Urteil des BFH vom 28.07.2015

Anforderungen an die Revisionsbegründung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 28.7.2015, VI R 1/15
Anforderungen an die Revisionsbegründung
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 2. Oktober
2014 15 K 2686/11 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, in welcher Höhe Arbeitslohn im Streitjahr (2008) nach § 49 Abs. 1 Nr. 4
Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu versteuern ist.
2 Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) war vom 1. Januar 2000 bis zum
6. August 2006 bei der X Deutschland AG, jetzt X Deutschland GmbH, in C als
Vorstandsmitglied beschäftigt und hatte in diesem Zeitraum seine alleinige Wohnung
in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Ab dem 7. August 2006 wechselte
er zur Y Polska SA mit Sitz in der Republik Polen. Er gab zu diesem Zeitpunkt seine
Wohnung in Deutschland auf und bezog eine Wohnung in D. Die X Deutschland
GmbH und Y Polska SA sind Tochtergesellschaften der Z S.A. mit Sitz in der
Schweiz, an deren Restricted Stock Units (RSU)-Plan der Kläger in den Jahren 2005
bis 2008 teilnahm. Im Rahmen dieses Aktienprogramms hat die Y S.A. dem Kläger
jährlich die unentgeltliche Zuwendung --jeweils einer im Jahr der Zusage durch
gesonderte Vereinbarung zu bestimmenden Anzahl-- von Aktien der Gesellschaft
zugesagt und nach Ablauf einer "Sperrfrist" unentgeltlich zugewandt. Mit Zusage vom
März 2005 wurden dem Kläger 300 Aktien der Z S.A. versprochen und am 1. März
2008 in sein Depot eingebucht. Ein Entgelt hat der Kläger dafür nicht entrichtet.
3 Da der Kläger im Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in sein Depot nicht mehr in
Deutschland beschäftigt und wohnhaft war, erteilte X Deutschland GmbH dem
zuständigen Finanzamt gemäß § 41c Abs. 4 EStG eine Anzeige über einen nicht
durchgeführten Lohnsteuerabzug. Darin teilte sie mit, dass sich zum Zuflusszeitpunkt
1. März 2008 ein in Deutschland zu versteuernder geldwerter Vorteil wie folgt ergebe:
300 Aktien zum Kurs von … CHF ergebe einen Gesamtwert von … CHF, was bei
einem Umrechnungskurs von 1 EUR = 1,5780 CHF einem Betrag von … EUR
entspreche, somit einem geldwerten Vorteil im Inland von 17/36 = … EUR. Dieses
Verhältnis errechnete sie aus einer monatsweisen Aufteilung des geldwerten Vorteils
pro Jahr im Verhältnis der Ansässigkeit des Klägers in Deutschland und der Republik
Polen.
4 Der Kläger ist Eigentümer einer in Deutschland belegenen Wohnung. Aus deren
Vermietung erklärte er gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt
--FA--) in seiner Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige
betreffend das Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von
… EUR. Weitere Einkünfte erklärte er nicht. Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom
24. Juni 2010 setzte das FA die Einkommensteuer fest, indem es den Betrag in Höhe
des o.g. geldwerten Vorteils in Höhe von … EUR und den erklärten Überschuss aus
der Vermietung "aus programmtechnischen Gründen" zusammengefasst als
Bruttoarbeitslohn in Höhe von … EUR der Einkommensteuer unterwarf.
5 Seinen dagegen eingelegten Einspruch begründete der Kläger --u.a.-- damit, dass der
im Jahr 2008 zugeflossene geldwerte Vorteil aus dem RSU-Plan bereits im vollen
Umfang in der Republik Polen versteuert worden sei.
