Urteil des BFH vom 15.12.2015

Verspätungszuschlag bei fehlender Erklärungsabgabe durch Datenfernübertragung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.12.2015, V B 102/15
Verspätungszuschlag bei fehlender Erklärungsabgabe durch Datenfernübertragung
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-
Brandenburg vom 8. Oktober 2015 7 V 7195/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
1 I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer-
Vorauszahlung für März 2015.
2 Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH, die
Umsatzsteuer-Voranmeldungen monatlich abzugeben hat. Mit Schreiben vom
9. Dezember 2013 erteilte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt
--FA--) eine bis zum 30. Juni 2014 befristete Genehmigung zur Abgabe der
Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform. Am 14. August 2014 beantragte die
Antragstellerin, diese Genehmigung bis zum 31. Oktober 2014 zu verlängern. Diesen
Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 11. September 2014 ab. Hiergegen legte die
Antragstellerin Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Hiergegen hat
die Antragstellerin Klage zum Finanzgericht (FG) erhoben, über die noch nicht
entschieden ist.
3 Am 13. Mai 2015 ging die Umsatzsteuer-Voranmeldung März 2015 wiederum in
Papierform beim FA ein. Mit Bescheid vom 21. Mai 2015 setzte das FA
Umsatzsteuer-Vorauszahlung März 2015 unter unveränderter Übernahme der
Angaben in der Umsatzsteuer-Voranmeldung fest. Im gleichen Bescheid setzte es
einen Verspätungszuschlag in Höhe von 1.100 EUR fest. In den Erläuterungen zu
dem Bescheid wird ausgeführt, der Verspätungszuschlag sei "wegen Nichtabgabe /
verspäteter Abgabe der Steuererklärung / Steueranmeldung festgesetzt" worden. Die
Antragstellerin habe die Voranmeldung in Papierform abgegeben. Seit 1. Januar 2013
sei die Voranmeldung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
aber authentifiziert elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz an die
Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Abgabe in Papierform stehe einer Nichtabgabe
gleich, da Gründe, die eine Anerkennung als Härtefall i.S. der §§ 18 Abs. 1 Satz 2
UStG, 150 Abs. 8 der Abgabenordnung (AO) rechtfertigen würden, weder vorgetragen
noch aus den Akten erkennbar seien. Die Festsetzung sei daher nach § 167 Abs. 1
Satz 1 AO erfolgt.
4 Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der
Vollziehung (AdV) des Verspätungszuschlages. Den Aussetzungsantrag lehnte das
FA mit Bescheid vom 1. Juli 2015 ab. Auch hiergegen legt die Antragstellerin
Einspruch ein.
5 Sowohl den Einspruch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages als auch
den Einspruch gegen die Ablehnung des Aussetzungsantrags wies das FA durch
Einspruchsentscheidung zurück.
6 Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages erhob die Antragstellerin Klage
zum FG, über die das FG noch nicht entschieden hat.
7 Zudem beantragte die Antragstellerin beim FG AdV des Verspätungszuschlages.
Diesen Antrag wies das FG zurück. Nach Auffassung des FG bestehen keine
ernstlichen Zweifel daran, dass eine Steuererklärung, die nicht den formalen
Anforderungen entspricht, die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nach sich
ziehen kann, insbesondere, wenn die Erklärung nicht wie vorgeschrieben eingereicht
wird. Die entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht elektronisch, sondern in Papierform
erfolgende Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung stehe einer Nichtabgabe oder
nicht fristgerechten Abgabe i.S. von § 152 Abs. 1 Satz 1 AO gleich. Die Verpflichtung
des Unternehmers, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt
grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, sei
verfassungsgemäß. Es sei nicht ersichtlich, dass die elektronische Übermittlung von
Voranmeldungen für eine im Elektroinstallationsbereich tätige GmbH, die über zwei
Geschäftsführer verfüge, eine Webseite betreibe, eine E-Mailadresse innehabe und
seit Jahren durchgängig hohe Gewinne ausweise, persönlich oder wirtschaftlich
unzumutbar wäre. Gründe, aus denen sich ein Befreiungsanspruch nach § 18 Abs. 1
Satz 2 UStG, § 150 Abs. 8 AO ergebe, könnten nicht aus allgemeinen Bedenken
gegen die Sicherheit der von § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgeschriebenen
elektronischen Übermittlung von Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem
Datensatz durch eine Datenübertragung abgeleitet werden.
