Urteil des BFH vom 14.06.2016

Anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG - Einbeziehung von sog. Schönheitsreparaturen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 14.6.2016, IX R 22/15
Anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG - Einbeziehung von sog. Schönheitsreparaturen
Leitsätze
1. Unter Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel
oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden
oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird.
2. Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören unabhängig von ihrer handelsrechtlichen
Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der
Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und nicht nach Satz 2 der
Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind. Hierzu gehören auch Kosten für Schönheitsreparaturen.
3. Von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes kann im Regelfall
ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden.
Aufwendungen, die mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im Zusammenhang stehen, können
als sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sein.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25. September 2014 8 K 4017/11 E
aufgehoben, soweit es die Einkommensteuer 2007 und 2009 betrifft.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Einkommensteuerbescheide für 2007 und für 2009 vom 26. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen
vom 11. Oktober 2011 werden mit der Maßgabe geändert, dass die für die Wartung der Heizungsanlage in den Jahren
2007 und 2009 angefallenen Aufwendungen in Höhe von 166,60 EUR bzw. von 59,50 EUR als sofort abzugsfähige
Werbungskosten berücksichtigt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21. Dezember 2006 ein
mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 185.000 EUR. Die
Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf 15.184,45 EUR. Die auf das vermietete Gebäude mit fünf Wohnungen
entfallenden Anschaffungskosten gab der Kläger in der Einkommensteuer 2007 mit 162.781,48 EUR an. Der
Übergang von Nutzen und Lasten erfolgte am 31. Januar 2007.
2
In den Streitjahren (2007, 2008 und 2009) führte der Kläger Instandsetzungs- und Renovierungsmaßnahmen an
dem Mehrfamilienhaus durch. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Modernisierung der Bäder in zwei
Wohnungen, den Austausch von Fenstern, das Verlegen von Fußböden, die Durchführung von
Elektroinstallationsarbeiten, das Streichen von Wänden, den Austausch eines Gasheizgeräts im Erdgeschoss des
Hauses sowie um die Vornahme weiterer Renovierungs- und Reparaturarbeiten in einzelnen Wohnungen sowie im
gesamten Gebäude wie die Reparatur des Daches und der Fassade, die Erneuerung der Gasleitung und der
Heizungsanlage. Darüber hinaus wurde in den Jahren 2007 und 2009 die Heizungsanlage des Hauses gewartet. Die
dafür insgesamt angefallenen Aufwendungen (8.912 EUR brutto in 2007, 29.422 EUR brutto in 2008 und
7.384 EUR brutto in 2009) machte der Kläger in den Streitjahren als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.
3
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer für die Jahre 2007 und
2008 zunächst --unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- erklärungsgemäß festgesetzt hatte, vertrat das FA im Zuge
der Veranlagung für 2009 die Auffassung, dass die in den Jahren 2007 bis 2009 angefallenen
Erhaltungsaufwendungen insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG) anzusehen seien. Die geltend gemachten Aufwendungen
berücksichtigte es --nach Änderung der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008-- in allen Jahren nunmehr
lediglich im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA).
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1179
veröffentlichten Urteil folgte das Finanzgericht (FG) der Auffassung des FA und beurteilte die geltend gemachten
Aufwendungen insgesamt als solche i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Die vom Kläger durchgeführten Reparatur-,
Renovierungs- und Umbaumaßnahmen seien als Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. dieser
Vorschrift zu bewerten. Dabei könne dahinstehen, ob einzelne Maßnahmen bei isolierter Betrachtung als jährlich
anfallende Erhaltungsarbeiten bzw. als Schönheitsreparaturen einzuordnen wären. Denn diese Maßnahmen stünden
jedenfalls in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den anderen Maßnahmen und
könnten daher nicht isoliert betrachtet werden. Entsprechendes gelte in Bezug auf Aufwendungen für Maßnahmen,
die zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 3. Alternative des
Handelsgesetzbuchs (HGB) geführt hätten und daher grundsätzlich nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG fielen. Die
Frage, ob anschaffungsnahe Aufwendungen vorliegen, sei bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude
jedenfalls dann in Bezug auf das Gesamtgebäude zu beantworten, wenn dieses --wie im Streitfall-- nicht in
verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist. Der notwendige räumliche, zeitliche und sachliche Zusammenhang
entfalle im Streitfall auch nicht dadurch, dass die Renovierungs- und Umbaumaßnahmen in den einzelnen Wohnungen
aus unterschiedlichem Anlass und in unterschiedlich stark ausgeprägtem Umfang erfolgt sind.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen (§ 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --
FGO-- i.V.m. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG). Zur Begründung führt er an, das FG habe rechtsfehlerhaft sämtliche Renovierungs- und Umbaumaßnahmen
pauschal als anschaffungsnahen Herstellungsaufwand behandelt, ohne im Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich
insgesamt eine einheitliche Baumaßnahme vorliege. Konkrete Feststellungen zu den Umständen des Streitfalls habe
das FG nicht getroffen. Entgegen der Auffassung des FG seien die durchgeführten Arbeiten nicht zusammen zu
betrachten. Jedenfalls seien aber Aufwendungen für Schönheitsreparaturen und Erhaltungsarbeiten, die wie die
Wartung der Heizung jährlich üblicherweise anfallen, davon auszunehmen.
