Urteil des BFH vom 06.10.2015

Entlastungsantrag nach § 51 Abs. 1 EnergieStG beinhaltet nicht zugleich einen Entlastungsantrag nach § 54 Abs. 1 EnergieStG

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.10.2015, VII R 16/14
Entlastungsantrag nach § 51 Abs. 1 EnergieStG beinhaltet nicht zugleich einen
Entlastungsantrag nach § 54 Abs. 1 EnergieStG
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 30. Januar
2014 14 K 1414/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes und betreibt zur Herstellung von PVC-Produkten Werke an
den Standorten X, Y, Z und A. Am Standort X setzt sie eine Anlage ein, in der die durch
Verbrennung von Erdgas erzeugte Wärme zur Spaltung von Dichlorethan in
Vinylchlorid und Chlorwasserstoff verwendet wird. Mit insgesamt neun Anträgen
beantragte die Klägerin für den Zeitraum von August 2006 bis September 2008 für
diesen Standort eine Entlastung von der Energiesteuer für bestimmte Prozesse und
Verfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG,
hier und im Folgenden in der in den Streitjahren geltenden Fassung).
2 Mit der Begründung, die Energieerzeugnisse würden von der Klägerin nicht gleichzeitig
zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken denn als Heiz- oder Kraftstoffe verwendet,
lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) die Anträge mit
zwei zusammengefassten Bescheiden vom 17. Dezember 2009 und einem weiteren
Bescheid vom 20. April 2010 ab. Daraufhin beantragte die Klägerin mit zwei getrennten
Anträgen vom 26. Februar und 11. Mai 2010 die Berücksichtigung der für den
genannten Zeitraum und das Werk X beantragten Mengen nach § 54 Abs. 2 Nr. 2
EnergieStG. Mit Bescheiden vom 9. und 28. Juli 2010 lehnte das HZA auch diese
Anträge ab, weil nach seiner Auffassung die Antragsfrist abgelaufen sei.
3 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die
angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, weil die Klägerin innerhalb der Antragsfrist
des § 100 Abs. 1 Satz 3 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV)
keinen ausdrücklichen Entlastungsantrag nach § 54 EnergieStG gestellt habe. Für die
Kalenderjahre 2006, 2007 und 2008 hätten die Anträge bis zum 31. Dezember des
jeweiligen Folgejahres gestellt werden müssen. Dies habe die Klägerin jedoch
unterlassen. Die Anträge vom 26. Februar und 11. Mai 2010 hätten darüber hinaus
nicht den Formerfordernissen entsprochen, denn die Klägerin habe die
Steuerentlastung nicht auf dem hierfür vorgeschriebenen Vordruck beantragt. Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO)
komme nicht in Betracht. Die fristgerecht gestellten Anträge nach § 51 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. d EnergieStG könnten nicht in Anträge nach § 54 EnergieStG umgedeutet
werden. Gegen die Möglichkeit einer Umdeutung spreche der Umstand, dass für die
verschiedenen Entlastungsanträge unterschiedliche amtliche Vordrucke zu verwenden
seien. Bei einem Antrag nach § 51 EnergieStG habe der Antragsteller zusätzlich eine
Beschreibung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit sowie gegebenenfalls eine
Betriebserklärung vorzulegen. Die Formulare seien zudem nicht austauschbar. Bei
einem wörtlichen Verständnis der Antragsformulare sei ein Antrag nach § 51
EnergieStG kein Antrag nach § 54 EnergieStG. Die Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH), nach der ein Antrag nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 des
Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) grundsätzlich von Rechts wegen einen
Antrag nach § 25a MinöStG 1993 einschließe (Senatsurteil vom 8. Juni 2010
VII R 37/09, BFH/NV 2010, 2122), könne auf den Streitfall ebensowenig übertragen
werden wie die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den zollrechtlichen
Entlastungstatbeständen der Art. 236 bis 239 des Zollkodex (Urteil des Gerichtshofs
der Europäischen Union Söhl & Söhlke vom 11. November 1999 C-48/98,
EU:C:1999:548, und BFH-Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 99/00, BFHE 206, 495,
Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2005, 15).
