Urteil des BFH vom 24.02.2015

Umsätze einer Internet-Apotheke

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 24.2.2015, V B 147/14
Umsätze einer Internet-Apotheke
Leitsätze
Die an Kassenpatienten von einer Internet-Apotheke gezahlten "Aufwandsentschädigungen" für
die Mitwirkung dieser Patienten an ihrer von der Apotheke berufsrechtlich geschuldeten
Beratung mindert nicht die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen
Versandhandelsumsätze gegenüber den Privatpatienten.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom
3. November 2014 1 V 2937/14 A(U) wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) betreibt in den Niederlanden
eine Internet-Apotheke. Sie versendet rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente in das
Inland an Kunden, die entweder privat oder bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert
sind.
2 Die Antragstellerin ist als Apothekerin berufsrechtlich verpflichtet, ihre Kunden im
Zusammenhang mit der Medikamentenlieferung zu informieren und zu beraten. Sie konnte
ihrer Beratungspflicht bei Internetbestellungen nur unter Mitwirkung der Patienten genügen.
Deshalb sagte sie den Patienten für die telefonische oder schriftliche Beantwortung von
Fragen zu ihrer Erkrankung und für die Übersendung eines Rezeptes eine
"Aufwandsentschädigung" in Höhe bis zu 15 EUR bzw. von 1 EUR pro
Rezeptübersendung zu.
3 Die Antragstellerin ging davon aus, dass sie für die Lieferungen an die privat
krankenversicherten Personen (Privatpatienten) gemäß § 3c des Umsatzsteuergesetzes in
der Fassung des Streitjahres (2013) --UStG-- im Inland steuerpflichtige
Versandhandelsumsätze erbracht habe und erstellte demgemäß an Privatpatienten
Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis über die Medikamentenlieferungen, in denen sie
die Aufwandsentschädigung als Entgeltminderung i.S. des § 17 UStG abzog.
4 Demgegenüber erbrachte die Antragstellerin bei von gesetzlich krankenversicherten
Personen (Kassenpatienten) veranlassten Medikamentenlieferungen wegen des
Sachleistungsprinzips nach § 2 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an gesetzliche Krankenkassen.
Demgemäß erstellte sie gegenüber Kassenpatienten lediglich eine Rechnung über den an
die Kasse abzuführenden Zuzahlungsbetrag abzüglich der "Aufwandsentschädigung" und
gegenüber der Krankenkasse eine Rechnung über den eigentlichen Medikamentenbetrag.
5 Im Anschluss an die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2013, in der die
Antragstellerin dementsprechend die Umsätze an Privatpatienten abzüglich der
Aufwandsentschädigungen als im Inland nach § 3c UStG steuerbare
Versandhandelsumsätze erklärt hatte, teilte sie dem Antragsgegner und
Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) mit, dass sie die Bemessungsgrundlage für die
steuerpflichtigen Lieferungen an die Privatpatienten nicht nur um die an diese gezahlten
"Aufwandsentschädigungen", sondern auch um Aufwandsentschädigungen gemindert
habe, die sie an die Kassenpatienten gezahlt habe.
6 Dem folgte das FA nicht und erhöhte die Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 2013 mit
Änderungsbescheid vom 17. Februar 2014 um Umsätze in Höhe von ... EUR
(Umsatzsteuer daraus ... EUR), deren Aussetzung der Vollziehung (AdV) die
Antragstellerin begehrt.
7 Nachdem das FA den Antrag auf AdV abgelehnt hatte, wies auch das Finanzgericht (FG)
den Antrag nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab. Zur Begründung führte das FG
aus, als Entgeltsminderung könnten nur die an die Privatpatienten gezahlten
Aufwandsentschädigungen angesehen werden, da die Entschädigungszahlungen an die
Kassenpatienten mit den zu versteuernden Umsätzen nicht in Zusammenhang stünden.
Eine Änderung der Bemessungsgrundlage scheide bei den steuerfreien Lieferungen der
Antragstellerin an die gesetzlichen Krankenkassen aus (Urteil des Bundesfinanzhofs --
BFH-- vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFH/NV 2014, 1692). Der Auffassung im Schrifttum
(Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz 214), wonach sich in analoger
Anwendung des Art. 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ein Rückforderungsanspruch
aus den Prämien gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern ergebe, sei nicht zu
folgen. Diese Auffassung betreffe nur die Leistungskette mit ausschließlich
vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen, aber nicht --wie vorliegend-- die Lieferung an
nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Krankenkassen.