6
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG vom 25. September 2014, die Einspruchsentscheidungen vom 11. Oktober 2011 und die
Änderungsbescheide für die Einkommensteuerfestsetzung 2007 und 2008 vom 26. Januar 2011 aufzuheben sowie
den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 26. Januar 2011 mit der Maßgabe zu ändern, dass die für die
Renovierungsarbeiten in 2009 angefallenen Aufwendungen in Höhe von 7.384 EUR wie die in 2007 und 2008
angefallenen Aufwendungen in Höhe von 8.912 EUR bzw. 29.422 EUR als sofort abziehbare
Erhaltungsaufwendungen berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8
II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, soweit dieses die
Einkommensteuer 2007 und 2009 betrifft, und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO). Das FG hat zwar zutreffend den überwiegenden Teil der geltend gemachten Aufwendungen für die
vorgenommenen Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungskosten
beurteilt. Entgegen der Auffassung des FG sind jedoch die geltend gemachten Aufwendungen für die Wartung der
Heizung (166,60 EUR in 2007 und 59,50 EUR in 2009) nicht mit einzubeziehen, sondern zum sofortigen
Werbungskostenabzug zuzulassen. Insoweit ist der Klage stattzugeben. Im Übrigen ist die Revision unbegründet
(Streitjahr 2008) und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. Die geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch.
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a) Die vom Kläger gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor.
Eine unzulässige Überraschungsentscheidung hat das FG nicht getroffen. Es hat sich in seiner Entscheidung mit den
schriftlichen und mündlichen Einlassungen des Klägers auseinandergesetzt und seine Entscheidung entsprechend
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens
gewonnenen Überzeugung getroffen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2007 IX R 30/07, BFH/NV
2008, 1300). Ferner hat es keinen bis dahin unerörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur
Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Das FG war unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs
indes weder gehalten, das Ergebnis seiner Gesamtwürdigung mit den Beteiligten vorab zu erörtern, noch war es
verpflichtet, der tatsächlichen und rechtlichen Auffassung des Klägers zu folgen.
11
b) Das FG hat auch nicht --wie vom Kläger gerügt-- seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt. Auf
der insoweit maßgeblichen Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG ist nicht ersichtlich, dass sich
ihm --ohne entsprechenden Beweisantrag-- eine weitere Sachaufklärung zu den konkreten Umständen der
einzelnen Renovierungsmaßnahmen aufdrängen musste. In der Sache wendet sich der Kläger vielmehr gegen die
Richtigkeit der finanzgerichtlichen Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls; damit macht er materiell-
rechtliche Fehler des FG geltend, nicht aber einen Verfahrensfehler. Insoweit kann dahinstehen, ob der rechtskundig
vertretene Kläger mangels entsprechender Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren sein Rügerecht verloren hat (vgl.
hierzu § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 2003 III B 117/02,
BFH/NV 2003, 810, und vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43).
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2. Aufwendungen, die --wie im Streitfall-- durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz
1 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen
der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG).
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a) Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den
Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes,
seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung
entstehen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. September 2009 IX R 21/08, BFH/NV 2010, 846).
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Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG
auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der
Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der
Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen
erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort
abziehbar. Nicht zu diesen Aufwendungen gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG die Aufwendungen für
Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich
üblicherweise anfallen.
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b) Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ist
gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Hierunter sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch
die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst
beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den
Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher insbesondere Aufwendungen für die
Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der
Fenster und der Dacheindeckung, die --ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG-- vom Grundsatz her
als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 846).
