Urteil des BFH vom 20.01.2016

Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Feier eines Dienstjubiläums

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.1.2016, VI R 24/15
Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Feier eines Dienstjubiläums
Leitsätze
1. Ein Dienstjubiläum ist ein berufsbezogenes Ereignis.
2. Aufwendungen für eine betriebsinterne Feier anlässlich eines Dienstjubiläums können (nahezu) ausschließlich beruflich
veranlasst und damit als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sein, wenn
der Arbeitnehmer die Gäste nach abstrakten berufsbezogenen Kriterien einlädt.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 3. Dezember 2014 4 K 28/14
aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 16. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.
Februar 2014 insoweit abgeändert, als Aufwendungen in Höhe von 833,73 EUR als weitere Werbungskosten bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine Feier anlässlich eines 40-jährigen Dienstjubiläums als Werbungskosten bei
den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2006) als Beamter beim Finanzamt A beschäftigt. Im April
2006 beging er sein 40-jähriges Dienstjubiläum und lud aus diesem Anlass an einem Montag für die Zeit von 11 Uhr
bis 13 Uhr zu einer Feier in den Sozialraum des Finanzamtes A ein. Die Einladung richtete er per E-Mail an alle
Amtsangehörigen des Finanzamts A sowie an die in dem Amtsgebäude ebenfalls tätigen Bediensteten des
Finanzamts für Großbetriebsprüfung. Zur Bewirtung der Gäste bestellte er für 50 Personen Häppchen und kaufte
Wein und Sekt ein. Die ihm durch die Feier entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 833,73 EUR machte er im
Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
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Das Finanzamt A erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt B --FA--), in dessen Zuständigkeitsbereich der Kläger während
des Einspruchsverfahrens verzogen ist, als unbegründet zurück. Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Er beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 3. Dezember 2014 4 K 28/14 sowie die Einspruchsentscheidung vom
11. Februar 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 16. Juli 2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2014 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen für ein Dienstjubiläum
in Höhe von insgesamt 833,73 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die von dem Kläger geltend gemachten
Aufwendungen für die Feier anlässlich seines 40-jährigen Dienstjubiläums zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei
den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
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1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1
des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen
Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein
Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung
objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem
Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher
Zusammenhang besteht, ist zum einen die --wertende-- Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen
"auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre. Dabei bilden die Gründe, die den Steuerpflichtigen zu den Aufwendungen bewogen haben, das
auslösende Moment (Senatsurteil vom 8. Juli 2015 VI R 46/14, BFHE 250, 392, BStBl II 2015, 1013).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu klären, ob und in welchem Umfang die von einem Arbeitnehmer für die
Durchführung einer Veranstaltung oder Feier getragenen Kosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit in Abzug gebracht werden können.
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a) Für die danach erforderliche Beurteilung, ob die Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, ist nach der
Rechtsprechung des Senats in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Indes ist der Anlass einer Feier nur
ein erhebliches Indiz, nicht aber das alleinentscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen oder privaten
Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen. Trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereignisses kann sich aus
den übrigen Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Aufwendungen für die Feier beruflich veranlasst sind.
Umgekehrt begründet ein Ereignis in der beruflichen Sphäre allein nicht die Annahme, die Aufwendungen für eine
Feier seien (nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst. Denn auch diese Ereignisse werden häufig im Rahmen eines
privaten Festes unter Einschluss befreundeter Arbeitskollegen begangen. Ob die Aufwendungen Werbungskosten
sind, ist daher anhand weiterer Kriterien zu beurteilen. So ist von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die
Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter (des
Steuerpflichtigen oder des Arbeitgebers), um Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um
Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen handelt. Zu berücksichtigen ist
außerdem, an welchem Ort die Veranstaltung stattfindet, ob sich die finanziellen Aufwendungen im Rahmen
vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen bewegen und ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweist
oder ob das nicht der Fall ist (Senatsurteile vom 11. Januar 2007 VI R 52/03, BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317;
vom 1. Februar 2007 VI R 25/03, BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; vom 10. Juli 2008 VI R 26/07, BFH/NV 2008,
1831; in BFHE 250, 392, BStBl II 2015, 1013; Senatsbeschluss vom 24. September 2013 VI R 35/11, BFH/NV
2014, 500).
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b) Da Personen, die zusammen arbeiten, häufig auch private Kontakte untereinander pflegen, kann für die
Zuordnung der Aufwendungen zum beruflichen oder privaten Bereich ferner bedeutsam sein, ob nur ausgesuchte
Arbeitskollegen eingeladen werden oder ob die Einladung nach allgemeinen Kriterien ausgesprochen wird. Werden
Arbeitskollegen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten betrieblichen Einheit (z.B. alle Arbeitnehmer einer
Abteilung) oder nach ihrer Funktion, die sie innerhalb des Betriebes ausüben (z.B. alle Außendienstmitarbeiter oder
Auszubildenden), eingeladen, legt dies den Schluss nahe, dass die Aufwendungen für diese Gäste (nahezu)
ausschließlich beruflich veranlasst sind, und zwar auch dann, wenn der Steuerpflichtige zu einzelnen dieser nach
abstrakten berufsbezogenen Gründen eingeladenen Kollegen freundschaftlichen Kontakt pflegen sollte. Werden
demgegenüber nur einzelne Arbeitskollegen eingeladen, kann dies auf eine nicht nur unerhebliche private
Mitveranlassung der Aufwendungen für diese Gäste schließen lassen und ein Abzug deshalb ausscheiden
(Senatsurteil in BFHE 250, 392, BStBl II 2015, 1013).