4 Gleichwohl habe der Senat Bedenken, ob dieses Ergebnis --insbesondere unter
Berücksichtigung der in den Streitjahren bestehenden Unsicherheiten in der mineralöl-
und energiesteuerrechtlichen Bewertung der Vorgänge in der Vinylchloridanlage--
sachgerecht und verhältnismäßig sei und dem Sinn und Zweck des Gesetzes
tatsächlich gerecht werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin bei
einer wohl gebotenen parallelen Antragstellung widersprüchlich hätte verhalten
müssen, denn die Entlastungen nach § 51 und § 54 EnergieStG könnten nur alternativ
in Anspruch genommen werden.
5 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine rechtsfehlerhafte Auslegung ihrer
Entlastungsanträge. Tatsächlich seien die Voraussetzungen des § 100 EnergieStV
erfüllt worden. Dem Formzwang sei lediglich die Steueranmeldung, nicht jedoch der
Antrag unterworfen. Zumindest konkludent habe sie fristgerecht Anträge nach § 54
EnergieStG gestellt, denn § 51 EnergieStG sei ein speziellerer Entlastungstatbestand
für das Produzierende Gewerbe. Konkludent werde mit einem solchen Antrag zum
Ausdruck gebracht, dass hilfsweise die Grundentlastung für das Produzierende
Gewerbe begehrt werde. Der mit dem HZA geführte Schriftverkehr, nach dem das
HZA ihren entsprechenden Willen erkannt habe, belege diese Auffassung. Dem BFH-
Urteil in BFH/NV 2010, 2122 sei zu entnehmen, dass antragstellende
Wirtschaftsunternehmen schutzbedürftig seien, wenn wie im Streitfall erhebliche
Unsicherheiten in Bezug auf die konkrete Vorgehensweise zur Erlangung des
größtmöglichen Steuervorteils bestünden. Nicht hinreichend gewürdigt habe das FG
den Umstand, dass sie für ihre Standorte Z und A die Steuerentlastung auf dem hierfür
vorgeschriebenen Formular beantragt habe. Es müsse ausreichen, wenn zumindest
für einen Standort die Pflicht zur Verwendung eines solchen Vordrucks erfüllt werde,
weshalb für den Standort X eine ergänzende Steueranmeldung formlos hätte
abgegeben werden können.
6 Die Klägerin beantragt die Aufhebung des Urteils des FG sowie das HZA zu
verpflichten, ihr unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen für
den Zeitraum von August 2006 bis September 2008 für den Standort X eine
Energiesteuerentlastung nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 EnergieStG in Höhe von insgesamt
633.922,06 EUR zu gewähren.
7 Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8 Es weist darauf hin, dass die Klägerin form- und fristgerechte Anträge nach § 51 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. d EnergieStG und hilfsweise nach § 54 EnergieStG für die Standorte A
und Z gestellt habe. Nur für den Betriebsteil X sei zunächst kein ausdrücklicher Antrag
nach § 54 EnergieStG gestellt worden. Anträge nach § 51 EnergieStG könnten nicht in
solche nach § 54 EnergieStG umgedeutet werden, denn wesentliche Unterschiede
bestünden hinsichtlich der rechtlichen und formellen Voraussetzungen --insbesondere
hinsichtlich des berechtigten Personenkreises, der konkreten Verwendungszwecke
und der Berechnung-- sowie in Bezug auf die Entlastungssätze. Die Formvorschriften
gölten sowohl für den Antrag als auch für die Steueranmeldung. Eine Trennung von
Wissens- und Willenserklärung solle faktisch ausgeschlossen werden. Die BFH-
Entscheidung in BFH/NV 2010, 2122 könne auf den Streitfall, in dem die Entlastung
nicht ausschließlich an das Verheizen eines Energieerzeugnisses anknüpfe, nicht
übertragen werden. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei § 51 EnergieStG um eine
mit dem Energiesteuerrecht neu geschaffene Vorschrift handele, die Vergütungsfälle
des Mineralölsteuerrechts nur teilweise erfasse. Die in den Anträgen für die Standorte
A und Z gestellten Anträge enthielten keine Verbrauchsmengen des Betriebsteils X.
Einen formlosen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO
habe die Klägerin nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
9 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das
angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die
Klägerin hat keinen Entlastungsanspruch nach § 54 EnergieStG, weil sie
entsprechende Anträge nicht innerhalb der in § 100 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV
festgelegten Frist gestellt hat.