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c) Hierzu gehören grundsätzlich auch sogenannte Schönheitsreparaturen wie das Tapezieren, Anstreichen oder
Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der
Fenster, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden und die hierfür angefallenen
Aufwendungen --gegebenenfalls zusammen mit weiteren Aufwendungen für bauliche Maßnahmen-- ohne
Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten übersteigen (a.A. Schmidt/Kulosa, EStG, 35. Aufl., § 6 Rz 382, 386;
Trossen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 447, 448; vgl. zum Begriff der Schönheitsreparaturen § 28 Abs. 4
Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung; Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 535 Rz 41).
Denn auch Schönheitsreparaturen in diesem Sinne sind bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an
vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes beseitigt werden.
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aa) Der Senat führt insoweit seine Rechtsprechung zur Einbeziehung von Schönheitsreparaturen in die
anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG fort (BFH-Urteil vom 25. August
2009 IX R 20/08, BFHE 226, 256, BStBl II 2010, 125). Soweit der BFH in seinem Urteil in BFHE 226, 256, BStBl II
2010, 125 noch einen engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Schönheitsreparaturen zu
einer als einheitlich zu würdigenden Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes gefordert hat, hält der Senat
hieran indes nicht mehr fest.
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Weder der Gesetzeswortlaut noch der systematische Zusammenhang der Sätze 1 und 2 der Vorschrift sprechen
dafür, dass Aufwendungen für Schönheitsreparaturen vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG
ausgenommen sind. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG gehören ausdrücklich nur
Aufwendungen für Erweiterungen i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten,
die jährlich üblicherweise anfallen, nicht zu den Aufwendungen i.S. des Satzes 1 der Vorschrift. Zu den üblicherweise
jährlich anfallenden Erhaltungsarbeiten zählen Schönheitsreparaturen jedoch nicht, da diese im Regelfall nicht jährlich
vorgenommen werden (vgl. auch Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 386; Spindler, Der Betrieb --DB-- 2004, 507, 510).
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bb) Für diese Auslegung spricht auch der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG
verfolgte Zweck, einerseits die bis zur Rechtsprechungsänderung des Senats durch die Urteile vom 12. September
2001 IX R 39/97 (BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569) und IX R 52/00 (BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574)
bestehende Rechtslage zum anschaffungsnahen Aufwand gesetzlich festzuschreiben und andererseits aus Gründen
der Rechtsvereinfachung und –sicherheit eine typisierende Regelung zu schaffen (vgl. Begründung des Entwurfs
eines Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften --Steueränderungsgesetz 2003--, BTDrucks
15/1562, S. 32). Dieser gesetzlichen Intention einer Typisierung würde es aber widersprechen, wenn man im
Rahmen einer im Anschluss an den Erwerb vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes
einzelne Arbeiten isoliert und damit stets den konkreten statt den typischen Fall betrachten müsste (vgl. insoweit
bereits BFH-Urteil in BFHE 226, 256, BStBl II 2010, 125).
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d) Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören darüber hinaus auch Aufwendungen für
eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes i.S. von § 255
Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem
Erwerb des Gebäudes anfallen (ebenso Wendt, in: Festschrift für Wolfgang Spindler, Steuerrecht im Rechtsstaat,
2011, S. 879, 890; für eine generelle Einbeziehung solcher Aufwendungen Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 416;
Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 385, sowie Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 482; ablehnend
dagegen Werndl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 6 Rz Ba 15, Ba 34; Söffing, DB 2004, 946, 947;
Fahlenbach, DStR 2014, 1902, 1906).
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aa) Dass Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes bereits nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB
zu Herstellungskosten führen, steht dem nicht entgegen. Zwar werden die in § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG
verwendeten Begriffe "Anschaffungskosten" und "Herstellungskosten" in der Regel auch im Bereich der
Überschusseinkünfte i.S. von § 255 HGB ausgelegt. Im Hinblick auf den Wortlaut und den systematischen
Zusammenhang von Satz 1 und Satz 2 der Vorschrift sowie deren Sinn und Zweck ist § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1
EStG jedoch gegenüber § 255 HGB als einkommensteuerrechtliche Sonderregelung zur Behandlung von
Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Anschluss an den Erwerb eines Gebäudes
zu verstehen.
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bb) Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören danach unabhängig von ihrer
handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Kosten für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang
mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und nicht nach
Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Aufwendungen
für eine wesentliche Verbesserung vom Anwendungsbereich der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG
ausnehmen wollte, sind nicht ersichtlich. Wortlaut und Systematik der Vorschrift sprechen vielmehr dafür, dass der
Gesetzgeber bewusst den Begriff der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen weit
verstehen und eine im Einzelfall schwierige Abgrenzung von Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten wegen
einer wesentlichen Verbesserung vermeiden wollte.
