Urteil des BFH vom 16.06.2015

Vorab entstandene Werbungskosten im Rahmen des § 21 EStG - Keine Anwendung von § 23 EStG bei Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 16.6.2015, IX R 21/14
Vorab entstandene Werbungskosten im Rahmen des § 21 EStG - Keine Anwendung von §
23 EStG bei Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 18.
Dezember 2013 10 K 257/10 E,F sowie der Einkommensteuerbescheid für 2006 und die
Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur
Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2003, auf den 31. Dezember 2004, auf den 31.
Dezember 2005 und auf den 31. Dezember 2006, datierend vom 21. bzw. 28. Oktober 2008,
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2009 mit der Maßgabe geändert,
dass der Ansatz von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften aus der Veräußerung
der "Flurstücke 1 und 2" unterbleibt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Klageverfahrens haben der Kläger zu 5 % und der Beklagte zu 95 % zu
tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 17 % und der Beklagte zu 83 %
zu tragen.
Tatbestand
1 I. Zwischen den Beteiligten ist im Revisionsverfahren noch streitig, in welcher Höhe
der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Jahren 2005 und 2006 vorab
entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung geltend machen kann und ob der Kläger aus der Veräußerung von zwei
Grundstücken ("Flurstücke 1 und 2") Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
erzielt hat.
2 1. Der Kläger erwarb in den 1970er Jahren ein Zweifamilienhaus, das er teilweise
vermietete und teilweise zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Ab dem Jahr 1999 begann
er, das Objekt zu einem Mehrfamilienhaus mit sieben Wohneinheiten umzubauen. Ab
dem Jahr 2000 verzögerte sich die Fertigstellung des Bauvorhabens durch die
Insolvenz des beauftragten Bauunternehmers. Im Jahre 2006 wurde der Bau auf
Betreiben eines Nachbarn bauordnungsrechtlich stillgelegt. Im Zuge einer von dem
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) im Jahr 2008 durchgeführten
Außenprüfung wurde festgestellt, dass sich das Gebäude noch immer im
Rohbauzustand befand; der Kläger lebte zu diesem Zeitpunkt im Keller in dem
einzigen beheizbaren Raum des Gebäudes. 2009 wurde über das Objekt die
Zwangsverwaltung angeordnet; es wurde 2011 zwangsversteigert.
3 Das FA erkannte die vom Kläger in den Streitjahren 2003 bis 2006 geltend gemachten
--und ursprünglich bei der Einkommensteuerveranlagung antragsgemäß
berücksichtigten-- Aufwendungen für den Umbau des Mehrfamilienhauses nach
Durchführung der Außenprüfung nicht mehr als vorab entstandene Werbungskosten
bei den Einkünften aus Vermietung an. Es vertrat insoweit die Auffassung, dass dem
Kläger hinsichtlich des betreffenden Objekts die erforderliche
Überschusserzielungsabsicht fehle, da nicht erkennbar sei, ob und wann das Objekt
einer einkommensteuerrechtlich relevanten Nutzung zugeführt und dadurch ein
Totalüberschuss erwirtschaftet werden könne.
4 2. Im Jahr 1981 erwarb der Kläger durch notariell beurkundeten Tauschvertrag zwei
unbebaute Grundstücke von der Stadt X. Wegen anderweitiger Streitigkeiten mit dem
Veräußerer erklärte der Kläger im Jahr 1990 den Rücktritt vom Tauschvertrag. Im
Zuge eines vom Kläger angestrengten Klageverfahrens wurde die Stadt X durch Urteil
des Oberlandesgerichts (OLG) vom 14. März 1994 zur Rückgewähr der vom Kläger
empfangenen Gegenleistung Zug um Zug gegen Rückübertragung der beiden
Grundstücke verurteilt. Unter dem 25. April 1994 schlossen der Kläger und die
Stadt X eine privatschriftliche Vereinbarung, nach deren Ziffer 1 sich die Stadt X
verpflichtete, keine Revision gegen das Urteil des OLG einzulegen, und nach deren
Ziffern 3 und 3.1 die Stadt X unverzüglich mit dem Kläger Verhandlungen aufnehmen
sollte mit dem Ziel, dass der Kläger die maßgeblichen Grundstücke behalten dürfe.
Mit notariell beurkundeter "Abwicklungsvereinbarung" vom 16. September 1997
vereinbarten der Kläger und die Stadt X "zur endgültigen Abwicklung" des
Tauschvertrages u.a., dass der Kläger Eigentümer der maßgeblichen Grundstücke
bleiben sollte und zusätzlich zum bereits geleisteten Kaufpreis einen Wertausgleich
hinzuzahlen müsse.
