Urteil des BFH vom 08.12.2015

Innergemeinschaftliche Lieferungen

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 8.12.2015, V B 40/15
Innergemeinschaftliche Lieferungen
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 3 K 45/14 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.
2 1. Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass die Revision nach § 119
Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei, da das Finanzgericht (FG)
"ohne rechtliches Gehör einen Beweisantrag übergangen" habe. Sie habe beantragt,
mittels Auskunft des italienischen Fahrzeugregisters Beweis zu der Frage zu erheben,
ob die PKW, die Gegenstand der streitigen innergemeinschaftlichen Lieferung waren, in
Italien zum Straßenverkehr zugelassen worden sind. Das FG habe nicht erklärt, dass
es dem Beweisantrag nicht nachgehen wollte.
3 2. Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 19. März 2015
V R 14/14 (BFHE 250, 248, BStBl II 2015, 912, Leitsatz) entschieden, dass der
Unternehmer den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen
Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch jenseits der
formellen Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) grundsätzlich
nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen führen darf.
4 Der BFH hat dies damit begründet, dass der Neutralitätsgrundsatz die Steuerbefreiung
zwar auch dann gebietet, wenn der Steuerpflichtige die formellen Anforderungen an den
Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die
Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung dann aber unbestreitbar
feststehen müssen und dass der Unternehmer auch unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich nicht berechtigt ist, den ihm
obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als
durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Somit kommt ein Beweis durch Zeugen
als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich
nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf
Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt
werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in
anderer Form zuzulassen (BFH-Urteil in BFHE 250, 248, BStBl II 2015, 912, unter
II.3.).
5 Danach scheidet die von der Klägerin beantragte Beweiserhebung bereits wegen § 6a
Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV und damit aus Gründen des materiellen Rechts
aus.
6 Der beantragte Beweis wäre nur zu erheben gewesen, wenn der Klägerin die
Einhaltung der § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV "nicht zumutbar" war. Hierfür
liegen keine Anhaltspunkte vor. Damit ist das Urteil nicht verfahrensfehlerhaft, sondern
in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht ergangen, das die von der Klägerin
gewünschte Art der Beweisführung --abgesehen vom Ausnahmetatbestand der
Unzumutbarkeit-- nicht vorsieht (zur Abgrenzung von materiellem Recht und
Verfahrensrecht vgl. auch allgemein BFH-Urteil vom 23. April 2013 VIII R 4/10, BFHE
241, 42, BStBl II 2013, 615).
7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.