Urteil des BFH vom 10.02.2015

Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides als Voraussetzung für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustvortrag

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.2.2015, IX R 6/14
Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides als Voraussetzung für den erstmaligen Erlass
eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustvortrag
Tenor
Die Revision des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Finanzgerichts Düsseldorf vom 6.
Januar 2014 13 K 329/13 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten um die Durchführung einer Verlustfeststellung.
2 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss im Jahr 2005 eine Berufsausbildung zum
Flugzeugmechaniker ab. Im Streitjahr 2008 absolvierte er eine weitere Ausbildung zum
Verkehrsflugzeugführer. Am 19. November 2010 gab der Kläger eine
Einkommensteuererklärung für 2008 ab, in der er u.a. im Rahmen der Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer
als Werbungskosten geltend machte. Das seinerzeit zuständige Finanzamt folgte dieser
Einordnung nicht, sondern ließ die Aufwendungen lediglich nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben im Rahmen des Höchstbetrags
von 4.000 EUR zum Abzug zu. Mit Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 2010
setzte es die Einkommensteuer auf 0 EUR fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger
Einspruch ein. Zur Begründung führte er an, die Ausbildungskosten zum
Verkehrsflugzeugführer seien als Kosten einer Zweitausbildung als Werbungskosten zu
berücksichtigen. Zudem seien noch die von ihm erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit nebst der anrechenbaren Lohnsteuern zu berücksichtigen. Nachdem der Kläger eine
Lohnsteuerbescheinigung hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
nachgereicht hatte, nahm er mit Schreiben vom 10. März 2011 den Einspruch wieder
zurück. Am 24. März 2011 erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2008, der die
bislang nicht erfassten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthielt und im
Abrechnungsteil eine Lohnsteuererstattung vorsah. Der geänderte
Einkommensteuerbescheid wies wiederum eine Einkommensteuer in Höhe von 0 EUR
aus.
3 Am 12. Dezember 2011 gab der Kläger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2008 beim Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab. Darin erklärte er bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit vorab entstandene Werbungskosten für die Ausbildung zum
Verkehrspiloten in Höhe von insgesamt 25.979 EUR. Am 30. Januar 2012 lehnte das FA
den Antrag auf Verlustfeststellung ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen
Erfolg.
4 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Januar
2014 13 K 329/13 F, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 835,
ab. Die vom Kläger begehrte Verlustfeststellung auf den 31. Dezember 2008 werde durch
§ 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010 vom
8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768) ausgeschlossen. Die Anwendungsregel des § 52
Abs. 25 Satz 5 EStG verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot.
5 Mit seiner Revision bringt der Kläger vor, die geltend gemachten Ausbildungskosten seien
in der Folge der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Juli 2008 IX R 86/07
(BFH/NV 2009, 363) anzuerkennen. Eine Verbindung zwischen
Einkommensteuerfestsetzung und Verlustfeststellung habe es im Streitjahr nicht gegeben.
Die Möglichkeit der Verlustfeststellung sei ihm durch das JStG 2010 und die Neufassung
von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG genommen worden, indem eine inhaltliche Bindung
des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid festgeschrieben
worden sei. Diese Bindungswirkung beinhalte jedoch einen Wertungswiderspruch. Denn
bei einer Einkommensteuerfestsetzung auf 0 EUR unterbleibe eine Steuerfestsetzung.
Daher gebe es auch keine Besteuerungsgrundlagen, die für das
Verlustfeststellungsverfahren bindend seien. Die Bindungswirkung greife zudem nicht ein,
wenn bei von Beginn an zutreffender Behandlung die streitigen Verluste im
Einkommensteuerbescheid berücksichtigt worden wären. Die Regelung gelte zudem
erstmals für Verluste, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung
des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben worden sei. Das FG verkenne, dass er
bereits am 19. November 2010 die Einkommensteuererklärung 2008 abgegeben habe, die
die geltend gemachten Werbungskosten und damit den Verlust enthalten habe. Damit habe
er zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Verlustfeststellung gestellt. Die Neuregelung im
JStG 2010 sei zudem verfassungswidrig. Die Neuregelung entfalte echte Rückwirkung und
greife verfassungswidrig in abgeschlossene Veranlagungszeiträume ein. Er habe im
Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01,
BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403) schutzwürdiges Vertrauen in die Abzugsfähigkeit der
Aufwendungen bilden können. Dieses Vertrauen sei der Grund für das von ihm
angestrengte Rechtbehelfsverfahren gewesen. In Gestalt der Ausbildungskosten habe er
aufgrund dieses Vertrauens Dispositionen getätigt.
6 Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2014 13 K 329/13 F sowie den Ablehnungsbescheid
vom 30. Januar 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2013 aufzuheben
und das FA zu verpflichten, einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf
den 31. Dezember 2008 in Höhe von 23.746 EUR festzustellen.
7 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8 II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) zurückzuweisen.
