Urteil des BFH vom 10.03.2015

Verfahrensfehler, Ablehnung einer Terminsverlegung; Besorgnis der Befangenheit

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 10.3.2015, V B 108/14
Verfahrensfehler, Ablehnung einer Terminsverlegung; Besorgnis der Befangenheit
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Sächsischen Finanzgerichts vom 25. Juli 2014 6 K 940/14 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2
Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) führen nicht zur Zulassung der Revision.
2 1. Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung eines Termins zur mündlichen
Verhandlung verletzt nur dann den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- und § 96 Abs. 2 FGO), wenn erhebliche
Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung geltend gemacht worden sind (§ 155 FGO
i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Eine schlüssige Rüge dieses
Verfahrensmangels erfordert daher die Darlegung, dass zur Begründung des
Verlegungsantrags derart erhebliche Gründe substantiiert vorgetragen und glaubhaft
gemacht worden sind (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Dezember
2011 V B 37/11, BFH/NV 2012, 956; vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510,
sowie vom 4. August 2005 I B 219/04, BFH/NV 2006, 73, m.w.N.).
3 Eine nicht zu beseitigende Terminsüberlagerung mit einem anderweitigen Rechtsstreit
stellt zwar einen "erheblichen Grund" i.S. von § 227 ZPO dar, lag aber im Streitfall
ersichtlich nicht vor: Der Termin beim Bundespatentgericht fand am Vortag statt und der
Termin beim Amtsgericht in D zwar am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem
Finanzgericht (FG), aber erst um 9:30 Uhr. Zur Vermeidung einer Terminkollision hat das
FG die mündliche Verhandlung von 11:00 Uhr auf 7:00 Uhr vorverlegt, eine Fahrzeit nach
D von zwei Stunden berücksichtigt und sich überdies bereit erklärt, den Termin von
7:00 Uhr auf 6:30 Uhr vorzuverlegen. Gründe, die den Kläger und Beschwerdeführer
(Kläger) in dieser Zeit an der Teilnahme hinderten, hat er weder vorgebracht noch
glaubhaft gemacht. Bloße Unannehmlichkeiten, um den Termin pünktlich wahrnehmen zu
können (wie beispielsweise eine frühe Anreise oder eine Hotelübernachtung), reichen
dagegen für die Annahme eines erheblichen Grundes nicht aus.
4 2. Die Beschwerde ist auch insoweit ohne Erfolg, als sie auf die Ablehnung des
Befangenheitsgesuchs durch das FG gestützt wird.
5 a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO findet die Ablehnung eines Richters
wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist,
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es
darauf an, ob der Prozessbeteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver
Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu
befürchten (BFH-Beschlüsse vom 27. August 1998 VII B 8/98, BFH/NV 1999, 480, und
vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422).
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Misstrauen in die
Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert
darzulegen und glaubhaft zu machen (BFH-Beschlüsse vom 13. September 1991
IV B 147/90, BFH/NV 1992, 320, und in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422).
6 b) Soweit die Beschwerdeschrift das Vorliegen eines Verfahrensmangels darauf stützt,
dass das FG den Befangenheitsantrag des Klägers zu Unrecht abgelehnt habe, ist zu
berücksichtigen, dass Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nach § 128
Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde und damit grundsätzlich auch nicht mit einer
Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden können (§ 124 Abs. 2 FGO). Geltend
gemacht werden können somit nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der
Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein
Zulassungsgrund ist daher nur dann gegeben, wenn die Ablehnung entweder gegen das
Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht wie den Anspruch auf den
gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt wird. Auch das
Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter schützt indes nur vor willkürlichen
Verstößen gegen Verfahrensvorschriften. Eine Besetzungsrüge kann deshalb auch nur
dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sich --woran es vorliegend fehlt-- dem
Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung
des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit
willkürlich war (BFH-Beschlüsse vom 25. Juli 2005 VII B 2/05, BFH/NV 2005, 2035, sowie
vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640).
7 c) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor:
8 aa) Dass der Einzelrichter dem Antrag des Klägers auf Verlegung des Termins für die
mündliche Verhandlung nicht entsprochen hat, lässt eine greifbar gesetzeswidrige
Ablehnung des Befangenheitsgesuchs und damit eine Verletzung des Rechts auf den
gesetzlichen Richter nicht erkennen. Denn der Verlegungsantrag wurde mangels
Vorliegens eines erheblichen Grundes zu Recht abgelehnt (vgl. Ausführungen unter 1.).
9 bb) Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs erweist sich auch nicht insoweit als
greifbar gesetzeswidrig und damit willkürlich, als der Kläger vorbringt, der Einzelrichter
habe eine telefonische Äußerung von ihm mit der Erwiderung quittiert "Da muss ich aber
lachen".