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c) In Bezug auf den Anlass einer Feier ist zu berücksichtigen, dass ein Dienstjubiläum ein berufsbezogenes Ereignis
ist. Denn der Beschäftigte wird im Rahmen eines Dienstjubiläums für seine langjährige, treue Pflichterfüllung
gegenüber dem Dienstherrn geehrt (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz Kommentar, BBG 2009, § 84
Rz 4 ff. zur Ehrung von Dienstjubilaren im Bundesdienst). Mit dem Dienstjubiläum spricht der Dienstherr dem
Beamten Dank und Anerkennung für treu geleistete Dienste aus (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg,
Urteil vom 8. Februar 1994 4 S 2410/93, Informationsdienst Öffentliches Dienstrecht 1994, 174). Bei einem
Dienstjubiläum steht mithin die Würdigung der vom Beamten für den Dienstherrn geleisteten Dienste im
Vordergrund. Es ist damit Teil der Berufstätigkeit des Beamten.
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Dieser Erkenntnis steht der Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 500 zum "Priesterjubiläum" nicht entgegen. Denn
eine Feier aus Anlass der Priesterweihe vor 25 Jahren erinnert an das empfangene Weihesakrament und hat keinen
Berufsbezug. Durch die Priesterweihe wird der Geweihte beauftragt, in besonderer Weise dem kirchlichen Leben zu
dienen (www.bistummainz.de), nicht jedoch in ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis oder
Beschäftigungsverhältnis als Arbeitnehmer (Tarifbeschäftigter) im kirchlichen Dienst berufen.
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Auch weicht der Senat mit der Auffassung, dass ein Dienstjubiläum ein berufsbezogenes Ereignis ist, nicht vom
BFH-Urteil vom 8. März 1990 IV R 108/88 (BFH/NV 1991, 436) ab. Zwar hat der BFH dort Aufwendungen eines
Beamten anlässlich eines Dienstjubiläums als Kosten der Lebensführung und nicht als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beurteilt. Dem liegt aber nicht die Rechtsauffassung zugrunde, dass ein
Dienstjubiläum ein privates Ereignis sei. Vielmehr hat der BFH den Abzug als Werbungskosten wegen der
Besonderheiten des dortigen Streitfalls versagt. Es handelte sich bei der in dem BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 436 zu
beurteilenden Feier um eine gesellschaftliche Veranstaltung (Empfang) mit rund 250 geladenen Personen des
öffentlichen Lebens, die vom dortigen Kläger --ebenfalls einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens-- zur Erfüllung
seiner Repräsentationspflichten, die die gehobene berufliche Position mit sich brachte, ausgerichtet wurde. So
verhält es sich im Streitfall jedoch gerade nicht.
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3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Zum
einen hat es seiner Entscheidung die unzutreffende Prämisse zugrunde gelegt, dass die Begehung eines
Dienstjubiläums ein privates und kein dienstliches (berufliches) Ereignis ist. Zum anderen hat es außer Acht
gelassen, dass nach der Senatsentscheidung in BFHE 250, 392, BStBl II 2015, 1013, die das FG bei seiner
Entscheidung allerdings noch nicht kennen konnte, der Schluss naheliegt, dass Aufwendungen für eine Feier
(nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst sind, wenn nicht nur ausgesuchte Gäste aus dem beruflichen Umfeld
eingeladen, sondern die Einladungen nach abstrakten berufsbezogenen Kriterien (z.B. alle Auszubildenden, alle
Zugehörigen einer bestimmten Abteilung) ausgesprochen werden.
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4. Die Sache ist entscheidungsreif. Zwar ist der BFH grundsätzlich daran gehindert, die festgestellten Tatsachen
selbst zu würdigen. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn das FG alle für die Tatsachenwürdigung erforderlichen
Tatsachen festgestellt hat und diese Feststellungen nach den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen für
eine bestimmte Schlussfolgerung sprechen, die das FG nicht gezogen hat (BFH-Urteil vom 5. November 2013
VIII R 20/11, BFHE 243, 481, BStBl II 2014, 275; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 Rz 57).
Dies ist vorliegend der Fall.
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a) Nach den --mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen-- gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden
Feststellungen des FG beruhen die streitigen Bewirtungsaufwendungen des Klägers nicht oder in nur
unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen. Sie sind
vielmehr ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich veranlasst.
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aa) Dies folgt zum einen aus dem dienstlichen (beruflichen) Anlass der Feier. Zum anderen wird dieser Schluss von
dem Umstand getragen, dass der Kläger unterschiedslos alle Amtsangehörigen eingeladen hat.
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bb) Schließlich sind im Streitfall auch keine durchgreifenden Umstände ersichtlich, die für eine private Veranlassung
der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen streiten. Vielmehr sprechen die maßvollen Kosten (ca. 830 EUR
bei 50 Gästen), Veranstaltungsort (Sozialraum des Finanzamts) und -zeit (Montag von 11 Uhr bis 13 Uhr und damit
zumindest teilweise während der Dienstzeit) sowie die "Genehmigung" der Feier durch die Amtsleitung gegen einen
privaten Charakter der Feier.
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b) Nach den auch insoweit --mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen-- gemäß § 118 Abs. 2 FGO
bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger den streitigen Betrag für Häppchen, Sekt und Wein tatsächlich
verausgabt. Die Abzugsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG kommt
nicht zur Anwendung, wenn --wie vorliegend-- ein Arbeitnehmer aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die
Bewirtung von Arbeitskollegen trägt (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1831). Damit war der Klage im beantragten
Umfang stattzugeben.
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5. Da die Revision in der Sache Erfolg hat, kann offenbleiben, ob dem FG die von der Revision gerügten
Verfahrensfehler unterlaufen sind (dazu Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 77/12, BFHE 250, 132, BStBl II 2015,
903, m.w.N.).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.