10 1. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag für die
näher bezeichneten Energieerzeugnisse (einschließlich Erdgas) gewährt, die
nachweislich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EnergieStG versteuert worden sind und von
einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 des
Stromsteuergesetzes (StromStG) oder von einem Unternehmen der Land- und
Forstwirtschaft i.S. des § 2 Nr. 5 StromStG zu betrieblichen Zwecken verheizt oder in
begünstigten Anlagen nach § 3 EnergieStG verwendet worden sind.
Entlastungsberechtigt ist nach § 54 Abs. 4 EnergieStG derjenige, der die
Energieerzeugnisse verwendet hat. Hinsichtlich des Entlastungsverfahrens enthält
§ 100 EnergieStV nähere Vorgaben. Danach ist die Steuerentlastung nach § 54
EnergieStG bei dem Hauptzollamt, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen
Geschäftssitz hat, mit einer Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck für
alle Energieerzeugnisse zu beantragen, die innerhalb eines Entlastungsabschnitts
verwendet worden sind, der gemäß § 100 Abs. 2 EnergieStV nach Wahl des
Antragstellers einen Zeitraum von einem Kalenderjahr, einem Kalendervierteljahr oder
einem Kalenderhalbjahr betragen kann. Die Steuerentlastung wird nur gewährt, wenn
der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres, das auf das Kalenderjahr
folgt, in dem der Steuerentlastungsanspruch entstanden ist, beim Hauptzollamt
gestellt wird (§ 100 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV).
11 Nach den Feststellungen des FG, gegen die die Revision keine Verfahrensrügen
erhoben hat und die deshalb für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO
bindend sind, hat die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum vor dem
jeweiligen Ablauf der in § 100 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV bezeichneten Frist keinen
Antrag unter Verwendung des vorgeschriebenen Vordrucks Nr. 1118 (Antrag auf
Steuerentlastung für Unternehmen --§ 54 EnergieStG--) gestellt. Vielmehr hat sie
fristgerecht nur Anträge unter Verwendung des amtlichen Vordrucks Nr. 1115 (Antrag
auf Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren --§ 51 EnergieStG--)
eingereicht. Sofern sie mit Schreiben vom 26. Februar und 11. Mai 2010 ohne
Verwendung des amtlichen Vordrucks Nr. 1118 Anträge auf eine Steuerentlastung
nach § 54 EnergieStG gestellt hat, sind diese außerhalb der genannten Antragsfrist
beim HZA eingegangen.
12 2. Entgegen der Auffassung der Klägerin schließt ein Antrag nach § 51 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. d EnergieStG nicht von Rechts wegen einen Antrag nach § 54 EnergieStG
ein. Auch eine entsprechende Umdeutung kommt im Streitfall nicht in Betracht.
13 a) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf
Antrag gewährt für Energieerzeugnisse, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9,
Nr. 10 oder Abs. 3 Satz 1 EnergieStG versteuert worden sind und von einem
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 StromStG in der
näher bezeichneten Fassung gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken
als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet worden sind. Entlastungsberechtigt ist nach
§ 51 Abs. 2 EnergieStG derjenige, der die Energieerzeugnisse verwendet hat.
Hinsichtlich des Entlastungsverfahrens enthält § 95 EnergieStV nähere Vorgaben.
Danach ist die Steuerentlastung nach § 51 EnergieStG beim zuständigen
Hauptzollamt mit einer Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck für alle
Energieerzeugnisse zu beantragen, die innerhalb eines Entlastungsabschnitts
verwendet worden sind, der gemäß § 95 Abs. 2 EnergieStV nach Wahl des
Antragstellers einen Zeitraum von einem Kalenderjahr, einem Kalenderhalbjahr oder
einem Kalendervierteljahr betragen kann. Die Steuerentlastung wird nur gewährt,
wenn der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres, das auf das
Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerentlastungsanspruch entstanden ist, beim
Hauptzollamt gestellt wird (§ 95 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV).
14 b) Beantragt ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes wie im Streitfall eine
Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG, macht es damit
geltend, die in der Anmeldung angegebenen Energieerzeugnisse nicht ausschließlich
zu Heizzwecken, sondern auch zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff
verwendet zu haben. Dagegen enthält ein Antrag auf Energiesteuerentlastung nach
§ 54 EnergieStG konkludent die Erklärung, dass die in der Anmeldung aufgeführten
Energieerzeugnisse ausnahmslos zu betrieblichen Zwecken verheizt worden sind.