10 (1) Freimütige oder saloppe Formulierungen geben grundsätzlich noch keinen Anlass zur
Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschlüsse vom 29. August 2001 IX B 117/00,
BFH/NV 2002, 63; vom 8. Dezember 1998 VII B 227/98, BFH/NV 1999, 661; vom
27. September 1994 VIII B 64-76/94, BFH/NV 1995, 526, und vom 31. August 1987
IV B 101/86, BFH/NV 1989, 169). Evident unsachliche oder unangemessene sowie
herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters können aber die Besorgnis
der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie den nötigen Abstand zwischen Person und
Sache vermissen lassen (BFH-Beschlüsse vom 13. Januar 1987 IX B 12/84, BFH/NV
1987, 656; vom 6. Februar 1989 V B 119/88, BFH/NV 1990, 45, und vom 21. November
1991 V B 157/91, BFH/NV 1992, 479).
11 (2) Vorliegend begründet die vom Kläger beanstandete Äußerung des Einzelrichters
jedenfalls deshalb keine auf Voreingenommenheit hinweisende Unsachlichkeit, weil der
Einzelrichter --wie sich aus dem Schriftsatz des Klägers vom 22. Juli 2014 ergibt--
anschließend konzediert hat, dass der Absturz des Computers mit allen Steuerdaten auch
in seinen Augen ein anerkennenswertes Problem sei. Danach bestand bei vernünftiger
objektiver Betrachtung kein Anlass mehr, die Voreingenommenheit des abgelehnten
Richters zu befürchten.
12 3. Das FG war trotz des Befangenheitsantrages des Klägers nicht gehindert, in seiner
geschäftsplanmäßigen Besetzung durch Einzelrichter über die Klage zu entscheiden.
Denn das Ablehnungsgesuch war rechtsmissbräuchlich.
13 a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO richtet sich die Entscheidung über ein
Ablehnungsgesuch nach den §§ 45, 47 ZPO. Danach wirkt der abgelehnte Richter an der
Entscheidung grundsätzlich nicht mit. Von diesem Grundsatz gilt jedoch dann eine
Ausnahme, wenn die Ablehnung missbräuchlich ist (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1997
I B 103/97, BFH/NV 1998, 475, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn der Antrag offenbar
grundlos ist (BFH-Beschluss vom 10. August 1987 X B 29/87, BFH/NV 1988, 103) oder
nur der Verschleppung dient (BFH-Beschluss vom 12. November 2009 IV B 66/08,
BFH/NV 2010, 671). Maßgeblich dafür, ob der Antrag zu Recht als missbräuchlich
abgelehnt worden ist, sind die im Antrag vorgebrachten Gründe; später geltend gemachte
Gründe können nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 30. September
1998 XI B 22/98, BFH/NV 1999, 348).
14 b) Vorliegend hat der Kläger den Einzelrichter am FG deswegen abgelehnt, weil dieser
seinen Antrag auf Terminverlegung abgelehnt und sich unsachlich geäußert habe. Diese
Befangenheitsgründe liegen nach den Ausführungen unter 2. c offensichtlich nicht vor.
Darüber hinaus diente der Befangenheitsantrag, wie vom FG zutreffend ausgeführt wird,
der Prozessverschleppung. Denn der Prozessbevollmächtigte beendete das
Telefongespräch mit dem Einzelrichter vom 22. Juli 2014, in dem das Gericht dem Kläger
mitteilte, dass der Termin voraussichtlich nicht verlegt werde, sinngemäß mit den Worten,
er wisse nun, was er zu tun habe. Hierzu instrumentalisierte er eine --schon mehrere
Wochen zurückliegende und bei objektiver Betrachtungsweise keinen Anlass für eine
Befangenheit gebende-- Äußerung des Einzelrichters als Begründung für seinen
Befangenheitsantrag.
15 c) Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig,
entscheidet das Gericht darüber in der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen
Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung der abgelehnten
Richter nach § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedarf (z.B. BFH-Beschluss vom 1. April
2003 VII S 7/03, BFH/NV 2003, 1331). In diesem Fall ist es auch nicht notwendig, über
den Antrag in einem besonderen Beschluss zu entscheiden, sondern es kann im Urteil
darüber mitentschieden werden (BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422;
vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, und vom 31. August 1999
V B 53/97, V S 13/99, BFH/NV 2000, 244).
16 4. Von der Wiedergabe des Tatbestands und einer weiteren Begründung sieht der Senat
gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
17 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.