Urteil des BFH vom 08.03.2016

Prozesskostenhilfe - Abgabe einer vereinfachten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 8.3.2016, V S 9/16 (PKH)
Prozesskostenhilfe - Abgabe einer vereinfachten Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
1 I. Das Finanzgericht hat der Klage des Klägers, Revisionsbeklagten und Antragstellers
(Antragsteller) gegen die Beklagte (Familienkasse) durch Urteil vom 28. August 2013
stattgegeben und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Die Familienkasse hat
form- und fristgerecht Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren wird beim
beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen V R 40/13 geführt.
2 Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Februar 2016 hat der
Antragsteller beantragt, ihm für die Rechtsverteidigung in dem Revisionsverfahren
Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Gleichzeitig reichte er eine Erklärung über
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein, die aus den Abschnitten A bis
D und H bis K des in der Verordnung zur Verwendung eines Formulars für die
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und
Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfeformularverordnung --PKHFV--, BGBl I
2014, 34) bestimmten Formulars bestand und der als Anlagen ein Bescheid über die
vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie Unterlagen zum Nachweis seiner
Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn beigefügt waren.
Entscheidungsgründe
3 II. Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen nicht vor.
4 1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 117 der
Zivilprozessordnung (ZPO) sind dem Antrag auf PKH eine Erklärung der Partei über
ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege
beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz ist danach ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung
des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
Formulare für die Erklärung einzuführen (§ 117 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Soweit Formulare
für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4
ZPO).
5 Nach § 2 Abs. 2 PKHFV muss eine Partei, die nach dem Zwölften Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XII) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, die
Abschnitte E bis J des in der Anlage bestimmten Formulars nicht ausfüllen, wenn sie
der Erklärung den zum Zeitpunkt der Antragstellung aktuellen Bewilligungsbescheid
des Sozialamtes beifügt, es sei denn, das Gericht ordnet dies ausdrücklich an.
6 2. Der Antrag vom 16. Februar 2016 entspricht diesen Anforderungen nicht.
7 a) Der Antragsteller hat das nach § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 3 und 4 ZPO und § 1
einschließlich Anlage PKHFV verpflichtend eingeführte Formular nur unvollständig
eingereicht. Die Abschnitte E bis G fehlen.
8 b) Die Erklärung des Antragstellers kann nicht als vereinfachte Erklärung nach § 2
Abs. 2 PKHFV behandelt werden. Er hat keinen Bewilligungsbescheid über
Leistungen nach dem SGB XII, sondern einen Bewilligungsbescheid über Leistungen
nach dem SGB II beigefügt.
9 c) Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 PKHFV zugunsten von Antragstellern, die
Leistungen nach SGB II beziehen und darüber einen Bewilligungsbescheid vorlegen,
kommt nicht in Betracht. Eine Analogie erfordert eine vergleichbare Interessenlage
(z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Februar 2015 X R 36/11, BFHE
249, 159, BStBl II 2015, 545, Rz 68). Ein Bescheid über Leistungen nach SGB II gibt
aber nicht in vergleichbarer Weise wie ein Bescheid über Leistungen nach SGB XII
Aufschluss über die Voraussetzungen der PKH, da das Recht der PKH an das
SGB XII anknüpft und die Anspruchsvoraussetzungen nach SGB II und nach
SGB XII voneinander abweichen.
10 d) Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller schon deswegen nicht berufen, weil er
anwaltlich vertreten ist. Zudem muss sich ein Antragsteller über die Voraussetzungen
einer Bewilligung von PKH selbst kundig machen (BFH-Beschluss vom 18. März
2014 III S 35/13 (PKH), BFH/NV 2014, 893, Rz 13).
11 3. Gerichtsgebühren sind für dieses Verfahren nicht zu erheben (§ 142 FGO i.V.m.
§ 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 des
Gerichtskostengesetzes und des Kostenverzeichnisses der Anlage 1).