Bereits aufgrund dieser Unterschiede haben die Anträge keinen identischen
Erklärungsinhalt. Vielmehr schließen sich die Anträge aus. Zudem ist zu
berücksichtigen, dass für beide Anträge unterschiedliche amtliche Vordrucke
vorgesehen sind, die keinen identischen Inhalt aufweisen. Zudem ist bei der
Berechnung einer nach § 54 EnergieStG begehrten Steuerentlastung der nach § 54
Abs. 3 EnergieStG vorgeschriebene Selbstbehalt abzuziehen, der im
streitgegenständlichen Zeitraum pro Kalenderjahr 205 EUR betrug.
15 In Anbetracht der aufgezeigten Unterschiede lässt sich das Senatsurteil in BFH/NV
2010, 2122 nicht auf den Streitfall übertragen, weil ein amtlicher Vordruck für einen
Entlastungsanspruch nach § 25a MinöStG 1993 in jenem Streitjahr noch nicht
existierte und die Entlastungstatbestände des § 25 Abs. 1 Nr. 5 und des § 25a
MinöStG 1993 in Bezug auf die konkrete Verwendung des Mineralöls deckungsgleich
waren. In beiden Fällen wurde die Verwendung der Mineralöle zu identischen
Zwecken vorausgesetzt.
16 c) Mit ihren frist- und formgerecht gestellten Anträgen nach § 51 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. d EnergieStG hat die Klägerin unter Berücksichtigung der dargestellten
Grundsätze nicht zugleich auch Anträge nach § 54 EnergieStG gestellt. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass sie --wie sie in der Revisionsbegründung unstreitig gestellt hat--
für ihre Standorte A und Z einen Antrag nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG
und hilfsweise frist- und formgerecht auch einen Antrag nach § 54 EnergieStG gestellt
hat. Nur für die am Standort X betriebene Vinylchloridanlage hat sie eine
Antragstellung nach § 54 EnergieStG unterlassen. Dass ihr die Stellung eines solchen
Hilfsantrags nicht möglich gewesen sein soll, ist weder vorgetragen worden noch
ersichtlich. Zudem nimmt die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung ausdrücklich auf
die Beantwortung einer an das HZA gerichteten Sachstands-Anfrage vom 11. Mai
2007 Bezug, in der das HZA u.a. darauf hinweist, dass der Antrag nach § 51
EnergieStG nach der derzeitigen Rechtslage bis zur Entscheidung im Klageverfahren
nicht bearbeitet werden könne und dass um einen entsprechenden Antrag gebeten
werde, sofern eine den bisherigen Verfahren entsprechende Bearbeitung gewünscht
werde. Trotz dieses Hinweises ist die Klägerin untätig geblieben und hat einen
Entlastungsantrag nach § 54 EnergieStG nicht gestellt. Bei diesem Befund scheidet
eine Umdeutung des nach § 51 EnergieStG gestellten Entlastungsantrags aus.
17 d) Ein Antrag nach § 54 EnergieStG für den Standort X war im Streitfall nicht deshalb
entbehrlich, weil die Klägerin bereits solche Anträge für andere Standorte gestellt
hatte. Nach § 54 Abs. 4 EnergieStG ist derjenige entlastungsberechtigt, der die
Energieerzeugnisse verwendet hat. Der Antrag nach § 54 EnergieStG ist daher vom
Verwender, d.h. vom begünstigten Unternehmen zu stellen. Dabei kann das
begünstigte Unternehmen in seinen Antrag mehrere Anlagen --auch an
verschiedenen Standorten-- einbeziehen. Ein Erfordernis, für jede Anlage einen
gesonderten Antrag stellen zu müssen, lässt sich den gesetzlichen Bestimmungen
nicht entnehmen, auch wenn in der Praxis --wie der Streitfall belegt-- begünstigte
Unternehmen anlagenbezogene Anträge stellen. Nach dem Wortlaut des § 54
EnergieStG wird jedoch nicht das antragstellende Unternehmen als Ganzes entlastet,
sondern die Entlastung wird für bestimmte Energieerzeugnisse gewährt, deren
konkrete Verwendung der Antragsteller nachzuweisen hat. Daher reicht es nicht aus,
dass für das Unternehmen als solches ein Entlastungsantrag "auf Vorrat" ohne
konkrete Angaben über die Art und Menge sowie den Verwendungszweck der
eingesetzten Energieerzeugnisse und über die Verwendungsorte gestellt wird.