5 Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 9. April 2003 und 4. August 2003 veräußerte
der Kläger den überwiegenden Teil der durch den Tauschvertrag erworbenen
Grundstücksflächen. Das FA vertrat insoweit die Auffassung, dass dem Kläger aus
der Veräußerung der Grundstücke Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in
den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) zugeflossen seien. Die maßgeblichen
Grundstücke seien erst durch die Abwicklungsvereinbarung im Jahr 1997 i.S. des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG "angeschafft" worden. Denn der Kläger habe durch den
Rücktritt vom Tauschvertrag das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken
wieder verloren; erst durch die Abwicklungsvereinbarung sei die schuldrechtliche
Verpflichtung des Klägers zur Rückübertragung der Grundstücke entfallen. Danach
liege zwischen der "Anschaffung" im Jahr 1997 und der notariell beurkundeten
Veräußerung im Jahr 2003 ein Zeitraum, der die Veräußerungsfrist von zehn Jahren
unterschreite.
6 3. Dementsprechend änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 2006 sowie
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags
zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2003, auf den 31. Dezember 2004, auf
den 31. Dezember 2005 und auf den 31. Dezember 2006 und setzte in den
Streitjahren zum einen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften an und
berücksichtigte zum anderen die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse
aus dem Umbau des Mehrfamilienhauses nicht mehr. Die hiergegen gerichteten
Einsprüche des Klägers hatten in den in diesem Verfahren noch streitigen Punkten
keinen Erfolg.
7 4. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Das FG vertrat die
Auffassung, dass der Kläger auch in den Streitjahren 2003 bis 2006 grundsätzlich die
Absicht gehabt habe, Einkünfte aus einer künftigen Vermietung des noch im Umbau
befindlichen Mehrfamilienhauses zu erzielen. Allerdings ging das FG bei Würdigung
der Umstände des Einzelfalles davon aus, dass der Kläger nicht die gesamte
Wohnfläche des Mehrfamilienhauses fremden Wohnzwecken habe zuführen wollen,
sondern dass er weiterhin in dem Objekt wohnen werde und daher einen --
schätzweise-- mit 60 qm Wohnfläche bemessenen Bereich künftig zu eigenen
Wohnzwecken habe nutzen wollen. Aufwendungen, die der Kläger auf den in Zukunft
der Selbstnutzung dienenden Bereich getätigt habe, könne er nicht als vorab
entstandene Werbungskosten geltend machen. Im Übrigen vertrat das FG die
Auffassung, dass der Kläger durch die notariell beurkundete Veräußerung der beiden
Grundstücke im Jahr 2003 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt
habe. Zwar habe der Kläger auf Grundlage des Tauschvertrages im Jahr 1981 das
zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken erworben; er habe
indes das wirtschaftliche Eigentum an diesen Grundstücken durch seine
Rücktrittserklärung, deren Wirksamkeit durch das Urteil des OLG im Jahr 1994
bestätigt worden sei, wieder verloren. Der Tauschvertrag sei in ein
Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, so dass der Kläger zur
Rückgewähr der Grundstücke an den Verkäufer verpflichtet gewesen sei.
Unbeschadet des Umstandes, dass der Kläger die Grundstücke im Ergebnis habe
behalten wollen, liege die endgültige Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG erst in der notariell beurkundeten Abwicklungsvereinbarung vom 16. September
1997, mit der die Verpflichtung des Klägers zur Rückgewähr der Grundstücke
entfallen sei und er sich zur Zahlung eines Wertausgleichs verpflichtet habe. Der
gesamte Gewinn aus den Veräußerungen sei auch steuerbar, da die frühere, lediglich
zwei Jahre umfassende Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a
EStG im Zeitpunkt der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) noch nicht abgelaufen gewesen sei. Allerdings
sei die Höhe der erzielten Veräußerungsgewinne um die vom Kläger nicht im
einzelnen nachgewiesenen Anschaffungsnebenkosten (Notarkosten;
Grundbuchkosten; Grunderwerbsteuer) zu mindern; diese Kosten seien mit 5 % der
Anschaffungskosten für das jeweilige Grundstück zu schätzen.
