Urteil des BFH vom 10.03.2015

Eingeschränkte Befugnis von Hausverwaltern zur Hilfeleistung in Steuersachen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.3.2015, VII R 12/14
Eingeschränkte Befugnis von Hausverwaltern zur Hilfeleistung in Steuersachen
Leitsätze
§ 4 Nr. 4 StBerG erlaubt nur eine Hilfeleistung in Steuersachen "hinsichtlich des Vermögens"
und der daraus erzielten Einkünfte. Bei einem Hausverwalter umfasst dies nicht die Erstellung
oder Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen sowie der Umsatzsteuererklärung. Insofern sind nur Vorarbeiten
zulässig, die sich auf die Einkünfte bzw. Umsätze aus dem die Hausverwaltung betreffenden
Mietwohngrundstück beschränken.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 27. November
2013 3 K 649/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Immobilienmakler, Hausverwalter und
öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter tätig. Mit Frau S und Frau D schloss er einen
Hausverwaltervertrag über ein Mietwohngrundstück. Eigentümerin des Grundstücks war
eine aus Frau S und Frau D bestehende Grundstücksgemeinschaft. Nach dem
Hausverwaltervertrag übernahm der Kläger gegen gesondert zu vereinbarende Gebühren
auch die "gesonderte Jahresabrechnung" sowie die "Feststellung der Einkünfte aus
Vermietungen und Verpachtungen für die Steuererklärungen, soweit sie das
Verwaltungsobjekt betreffen".
2 Im Jahr 2009 reichte die Grundstücksgemeinschaft die Erklärung zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie die Umsatzsteuer-
Jahreserklärung für 2008 ein. Der Kläger hatte hieran mitgewirkt und berechnete für die
Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie für die Erstellung der
Steuererklärungen gesonderte Gebühren. Die Steuererklärungen wurden von dem
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) abschließend bearbeitet.
3 Nach Eingang der Steuererklärungen für das Jahr 2009 wies das FA mit Bescheid vom
9. November 2010 den Kläger gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) als Beistand
der Grundstücksgemeinschaft zurück. Der Bescheid erstreckte sich auf den Vorwurf der
Erstellung der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen und der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2009.
4 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, bei einem
Hausverwalter sei von der beschränkten Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in
Steuersachen gemäß § 4 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) lediglich die
Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, das Ausfüllen der
entsprechenden Anlage zur Einkommensteuererklärung sowie die Beratung zu
Abschreibungsmöglichkeiten gedeckt. Die Erstellung der Erklärung über die gesonderte
und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder der Umsatzsteuer-
Jahreserklärung seien dagegen nicht erfasst. Die Entscheidungsgründe sind in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 517 veröffentlicht.
5 Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das FG habe § 4 Nr. 4 StBerG unzutreffend
ausgelegt. Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
9. November 1982 VIII R 217/79 (nicht veröffentlicht) sei eine restriktive Auslegung
abzulehnen. Folglich erfasse § 4 Nr. 4 StBerG sämtliche steuerlichen Angelegenheiten, die
mit einem zur Verwahrung übertragenen oder zu verwaltenden Vermögen verbunden
seien. Anderenfalls käme es zu wenig praktikablen und oftmals gar nicht möglichen
Differenzierungen. Im Übrigen handele es sich bei dem verwalteten Grundstück um den
einzigen Vermögensgegenstand der Grundstücksgemeinschaft.
Entscheidungsgründe
6 II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1
FGO). Das FG hat zu Recht die Entscheidung des FA bestätigt, den Kläger hinsichtlich
der Erstellung der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen und der Umsatzsteuer-Jahreserklärung als Beistand der
Grundstücksgemeinschaft zurückzuweisen.
7 1. Nach § 80 Abs. 5 AO sind Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie
geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu befugt zu sein. Im Streitfall kann
sich eine solche Befugnis allein aus § 4 Nr. 4 StBerG ergeben. Diese Regelung gilt für
Verwahrer und Verwalter fremden oder zu treuen Händen oder zu Sicherungszwecken
übereigneten Vermögens, soweit sie hinsichtlich dieses Vermögens Hilfe in
Steuersachen leisten.
8 Der BFH hat in seinem Urteil vom 9. November 1982 VIII R 217/79 entschieden, § 4 Nr. 4
StBerG sei nicht restriktiv auszulegen. Insbesondere setze die Verwaltertätigkeit keine
Verfügungsmacht über das verwaltete Vermögen voraus. Darüber hinaus sei die Hilfe in
Steuersachen nicht nur hinsichtlich des verwalteten Vermögens, sondern auch
hinsichtlich der Einkünfte aus dem verwalteten Vermögen erlaubt. Derjenige, dem der
Steuerpflichtige die Vermögensverwaltung übertragen habe, solle die steuerlichen
Angelegenheiten dieses Vermögens miterledigen können, wobei an seine steuerliche
Qualifikation keine höheren Anforderungen zu stellen seien als an die des
Steuerpflichtigen selbst. Ein Vermögen brauche im Übrigen nicht aus mehreren
Vermögensgegenständen zu bestehen.