9 Zutreffend hat das FG die vom Kläger begehrte Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2008 auf der Grundlage von
§ 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. durch das JStG 2010 abgelehnt (1.). Die
Anwendung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 auf den
Feststellungszeitpunkt 31. Dezember 2008 ist
10 auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (2.).
11 1. Auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 und § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F.
des JStG 2010 scheidet eine Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den
31. Dezember 2008 aus.
12 a) Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums
verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die
bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen
Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren
Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen
Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2
EStG). Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die
Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des
Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt
wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden
kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351
Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des
JStG 2010). Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 dürfen die
Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur
insoweit abweichend berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder
Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der
festzusetzenden Steuer unterbleibt.
13 Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 wird eine inhaltliche
Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht,
obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist. Die
Besteuerungsgrundlagen sind im Feststellungsverfahren so zu berücksichtigen, wie sie
der letzten bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung zugrunde liegen. Die
Verlustfeststellung entfällt, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen
Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar ist. Ist der Steuerbescheid dieses
Veranlagungszeitraums bestandskräftig und berücksichtigt er keinen Verlust, kommt eine
Verlustfeststellung daher nur noch in Betracht, wenn der Steuerbescheid des
Verlustentstehungsjahres nach den Vorschriften der Abgabenordnung änderbar ist (vgl.
Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 224; Butler, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2013,
1636, 1636 f.; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 10d EStG Rz 127;
Heuermann, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 10d Rz D 90; Lambrecht in Kirchhof,
EStG, 13. Aufl., § 10d Rz 23; Meyer/Ball, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 345, 346;
Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 10d Rz 47; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 10d
EStG Rz 347; Sikorski, NWB 2011, 2191, 2197 f.). Nach der Regelung des § 10d Abs. 4
Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der
Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend von der
Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahrs berücksichtigt werden, wie die
Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels
Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Ist eine Änderung des
Einkommensteuerbescheids unabhängig von der fehlenden betragsmäßigen Auswirkung
auch verfahrensrechtlich nicht möglich, bleibt es bei der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F.
des JStG 2010 angeordneten Bindungswirkung.
14 b) Daran gemessen schließt die fehlende Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen
als Werbungskosten bei der Einkommensteuerfestsetzung 2008 den Erlass eines
Verlustfeststellungsbescheids auf den 31. Dezember 2008 aus. In der letzten
bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008, im Bescheid vom 24. März 2011,
sind die streitigen Ausbildungsaufwendungen nicht im Rahmen des Gesamtbetrags der
Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) als (vorab entstandene) Werbungskosten berücksichtigt,
sondern lediglich nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als beschränkt abziehbare
Sonderausgaben im Rahmen der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG)
abgezogen worden. Da eine Berücksichtigung der Aufwendungen als (vorab
entstandene) Werbungskosten versagt worden ist, scheidet nach § 10d Abs. 4 Satz 4
EStG i.d.F. des JStG 2010 eine Berücksichtigung auch im Rahmen der erstmaligen
Verlustfeststellung aus.
15 Eine von der Einkommensteuerfestsetzung abweichende Berücksichtigung der
Besteuerungsgrundlagen (allein) im Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug nach
§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist nicht möglich. Denn die Änderung des
Einkommensteuerbescheids 2008 ist nicht allein deshalb unterblieben, weil eine
Aufhebung, Änderung oder Berichtigung mangels Auswirkung auf die Höhe der
festzusetzenden Steuer nicht möglich war. Vielmehr konnte eine Änderung des
Einkommensteuerbescheids 2008 deswegen nicht erfolgen, weil dieser wegen der
Rücknahme des eingelegten Einspruchs zwischenzeitlich bestandskräftig geworden war
und eine Änderungsvorschrift nach der Abgabenordnung nicht eingreift.
16 c) § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 sind auch zeitlich auf die
Verlustfeststellung auf den 31. Dezember 2008 anwendbar. Die Vorschriften sind erstmals
anzuwenden für Verluste, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5
EStG). Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat
der Kläger seinen Antrag auf Verlustfeststellung am 12. Dezember 2011 und damit erst
nach dem 13. Dezember 2010 und nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben.
17 2. Die Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010, wonach § 10d Abs. 4
Sätze 4 und 5 EStG auf alle nach dem 13. Dezember 2010 abgegebenen Erklärungen zur
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags anzuwenden ist, ist auch von Verfassungs
wegen nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers überschreitet die
Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010 nicht die Grenzen einer
verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an
das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes
liegen daher nicht vor.
18 a) Nimmt man eine Rückwirkung durch das Inkraftsetzen von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5
EStG durch § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010 an, weil der zur Verlustfeststellung
führende Verlust fast zwei Jahre vor der Gesetzesänderung entstanden ist und dem
Kläger für den streitigen Feststellungszeitraum bis zum Inkrafttreten der Neuregelung im
Dezember 2010 die Möglichkeit der Verlustfeststellung offen gestanden hat (vgl. u.a.