8 5. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er vertritt die Auffassung, dass
eine Minderung der vorab entstandenen Werbungskosten um einen Anteil für die
künftig beabsichtigte teilweise Selbstnutzung des Mehrfamilienhauses nicht zulässig
sei. Er habe im Streitzeitraum einen Kellerraum im Anwesen bewohnt, der allenfalls
eine Größe von 12 qm gehabt habe. Hinsichtlich der Veräußerung der
Grundstücksflächen weist der Kläger darauf hin, dass er im Jahr 1981 zivilrechtlicher
Eigentümer der im Jahr 2003 veräußerten Flächen geworden und während des
gesamten, vorstehend genannten Zeitraums als solcher im Grundbuch eingetragen
gewesen sei. Er habe auch nicht, wovon das FA ausgehe, zwischenzeitlich das
wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken verloren. Insbesondere führe die
Rücktrittserklärung nicht dazu, dass das wirtschaftliche Eigentum vor der
(vollständig) vollzogenen Durchführung des Rückabwicklungsverhältnisses, welche
auch die Rückgewähr der Gegenleistung Zug um Zug gegen die Rückgewähr des
Eigentums an den Grundstücken umfasse, an den Verkäufer zurückfalle. Jedenfalls
aber habe er mit dem Verkäufer schon im April 1994 und mithin vor Rechtskraft der
Entscheidung des OLG formwirksam vereinbart, dass er die maßgeblichen
Grundstücke behalten dürfe.
9 Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des FG Münster vom 18. Dezember 2013 10 K 257/10 E,F
aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2006 sowie die Bescheide über
die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer
auf den 31. Dezember 2003, auf den 31. Dezember 2004, auf den 31. Dezember
2005 und auf den 31. Dezember 2006, datierend vom 21. bzw. 28. Oktober 2008,
sämtlich in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2009, dahin
zu ändern, dass die geltend gemachten vorab entstandenen Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß berücksichtigt und
keine Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt werden.
10 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Stattgabe der Klage, soweit das FG den
Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften unbeanstandet
gelassen hat; im Übrigen war die Klage abzuweisen.
12 1. Die Entscheidung des FG, die vom Kläger geltend gemachten
Werbungskostenüberschüsse aus dem Umbau des Mehrfamilienhauses dem
Grunde nach bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu
berücksichtigen, jedoch um einen der Selbstbenutzung vorbehaltenen Anteil zu
kürzen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
13 a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind
Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von
Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung
und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen
Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden)
Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen
erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt
werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen
den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt
wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten
bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der
Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten
Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung
später nicht aufgegeben hat. Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem
Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine
Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen vorliegt; es ist bei seiner
tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner
Umstände gebunden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Januar
2015 IX R 46/13, BFH/NV 2015, 668, m.w.N.).
14 b) Nach diesen Maßstäben hat das FG die grundsätzliche Berücksichtigung der
Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren zu Recht bejaht. Denn nach den
nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit
gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des
FG hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er sich --wenngleich erfolglos--
jedenfalls in den Streitjahren nach Kräften bemüht habe, den Fortgang der
Umbauarbeiten voranzutreiben, um eine erneute Nutzung des --bereits früher
teilweise vermieteten-- Objekts zu fremden Wohnzwecken zu erreichen.
15 Soweit das FG andererseits aus den sonstigen von ihm festgestellten Umständen
nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass der Kläger in den Streitjahren endgültig
zur Vermietung der gesamten Wohnfläche des Mehrfamilienhauses entschlossen
gewesen sei, ist dies nach dem eingeschränkten Maßstab revisionsrechtlicher
Kontrolle ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet es keinen
Bedenken, wenn das FG aufgrund der früheren (anteiligen) Nutzung des
Mehrfamilienhauses zu Wohnzwecken des Klägers den Schluss zieht, dass dieser --
mangels anderweitiger Alternativen-- auch künftig einen für eine alleinstehende
Person mit 60 qm ausreichend bemessenen Wohnbereich selbst werde nutzen
wollen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger
während des Umbaus einen Kellerraum im Anwesen bewohnt hat, welcher lediglich
eine Nutzfläche von 12 qm aufwies.
16 2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Veräußerung
der maßgeblichen Grundstücke die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG von zehn Jahren noch nicht abgelaufen war.
17 a) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung
und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr
als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten
Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsgutes
beginnt und mit dessen Veräußerung endet.
18 Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und
die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person
aufgefasst. Darüber hinaus können aber auch andere marktoffenbare Vorgänge als
Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG zu beurteilen sein (vgl. BFH-Urteil vom
27. Juni 2006 IX R 47/04, BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162, m.w.N. mit Beispielen).
Demgegenüber liegt eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht
vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein
Abwicklungsverhältnis verwandelt. Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften
Wirtschaftsgutes stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern
nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. November 2005 III ZR 350/04,
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2006, 723; BFH-Urteil in BFHE
214, 267, BStBl II 2007, 162).