6 Mit Einspruchsentscheidung vom 5. August 2011 setzte das FA die
Einkommensteuer wegen anderer, hier nicht streitiger Punkte auf … EUR herab und
wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
7 Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA am 29. August 2012 einen geänderten
Einkommensteuerbescheid 2008 erlassen. Darin hat es unter Beibehaltung des
Ansatzes von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein zu versteuerndes
Einkommen von … EUR errechnet. Für dieses hat es ausweislich des Bescheides
unter Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG eine Einkommensteuer in Höhe von … EUR
berechnet. Nach Abzug von Ermäßigungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und
Handwerkerleistungen hat es die Einkommensteuer sodann --aufgrund eines
Programmfehlers rechtsfehlerhaft zu niedrig-- auf … EUR festgesetzt.
8 Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte
2015, 561 veröffentlichten Gründen abgewiesen.
9 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG.
Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und
Klageverfahren.
10 Er beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 2. Oktober 2014 15 K 2686/11 und den
Einkommensteuerbescheid 2008 --zuletzt-- vom 29. August 2012 mit der Maßgabe
zu ändern, dass Einkommensteuer in Höhe von 0 EUR festgesetzt wird.
11 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
12 II. Die Revision des Klägers ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen
(§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Inhalt der
Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.
13 1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die
bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die
Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen
lassen muss, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält. Ferner muss der
Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner
Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Denn er ist
gehalten, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein
klarzustellen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 22. März 2010
VI R 10/10, BFH/NV 2010, 1295, m.w.N.). Demgemäß muss sich der
Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils
auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1295, m.w.N.).
14 2. Diesen Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung wird das
Vorbringen des Klägers nicht gerecht.
15 a) Der Kläger setzt sich nicht in der gebotenen Art und Weise mit den
Entscheidungsgründen des Urteils des FG auseinander. Die Vorinstanz hat
eingehend ausgeführt, warum der streitige Vorteil aus dem RSU-Plan --wie eine
Option auf Aktien-- als zukunftsbezogener Anreizlohn zu würdigen sei und das
Besteuerungsrecht deshalb zeitanteilig der Republik Polen und Deutschland zustehe.
Demgegenüber erschöpft sich das Vorbringen des Klägers in der
Revisionsbegründungsschrift in der --weitgehend wortlautidentischen-- Wiedergabe
des angefochtenen Urteils sowie der Wiederholung seines vorgerichtlichen und
erstinstanzlichen Vorbringens. Die Revisionsbegründung zielt im Übrigen
ausschließlich auf die tatsächliche Würdigung des FG, dass der streitige Vorteil
keinen Vergangenheits-, sondern einen Zukunftsbezug habe. Eine weitergehende
Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der Vorentscheidung findet nicht
statt. Der Kläger verkennt insoweit, dass eine ausschließlich unter dem
Gesichtspunkt der Verletzung materiellen Rechts eingelegte Revision nicht in einer
den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO genügenden Weise ausschließlich
mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung durch das FG begründet werden
kann, es sei denn, es werden Umstände bezeichnet, aus denen sich schlüssig ergibt,
dass die vom FG in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen mit den
Denkgesetzen oder mit allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 23. März 2006 VI R 13/03, BFH/NV
2006, 1321, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt,
dass das FG die ihm gezogenen Grenzen bei der Würdigung des Sachverhalts in
dem Sinne überschritten hätte, dass sie mit Denkgesetzen oder allgemeinen
Erfahrungssätzen unvereinbar sei, sich in Widersprüche verwickle oder nach den
festgestellten Tatsachen das Ergebnis einer nicht nachvollziehbaren
Schlussfolgerung des FG sei.
16 b) Darüber hinaus fehlt es an einer ausreichenden Darstellung der Gründe
tatsächlicher und rechtlicher Art, die das Urteil des FG nach Auffassung des Klägers
als unrichtig erscheinen lassen.
17 Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb das Besteuerungsrecht für
den streitigen geldwerten Vorteil, selbst wenn es sich um einen Gehaltsbonus für
bereits in der Vergangenheit geleistete Dienste handeln sollte, der Republik Polen
nicht nur anteilig, sondern in vollem Umfang zustehen soll. Das Vorbringen des
Klägers erschöpft sich allein in dieser Behauptung, ohne sich mit den
Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG und dem
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen vom 14. Mai 2003 auseinanderzusetzen.
18 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.