Urteil des BFH vom 05.01.2017
Fehlen von Entscheidungsgründen - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 5.1.2017, VI B 8/16
ECLI:DE:BFH:2017:B.050117.VIB8.16.0
Fehlen von Entscheidungsgründen - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 1.
Dezember 2015 5 K 2692/13 L wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten
Revisionszulassungsgründe liegen --soweit sie überhaupt den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3
der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechen-- jedenfalls nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen des absoluten Revisionsgrunds der fehlenden Begründung der Entscheidung (§ 119
Nr. 6 FGO) zuzulassen.
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a) Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 FGO müssen Urteile einen Tatbestand enthalten und begründet werden. Die
Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der tatsächlichen Feststellungen und wesentlichen
rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Ein
Fehlen von Entscheidungsgründen liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die
getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, z.B.
Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417, und
vom 17. April 2002 X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527; BFH-Beschlüsse vom 8. Dezember 2006
VII B 243/05, BFHE 216, 18, BStBl II 2008, 436, und vom 8. Januar 2014 XI B 120/13, BFH/NV 2014, 686). Das ist
insbesondere der Fall, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde liegt, oder wenn
nicht ersichtlich ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (BFH-Urteil in BFHE 143, 325,
BStBl II 1985, 417). Nach der Rechtsprechung des BFH fehlen die Entscheidungsgründe auch dann, wenn das
Finanzgericht (FG) einen selbständigen, prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder
Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 1993 II R 123/91,
BFH/NV 1994, 46, und vom 22. Januar 2014 V B 63/13, BFH/NV 2014, 702). Unter selbständigen Ansprüchen
oder selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln sind nur die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs-
und Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung
ausgestatteten Rechtsnorm bilden (BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II
1977, 351, und vom 26. März 2003 VI B 151/01, BFH/NV 2003, 1068).
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b) Die Klägerin macht geltend, das FG habe ein selbständiges Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen. In
ihrer Klagebegründung habe sie auf R 40.2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. R 8.1 Abs. 7 Nrn. 1 bis 3 und Nr. 4 Buchst. a und b
der Lohnsteuer-Richtlinien sowie H 8.1 (7) des Lohnsteuer-Handbuchs hingewiesen, nach denen bei der gewählten
Gestaltung die Gestellung von Mahlzeiten gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) pauschaliert werden dürfe. Das FG gehe in seinen Urteilsgründen jedoch mit keinem Wort hierauf ein. Die
Regelung in den Lohnsteuer-Richtlinien sei entscheidungserheblich, weil eine Inhaftungnahme des Arbeitgebers
ermessensfehlerhaft sei, wenn er sich beim Lohnsteuerabzug an die allgemeinen Weisungen der zuständigen
obersten Finanzbehörden der Länder oder des Bundes gehalten habe (Senatsurteile vom 25. Oktober 1985
VI R 130/82, BFHE 144, 569, BStBl II 1986, 98; vom 6. Dezember 1996 VI R 18/96, BFHE 182, 145, BStBl II
1997, 413).
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Wie die Klägerin zutreffend unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung ausführt, ist es ermessensfehlerhaft, einen
Arbeitgeber in Haftung zu nehmen, der die Lohnsteuer entsprechend allgemeiner Weisungen der zuständigen
obersten Finanzbehörden der Länder oder des Bundes einbehalten hat (so auch Senatsurteil vom 13. Juni 2013
VI R 17/12, BFHE 242, 123, BStBl II 2014, 340, zu Billigkeitsregelungen der Verwaltung). Den von der Klägerin
genannten Fundstellen lässt sich indes nur entnehmen, mit welchen Werten an Arbeitnehmer gestellte Mahlzeiten
anzusetzen sind. Eine Aussage dahingehend, dass eine Pauschalierungsmöglichkeit nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Satz 1 EStG auch dann eröffnet ist, wenn in einem auf Antrag des jeweiligen Arbeitnehmers geänderten
Arbeitsvertrag der Barlohn herabgesetzt, zugleich aber ein Anspruch auf Gestellung von Mahlzeiten begründet wird,
lässt sich den Fundstellen nicht entnehmen. Das Vorbringen der Klägerin war demnach kein selbständiges Angriffs-
oder Verteidigungsmittel, auf das das FG in seinen Gründen hätte eingehen müssen, zumal die Bewertung des
Vorteils zwischen den Beteiligten nicht im Streit war.
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2. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), der
Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Diese
wurden --sowohl in der Beschwerdebegründung als auch im Ergänzungsschreiben-- schon nicht in den
Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechender Weise dargelegt.
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a) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der
Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit,
Klärungsfähigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Mai
2013 III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus
welchen Gründen die Klärung der Rechtsfrage im Interesse der Rechtssicherheit, Rechtseinheitlichkeit oder
Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. August
2015 VI B 13/15, BFH/NV 2015, 1672, und vom 4. Juli 2013 III B 69/12, BFH/NV 2013, 1573). Da der
Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) einen Spezialfall der
grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO darstellt, gelten hierfür dieselben
Darlegungsanforderungen (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 185).
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Die Beschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat schon keine konkreten Rechtsfragen
formuliert; allenfalls können Fragen indirekt aus den Ausführungen der Klägerin entnommen werden. Ferner fehlt es
an substantiierten Ausführungen dazu, weshalb diese Fragen im allgemeinen Interesse zu klären sind. Die bloße
Behauptung, es bestehe Klärungsbedarf, die Rechtssicherheit mache eine Entscheidung notwendig bzw. die Sache
sei von grundsätzlicher Bedeutung, ist hierfür nicht ausreichend. Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen,
woraus sich die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Rechtsfrage ergibt. So hat sie nicht dargelegt, in welchem
Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der vermeintlich bedeutsamen
Rechtsfragen zweifelhaft und strittig ist.
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b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß
dargelegt. Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrunds muss der Beschwerdeführer tragende und
abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie
Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander
gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013
VI B 7/13, BFH/NV 2013, 1922). An einem derart substantiierten Beschwerdevorbringen fehlt es vorliegend. Denn
die Klägerin hat schon keine Divergenzentscheidung bezeichnet und die Abweichung des erstinstanzlichen Urteils
hiervon dargelegt.
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c) Die Klägerin wendet sich mit ihren Ausführungen im Grunde gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung.
Mit der darin liegenden Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung kann sie im Beschwerdeverfahren jedoch nicht
gehört werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. September 2008 IX B 110/08, BFH/NV 2009, 39; vom 19. Mai 2010
IX B 198/09, BFH/NV 2010, 1647; vom 30. Oktober 2012 III B 151/11, BFH/NV 2013, 396, und vom 21. März
2013 VI B 155/12, BFH/NV 2013, 1103; jeweils m.w.N.).
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3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2
FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.