8 Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom FG zugelassenen
Beschwerde, mit der sie geltend macht, dass das "Internet" als Übermittlungsform
den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. In Bezug auf die Nutzung des Internets
liege ein Defizit bei der Analyse des Sachverhalts vor. Sie sei nicht zur Übermittlung
von Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz
verpflichtet. Zu berücksichtigen seien die "Snowden-Affäre", der "NSA-
Untersuchungsausschuss" und die gravierenden Rechtsübergriffe, die durch das
Internet erfolgten. Das Bundeskriminalamt habe in seiner Presskonferenz zur
Cyberkriminalität am 27. August 2014 zu den Gefährdungen bei der Nutzung des
Internets informiert. Im Verfahren "ELSTER" seien die Daten über das Internet zur
Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Gefahren ergäben sich auch aus professoralen
Gutachten für den "NSA-Untersuchungsausschuss". Ihre verfassungsrechtlichen
Rechte würden verletzt. Auch im Programm "Java" gebe es Sicherheitslücken. Das
Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik bezweifele, dass Behörden
"Angriffe" erkennen könnten. Ihr sei daher die Abgabe der Umsatzsteuer-
Voranmeldung in Papierform zu genehmigen. Hierauf stehe ihr nach § 150 Abs. 8
Satz 2 AO ein Anspruch zu. Der finanzielle Aufwand für die Datenfernübertragung sei
erheblich.
9 Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung des Verspätungszuschlags
zur Umsatzsteuer-Vorauszahlung März 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 7. August 2015 bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren
auszusetzen.
10 Das FA hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Beschwerde der Antragstellerin wird als unbegründet zurückgewiesen. Es
bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten
Verspätungszuschlags.
12 1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen
Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel
i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer
Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit
oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung
seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66,
BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08,
BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren
gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem
Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom
7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.,
m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die
Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit
überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.).
13 2. Im Streitfall bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten
Verspätungszuschlags.
14 a) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur
Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein
Verspätungszuschlag festgesetzt werden.
15 b) Der Unternehmer hat nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG bis zum zehnten Tag nach
Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich
vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der
Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln, in der er die Steuer für den
Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat.
16 Auf Antrag kann das Finanzamt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zur Vermeidung von
unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Dies setzt gemäß
§ 150 Abs. 8 Satz 1 AO voraus, dass eine Erklärungsabgabe nach amtlich
vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen
wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die
Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich
vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen
Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen
Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die
Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen (§ 150 Abs. 8 Satz 2 AO).
17 c) Im Streitfall steht fest, dass die Antragstellerin die Umsatzsteuer-Voranmeldung
März 2015 nicht in der nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG gebotenen Form abgegeben
hat, ohne dass ein Verzicht hierauf gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG vorlag. Damit ist
die Antragstellerin der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung
März 2015 nicht nachgekommen. Damit war das FA zur Festsetzung eines
Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO berechtigt.
18 Über die Gründe, die die Klägerin gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe entsprechend
§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorbringt, kann im Verfahren über die Festsetzung eines
Verspätungszuschlags nicht entschieden werden. Entscheidungserheblich ist dies
nur im Verfahren über einen Verzicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG. Träfen die
Einwendungen der Antragstellerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe entsprechend
§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG aus den von ihr dargelegten Gründen zu, wäre ihr ein
entsprechender Verzicht zuzubilligen. Ohne Verzicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG
ist für Zwecke des § 152 AO von einer Nichtabgabe auszugehen. Der Vorrang einer
Entscheidung im Verzichtsverfahren dient auch dazu, widersprechende
Entscheidungen zu vermeiden.
19 Im Übrigen liegen Gründe, aus denen der Steuerpflichtige die Abgabe einer
Steuererklärung weiterhin in Papierform statt in der vorgeschriebenen elektronischen
Form verlangen kann, gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO nur
dann vor, wenn die Abgabe in elektronischer Form für den Steuerpflichtigen aus
individuellen Gründen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Die Abwägung
zwischen der durch diese Regelung erstrebten Verwaltungsvereinfachung mit den
Sicherheitsbedenken hat der Gesetzgeber getroffen. Das Gericht kann wegen der
Bindung an das Gesetz hiervon nicht abweichen.
20 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.