BFH-Urteil vom 17. September 2008 IX R 70/06, BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897), ist
die Rückwirkung im Rahmen der Abwägung zwischen den vom Gesetzgeber verfolgten
Zielen (vgl. dazu BTDrucks 17/2249, S. 51 f.) und dem Vertrauen des Klägers auf den
Fortbestand der bisherigen Rechtslage von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
19 Die Möglichkeit einer Verlustfeststellung trotz bereits bestandskräftiger und
verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung ist dem Kläger
erst durch die BFH-Urteile in BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897, vom 17. September 2008
IX R 69/06 (BFH/NV 2009, 555), vom 17. September 2008 IX R 65/06 (BFH/NV 2009,
385), vom 17. September 2008 IX R 81/07 (BFH/NV 2009, 386), vom 17. September 2008
IX R 92/07 (nicht veröffentlicht) und vom 14. Juli 2009 IX R 52/08 (BFHE 225, 453, BStBl II
2011, 26; vgl. dazu Ettlich, Der Betrieb 2009, 18, 21) eingeräumt worden. Im Hinblick auf
den Wortlaut des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG a.F. war dem Steuerpflichtigen damit auch bei
einer zuvor bestandkräftig auf 0 EUR festgesetzten Einkommensteuer und sogar bei
einem dieser zugrundeliegenden positiven Gesamtbetrag der Einkünfte noch eine
anschließende erstmalige gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges
eröffnet. Mit dieser Rechtsprechungsänderung ist es dem Steuerpflichtigen ermöglicht
worden, in größerem zeitlichen Abstand nach Bestandskraft der
Einkommensteuerfestsetzung noch erstmalig den Erlass von
Verlustfeststellungsbescheiden zu beantragen (vgl. dazu u.a. Ettlich, a.a.O., S. 21;
Sikorski, a.a.O., S. 2196 f.).
20 b) Mit der Änderung in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 hat der
Gesetzgeber die vor Ergehen der geänderten BFH-Rechtsprechung geltende Rechtslage
wiederhergestellt (vgl. BTDrucks 17/2249, S. 51 f.; so auch Butler, NWB 2013, 1636,
1637; HHR/Hallerbach, § 10d EStG Rz 127; Lambrecht, a.a.O., § 10d Rz 23; Meyer/Ball,
DStR 2011, 345, 346; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 10d Rz 47). Vor Ergehen der o.g. BFH-
Urteile lehnten Rechtsprechung und Finanzverwaltung übereinstimmend die erstmalige
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs ab, wenn die
Einkommensteuerveranlagung des betroffenen Jahres bestandskräftig und
verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar war (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998
XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195,
545, BStBl II 2002, 817, jeweils m.w.N.; H 115 Amtliches Einkommensteuer-Handbuch
2001 Stichwort "Feststellungsbescheid" sowie im Schrifttum Lambrecht, in Kirchhof,
EStG, 7. Aufl., § 10d Rz 36, 39; Gatzka/Wilhelm, DStR 2005, 1794, 1798; Valentin, EFG
2006, 1576).
21 Diese Auffassung war zwar nicht unumstritten, aber gefestigt (kritisch zur Rechtsprechung
vgl. Gebhardt, Der Ertragsteuerberater 2003, 234, 235; Gassen in Littmann/Bitz/ Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10d Rz 90; Meyer, DStR 1989, 191, 238;
Meyer/Ball, Deutsche Steuer-Zeitung 1997, 452, 452 f.; Meyer/Ball, DStR 1999, 1257;
Meyer/Ball, Die Information über Steuer und Wirtschaft --INF-- 2002, 551, 553; Paus, INF
2003, 295, 300 f.; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 10d Rz 48; Sikorski, Der AO-
Steuerberater 2001, 187, 189; Süring, DStR 2006, 345). Dem Gesetzgeber ist es im
Rahmen der Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung
verfolgt werden, und dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der Rechtslage in
diesem Fall nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer
Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen
Rechtspraxis entsprach (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02,
2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.1.c, und vom 2. Mai
2012 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20, unter B.I.2.b bb (2).
22 c) Zudem ist hier im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass der Kläger gegen
den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 6. Dezember 2010 zunächst Einspruch
eingelegt hatte, mithin auch nach Inkrafttreten der Änderung des § 10d Abs. 4 Sätze 4
und 5 EStG durch das JStG 2010 am 14. Dezember 2010 die
Einkommensteuerfestsetzung für 2008 noch änderbar war und eine Änderung nur
mangels Auswirkung auf die festgesetzte Steuer unterblieben wäre. Hätte der Kläger
seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 2010 nicht am
10. März 2011 zurückgenommen, wäre auf der Grundlage von § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG
i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I
2011, 2592) sowie der BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 VI R 31/07 (BFH/NV 2009, 1797)
und in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, unter II.1.c bb, die den Abzug von Kosten einer
Zweitausbildung zulassen, eine Berücksichtigung der Aufwendungen im Wege eines
Verlustfeststellungsbescheids möglich gewesen.
23 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.