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e) Ob Aufwendungen für bauliche Maßnahmen im Rahmen einer im Zusammenhang mit dem Erwerb eines
Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung angefallen sind, ist vom FG im Rahmen seiner
tatrichterlichen Würdigung zu beantworten. Dabei kann im Regelfall von einer Renovierung und Modernisierung im
Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb
von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden. Insoweit enthält die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a
EStG eine Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten, ohne dass es einer
Einzelfallprüfung bedarf. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Renovierungsmaßnahmen in diesem
Zeitraum unmittelbar im Anschluss an den Erwerb des Gebäudes oder im Zuge eines Mieterwechsels
vorgenommen werden. Übersteigen die hierfür angefallenen Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der für
den Erwerb des Gebäudes aufgewandten Anschaffungskosten, sind diese insgesamt als anschaffungsnahe
Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zu behandeln.
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f) Die Zurechnung von anschaffungsnahen Aufwendungen zu den Herstellungskosten bedeutet allerdings nicht, dass
es in diesen Jahren überhaupt keinen sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand geben könnte. Aufwendungen, die
mit den Umbau-, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im Zusammenhang stehen, können als
sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sein. Hierunter fallen insbesondere
Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen und daher nach Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich nicht
zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gehören. Zu den jährlich
üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen in diesem Sinne gehören insbesondere Aufwendungen für
regelmäßige Wartungsarbeiten wie laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen
und -verkalkungen oder Ablesekosten (Trossen, DStR 2012, 447, 449; ähnlich Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 386;
Spindler, DB 2004, 507, 510; Pezzer, DStR 2004, 525, 528).
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g) Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen zu
anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG führen, ist bei einem aus mehreren
Einheiten bestehenden Gebäude dann auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das Gesamtgebäude nicht in
unterschiedlicher Weise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist
(Umkehrschluss aus BFH-Urteil vom 25. September 2007 IX R 28/07, BFHE 219, 96, BStBl II 2008, 218; vgl. auch
Wendt, in: Festschrift für Wolfgang Spindler, a.a.O., S. 879, 893; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 382;
Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 427). Maßgeblich ist insoweit, ob zwischen den Gebäudeteilen ein einheitlicher
Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Dezember 2010 IX R 14/10, BFH/NV
2011, 1302).
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3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zutreffend die für die durchgeführten Umbau-, Renovierungs-
und Modernisierungsmaßnahmen angefallenen Aufwendungen insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten
i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG beurteilt. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen
angegriffenen und daher den BFH bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG hat der Kläger innerhalb
von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes sukzessive auf sämtlichen Etagen Renovierungs- und
Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Dem Umstand, dass die Arbeiten teilweise im Zuge eines
Mieterwechsels vorgenommen worden sind, hat das FG zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Diese
Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten führten zu Kosten von insgesamt 38.227 EUR ohne Umsatzsteuer,
die über 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes (162.781 EUR) liegen. Dabei hat das FG zutreffend auf das
gesamte Gebäude abgestellt, da das aus fünf Wohnungen bestehende Mehrfamilienhaus nach den Feststellungen
des FG einheitlich zu Vermietungszwecken genutzt wird. Ebenfalls zu Recht hat das FG es als unerheblich
angesehen, ob einzelne Baumaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes geführt haben und
damit als Herstellungskosten i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu beurteilen sind.
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4. Das FG hat jedoch zu Unrecht auch die für die Wartung der Heizungsanlage angefallenen Kosten den
anschaffungsnahen Herstellungskosten zugeordnet. Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich insoweit um
regelmäßig jährlich anfallende Wartungsarbeiten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG, die nicht im
Zusammenhang mit etwaigen Umbau-, Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen stehen. Die hierfür
entstandenen Kosten können daher in den jeweiligen Streitjahren als Werbungskosten abgezogen werden.
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Da das FG teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil aufzuheben, soweit dieses die
Einkommensteuer 2007 und 2009 betrifft. Die Sache ist spruchreif. Die geltend gemachten Aufwendungen für die
Wartung der Heizung in Höhe von 166,60 EUR im Jahr 2007 und in Höhe von 59,50 EUR im Jahr 2009 sind nicht in
die Berechnung der anschaffungsnahen Herstellungskosten einzubeziehen, sondern zum sofortigen
Werbungskostenabzug zuzulassen. Die angefochtenen Bescheide sind entsprechend zu ändern. Die Neuberechnung
der Einkommensteuer nach Maßgabe der Entscheidungsgründe wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2
FGO).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.