19 b) Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist
nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in
dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag abgeschlossen wird; allerdings kann auch
schon vor Abschluss eines notariell beurkundeten Kaufvertrages wirtschaftlich der
Vollzug eines Erwerbs gegeben sein. Dies setzt voraus, dass dem Erwerber bereits
zu diesem früheren Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt --bei
Grundstücken regelmäßig durch Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten--
übertragen wird (z.B. BFH-Urteil vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171,
m.w.N.).
20 c) Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Vorentscheidung einer
revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand; das FG hat den Ansatz von Einkünften aus
privaten Veräußerungsgeschäften aus der Veräußerung der "Flurstücke 1 und 2" zu
Unrecht für zutreffend erachtet.
21 Der Kläger hat die maßgeblichen Grundstücke durch die schuldrechtlichen
Vereinbarungen im Grundstückstauschvertrag und durch die Eintragung als
(zivilrechtlicher) Eigentümer im Grundbuch im Jahr 1981 erworben (§§ 873 Abs. 1,
925 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). In steuerrechtlicher Hinsicht
liegt bereits in dem Abschluss des obligatorischen Grundstückstauschvertrages eine
"Anschaffung" der genannten Wirtschaftsgüter i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Mit der Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 hat sich das ursprüngliche,
auf die Verschaffung des Eigentums an den Grundstücken gerichtete (und insoweit
auch in vollem Umfang vollzogene) Vertragsverhältnis in ein
Rückgewährschuldverhältnis verwandelt (§ 346 Abs. 1 BGB). Der Rücktritt betrifft --in
zivilrechtlicher Hinsicht-- nur das schuldrechtliche Verpflichtungsverhältnis;
demgegenüber bleiben zur Erfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen
vorgenommene (dingliche) Verfügungen in Kraft und müssen durch gegenläufige
Verfügungen rückabgewickelt werden. In steuerrechtlicher Hinsicht folgt hieraus, dass
mit der (tatsächlich durchgeführten) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts
kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG verwirklicht wird; denn die Herausgabe des zuvor angeschafften
Wirtschaftsgutes ist keine Veräußerung im Sinne der genannten Vorschrift (s. BFH-
Urteil in BFHE 214, 267, BStBl II 2007, 162; BGH-Urteil in HFR 2006, 723). Dies gilt
erst recht, wenn --wie im Streitfall-- die Rückabwicklung trotz eines titulierten
Anspruchs nicht durchgeführt wird. Danach hat der Kläger die im Jahr 1981
angeschafften Grundstücke durch die Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr
1990 nicht wieder an den ursprünglichen Verkäufer (zurück-)veräußert.
22 Das FG hat daneben keinerlei Feststellungen dahin getroffen, dass der Kläger in
zeitlichem Zusammenhang mit der Abgabe seiner Rücktrittserklärung dem
Veräußerer auf andere Weise das (wirtschaftliche) Eigentum an den maßgeblichen
Grundstücksflächen verschafft hat. Der Kläger war weiterhin als Eigentümer im
Grundbuch eingetragen; ein vorzeitiger Übergang von Besitz, Gefahr sowie
Nutzungen und Lasten auf die Stadt X --als ursprünglicher Veräußerer-- ist vom FG
nicht festgestellt und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Es ist auch nicht
erkennbar, dass der Veräußerer zwischenzeitlich auf andere Weise wieder die
tatsächliche Herrschaft über die Grundstücke erlangt und in einer Weise ausgeübt
hat, dass er den Kläger --als zivilrechtlichen Eigentümer-- von der Einwirkung auf das
Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen konnte (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 der
Abgabenordnung).
23 Vor diesem Hintergrund bleibt für die Annahme, der Kläger habe die maßgeblichen
Grundstücke im Zuge der Abwicklungsvereinbarung vom 16. September 1997
("erneut" bzw. "endgültig") angeschafft, kein Raum. Vielmehr verbleibt es dabei, dass
die für den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgebliche Anschaffung
der streitgegenständlichen Grundstücke im Jahr 1981 stattgefunden hat. Aus dem
Umstand, dass der Kläger aus anderen Gründen bereit war, im Zuge der
Abwicklungsvereinbarung für diese Grundstücke einen Wertausgleich zu
übernehmen, der steuerrechtlich zu nachträglichen Anschaffungskosten geführt hat,
ergibt sich nichts anderes. Soweit der Kläger Teilflächen aus den genannten
Grundstücken im Jahr 2003 weiterveräußerte, liegt danach kein steuerbares privates
Veräußerungsgeschäft vor; denn zwischen Anschaffung und Veräußerung liegt ein
Zeitraum von mehr als zehn Jahren.
24 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.