9 2. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des VIII. Senats an. Diese
Rechtsprechung ist auch im Streitfall anwendbar. Denn entgegen der Auffassung des FG
beschränkt sie sich nicht auf amtliche Vermögensverwalter. Das FG geht insofern
unzutreffend davon aus, dass die Entscheidung vom 9. November 1982 VIII R 217/79 zu
einem Testamentsvollstrecker ergangen ist. Gegenstand war aber die rechtsgeschäftlich
vereinbarte Verwaltung eines Erbanteils, der lediglich einen durch einen
Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlass betraf. Darüber hinaus sind auch die
Umsatzsteuererklärungen nicht von vorneherein ausgenommen. Das vom FG zitierte
Senatsurteil vom 1. März 1983 VII R 27/82 (BFHE 138, 129, BStBl II 1983, 318) ist nicht
zu den sachlich und persönlich eingeschränkten Befugnissen zur Hilfeleistung in
Steuersachen nach § 4 StBerG, sondern zur vollständigen Ausklammerung bestimmter
Tätigkeiten vom Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 6 StBerG
ergangen.
10 3. Allerdings erlaubt § 4 Nr. 4 StBerG nur eine Hilfeleistung "hinsichtlich des Vermögens"
und --unter Berücksichtigung des Urteils vom 9. November 1982 VIII R 217/79-- der
daraus erzielten Einkünfte.
11 a) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, darf ein Hausverwalter deshalb den aus dem
Mietwohngrundstück erzielten Einnahmen-Ausgaben-Überschuss ermitteln, über
Abschreibungsmöglichkeiten beraten und die entsprechende Anlage zur
Einkommensteuererklärung ausfüllen. Entsprechende --auf die Einkünfte bzw. Umsätze
aus dem Mietwohngrundstück beschränkte-- Vorarbeiten sind darüber hinaus auch im
Rahmen einer Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen sowie im Rahmen von Umsatzsteuererklärungen zulässig.
12 Insbesondere ist die Befugnis nach § 4 Nr. 4 StBerG nicht allein deshalb ausgeschlossen,
weil sich die Hausverwaltung lediglich auf den einzelnen Vermögensgegenstand
Mietwohngrundstück bezieht (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 80 AO Rz 81; Riddermann/Goez in Kuhls u.a., StBerG, 3. Aufl.,
§ 4 Rz 30; a.A.: Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl. 2009, § 4 Rz 7; Rüsken in
Beermann/Gosch, AO, § 80 Rz 160; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 80 AO
Rz 337; ebenso zur Parallelregelung in Art. 1 § 5 Nr. 3 des ehemaligen
Rechtsberatungsgesetzes --RBerG-- Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom
25. Mai 1962 II L 4.62, JR 1963, 434; Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl.
2003, Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG Rz 607; Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl. 2001, Art. 1 § 5
Rz 88). Eine solche Einschränkung lässt sich der weiten Formulierung "Verwahrer und
Verwalter" in § 4 Nr. 4 StBerG nicht entnehmen, auch wenn der Hausverwalter in der für
die Rechtsberatung geltenden Parallelvorschrift des Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG zusätzlich zum
Vermögensverwalter genannt wurde (nunmehr § 5 Abs. 2 Nr. 2 des
Rechtsdienstleistungsgesetzes). Vielmehr zeigt die allgemeine Einbeziehung der
Treuhandabreden und insbesondere der Sicherungsübereignungen, dass sich die
Verwaltung nach § 4 Nr. 4 StBerG auch auf einzelne Vermögensgegenstände beziehen
darf.
13 b) Bei einem Hausverwalter ist die zulässige Hilfeleistung "hinsichtlich des Vermögens"
aber überschritten, wenn es um die Erstellung oder gar Abgabe der vollständigen
Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
oder der Umsatzsteuererklärung geht. Da sich diese Erklärungen nicht allein auf das
Grundstück beziehen, sondern auch die persönlichen Verhältnisse des
Erklärungspflichtigen und dessen weitere Tätigkeiten umfassend berücksichtigen
müssen, fehlt ein ausreichender sachlicher Zusammenhang mit der Verwaltung des
Mietwohngrundstücks und dessen Einkünften.
14 Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei dem Grundstück um den einzigen
Vermögensgegenstand des Erklärungspflichtigen handelt, wie im Streitfall bei der
Umsatzsteuererklärung, die von der Miteigentümergemeinschaft als Unternehmerin
abzugeben ist (§ 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes; hinsichtlich der Erklärung über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sind dagegen die
Miteigentümer gemäß § 181 Abs. 2 AO erklärungspflichtig, so dass bereits aus diesem
Grund die Voraussetzung eines einzigen Vermögensgegenstands des
Erklärungspflichtigen fehlt). Denn auch in solch einem Fall ist der Inhalt der
Umsatzsteuererklärung nicht allein auf das Grundstück beschränkt, sondern enthält
beispielsweise Aussagen über den Umfang des umsatzsteuerlichen Unternehmens.
Entsprechendes gälte bei der Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen, beispielsweise im Hinblick auf Aussagen über die
Gewinnverteilung und die persönlichen Werbungskosten der Beteiligten. Diese Fragen
stehen nicht in einem ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit dem verwalteten
Grundstück. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich der Umfang des Vermögens --
auch bei einer Grundstücksgemeinschaft, die zunächst nur ein Grundstück erwirbt--
jederzeit ändern kann, so dass eine Sonderregelung für den Fall, dass ein
Erklärungspflichtiger nur einen einzigen Vermögensgegenstand in seinem Vermögen
hält, zu Rechtsunsicherheit führen würde.
15 4. Die steuerlichen Pflichten sind auch nicht nach § 34 Abs. 3 AO auf den Kläger als
Hausverwalter übergegangen. Unabhängig davon, ob diese Vorschrift überhaupt auf eine
rechtsgeschäftlich übertragene Vermögensverwaltung Anwendung finden kann, sieht sie
jedenfalls eine Beschränkung auf die Reichweite der Vermögensverwaltung vor, die sich
bei einer Hausverwaltung nur auf das betreffende Grundstück beziehen kann.
16 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.