8 Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Das
FG habe nur begründet, weshalb keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Bescheides bestünden, es habe aber nicht aufgezeigt, woraus sich für die Antragstellerin
"eine gangbare Handlungsalternative" für die Geltendmachung der an die Kassenpatienten
gezahlten Prämien als Entgeltminderung ergäbe, etwa durch Erklärung eines "negativen
Umsatzes" oder dem Abzug der an die gesetzlich Versicherten gezahlten Prämien beim
Umsatz an die Privatpatienten. Trotz des Sachleistungsprinzips werde ein
Vertragsverhältnis zwischen Kassenpatienten und Apotheke begründet, sodass auch bei
Kassenpatienten ein von der Antragstellerin zu versteuernder Versandhandelsumsatz
anzunehmen sei. Zudem könne die Prämie von der als Versandhandelsumsatz zu
versteuernden Zuzahlung abgezogen werden, bei der es sich um eine Zahlung des
Patienten anlässlich des Medikamentenbezuges handele, die nicht Preisbestandteil des
Medikamentenbezuges sei. Die Antragstellerin regt an, im AdV-Verfahren das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen vorzulegen, ob
nach Art. 33 der MwSystRL berücksichtigt werden dürfe, ob eine Arzneimittellieferung aus
dem übrigen Gemeinschaftsgebiet bei einem gesetzlich Versicherten auf dem
Sachleistungsprinzip des § 2 SGB V beruhe und zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb
führe, und es dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung in der Europäischen Union
entspreche, wenn ein Medikamentenumsatz bei einem privat Versicherten anders
behandelt werde als Umsätze mit gesetzlich Versicherten.
Entscheidungsgründe
9 II. Der Antrag auf AdV ist mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
festgesetzten Steuer (§ 69 FGO) unbegründet.
10 1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die an Kassenpatienten gezahlten
"Aufwandsentschädigungen" für die Mitwirkung an ihrer Beratung nicht zu einer
Minderung der Bemessungsgrundlage bei den steuerpflichtigen
Versandhandelsumsätzen gegenüber den Privatpatienten führen. Denn gemäß § 17
UStG liegt eine Entgeltminderung nur dann vor, wenn sich die Bemessungsgrundlage
eines steuerpflichtigen Umsatzes geändert hat. Es muss eine hinreichende Verknüpfung
zu Leistungen bestehen, die der Unternehmer tatsächlich an bestimmte Abnehmer
ausgeführt hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 30. Januar 2014
V R 1/13, BFH/NV 2014, 911). So verhält es sich allenfalls bei Zahlungen, die im
unmittelbaren Zusammenhang mit einer bestimmten Lieferung stehen (hier der
Aufwandsentschädigungen mit den Versandhandelsumsätzen mit Privatpatienten). Dies
ist bei Aufwandsentschädigungen an die Kassenpatienten mit Blick auf die Lieferungen
an die Privatpatienten jedoch nicht der Fall.
11 2. Die Aufwandsentschädigungen gegenüber den Kassenpatienten können auch nicht als
"negative Umsätze" steuermindernd geltend gemacht werden, weil es sich hierbei nicht
um Umsätze der Antragstellerin an die Kassenpatienten handelt, für die diese ein Entgelt
an die Antragstellerin zahlen, sondern umgekehrt um Zahlungen an die Patienten für ihre
Mitwirkungsleistung, die der Antragstellerin erst die Erfüllung ihrer Beratungspflichten
ermöglichen. Ein Vorsteuerabzug ist für die Antragstellerin schon deshalb nicht möglich,
weil die Patienten die Aufwandsentschädigungen nicht der Antragstellerin als
Unternehmer mit Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt haben.
12 3. Das Ziel der Antragstellerin einer Gleichbehandlung der Aufwandsentschädigungen
gegenüber Privat- und Kassenpatienten kann sie nicht erreichen. Denn bei der
Bemessung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen der Medikamente ist
ein Abzug der Zahlung für Beratung von der Bemessungsgrundlage nicht möglich, weil
§ 17 UStG ausdrücklich die Änderung der Bemessungsgrundlage bei einem
"steuerpflichtigen Umsatz" voraussetzt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG; BFH-Urteile in BFH/NV
2014, 1692, und vom 4. Dezember 2014 V R 6/13, BFH/NV 2015, 459).
13 Selbst dann, wenn man in den Lieferungen von Arzneimitteln entgegen der bisherigen
Besteuerung als innergemeinschaftliche Lieferung wie bei Privatpatienten unmittelbare
Umsätze an die Kassenpatienten sehen wollte, für welche die Kasse lediglich im
Innenverhältnis zum Patienten die Kosten ersetzen (wogegen aber schon die
Rechnungsstellung an die gesetzlichen Krankenkassen spricht), wäre die Höhe der
festgesetzten Umsatzsteuer nicht ernstlich zweifelhaft. Denn die Antragstellerin könnte
dann zwar --worauf bereits das FG zutreffend hingewiesen hat-- die
Aufwandsentschädigungen von der Bemessungsgrundlage abziehen, müsste jedoch in
diesem Falle zusätzlich als Inlandsumsätze die an die Kassenpatienten erbrachten
Medikamentenlieferungen versteuern, was nicht zu einer Minderung, sondern zu einer
Erhöhung der Umsatzsteuer führen würde.
14 Die Frage einer Vorabentscheidung durch den EuGH stellt sich in diesem Verfahren nicht.
15 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.