umspann- und Leitungsverluste keine Stromsteuer
entstanden ist. Die vom HZA vertretene Rechtsansicht, nach der in den Fällen des
ausschließlichen Selbstverbrauchs durch Versorger die Steuer durch eine Entnahme
aus dem Versorgungsnetz bereits im Zeitpunkt der Einspeisung des Stroms in das
betriebliche Netz einer Betriebsstätte entstanden sein soll, findet keine Stütze in den
stromsteuerrechtlichen Bestimmungen.
13 a) Der Begriff des in § 5 StromStG genannten Versorgungsnetzes wird weder im
StromStG noch in der StromStV näher definiert. Zu Recht hat das FG ausgeführt,
dass die in § 3 Nr. 2 EnWG festgelegte Definition, nach der sich das Versorgungsnetz
aus Übertragungs- und Elektrizitätsverteilernetzen zusammensetzt, nicht auf das
StromStG übertragen werden kann. Wie die Regelung in § 3 Nr. 17 EnWG belegt,
geht das EnWG davon aus, dass Energieversorgungsnetze der Verteilung von
Energie an Dritte, d.h. Letztverbraucher, dienen. Demgegenüber sieht das StromStG
die Verteilung von Strom auch an Versorger vor. Nach § 1 Abs. 1 und 2 EnWG
verfolgt das EnWG u.a. die Ziele einer möglichst sicheren, preisgünstigen,
verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen
Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas sowie der Regulierung der
Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze mit den Zielen der Sicherstellung eines
wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und
Gas. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung sind die Bestimmungen des der
Abgabenerhebung dienenden StromStG nach stromsteuerrechtlichen
Gesichtspunkten auszulegen.
14 b) Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG ist vom Bestehen eines
einzigen Versorgungsnetzes auszugehen, denn nach dieser Vorschrift entsteht die
Steuer durch Entnahme von Strom aus
dem
Versorgungsnetz und nicht aus einem
Versorgungsnetz. Differenzierungen nach einzelnen Teilen des Versorgungsnetzes
oder nach mit einer Stromleitung verbundenen Betriebsstätten sieht das StromStG
nicht vor. Danach wäre ein Verständnis des in § 5 StromStG genannten
Versorgungsnetzes zu eng, nach dem ein solches nur dann vorliegt, wenn Strom von
einem Versorger Letztverbrauchern oder anderen Versorgern geleistet wird. Eine
Negativabgrenzung des Begriffs des Versorgungsnetzes lässt sich aus der
Bestimmung für Eigenerzeuger ableiten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 StromStG entsteht
die Steuer bei Eigenerzeugern nach § 2 Nr. 2 StromStG vorbehaltlich Satz 1 mit der
Entnahme von Strom zum Selbstverbrauch. Demnach geht der Gesetzgeber
offensichtlich davon aus, dass Eigenerzeuger kein Versorgungsnetz unterhalten.
Allerdings gilt der für den Fall der Eigenerzeugung normierte
Steuerentstehungstatbestand aufgrund des Vorbehalts nicht für Eigenerzeuger, die
zugleich Versorger sind. Sofern diese Versorger Strom zum Selbstverbrauch
benötigen, entnehmen sie diesen dem Versorgungsnetz, so dass die Steuer nach § 5
Abs. 1 Satz 1 StromStG entsteht.
15 Ebenso wie diese Unternehmen können auch Versorger ohne Eigenerzeugung dem
Versorgungsnetz Strom zum Selbstverbrauch entnehmen. Unterhält der Versorger
mehrere Betriebsstätten mit entsprechenden Verbrauchsstellen, gehören sämtliche
Leitungen und Umspannvorrichtungen zum Versorgungsnetz, und zwar unabhängig
davon, ob in den Betriebsstätten Strom von Dritten oder vom Versorger selbst
entnommen wird. Auch die Leitungen auf dem Gelände eines Versorgers gehören
zum Versorgungsnetz (Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-
Schallenberg, a.a.O., § 5 StromStG Rz 8). Entscheidend ist somit, dass ein
Leitungsnetz, um Versorgungsnetz zu sein, nicht wie bei Eigenerzeugern
ausschließlich dem Eigenverbrauch dient, was bei einem Versorger, der Strom nicht
nur verbraucht, sondern auch aufgrund vertraglicher Beziehungen leistet (§ 2 Nr. 1
StromStG), regelmäßig ausgeschlossen werden kann. Ein Versorger, der Strom dem
Versorgungsnetz zum Selbstverbrauch entnimmt, wird damit auch nicht zum
Letztverbraucher. Vielmehr schließen sich die Begriffe Versorger und
Letztverbraucher aus, denn der Versorger kann grundsätzlich nicht mit sich selbst
kontrahieren und an sich selbst leisten. Lediglich in den in § 1a StromStV geregelten
Fällen können Versorger aufgrund einer gesetzlichen Fiktion als Letztverbraucher
angesehen werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt im Streitfall jedoch nicht vor, so
dass in Bezug auf die Umspann- und Leitungsverluste eine Steuerentstehung nur
nach § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative StromStG in Betracht kommt, dessen
Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind.
16 c) Im Übrigen setzt sich das HZA mit seiner Rechtsauffassung in Widerspruch zur
Berücksichtigung von Umspannverlusten auf der Niederspannungsebene, die erst
nach dem vertraglich mit dem Versorger vereinbarten Übergabepunkt innerhalb eines
Objektnetzes und damit nach Verwaltungsansicht außerhalb des Versorgungsnetzes
auftreten. Nach der hierzu ergangenen Verwaltungsanweisung (Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Juli 2000 III A 1 - V 4250 - 21/00,
Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung N 342000 Nr. 301) sollen die bei
der Umspannung von der Mittelspannungsebene auf die Niederspannungsebene im
Objektnetz entstehenden Verluste unberücksichtigt bleiben. Dagegen sollen solche
Umspannverluste im Streitfall der Stromsteuer unterworfen werden, obwohl es sich
auch in diesem Fall nach der Ansicht der Finanzbehörde um ein außerhalb des
eigentlichen Versorgungsnetzes betriebenes innerbetriebliches Leitungsnetz handelt.
Ein sachgerechter Grund für eine solche Differenzierung nach Spannungsebenen ist
nicht ersichtlich.
17 Ausweislich des vom FG in Bezug genommenen Prüfungsberichts vom 12. Januar
2010 führen die Werke (Betriebsstätten) eigenverantwortlich betriebsinterne
Anschreibungen über die Strombezugsmengen der jeweiligen Verbrauchsstellen
sowie über die verbrauchten bzw. abgegebenen Mengen. Daher geht der erkennende
Senat davon aus, dass die Klägerin, wie sie in ihrem Schreiben vom 28. November
2011 selbst vorträgt und was vom HZA nicht in Abrede gestellt worden ist,
Strommengen zur Versteuerung angemeldet hat, die sie an den Verbrauchsstellen
des Betriebsnetzes der jeweiligen Betriebsstätte entnommen hat, so dass sich im
Streitfall die Frage nach der stromsteuerrechtlichen Behandlung von
Leitungsverlusten in Objekt- oder Arealnetzen nicht stellt. Anhaltspunkte für
vorgelagerte Übergabepunkte sind nicht ersichtlich.
18 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.