Vielmehr ergibt sich das Erfordernis, in den Entlastungsanträgen bereits grundlegende
Angaben zu machen, die den Gegenstand des Begehrens im Kern bezeichnen und
den Finanzbehörden eine Prüfung der Entlastungsvoraussetzungen ermöglichen.
Daher ist in den Anträgen nach den §§ 51 und 54 EnergieStG regelmäßig neben der
Art und der Menge der eingesetzten Energieerzeugnisse sowohl der
Entlastungszeitraum als auch ein bestimmter Ort anzugeben, auf den sich die
beantragte Entlastung bezieht, wobei die Vollständigkeit dieser Angaben auch durch
den Inhalt der zu verwendenden Vordrucke Nr. 1115 und 1118 gewährleistet werden
soll. Daher kann ein Antrag nach § 54 EnergieStG, der für einen bestimmten Standort
unter Angabe der an diesem Standort eingesetzten Art und Menge an
Energieerzeugnissen gestellt worden ist, nach Ablauf der Antragsfrist nicht
nachträglich um eine weitere Anlage an einem anderen Standort ergänzt werden.
Dabei kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Streitfalls
offenbleiben, ob ein fristgerechter Antrag hinsichtlich anderer Umstände, wie z.B.
nachträglich erkannter Fehler bei der Mengenermittlung der verwendeten
Energieerzeugnisse, korrekturfähig wäre und ob hierfür die vorgeschriebenen
amtlichen Vordrucke zu verwenden wären. Auch bedarf es keiner Entscheidung
darüber, ob im Streitfall einer Änderung bzw. Ergänzung der nach § 54 EnergieStG
fristgerecht gestellten Anträge der Eintritt der Festsetzungsverjährung
entgegenstünde.
18 e) Entgegen der Ansicht der Klägerin hätte das HZA bei verständiger Würdigung ihres
Begehrens die nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG gestellten Anträge nicht
zugleich als zumindest hilfsweise gestellte Anträge nach § 54 EnergieStG deuten
müssen.
19 Ausweislich des Prüfberichts vom 3. August 2005 war dem HZA bekannt, dass die
Klägerin an dem Standort X eine Anlage betrieb, in der sie die durch das Verbrennen
von Erdgas in einem Spaltofen erzeugte Wärme zur Herstellung von Vinylchlorid
durch endotherme Spaltung von Dichlorethan verwendete. Damit ist davon
auszugehen, dass dem HZA sowohl die genauen Betriebsverhältnisse als auch die
Erfüllung der Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG (Verheizen von
genau bezeichneten Erdgasmengen zu betrieblichen Zwecken durch ein
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes) bekannt gewesen sind. Unsicherheiten
in der energiesteuerrechtlichen Beurteilung bestanden lediglich hinsichtlich der Frage,
ob ein ausschließliches Verheizen vorlag oder ob das von der Klägerin in der
Vinylchloridanlage eingesetzte Erdgas in einem sog. "dual-use-Prozess" Verwendung
fand, so dass zugleich die Voraussetzungen für eine vollständige Steuerentlastung
erfüllt gewesen sind. Zur Klärung dieser Frage war eine Klage beim FG Düsseldorf
anhängig. Gleichwohl konnte das HZA aufgrund des bisherigen Verhaltens der
Klägerin davon ausgehen, dass ihr die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54
EnergieStG bewusst gewesen ist, wie die für die anderen Standorte gestellten
Anträge belegen. Auch konnte das HZA daraus schließen, dass es sich bei der
unterlassenen Antragstellung nicht etwa um ein Versehen, sondern um eine
unternehmerische Entscheidung gehandelt hat, zumal die Klägerin in Bezug auf die
Erlangung einer Grundentlastung auf eine andere Bearbeitungsmöglichkeit
ausdrücklich hingewiesen worden ist. Es bestand für das HZA somit keine
Veranlassung, die Bearbeitung der ausdrücklich nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
EnergieStG gestellten Anträge unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung nach § 54
EnergieStG fortzusetzen. Im Übrigen kann vom jeweils zuständigen Hauptzollamt
grundsätzlich nicht verlangt werden, dass es ohne bestimmte Anträge des
Entlastungsberechtigten die vorliegenden Unterlagen daraufhin überprüft, ob von
diesem noch weitere energiesteuerrechtliche Entlastungsansprüche geltend gemacht
werden könnten.
20 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.